Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2012 Nr. 31 vom 14.12.2012 Seite 719 bis 730

Vergabegrundsätze für Gemeinden (GV) nach § 25 Gemeindehaushaltsverordnung NRW (GemHVO NRW) (Kommunale Vergabegrundsätze) RdErl. d. Ministeriums für Inneres und Kommunales – 34-48.07.01/01-169/12 v. 6.12.2012
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Vergabegrundsätze für Gemeinden (GV) nach § 25 Gemeindehaushaltsverordnung NRW (GemHVO NRW) (Kommunale Vergabegrundsätze) RdErl. d. Ministeriums für Inneres und Kommunales – 34-48.07.01/01-169/12 v. 6.12.2012

6300

Vergabegrundsätze für Gemeinden (GV)
nach § 25 Gemeindehaushaltsverordnung NRW (GemHVO NRW)
(Kommunale Vergabegrundsätze)

RdErl. d. Ministeriums für Inneres und Kommunales – 34-48.07.01/01-169/12
v. 6.12.2012

Gemäß § 25 Absatz 2 GemHVO NRW haben die Gemeinden bei der Vergabe von Aufträgen unterhalb der durch die Europäische Union vorgegebenen Schwellenwerte die Vergabebestimmungen anzuwenden, die das Ministerium für Inneres und Kommunales bekannt gibt. Unter Ausschöpfung des Spielraums für die kommunale Selbstverwaltung, bei Ermöglichung eines möglichst flexiblen, aber einheitlichen Handlungsrahmens für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, lege ich die nachfolgenden Grundsätze fest:

1
Geltungsbereich

1.1
Öffentliche Auftraggeber, die diese Vergabegrundsätze anzuwenden haben, sind Gemeinden und Gemeindeverbände sowie deren Einrichtungen nach § 107 Absatz 2 GO NRW, die wie Eigenbetriebe geführt werden (eigenbetriebsähnliche Einrichtungen).

1.2
Keine Anwendung finden diese Vergabegrundsätze auf Eigenbetriebe, auf kommunal beherrschte Unternehmen und Einrichtungen in einer Rechtsform des privaten Rechts sowie auf Zweckverbände, deren Hauptzweck der Betrieb eines wirtschaftlichen Unternehmens ist. Für gemeindliche Anstalten des öffentlichen Rechts i. S. des § 114 a GO NRW (Kommunalunternehmen) und gemeinsame Kommunalunternehmen gem. § 27 des Gesetzes
über kommunale Gemeinschaftsarbeit gilt hinsichtlich der Vergabegrundsätze die Regelung des § 8 Kommunalunternehmensverordnung (KUV) in der jeweils aktuellen Fassung.

1.3
Die Vergabegrundsätze gelten ausschließlich bei öffentlichen Aufträgen, deren geschätzte Auftragswerte die in Nummer 2 genannten EU-Schwellenwerte ohne Umsatzsteuer nicht erreichen.

2
Bundes- und landesgesetzliche Vorschriften

2.1
Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gelten grundsätzlich die Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB - 4. Teil) in der jeweils aktuellen Fassung, sofern im Einzelfall die EU-Schwellenwerte ohne Umsatzsteuer erreicht oder überstiegen werden. Diese ergeben sich aus § 100 Absatz 1 GWB i.V.m. § 2 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) in der jeweils aktuellen Fassung.

2.2
Öffentliche Auftraggeber im Land Nordrhein-Westfalen gemäß § 98 GWB unterliegen grundsätzlich den Bestimmungen des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen (TVgG - NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.1.2012.

3
Allgemeine Vergabeprinzipien

3.1
Die Europäische Kommission leitet aus den Grundsätzen des EG-Vertrags die Prinzipien der Nichtdiskriminierung und Transparenz her. Diese grundlegenden Anforderungen gelten für alle Fälle von Auftragsvergaben durch öffentliche Auftraggeber. Nach den allgemeinen wettbewerblichen Anforderungen sind die öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, auch unterhalb der EU-Schwellenwerte für einen fairen und lauteren Wettbewerb zu sorgen. Einzelne Vergabeentscheidungen haben sie fortlaufend und zeitnah zu dokumentieren und zu begründen.

3.2
Auf die Berücksichtigung von sozialen, innovativen, gleichstellungs- und integrationspolitischen Aspekten sowie solchen des Umweltschutzes und der Energieeffizienz nach dem TVgG - NRW wird hingewiesen.

3.3
Darüber hinaus wird auf die Richtlinie für Eignungsnachweise durch Präqualifikation bei Beschränkten Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb und bei Freihändigen Vergaben (Präqualifikationsrichtlinie) vom 5.3.2009, den Runderlass zur Berücksichtigung von Werkstätten für behinderte Menschen und Blindenwerkstätten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vom 22.3.2011 sowie auf die Schutzklausel zur Abwehr von Einflüssen der Scientology-Organisation und deren Unternehmen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen über Beratungs- und Schulungsleistungen vom 18.10.2011 hingewiesen, die zur Anwendung empfohlen sind.

4
Vergabe von Bauleistungen

Zur Vermeidung rechtlicher Risiken sollen bei Aufträgen über Bauleistungen unterhalb des EU-Schwellenwertes grundsätzlich die Teile A (Abschnitt 1), B und C der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) in der jeweils aktuellen, im BAnz veröffentlichten Fassung angewendet werden. Die Regelungen der Nummern 7 und 8 bleiben davon unberührt.

5
Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen

Zur Vermeidung rechtlicher Risiken wird bei Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte grundsätzlich die Anwendung der Teile A (Abschnitt 1) und B der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) in der jeweils jüngsten, im BAnz veröffentlichten Fassung empfohlen. Die Regelungen der Nummern 7 und 8 bleiben davon unberührt.

6
Vergabe von freiberuflichen Leistungen

Die Anwendung der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) in der jeweils jüngsten im BAnz veröffentlichten Fassung ist für Leistungen, die im Rahmen von freiberuflichen Tätigkeiten erbracht werden und deren Auftragswert unterhalb des europäischen Schwellenwertes liegt, nicht vorgeschrieben. Sollte eine freiberufliche Leistung eindeutig und erschöpfend beschreibbar sein, gelten die Regelungen für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen.

7
Wahl der Vergabeart

Gemäß § 25 Absatz 1 GemHVO NRW muss der Vergabe von Aufträgen eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine beschränkte Ausschreibung oder eine freihändige Vergabe rechtfertigen. Unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der kommunalen Praxis halte ich nachfolgende, vereinfachte Möglichkeit zur Wahl der Vergabeart für vertretbar. Die allgemeinen Vergabeprinzipien nach Nummer 3, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie die allgemeinen Grundsätze für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen nach § 3 TVgG - NRW bleiben dabei unberührt.

7.1
Bei Liefer- und Dienstleistungen können die Vergabestellen bis zu einem vorab geschätzten Auftragswert in Höhe von 100.000 € ohne Umsatzsteuer wahlweise eine freihändige Vergabe oder eine beschränkte Ausschreibung durchführen.

7.2
Bei Bauleistungen können die Vergabestellen bis zu einem vorab geschätzten Auftragswert in Höhe von 100.000 € ohne Umsatzsteuer eine freihändige Vergabe durchführen. Bis zu einem vorab geschätzten Auftragswert in Höhe von 1.000.000 € ohne Umsatzsteuer können sie bei Bauleistungen eine beschränkte Ausschreibung durchführen.

7.3
Die Möglichkeit einer beschränkten Ausschreibung oder einer freihändigen Vergabe oberhalb dieser Wertgrenzen bleibt bei entsprechender Begründung in Einzelfall unberührt.

8
Elektronische Auktion

Der Vergabe eines öffentlichen Auftrags darf eine elektronische Auktion auf einem dafür vorgesehenen Internet-Marktplatz vorausgehen, sofern die Spezifikation des Auftrags hinreichend präzise beschrieben werden kann. Bei der Durchführung einer elektronischen Auktion sind die diesbezüglichen Regelungen der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge – insbesondere Artikel 54 – entsprechend zu beachten. 

9
Korruptionsverhütung

9.1
Bei öffentlichen Aufträgen sind die Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der Korruptionsbekämpfung und zur Errichtung und Führung eines Vergaberegisters in Nordrhein-Westfalen (Korruptionsbekämpfungsgesetz NRW- KorruptionsbG) in der jeweils aktuellen Fassung zu beachten. Zur Vermeidung von Manipulationen sind entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen.

9.2
Auf die zwischen dem Innenministerium NRW und den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmten Erläuterungen zum Korruptionsbekämpfungsgesetz mit Stand 20.6.2005, in denen die Heranziehung des RdErl. d. Innenministeriums, zugleich im Namen des Ministerpräsidenten und aller Landesministerien v. 26.4.2005 (MBl. NRW. S. 623) empfohlen wird, weise ich besonders hin.  

10
Aufhebungsvorschrift

Der RdErl. des Innenministeriums vom 22.3.2006 (MBl. NRW. 6300) wird aufgehoben.

11
Inkrafttreten und Geltungsdauer

Dieser Runderlass tritt am 1.1.2013 in Kraft und mit Ablauf des 31.12.2013 außer Kraft.

- MBl. NRW. 2012 S. 725