Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2013 Nr. 11 vom 22.5.2013 Seite 157 bis 176

Abfallwirtschaftsplan NRW - Teilplan Siedlungsabfälle Information zu den beabsichtigten Regelungen Hinweise zur Neuvergabe von Entsorgungsverträgen Bek. d. Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz v. 17.4.2013
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Abfallwirtschaftsplan NRW - Teilplan Siedlungsabfälle Information zu den beabsichtigten Regelungen Hinweise zur Neuvergabe von Entsorgungsverträgen Bek. d. Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz v. 17.4.2013

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Abfallwirtschaftsplan NRW - Teilplan Siedlungsabfälle
Information zu den beabsichtigten Regelungen
Hinweise zur Neuvergabe von Entsorgungsverträgen

Bek. d. Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz v. 17.4.2013

Die nordrhein-westfälische Abfallwirtschaftspolitik verfolgt das Ziel einer „regionalen Entsorgungsautarkie“. Siedlungsabfälle, die in Nordrhein-Westfalen anfallen, sind im Lande selbst (Grundsatz der Autarkie) und möglichst in der Nähe ihres Entstehungsortes (Grundsatz der Nähe) zu beseitigen.

Den Grundsätzen der Autarkie und Nähe kann insbesondere mit interkommunalen Kooperationen Rechnung getragen werden. Diese werden von der Landesregierung unterstützt. Eine Reihe von kreisfreien Städten und Kreisen in Nordrhein-Westfalen hat bereits von der Möglichkeit der Kooperation auf freiwilliger Basis Gebrauch gemacht.

Der am 31.3.2010 (MBl. NRW. S. 206) bekannt gegebene geltende Abfallwirtschaftsplan NRW (Teilplan Siedlungsabfälle) stammt aus dem Jahr 2009. Nach § 31 Abs. 5 KrWG sind Abfallwirtschaftspläne alle sechs Jahre auszuwerten und bei Bedarf fortzuschreiben. Die Bekanntmachung der Fortschreibung des geltenden AWP ist für das Jahr 2014 vorgesehen.

Durch den neuen Abfallwirtschaftsplan für Siedlungsabfälle soll das Prinzip der Nähe gestärkt und konkretisiert werden. Im Rahmen der Vorstudie zu diesem Abfallwirtschaftsplan werden zurzeit die Grundlagen für eine weitere Konkretisierung des Prinzips der Nähe und Kriterien für verbindliche Zuweisungen erarbeitet.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Abfallwirtschaftsplanung haben sich durch das am 1.6.2012 in Kraft getretene Kreislaufwirtschaftsgesetz verändert. Nach § 30 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 KrWG können Festlegungen getroffen werden, welcher Abfallentsorgungsanlagen i.S.d. Satzes 2 Nr. 4 sich die Entsorgungspflichtigen zu bedienen haben. Diese Festlegungen können nach § 30 Abs. 4 KrWG für verbindlich erklärt werden. Verbindliche Zuweisungen zu bestimmten Abfallentsorgungsanlagen können sowohl für Beseitigungsabfälle als auch für gemischte Abfälle zur Verwertung aus privaten Haushaltungen einschließlich solcher, die dabei auch in anderen Herkunftsbereichen gesammelt werden, begründet werden. Unter dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz waren demgegenüber verbindliche Zuweisungen nur zu Beseitigungsanlagen möglich.

Im AWP 2009 ist von der Möglichkeit verbindlicher Zuweisungen kein Gebrauch gemacht worden. Die Nordrhein-Westfälischen Müllverbrennungsanlagen waren nach der „Konsenserklärung“ zwischen dem Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und den Betreibergesellschaften der Müllverbrennungsanlagen vom 14.9.2005 als Verwertungsanlagen anzusehen (siehe AWP 2009, S. 20).

Nach dem derzeitigen Stand der Vorüberlegungen zur Fortschreibung des AWP beabsichtigt mein Haus von der Möglichkeit verbindlicher Zuweisungen Gebrauch zu machen, soweit dies geboten ist, um dem Prinzip der Entsorgungsautarkie und der Nähe bei der Entsorgung von Siedlungsabfällen Rechnung zu tragen, einen ungesunden Preiswettbewerb aufgrund von Überkapazitäten zu vermeiden und Transporte von Abfällen über weite Strecken nach Möglichkeit zu unterbinden. Einzelheiten stehen derzeit noch nicht fest. Spätestens im Beteiligungsverfahren nach § 32 KrWG werden Sie über die beabsichtigten Regelungen im Einzelnen informiert werden.

Soweit entsprechende Zuweisungen im AWP getroffen werden, ist beabsichtigt, diese durch Rechtsverordnung für verbindlich zu erklären.

Mit Inkrafttreten einer entsprechenden verbindlichen Regelung können Entsorgungsverträge, die eine Entsorgung in Entsorgungsanlagen vorsehen, zu denen sie nach der Verordnung nicht zugewiesen sind, nicht mehr erfüllt werden (§§ 275, 326 BGB). Es ist beabsichtigt, in die Verordnung eine Regelung aufzunehmen, die festlegt, unter welchen Voraussetzungen diese auch für Entsorgungsverträge gilt, die bei Inkrafttreten der Verordnung bereits bestehen. Als Stichtag kommt hierfür das Datum der Bekanntgabe dieses Schreibens, ggf. aber auch der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, also der 1.6.2012 in Betracht.

Durch die Regelung soll sichergestellt werden, dass die Planungsabsichten des Landes nicht durch den Abschluss neuer langfristiger Entsorgungsverträge unterlaufen werden können.

Da die Entsorgungspflichtigen aufgrund der gesetzlichen Vorschriften zur regelmäßigen Fortschreibung der Abfallwirtschaftsplanung und der mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz geschaffenen Rechtsgrundlagen für verbindliche Zuweisungen auch für Verwertungsanlagen spätestens ab dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes mit entsprechenden Regelungen rechnen mussten, stehen Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes einer Einbeziehung bestehender Verträge nicht entgegen.

Soweit im Hinblick auf das bevorstehende Auslaufen von bestehenden Entsorgungsverträgen für Ihr Zuständigkeitsgebiet kurzfristig Handlungsbedarf besteht, sollte bei Abschluss von neuen Entsorgungsverträgen ein Sonderkündigungsrecht für den Fall vereinbart werden, dass künftig durch verbindliche Regelung im AWP eine Zuweisung der Abfälle zu anderen Entsorgungsanlagen erfolgt.

Des Weiteren ist in der Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des neuen Abfallwirtschaftsplans bei Entscheidungen über die zukünftige Restabfallentsorgung insbesondere zu prüfen, ob die Grundsätze der Autarkie und Nähe durch Kooperationen auf freiwilliger Basis umgesetzt werden können.

Kreisfreie Städte und Kreise, die sich dennoch für eine Ausschreibung entscheiden, haben zur Umsetzung der Grundsätze der Autarkie und Nähe umweltbezogene Vergabekriterien entsprechend § 97 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zu berücksichtigen. Die Transportentfernung als umweltbezogenes Vergabekriterium hat mit entsprechend deutlicher Gewichtung in die Ausschreibung und Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen einzufließen.

Hierzu wird auf einen Beschluss des Vergabesenats des OLG Düsseldorf vom 01.08.2012 (Az. VII-Verg 105/11) in einem Vergabenachprüfungsverfahren hingewiesen. In besagtem Fall hatte der Auftraggeber dem Prinzip der Nähe durch einen Transportkostenzuschlag Rechnung getragen. Diesen Zuschlag hält das Gericht für „ein vertretbares und mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängendes Kriterium“.

Soweit durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger bereits Ausschreibungsverfahren eingeleitet worden sind, ist zu prüfen, ob die Ausschreibungsbedingungen den genannten Anforderungen (insbesondere Laufzeit und Sonderkündigungsrecht) Rechnung tragen. Wenn dies bislang nicht der Fall ist, wird empfohlen, im Rahmen der vergaberechtlichen Möglichkeiten entsprechende Anpassungen vorzunehmen oder erforderlichenfalls die laufenden Ausschreibungsverfahren nach § 20 EG-VOL/A aufzuheben, um mögliche Nachteile aus einem Widerspruch zwischen den vertraglichen Vereinbarungen und künftigen verbindlichen Zuweisungen zu vermeiden.

Auf mögliche zeitliche und wirtschaftliche Risiken, die sich aus Abweichungen zwischen den vertraglichen Vereinbarungen und künftigen verbindlichen Zuweisungen ergeben können, weise ich hin.

Im Auftrag
Hans-Josef D ü w e l

- MBl. NRW. 2013 S. 159