Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2017 Nr. 33 vom 28.11.2017 Seite 973 bis 984

Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung der Jahresschmutzwassermenge bei Einleitung von mit Niederschlagswasser vermischtem Schmutzwasser Runderlass des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz - IV-7-031 003 0101 -
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zugehörige Anlagen :
Anlage 1
Anlage 2
 

Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung der Jahresschmutzwassermenge bei Einleitung von mit Niederschlagswasser vermischtem Schmutzwasser Runderlass des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz - IV-7-031 003 0101 -

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Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung
der Jahresschmutzwassermenge bei Einleitung von
mit Niederschlagswasser vermischtem Schmutzwasser

Runderlass des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz
- IV-7-031 003 0101 -

Vom 23. Oktober 2017

Zur Durchführung des § 5 Absatz 2 des Abwasserabgabengesetzes Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 2016 (GV. NRW S. 559) in der jeweils geltenden Fassung, ergeht folgende Verwaltungsvorschrift:

Die Jahresschmutzwassermenge ist neben den Überwachungswerten für die nach § 3 Absatz 1 des Abwasserabgabengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2005 (BGBl. I S. 114) in der jeweils geltenden Fassung festgelegten Parameter die entscheidende Größe zur Ermittlung der Schädlichkeit des Abwassers im Sinn des Abwasserabgabengesetzes.

1
Begriffsbestimmung

Schmutzwasser ist gemäß § 2 Absatz 1 des Abwasserabgabengesetzes das durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen und sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderte und das bei Trockenwetter damit zusammen abfließende Wasser. Als Schmutzwasser gelten auch die aus Anlagen zum Behandeln, Lagern und Ablagern von Abfällen austretenden und gesammelten Flüssigkeiten. Da die Einleitung von Niederschlagswasser gemäß § 7 Absatz 1 des Abwasserabgabengesetzes separat veranlagt wird, ist bei der Ermittlung der Jahresschmutzwassermenge zu gewährleisten, dass Niederschlagswasserabfluss unberücksichtigt bleibt und so eine Doppelveranlagung vermieden wird.

Die Jahresschmutzwassermenge kann nicht allein mittels der Durchflussmesseinrichtungen der Kläranlagen gemessen werden, sondern ist ein durch Hochrechnung bestimmter Annährungswert.

2
Ermittlungsmethode

Die mit Hilfe der Durchflussmesseinrichtung ermittelten Tagessummen des Abwasserdurchflusses werden unterschieden in Ergebnisse an Tagen mit Trockenwetterabfluss und an Tagen mit Niederschlagseinfluss.

Aus der Mittelwertbildung der Durchflussmessergebnisse an Tagen mit Trockenwetterabfluss und einer anschließenden Hochrechnung auf das Jahr ergibt sich die Jahresschmutzwassermenge (siehe Berechnungsbeispiel in Anlage 2).

Bei der Ermittlung des Trockenwetterabflusses sind drei Grundtypen von Niederschlagsabfluss zu unterscheiden und von der Ermittlung auszuschließen:

Niederschlag, der ohne wesentliche zeitliche Verzögerung von befestigten Flächen in die Kanalisation abfließt (unmittelbar abflusswirksamer Niederschlag, 3.1).

Niederschlag, der in Form von Schnee zunächst gebunden bleibt und erst bei Tauwetter (3.2.1) oder durch Taumitteleinsatz (3.2.2) zeitversetzt abflusswirksam wird.

Niederschlagsabfluss, der sich aufgrund von Fließ- oder Beckenentleerungszeiten auch noch nach Ende des Niederschlagsereignisses oder des Schmelzvorgangs im Kanalnetz befindet und von der Durchflussmesseinrichtung der Kläranlage erst am Folgetag oder in Einzelfällen auch später gemessen wird (Nachlauf, 3.3).

3
Ermittlung der Tage mit Trockenwetterabfluss

Zur Ermittlung der Jahresschmutzwassermenge sind ausschließlich Durchflussmessungen der Tage mit Trockenwetterabfluss heranzuziehen.

Trockenwetterabfluss liegt an allen Tagen vor, an denen der Abfluss aus der Kläranlage ohne signifikanten Einfluss von Niederschlagswasser erfolgt. Dies sind alle Tage, die nicht durch Anwendung der Nummern 3.1 bis 3.4 von der Ermittlung ausgeschlossen sind.

3.1
Niederschlagstage

Kein Trockenwetterabfluss liegt an allen Tagen mit signifikantem unmittelbar abflusswirksamem Niederschlag vor (Niederschlagstag). Unmittelbar abflusswirksamer Niederschlag umfasst typischerweise Regen, Hagel und Schneefall bei Temperaturen oberhalb null Grad Celsius.

Ein Niederschlagstag liegt bei einer Niederschlagshöhe von mehr als 0,3 Millimeter am Tag vor.

Zur Ermittlung sind die Ergebnisse von einer oder mehreren Niederschlagsmessstationen im Entwässerungsgebiet oder auf der Kläranlage heranzuziehen.

Sofern auf der Kläranlage oder in deren Einzugsgebiet keine Niederschlagsmessstation vorhanden ist, kann hilfsweise eine hinsichtlich der den Niederschlagstag kennzeichnenden Niederschlagshöhe repräsentative Station außerhalb des Einzugsgebiets herangezogen werden. Wer die Station betreibt, ist unerheblich. Ob eine Station repräsentativ und für die Niederschlagsermittlung geeignet ist, hat die für die Festsetzung der Jahresschmutzwassermenge zuständige Wasserbehörde zu entscheiden. Bei der Entscheidung sind die im DVWK Merkblatt 230 (Niederschlag – Empfehlung für Betreiber von Niederschlagsstationen), Stand: 1994, genannten Kriterien heranzuziehen.

Sollten keine Niederschlagsmessungen vorliegen, können hilfsweise die geprüften Produktionsdaten beziehungsweise modellierten Informationen des Deutschen Wetterdienstes herangezogen werden.

3.2
Tage mit Schneeschmelze

Bei Ermittlung des Trockenwetterabflusses sind weiterhin die Tage auszuscheiden, an denen schneegebundenes Niederschlagswasser zeitversetzt abflusswirksam wird. Von einer relevanten Bindung von Niederschlagswasser in Form von Schnee wird hier ausgegangen, wenn ein Schneedeckentag im Einzugsgebiet der Kläranlage festzustellen ist. Ein Schneedeckentag ist ein Tag mit einer Schneebedeckung, die mindestens der Kategorie „Schneereste“ in der als Anlage 1 beigefügten Tabelle entspricht.

Die Feststellung des Schneebedeckungsgrades erfolgt aufgrund der im Regelfall geringfügigen Höhenunterschiede innerhalb der Einzugsgebiete am Kläranlagenstandort. Soweit aufgrund topographischer Besonderheiten des Einzugsgebiets die Bestimmung des Schneebedeckungsgrades im Einzelfall am Standort der Kläranlage nicht repräsentativ ist, kann die Aufzeichnung des Schneebedeckungsgrades und der Tageshöchsttemperatur zusätzlich an einem Betriebspunkt im Einzugsgebiet wie zum Beispiel einer Mischwasserbehandlungsanlage erfolgen.

Sofern keine geeigneten amtlichen Messungen des Deutschen Wetterdienstes vorliegen, sind Schneebedeckungsgrad und Tageshöchsttemperatur vom Betreiber oder Einleiter zu dokumentieren und gemäß § 5 Absatz 1 Satz 5 des Abwasserabgabengesetzes Nordrhein-Westfalen der zuständigen Behörde vorzulegen.

Einem Niederschlagstag entsprechen daher auch Tage mit folgenden Bedingungen:
1. Schneedeckentage im Einzugsgebiet der Kläranlage, bei denen die Tageshöchsttemperatur am Kläranlagenstandort größer als Null Grad Celsius ist.
2. Die Tage 1 bis 3 nach einem Schneefalltag, sofern an diesen Tagen ein Schneedeckentag im Einzugsgebiet der Kläranlage feststellbar und die jeweilige Tageshöchsttemperatur am Kläranlagenstandort kleiner als oder gleich Null Grad Celsius ist.

3.3
Nachlauftage

Niederschlagswasser, das der Kläranlage aufgrund von Fließ- und Beckenentleerungszeiten nach Beendigung des Niederschlagsereignisses oder Schmelzprozesses zufließt, ist ebenfalls nicht Teil der Jahresschmutzwassermenge. Die Messergebnisse an Nachlauftagen sind daher aus der Berechnung auszuscheiden. Ein Nachlauftag ist ein Tag, dessen Vortag nach den Nummern 3.1 oder 3.2 von der Ermittlung ausgeschlossen ist.

Müssen in einem Netz weitere Nachlauftage berücksichtigt werden, so hat der Einleiter oder Abgabepflichtige die Fließ- oder Beckenentleerungszeiten nachzuweisen.

Als Nachweis weiterer Nachlauftage sind auch die Ergebnisse von Kanalnetzberechnungen mit kalibrierten Modellen heranzuziehen, die Gegenstand einer durch die zuständige Wasserbehörde nicht beanstandeten Anzeige nach § 57 Absatz 1 des Landeswassergesetzes waren.

Fremdwasser ist gemäß § 2 Absatz 1 des Abwasserabgabengesetzes Schmutzwasser und damit Teil der Jahresschmutzwassermenge. Die Fremdwasserbelastung ist kein Grund für die Festlegung von weiteren Nachlauftagen. In diesem Zusammenhang wird auf das Regelwerk DWA-M 182, Stand: April 2012, verwiesen.

3.4
Atypische Einzelfälle

Müssen in einem Netz aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls weitere Tage niederschlagsbeeinflussten Schmutzwasserabflusses berücksichtigt werden, so ist dies vom Einleiter oder Abgabepflichtigen anzuzeigen und nachzuweisen.

4
Zusammengefasste Prüfschritte zur Ermittlung der Tage mit Trockenwetterabfluss

Tage mit Trockenwetterabfluss sind alle Tage, an denen keine der folgenden Varianten vorliegt:
a) Unmittelbar abflusswirksamer Niederschlag (Regen, Hagel, Schnee) von mehr als 0,3 Millimeter am Tag.
b) Im Einzugsgebiet der Kläranlage ist ein nach der Tabelle in Anlage 1 bestimmter Schneebedeckungsgrad von mindestens der Kategorie „Schneereste“ festzustellen und die Tageshöchsttemperatur am Kläranlagenstandort ist größer als Null Grad Celsius.
c) An den Tagen 1 bis 3 nach einem Schneefallereignis ist im Einzugsgebiet der Kläranlage ein nach der Tabelle in Anlage 1 bestimmter Schneebedeckungsgrad von mindestens der Kategorie „Schneereste“ festzustellen und die jeweilige Tageshöchsttemperatur am Kläranlagenstandort ist kleiner als oder gleich Null Grad Celsius.
d) Am Vortag lag mindestens eine Variante nach den Buchstaben a bis c vor.

5
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Der Runderlass des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft „Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung der Jahresschmutzwassermenge bei Einleitung von mit Niederschlagswasser vermischtem Schmutzwasser“ vom 4. Februar 1991 (MBl. NRW. S. 281) wird aufgehoben.

Dieser Runderlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.

- MBl. NRW. 2017 S. 977