Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2018 Nr. 6 vom 16.3.2018 Seite 111 bis 126

Verwaltungsvorschrift zum ersetzenden Scannen in der Landesverwaltung nach dem E-Government Gesetz Nordrhein-Westfalen
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Verwaltungsvorschrift zum ersetzenden Scannen in der Landesverwaltung nach dem E-Government Gesetz Nordrhein-Westfalen

2006

Verwaltungsvorschrift zum ersetzenden Scannen in der Landesverwaltung
nach dem E-Government Gesetz Nordrhein-Westfalen

Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie

Vom 31. Januar 2018

Auf Grund des § 23 Absatz 2 Nummer 5 des E-Government-Gesetzes Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 2016 (GV. NRW. S. 551) gibt das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie als für Informationstechnik in der Landesverwaltung zuständiges Ministerium im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten und den Ministerien die Verwaltungsvorschrift zum ersetzenden Scannen in der Landesverwaltung Nordrhein-Westfalen bekannt:

Inhaltsübersicht

Abschnitt 1: Allgemeines

1 Zweck und Anwendungsbereich

2  Begriffsbestimmungen

Abschnitt 2: Durchführung des Scanvorgangs

3 Allgemeines

4 Verfahrensanweisung

5 Scanzeitpunkt

Abschnitt 3: Verwahrung und Aussonderung des Scangutes

6 Aufbewahrungsfristen

7 Vernichtung von Scangut

Abschnitt 4: Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Abschnitt 1
Allgemeines

1
Zweck und Anwendungsbereich

1.1
Diese Verwaltungsvorschrift gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden und der sonstigen, der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie dem Anwendungsbereich des E-Government-Gesetzes Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 2016 (GV. NRW. S. 551) in der jeweils geltenden Fassung unterfallen. Diese Verwaltungsvorschrift gilt nicht für die Tätigkeit der Hochschulen in der Trägerschaft des Landes, der staatlichen Hochschulen sowie des Hochschulbibliothekszentrums des Landes Nordrhein-Westfalen. Diese Verwaltungsvorschrift gilt ferner nicht für die Gemeinden und Gemeindeverbände.

1.2
Die Verwaltungsvorschrift regelt die praktische Umsetzung der Anforderungen, die § 10 des E-Government-Gesetzes Nordrhein-Westfalen an das ersetzende Scannen stellt.

Ziel des ersetzenden Scannens ist es, die Voraussetzungen für eine Erleichterung der elektronischen Kommunikation mit und innerhalb der öffentlichen Verwaltung zu schaffen, um damit die Kommunikations- und Bearbeitungsprozesse in der öffentlichen Verwaltung weitgehend elektronisch und medienbruchfrei durchführen zu können. Hierzu sollen Papierdokumente digitalisiert und anschließend vernichtet werden.

Das ersetzende Scannen dient dazu, die mit einer Vernichtung des Papierdokuments einhergehende Verringerung des Beweiswerts für den jeweiligen Anwender durch einen an das Original möglichst weit angenäherten Beweiswert des Scanproduktes selbst auszugleichen, zu minimieren oder sichtbar zu machen. Hierzu bedarf es eines geordneten und am Stand der Technik ausgerichteten Prozesses.

2
Begriffsbestimmungen

2.1
Als „ersetzendes Scannen“ ist der Vorgang des elektronischen Erfassens (Digitalisierung / Übertragung in ein elektronisches Format) von Papierdokumenten mit dem Ziel der elektronischen Weiterverarbeitung und Aufbewahrung des hierbei entstehenden elektronischen Abbildes (Scanprodukt) und der späteren Vernichtung des Papierdokumentes zu verstehen.

2.2
Papierdokumente im Sinne dieser Verwaltungsvorschrift sind sämtliche bei der Behörde vorhandenen oder eingehenden Unterlagen. Hierzu zählen auch Listen, Karteien, Protokolle, Vermerke, Pläne, Karten und Zeichnungen sowie alle weiteren Aufzeichnungen, die hand- oder maschinenschriftlich, durch Einsatz der Informationstechnologie, durch Vervielfältigung oder auf andere Weise entstanden sind (Scangut).

Abschnitt 2
Durchführung des Scanprozesses

3
Allgemeines

3.1
Der Scanprozess ist nach dem Stand der Technik aufzubauen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn den Anforderungen der Technischen Richtlinie 03138 Ersetzendes Scannen (TR-RESISCAN) des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik in der jeweils geltenden Fassung genügt wird.

Scanprozesse im Sinne dieser Verwaltungsvorschrift müssen nicht durch die Behörde, deren Scangut ersetzend gescannt wird, selbst durchgeführt werden. Findet der Scanprozess nicht im eigenen Hause statt, so verbleibt die Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Scanprozesses bei der den Auftrag erteilenden Behörde.

3.2
Bei der Übertragung in ein elektronisches Format ist nach dem Stand der Technik insbesondere sicherzustellen, dass

a) das elektronische Dokument bildlich und inhaltlich mit dem Papierdokument übereinstimmt, wenn es lesbar gemacht wird,

b) nachvollzogen werden kann, wann und durch wen das Papierdokument übertragen wurde und

c) das elektronische Abbild unveränderbar bleibt.

4
Verfahrensanweisung

Um nachweisen zu können, dass der Scanprozess nach dem Stand der Technik durchgeführt wird, muss jede Behörde unabhängig vom festgestellten Schutzbedarf eine Verfahrensanweisung für das ersetzende Scannen ihrer zu digitalisierenden Papierdokumente erstellen und aktuell halten, unabhängig davon, ob der Scanprozess im eigenen Hause stattfindet oder durch einen externen Dienstleister oder eine zentrale Scanstelle erfolgt. Findet der Scanprozess nicht im eigenen Hause statt, verbleibt die Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Scanprozesses bei der den Auftrag erteilenden Behörde.

Das für Informationstechnik in der Landesverwaltung zuständige Ministerium definiert dazu eine Muster-Verfahrensanweisung, die als Landesstandard gilt und die einen Scanprozess nach dem Schutzbedarf „hoch“ abbildet. Diese Muster-Verfahrensanweisung wird als Anlage zu dieser Verwaltungsvorschrift erlassen und wurde mit allen Ressorts erarbeitet und abgestimmt. Auf der Basis dieser Muster-Verfahrensanweisung sollen die behördlichen Verfahrensanweisungen erstellt werden. Eine Abweichung von den TR-RESISCAN-Standards, soweit sie in der Muster-Verfahrensanweisung ausgeführt werden, ist nur mit vorheriger Zustimmung des für Informationstechnik in der Landesverwaltung zuständigen Ministeriums zulässig.

Für Scanprozesse, die nach dem Schutzbedarf „normal“ durchgeführt werden, kann die Musterverfahrensanweisung, die noch als Orientierungshilfe für einen solchen Scanprozess bereitgestellt wird, herangezogen werden.

Sofern nach dem Schutzbedarf „sehr hoch“ gescannt werden soll, muss die zuständige Behörde eine gesonderte Verfahrensanweisung erstellen.

5
Scanzeitpunkt

Eingehende Papierdokumente sind in der Regel nach Eingang einzuscannen (sogenanntes frühes Scannen). Ausnahmefälle, bei denen die Papierdokumente erst nach Beteiligung der bearbeitenden Stellen eingescannt werden (sogenanntes spätes Scannen), sind in den Verfahrensanweisungen durch die jeweiligen Behörden aufzuführen.

Abschnitt 3
Verwahrung und Aussonderung des Scangutes

6
Aufbewahrungsfristen

6.1
Sofern nicht nach Rechts- oder Verwaltungsvorschriften (zum Beispiel nach der ZPO oder VwGO) eine besondere Aufbewahrungszeit oder eine Individualprüfung vorgeschrieben ist, ist das Scangut für mindestens zwei Monate aufzubewahren.

6.2
Die Aufbewahrungsfrist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Zeitpunkt der Digitalisierung.

7
Vernichtung von Scangut

7.1
Im Anschluss an die Übertragung in ein elektronisches Format und nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist soll das Scangut zurückgegeben oder vernichtet werden. Eine Vernichtung kann aus rechtlichen Gründen oder sonstigen Gründen ausgeschlossen sein. Von der Vernichtung des Scanguts ist deshalb insbesondere dann abzusehen, wenn:

a) die Vernichtung durch eine spezialgesetzliche Vorschrift ausgeschlossen ist,

b) das Dokument nur für die Dauer der Bearbeitung vorübergehend überlassen wurde, es nicht in das Eigentum der Behörde übergeht und dem Absender zurückzugeben ist,

c) die Papierunterlagen kulturhistorisch wertvoll und archivwürdig sind,

d) die Abgabe des Verfahrens an eine Behörde notwendig ist, die ihre Akten nicht elektronisch führt,

e)  überwiegende nachrichtendienstliche Belange entgegenstehen,

f) die Dokumente aus gesetzlichen Gründen der Schriftform des § 126 BGB entsprechen oder Vollstreckungstitel im Sinne der §§ 704, 794 Absatz 1 ZPO darstellen.

7.2
Die Behörden sollten darauf hinweisen, dass die Papierdokumente nach dem Scannen vernichtet werden und nach Möglichkeit Kopien eingereicht werden sollen. Soweit erforderlich, kann die Behörde für bestimmte Verfahren oder im Einzelfall die Vorlage eines Originals oder einer beglaubigten Abschrift verlangen.

Die Behörde kann ausdrücklich verlangen, dass bei der Einreichung von Unterlagen  das Einverständnis mit der Vernichtung der eingereichten Unterlagen nach Abschluss des Scanvorganges beziehungsweise Ablauf der Aufbewahrungsfristen erklärt wird.

Abschnitt 4
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft und am 31. Oktober 2022 außer Kraft.

- MBl. NRW. 2018 S. 112