Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2018 Nr. 14 vom 8.6.2018 Seite 341 bis 364

Kinder- und Jugendförderplan des Landes Nordrhein-Westfalen 2018-2022 Bekanntmachung des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration
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Kinder- und Jugendförderplan des Landes Nordrhein-Westfalen 2018-2022 Bekanntmachung des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration

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Kinder- und Jugendförderplan
des Landes Nordrhein-Westfalen
2018-2022


Bekanntmachung des Ministeriums für Kinder,
Familie, Flüchtlinge und Integration

Vom 8. Mai 2018

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Vorbemerkungen


Nach § 9 des Kinder- und Jugendförderungsgesetzes vom 12. Oktober 2004 (GV. NRW. S. 572), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Januar 2018 (GV. NRW. S. 90) geändert worden ist, (3. AG-KJHG – KJFöG), erstellt das für Jugend zuständige Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration für jede Legislaturperiode einen Kinder- und Jugendförderplan. Dieser soll die Ziele und Aufgaben der Kinder- und Jugendförderung auf Landesebene beschreiben und Näheres über die Förderung der im Kinder- und Jugendförderungsgesetz genannten Handlungsfelder durch das Land enthalten. Die bundes- und landesgesetzlich festgelegten Zielstellungen sind grundsätzlich zu beachten.

Bei der Erstellung des Kinder- und Jugendförderplans für die 17. Legislaturperiode hat sich das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration von der Einschätzung leiten lassen, dass es im Land Nordrhein-Westfalen schon seit vielen Jahren eine gut aufgestellte und wirksame Förderung der Tätigkeit der freien und öffentlichen Träger der Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes gibt. Die Bedingungen des Aufwachsens junger Menschen unterliegen jedoch einem permanenten Wandel, in dessen Folge es einer Anpassung fördernder Angebote der Kinder- und Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes bedarf. Die erforderlichen Anpassungsprozesse und Weiterentwicklungen sind eine Aufgabe der Kommunen als öffentliche Träger der Jugendhilfe, der freien Träger und des Landes. Die Förderung entsprechender Angebote ist eine Aufgabe der Kommunen und des Landes.

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Grundlagen der Förderung


Gesetzliche Grundlagen:


Gemäß § 82 des Sozialgesetzbuch (SGB) – Achtes Buch (VIII) – Kinder- und Jugendhilfe – hat die oberste Landesjugendbehörde die Aufgabe, die Tätigkeit der Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe und die Weiterentwicklung der Jugendhilfe anzuregen und zu fördern. Eine Konkretisierung dieser Aufgabe für den Bereich der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit sowie des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes wurde im Kinder- und Jugendförderungsgesetz des Landes vorgenommen (vgl. insbes. §§ 16, 17, 18 und 19 – 3. AG KJHG-KJFöG).

Aufgaben des Landes:

Das Land leistet seinen Beitrag zu den genannten Anforderungen, indem es zum einen landesweite Träger und Zusammenschlüsse fördert und zum anderen die örtlichen öffentlichen Träger bei der Durchführung ihrer Aufgaben über eine zusätzliche Förderung der örtlichen Infrastruktur unterstützt. Darüber hinaus nimmt das Land seine Anregungsfunktion zur Weiterentwicklung der Handlungsfelder, die im Kinder- und Jugendförderungsgesetz beschrieben werden, wahr, indem es entsprechend der Schwerpunktsetzungen des Kinder- und Jugendförderplans auf Landesebene wie auch vor Ort Projekte fördert.

Aufgaben des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe:

Die Grundsätze der Förderung über den Kinder- und Jugendförderplan ergeben sich aus dem Kinder- und Jugendförderungsgesetz vom 12. Oktober 2004 (GV. NRW S. 572), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Januar 2018 (GV. NRW. S. 90) geändert worden ist. Es verpflichtet die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Förderplanung  gemäß § 15 Absatz 4 in Verbindung mit § 8 und zur Finanzierung gemäß § 15 Absatz 1. Sie sind auch gemäß § 16 Absatz 3 verpflichtet, einen angemessenen Förderanteil im Verhältnis zu den Ihnen zur Verfügung gestellten Landesmitteln zu erbringen. Die Höhe der eingesetzten kommunalen Mittel ist der Obersten Landesjugendbehörde zu berichten.

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Grundsätze und Zielgruppen der Förderung


Zielgruppen und die Berücksichtigung besonderer Lebenslagen:

Angebote der Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes können aus Landesmitteln gefördert werden, wenn diese als Zielgruppe junge Menschen zwischen dem sechsten und dem 21. Lebensjahr haben. Darüber hinaus sollen gemäß § 3 Absatz 1 des Kinder- und Jugendförderungsgesetzes bei besonderen Maßnahmen auch junge Menschen bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres einbezogen werden. 

Die Angebote sollen die besonderen Belange junger Menschen mit sozialer Benachteiligung, Zuwanderungserfahrung oder Behinderung berücksichtigen, indem sie grundsätzlich für alle Zielgruppen offen gestaltet werden bzw. jeweils spezifische Zugänge öffnen. Sie haben auch die Gleichstellung von Mädchen und Jungen als durchgängiges Leitprinzip zu beachten und sollen junge Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen, sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten gleichberechtigt mit ihren spezifischen Bedürfnissen und Bedarfen einbeziehen bzw. Angebote entwickeln, die diesen Zielgruppen den Weg in die Angebote der Jugendförderung ebnen. Schließlich können alle Angebote auch ältere Menschen als Teil der Zielgruppe haben, soweit es sich um Angebote mit intergenerativem Schwerpunkt handelt und die Förderung junger Menschen im Zentrum steht.

Landesförderung:

Das Land gewährt den Trägern der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe und den anerkannten freien Trägern in Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage dieses Kinder- und Jugendförderplans

- fachbezogene Pauschalen auf der Grundlage des Haushaltsgesetzes

- Zuwendungen auf der Grundlage der §§ 23 und 44 Landeshaushaltsordnung (LHO) einschließlich der Verwaltungsvorschriften und geltender Richtlinien zum Kinder- und Jugendförderplan.

Träger, die fachbezogene Pauschalen erhalten, können auch Zuwendungen zu Projekten erhalten, soweit die Projektinhalte nicht bereits Gegenstand der Aufgaben sind, die mit fachbezogenen Pauschalen unterstützt werden.

Bewilligungsbehörden sind i.d.R. die Landesjugendämter bei den Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe für die Träger, die ihren Sitz im jeweiligen Zuständigkeitsbereich haben. Abweichende Regelungen können durch die Oberste Landesjugendbehörde getroffen werden. Für die Träger der Offenen Kinder- und Jugendarbeit sind die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe Bewilligungsbehörde, soweit die Oberste Landesjugendbehörde nicht im Einzelfall abweichende Regelungen trifft.

Wirksamkeitsdialog und Zielvereinbarungen:

Die Förderung landesweiter oder regionaler Einrichtungen und Angebote erfolgt unter der Maßgabe der Bereitschaft der Träger, den Wirksamkeitsdialog zu führen und Zielvereinbarungen zu schließen. Wirksamkeitsdialog und Zielvereinbarungen sollen durch kritische Reflexion neue Impulse für die Ausrichtung der Arbeit in den Einrichtungen und Angeboten geben sowie flexible Reaktionen auf notwendige Anpassungen ermöglichen. Sie sollen schließlich einen effektiven und wirksamen Einsatz der Fördermittel sicherstellen. Der Abschluss von Zielvereinbarungen und die Durchführung von Wirksamkeitsdialogen obliegen den Landesjugendämtern. Die Oberste Landesjugendbehörde kann abweichende Regelungen treffen.

Die Förderung des örtlichen öffentlichen Trägers der Kinder- und Jugendhilfe im Bereich der Offenen Kinder- und Jugendarbeit erfolgt unter der Maßgabe zur Mitwirkung an der Strukturdatenerhebung zur Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Die Durchführung der Strukturdatenerhebung obliegt den Landesjugendämtern.

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Ziele der Förderung


Mit dem Kinder- und Jugendförderplan für die 17. Legislaturperiode verfolgt das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration nachfolgende Ziele:


Ziel 1: Infrastruktur zukunftssicher ausgestalten


Junge Menschen brauchen für ein gelingendes Aufwachsen Freiräume, in denen sie sich ausprobieren, mit anderen jungen Menschen Freizeit und Bildungsprozesse gestalten und in pädagogisch begleiteten Angeboten jenseits der Schule Begleitung und Unterstützung beim Prozess ihrer Verselbständigung erhalten können. Diese Angebote werden von der Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und dem erzieherischen Kinder- und Jugendschutz zur Verfügung gestellt. Die Verlässlichkeit dieser Angebote ist eine wesentliche Voraussetzung für eine gute und junge Menschen unterstützende Arbeit.

Wichtigstes Ziel des Kinder- und Jugendförderplans für die 17. Legislaturperiode ist es, einen Beitrag zum Erhalt und Ausbau entsprechender Strukturen vor Ort und auf Landesebene zu leisten. Daher werden mit dem neuen Kinder- und Jugendförderplan bestehende und bislang als Projekte temporär finanzierte Angebote in eine dauerhafte Förderung überführt. Zugleich wird das Mittelvolumen für das Jahr 2018 auf 120 Mio. Euro erhöht. Darüber hinaus erfolgt in der 17. Legislaturperiode eine Dynamisierung des Mittelvolumens des Kinder- und Jugendförderplans. Die jährliche Dynamisierung des Kinder- und Jugendförderplans ab dem Haushaltsjahr 2019 ermittelt sich zu acht von zehn Teilen aus der Tarifsteigerung des TV-L (West) und zu zwei von zehn Teilen aus der Verbraucherpreisentwicklung für Wohnung, Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe gemäß des Verbraucherpreisindex für Deutschland des Statistischen Bundesamtes. Zugrunde gelegt werden im Jahr der Haushaltsaufstellung die jeweils aktuellsten vorliegenden Daten.

Damit wird von Landesseite der erforderliche Beitrag zum Erhalt der örtlichen und der Landesstrukturen erbracht.


Ziel 2: Junge Menschen verstärkt an der Gestaltung der Gesellschaft beteiligen


Nordrhein-Westfalen braucht für die Gestaltung seiner Gegenwart und Zukunft die Expertise junger Menschen. Zugleich haben diese das Recht, an allen sie betreffenden Entscheidungen beteiligt zu werden. Um dieses Recht einzulösen, junge Menschen zugleich in unsere Demokratie einzubinden und ihnen die Chance zu geben, sich dabei demokratisch zu bilden und mit ihrem Umfeld und der Gesellschaft in den Dialog über unser Veränderungen unterworfenes Wertesystem zu treten, bedarf es geeigneter Angebote der Jugendförderung. Mit dem gesellschaftlichen Wandel müssen auch die Instrumente und Angebote weiterentwickelt werden.

Daher ist es ein Ziel des Kinder- und Jugendförderplans, entsprechende Initiativen der Träger anzuregen, die auf eine verbesserte Partizipation und Mitbestimmung junger Menschen an der Gestaltung der Gesellschaft und Politik zielen. Dabei sollen zugleich auch die politische Bildung und Wertebildung weiterentwickelt und verstärkt werden.


Ziel 3: Jugendförderung zukunftsfähig gestalten


Digitalisierung, demografischer Wandel, die unterschiedlichen Lebenslagen junger Menschen z.B. in Ballungszentren und in ländlichen Räumen sowie Veränderungen im Lebensalltag junger Menschen wie z.B. die Zunahme ganztägiger Bildung stellen die Kinder- und Jugendarbeit vor Ort vor neue Herausforderungen.

Mit diesem Kinder- und Jugendförderplan ist daher das Ziel verbunden, den Trägern auf örtlicher und Landesebene Fördermittel bereit zu stellen, die es ihnen ermöglichen, neue Angebotsformen und Konzepte zu erproben, bestehende Angebote zu verändern und sich als Träger den neuen Anforderungen anzupassen. Darüber hinaus soll verstärkt eine wissenschaftliche Befassung mit den sich verändernden Lebenslagen junger Menschen und der erforderlichen Weiterentwicklung von Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe ermöglicht werden.


Ziel 4: Vielfalt fördern und gesellschaftlichen Zusammenhalt schaffen


Unsere Gesellschaft zeichnet sich durch eine Ausdifferenzierung von Lebenswelten und damit einer Zunahme von Vielfalt aus. Junge Menschen mit Zuwanderungserfahrung, junge Menschen, die vor Krieg, Diskriminierung und Verfolgung oder sozialer Not geflohen sind und nun in Nordrhein-Westfalen heimisch werden wollen, junge Menschen mit guten Bildungsverläufen und jene, die im Bildungssystem zu scheitern drohen, Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen, Mädchen und Jungen, junge Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen, sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten – sie alle sind Jugend in Nordrhein-Westfalen. Diese Vielfalt gilt es zu gestalten im Interesse der Zukunft des Landes und der Zukunft jedes einzelnen jungen Menschen.

Ein Ziel dieses Kinder- und Jugendförderplans ist es, jungen Menschen Angebote der Kinder- und Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes zu machen, die ihren differenzierten Bedürfnissen und Bedarfslagen entsprechen. Zugleich sollen diese Angebote aber nicht zu einer Vertiefung von Differenzen beitragen, sondern dabei helfen, eine vielfältige Gesellschaft des gegenseitigen Respekts und des Miteinanders für und in einem demokratischen Gemeinwesen aufzubauen. Den Trägern sollen Fördermittel zur Weiterentwicklung einer auf Vielfalt und Zusammenhalt orientierten Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und eines entsprechenden erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes zur Verfügung gestellt werden. Damit ist auch die Zielstellung verbunden, bestehende Benachteiligungslagen zu vermindern bzw. auszugleichen und drohenden Benachteiligungslagen präventiv zu begegnen.


Ziel 5: Chancen durch Bildung gerechter gestalten


Eine wesentliche Ressource für ein gelingendes Aufwachsen ist eine möglichst gute Bildung. Neben Familie und Schule spielt für junge Menschen vor allem auch das Lernen in nonformalen und informellen Zusammenhängen eine große Rolle. Gerade im jugendlichen Alter sind die Einflüsse und Erfahrungen in den Peer-Bezügen von großer Bedeutung für den Bildungsprozess. Kinder- und Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und erzieherischer Kinder- und Jugendschutz können dabei einen wesentlichen Beitrag zur Ausgestaltung dieser Bildungsprozesse leisten. Ob bei der Gestaltung von Bildungslandschaften vor Ort, in Jugendgruppen oder Jugendeinrichtungen, bei der Auseinandersetzung mit spezifischen Themen wie Europa oder Globalisierung, durch das Ermöglichen internationaler Erfahrungen oder durch das Erleben und Gestalten kultureller Angebote – in diesen und weiteren Bereichen finden strukturierte und durch Jugendförderung begleitete Lernprozesse statt.

Mit diesem Kinder- und Jugendförderplan soll den Trägern die Möglichkeit eröffnet werden, entsprechende Bildungsangebote zu machen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Weiterentwicklung bestehender Angebote. Zugleich soll die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren der Kinder- und Jugendbildung wie Schulen, Kultureinrichtungen, Sportvereinen und anderen Anbietern von Bildung intensiviert werden.


Ziel 6: Kinder und Jugendliche stark machen


Eine sich dynamisch entwickelnde Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie neue Chancen, aber auch neue Risiken für junge Menschen hervorbringt. Verunsicherungen über Veränderungen, wie z.B. bedingt durch die Digitalisierung oder die Globalisierung, führen zu neuen Gefährdungslagen für Kinder und Jugendliche. Extremistische Radikalisierung, Gewalt, sexualisierte Gewalt oder Risiken bei der Nutzung digitaler Medien sind dabei Beispiele für neue und alte Risikolagen.

Gefährdungslagen mit Schutzkonzepten und mit Angeboten zur Stärkung der Einzelnen präventiv zu begegnen, ist ein mit diesem Kinder- und Jugendförderplan verfolgtes Ziel. Trägern der Kinder- und Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes soll es ermöglicht werden, verstärkt passgenaue Angebote für junge Menschen zu entwickeln und umzusetzen.


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Förderbereiche


Um die oben formulierten Ziele zu erreichen und die hierfür notwendigen Angebote zu unterstützen, umfasst der Kinder- und Jugendförderplan 2018 bis 2022 die nachfolgenden Förderbereiche. Die Beschreibungen der Förderbereiche sind als inhaltliche Rahmensetzung für die Gewährung von Förderungen aus den Mitteln des Kinder- und Jugendförderplans anzusehen.


Förderbereich I: Infrastruktur zukunftssicher gestalten


Gute Kinder- und Jugendförderung braucht verlässliche Angebote und Einrichtungen, die von den Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe verantwortet werden. Sie tragen zur Persönlichkeitsbildung und Förderung der Entwicklung junger Menschen bei. Mit der Förderung im Förderbereich I leistet das Land seinen Beitrag zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der Infrastruktur in den Bereichen Offene Kinder- und Jugendarbeit, Jugendverbandsarbeit, kulturelle Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und erzieherischer Kinder- und Jugendschutz vor Ort und auf Landesebene. Zudem werden Angebote des Freiwilligen ökologischen Jahres, spezielle präventive Angebote für besondere Zielgruppen, wie z.B. jugendliche Fußballfans, landeszentral agierende Fachberatungseinrichtungen, landeszentrale Trägerzusammenschlüsse sowie der Ring politischer Jugend gefördert. Mit der Förderung des Sonderurlaubs, von Investitionen in der Kinder- und Jugendförderung sowie der Förderung von Forschungspartnerschaften werden wesentliche, die Infrastruktur stabilisierende und weiterentwickelnde Angebote unterstützt.

Das Land erwartet, dass die geförderten freien und öffentlichen Träger ihre Angebote gemäß den Bestimmungen des Kinder- und Jugendförderungsgesetz ausgestalten. Dabei sollen sie insbesondere darauf achten, dass die Angebote zur Stärkung der gesellschaftlichen und politischen Beteiligung von jungen Menschen beitragen, Risiken des Aufwachsens präventiv begegnen, Benachteiligungen mindern oder ausgleichen, inklusiv, divers und geschlechterreflektiert angelegt sind, die Anerkennung geschlechtlicher und sexueller Vielfalt fördern und zum Abbau von Diskriminierung und Ausgrenzung beitragen.

Darüber hinaus erwartet das Land, dass sich die infrastrukturell geförderten Träger intensiv um die Weiterentwicklung ihrer Angebote bemühen, hierfür in den gemeinsamen Dialog treten und sich an den unterschiedlichen Formaten zur Evaluation von Wirksamkeit und Effektivität der Angebote beteiligen.


Förderbereich II: Junge Menschen verstärkt an der Gestaltung der Gesellschaft beteiligen


Junge Menschen bei ihrer Entwicklung zu begleiten und zu fördern, zur Stärkung ihrer demokratischen Haltung beizutragen, ihre Kompetenzen in die Entwicklung unserer Gesellschaft einzubinden, ist heute wesentlich für die Zukunft unseres Gemeinwesens. Die Träger der Jugendförderung sind aufgefordert, hier neue Formate und Angebote zu entwickeln bzw. bestehende Angebote weiterzuentwickeln. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf einen möglichst hohen Anteil partizipativer Elemente zu richten.

Gefördert werden können Vorhaben, die im Sinne einer einmischenden Jugendpolitik auf dem Weg der Partizipation und Mitbestimmung junge Menschen an der gesellschaftlichen Gestaltung vor Ort und auf Landesebene beteiligen bzw. diese Beteiligung einfordern.

Weiterhin können Vorhaben gefördert werden, die für näher zu bestimmende Zielgruppen spezielle auf die Vermittlung von Werten orientierte Angebote formulieren.

Darüber hinaus können Vorhaben der politischen Jugendbildung gefördert werden, die auf die Stärkung demokratischer Haltungen ausgerichtet sind. Dies schließt Angebote wie Gedenkstättenfahrten mit ein.

Die Vorhaben in diesem Förderbereich können die verschiedenen aufgeführten Aspekte kombinieren oder neue mit berücksichtigen. Darüber hinaus ist die Förderung von Vorhaben mit offenen Konzeptionen möglich, soweit diese es beteiligten jungen Menschen ermöglichen, selbst Angebote zu entwickeln bzw. weiterzuentwickeln.


Förderbereich III: Jugendförderung zukunftsfähig gestalten


Globalisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel und weitere Entwicklungen führen zu einem schnellen Wandel in der Gesellschaft. Die Bedeutungszunahme von digitaler Kommunikation und Bildung sowie die stärkere Individualisierung bestimmen auch die sich verändernden Lebenslagen junger Menschen. Zugleich stellen diese Veränderungen die Träger der Jugendförderung vor große Herausforderungen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Organisationsstrukturen der Träger der Jugendförderung sowie die grundlegenden Konzepte und die Strukturierung der Angebote. Hier bedarf es einer gezielten Weiterentwicklung, um den Anforderungen der Digitalisierung dauerhaft gerecht zu werden.

Im Bereich Digitalisierung können Vorhaben gefördert werden, die junge Menschen verstärkt an die sich mit der Digitalisierung ergebenden neuen Herausforderungen auf der persönlichen Ebene in den Bereichen Bildung und Freizeit heranführen. Dies schließt Angebote zur Förderung der Medienkompetenz mit ein. Darüber hinaus sind Vorhaben förderfähig, die sich gezielt mit der Weiterentwicklung der Instrumente der Jugendförderung befassen bzw. die konzeptionelle Weiterentwicklung der Angebote umfassen. Soweit junge Menschen in die Entwicklung der Konzepte und Angebote partizipativ mit einbezogen werden, sind auch Qualifizierungsangebote für Fachkräfte dem Grunde nach förderfähig.

Im Bereich demografischer Wandel und regionale Anforderungen bzw. ländlicher Raum sind Vorhaben förderfähig, die darauf abzielen, unter den sich verändernden Bedingungen passfähige und funktionale Angebote der Jugendförderung zu entwickeln und umzusetzen. Dabei kann ein Augenmerk auf einer verstärkten Kooperation unterschiedlicher Träger oder der interkommunalen Kooperation liegen.

Im Bereich besonderer Maßnahmen und Projekte sind Vorhaben förderfähig, die neue Aspekte in der Kinder- und Jugendhilfe aufgreifen bzw. innovative Lösungsansätze entwickeln und erproben wollen.

Im Bereich Forschung in der Kinder- und Jugendhilfe können Vorhaben zur Evaluation und Begleitung von Angebotsentwicklung und Durchführung gefördert werden. Darüber hinaus sind Vorhaben förderfähig, die sich mit neuen Entwicklungen in der Kinder- und Jugendhilfe auseinandersetzen und Impulse für die Praxis erwarten lassen.


Förderbereich IV: Vielfalt fördern und gesellschaftlichen Zusammenhalt schaffen


Die Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen haben, bei allem was sie miteinander verbindet, individuell unterschiedliche Lebensbedingungen und Erfahrungen. Es sind Kinder und Jugendliche mit oder ohne Behinderungen. Sie unterscheiden sich z.B. hinsichtlich des Geschlechts und der sexuellen Orientierung. Sie haben Zuwanderungs- und Fluchterfahrung oder leben schon wie ihre Eltern zuvor in der gleichen Stadt oder dem gleichen Dorf. Sie sind gute Schüler bzw. verfügen über gute Schulabschlüsse oder sie haben Bildungsverläufe mit Brüchen und Frustrationserfahrungen.

Junge Menschen sowohl gezielt entsprechend ihren Bedürfnissen und Wünschen zu fördern als auch zugleich den Zusammenhalt und das gemeinsame Erleben zu befördern ist eine Aufgabe der Jugendförderung.

Gefördert werden können daher Vorhaben, die in Bezug auf junge Menschen mit Zuwanderungserfahrung, Behinderungen und sozialen Benachteiligungslagen spezifische, aus ihrer Lebenslage resultierende Benachteiligungen mindern oder ausgleichen. Darüber hinaus sind Vorhaben förderfähig, die der Integration junger Menschen mit Zuwanderungserfahrung oder sozialen Benachteiligungslagen in den allgemeinen Angeboten der Jugendförderung, im Übergang Schule-Beruf sowie in die Gesellschaft insgesamt dienen. Schließlich sind Vorhaben förderfähig, die sicherstellen, dass junge Menschen mit Behinderungen an den allgemeinen Angeboten der Jugendförderung teilhaben können und die damit ihrer Inklusion dienen.

Weiterhin können Vorhaben gefördert werden, die die geschlechterreflektierende Orientierung in den Angeboten der Jugendarbeit weiterentwickeln und die sich an dem Prinzip des Gender Mainstreaming orientieren. Dies schließt die gezielte Förderung von spezifischen Angeboten für Mädchen und Jungen mit ein.

Schließlich sind Vorhaben förderfähig, die sich gezielt an junge Menschen mit unterschiedlichen geschlechtlichen und sexuellen Identitäten richten, um diese jungen Menschen zu fördern bzw. um Angebote der Jugendförderung für diese zu schaffen und um ihre gesellschaftliche Integration zu verbessern. Dies umfasst auch Vorhaben, die gezielt darauf ausgerichtet sind, bestehende Angebote der Jugendförderung für die Belange dieser Zielgruppe zu sensibilisieren und diese für sie zu öffnen.


Förderbereich V: Chancen durch Bildung gerechter gestalten


Bildung ist die zentrale Entwicklungsressource für Kinder und Jugendliche, aber auch für die Zukunft der Gesellschaft insgesamt. Dabei sind die Orte, an denen junge Menschen lernen, unterschiedlich. Schule, Familie, Peergroup, Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit sowie die virtuellen Lebenswelten sind solche Erfahrungsräume, die sowohl formales als auch nonformales und informelles Lernen ermöglichen. Dabei sind die Themen so vielfältig wie die Interessen junger Menschen. Sie umfassen kulturelle Themen ebenso wie Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung, globale Prozesse sowie das Kennenlernen anderer Kulturen und Gesellschaften.

Jungen Menschen diese Bildungserlebnisse zu ermöglichen und zugleich für eine auf lokaler Ebene koordinierte und gestaltete Angebotsstruktur im Sinne einer kommunalen Bildungslandschaft zu sorgen, ist eine Aufgabe der Jugendförderung.

Gefördert werden können daher Vorhaben, die darauf abzielen, auf kommunaler Ebene vorhandene Bildungsangebote für junge Menschen – einschließlich der Schulen – besser aufeinander zu beziehen, sie zu komplettieren und im Sinne eines die Persönlichkeit von Kindern und Jugendlichen fördernden Ansatzes der Kinder- und Jugendförderung weiterzuentwickeln. Dabei sind insbesondere Angebote förderwürdig, die junge Menschen partizipativ einbeziehen. Dies umfasst auch Angebote mit Bezug zum Ganztag und zur Schulsozialarbeit, soweit diese nicht durch andere Förderprogramme oder gesetzliche Bestimmungen bereits erfasst werden.

Weiterhin sind Angebote des internationalen Jugendaustauschs förderfähig, die auf Gegenseitigkeit beruhen, wobei die Berücksichtigung sozial oder anderweitig benachteiligter junger Menschen mit in den Blick zu nehmen ist. Dies schließt den hierfür notwendigen Fachkräfteaustausch mit ein. Darüber hinaus sind herausgehobene Vorhaben förderfähig, die sich mit europäischen Fragestellungen und globalen Prozessen befassen.

Im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung sind Vorhaben förderfähig, die es jungen Menschen ermöglichen, sich Wissen über Nachhaltigkeitsfragen anzueignen, dieses im eigenen Alltag zu reflektieren und anzuwenden sowie sich für Belange der Nachhaltigkeit zu engagieren.

Im Bereich der kulturellen Jugendarbeit können Vorhaben gefördert werden, die jungen Menschen die Möglichkeit geben, eigene kulturelle und künstlerische Erfahrungen zu machen und entsprechende Ausdrucksformen zu entwickeln. Hier sollen in besonderer Weise die jungen Menschen adressiert werden, die aufgrund von Benachteiligungslagen weniger leicht Zugang zu entsprechenden Angeboten der kulturellen Jugendbildung finden. Auch förderfähig sind Angebote, die in Kooperation mit anderen Institutionen im Bereich der Kultur darauf hinwirken, junge Menschen auch an die klassischen Kunst- und Kulturformen heranzuführen. Die hierfür erforderliche Vernetzung kann begleitend gefördert werden.

Im Bereich der Bildungsangebote für junge Menschen in den Jugendfreiwilligendiensten sind Angebote förderfähig, die darauf abzielen, auch solchen jungen Menschen im Rahmen der Jugendfreiwilligendienste ein attraktives Angebot zu machen, die bislang nur schwer Zugang zu dieser Angebotsform finden.

Förderbereich VI: Kinder und Jugendliche stark machen

Das Aufwachsen junger Menschen ist heute vor allem durch vielfältige Chancen geprägt. Damit einher gehen aber auch Risikolagen, denen durch die Jugendförderung begegnet werden soll. Wesentliche Themen, die präventive Angebote der Jugendförderung erforderlich machen, sind z.B. sexueller Missbrauch, politische und religiöse Radikalisierung, Risiken, die aus der Digitalisierung und dem Umgang mit Medien entstehen, Gewalt, Drogen-, Alkohol- und Tabakwarenmissbrauch.

Gefördert werden können Vorhaben, die dazu beitragen, junge Menschen über Gefährdungslagen aufzuklären, risikomindernde Lebensweisen zu entwickeln und ihre Persönlichkeit im Hinblick auf Resilienz zu stärken. Dabei können auch insbesondere zur Unterstützung der Medienerziehung Angebote, die sich vorranging an Eltern richten, gefördert werden.

- MBl. NRW. 2018 S. 357