Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2021 Nr. 15 vom 16.6.2021 Seite 307 bis 324

Vergaberichtlinien für Hochschulen nach § 8 Hochschulwirtschaftsführungsverordnung
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Vergaberichtlinien für Hochschulen nach § 8 Hochschulwirtschaftsführungsverordnung

20021

Vergaberichtlinien für Hochschulen
nach § 8 Hochschulwirtschaftsführungsverordnung

Runderlass

des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft

Vom 21. Mai 2021

Gemäß § 8 der Hochschulwirtschaftsführungsverordnung vom 11. Juni 2007 (GV. NRW. S. 246), die zuletzt durch Verordnung vom 30. Juni 2018 (GV. NRW. S. 392) geändert worden ist, sind die Hochschulen gehalten, bei der Vergabe von Aufträgen unterhalb der durch die Europäische Union vorgegebenen Schwellenwerte die Vergabebestimmungen anzuwenden, die das Ministerium für Kultur und Wissenschaft festlegt. Zur Ermöglichung eines möglichst flexiblen, aber einheitlichen Handlungsrahmens für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen werden die nachfolgenden Richtlinien bekannt gegeben:

1

Geltungsbereich

1.1

Die Vergaberichtlinien gelten für die in § 1 Absatz 2 des Hochschulgesetzes – in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Hochschulgesetzes vom 12. Juli 2019 (GV. NRW. S. 377) – genannten Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften.

1.2

Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gelten die Regelungen des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 8 des Gesetzes vom 25. Juni 2020 (BGBl. I S. 1474) und der Vergabeverordnung vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624) in der jeweils geltenden Fassung, sofern im Einzelfall die EU-Schwellenwerte ohne Umsatzsteuer erreicht oder überstiegen werden.

1.3

Die nachfolgenden Vergaberichtlinien gelten ausschließlich bei öffentlichen Aufträgen, deren vorab geschätzte Auftragswerte (im Folgenden: Auftragswerte) ohne Umsatzsteuer die EU-Schwellenwerte nicht erreichen.

1.4

Die Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften können unter Beachtung dieser Richtlinie eigene Regelungen festlegen.

2

Vergabe von Bauleistungen

2.1

Zur Vermeidung rechtlicher Risiken sollen bei Aufträgen über Bauleistungen unterhalb des EU-Schwellenwertes grundsätzlich die Teile A (Abschnitt 1), B und C der Vergabe und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) in der jeweils geltenden im Bundesanzeiger (BAnz.) veröffentlichten Fassung angewendet werden. Die Regelungen der Nummern 4 und 5 bleiben davon unberührt.

2.2

Bauleistungen bis zu einem Auftragswert (ohne Umsatzsteuer) von höchstens 15 000 Euro können unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ohne die Durchführung eines Vergabeverfahrens beschafft werden (Direktauftrag).

2.3

Die Durchführung einer Freihändigen Vergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb kann ohne weitere Einzelbegründung bei der Vergabe von Aufträgen über Bauleistungen bis zu einem Einzelauftragswert (ohne Umsatzsteuer) von höchstens 75 000 Euro für jedes Gewerk oder bis zu einem Gesamtauftragswert (ohne Umsatzsteuer) von höchstens 125 000 Euro erfolgen.

2.4

Die Durchführung einer beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb kann ohne weitere Einzelbegründung bei der Vergabe von Aufträgen über Bauleistungen bis zu einem Einzelauftragswert (ohne Umsatzsteuer) von höchstens 750 000 Euro für jedes Gewerk oder bis zu einem Gesamtauftragswert (ohne Umsatzsteuer) von höchstens 1 250 000 Euro erfolgen.

3

Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen

3.1

Zur Vermeidung rechtlicher Risiken soll bei Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte grundsätzlich die Unterschwellenvergabeordnung vom 2. Februar 2017 (BAnz AT 07.02.2017 B1) in der jeweils geltenden im Bundesanzeiger veröffentlichten Fassung (im Folgenden UVgO genannt) und das Vergabehandbuch des Landes Nordrhein-Westfalen für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen (VHB NRW) angewendet werden. Die Regelungen der Nummern 4 und 5 bleiben davon unberührt.

3.2

Für den Bereich der Informationstechnik wird empfohlen, die von der Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung (KBSt) entwickelten Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von Informationstechnik (EVB-IT) in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

3.3

Aufträge über Liefer- und Dienstleistungen bis zu einem Auftragswert (ohne Umsatzsteuer) von höchstens 15 000 Euro können unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ohne die Durchführung eines Vergabeverfahrens beschafft werden (Direktauftrag).

3.4

Die Durchführung einer beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb oder einer Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb kann ohne weitere Einzelbegründung bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen bis zu einem Auftragswert (ohne Umsatzsteuer) von höchstens 100 000 Euro erfolgen.

3.5

Aufträge über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne von § 130 Absatz 1 GWB, können abweichend von § 49 UVgO bis zu einem Auftragswert (ohne Umsatzsteuer) von höchstens 250 000 Euro nicht nur in einer Öffentlichen Ausschreibung und Beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb, sondern auch in einer Beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb und in einer Verhandlungsvergabe mit und ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden.

4

Vergabe von freiberuflichen Leistungen

4.1

Öffentliche Aufträge über Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Leistung erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflichen Leistungen angeboten werden, sind grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben. Dabei ist so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist (vergleiche § 50 UVgO).

4.2

Dies bedeutet, dass unabhängig vom Vorliegen der Ausnahmetatbestände des § 8 Absatz 4 UVgO grundsätzlich die Vergabeart der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb zulässig ist. Kann die freiberufliche Leistung jedoch ausnahmsweise so eindeutig und erschöpfend beschrieben werden, dass auch ohne vorherige Verhandlungen über die Merkmale der zu erbringenden Leistung hinreichend vergleichbare Angebote erstellt werden können, oder werden nur geringe oder keine Anforderungen an die geistig-schöpferische oder kreative Umsetzung bzw. selbständige Entwicklung einer Aufgabenlösung gestellt, ist diese Leistung unter Berücksichtigung der Wertgrenzen der Nummern 2 und 3 öffentlich oder beschränkt auszuschreiben.

4.3

Zur Beschleunigung von Investitionen kann bis zu einem Auftragswert (ohne Umsatzsteuer) von höchstens 25 000 Euro ein Direktauftrag erfolgen.

4.3.1

Aufträge für Architekten und Ingenieure können bis zu einem Auftragswert (ohne Umsatzsteuer) von höchstens 150 000 Euro nach Verhandlung mit nur einem geeigneten Bewerber vergeben werden, wenn zuvor eine Abfrage über die Eignung bei mindestens drei möglichen Bewerbern sowie eine Auswahl des Bewerbers, mit dem verhandelt werden soll, im Sinne des § 31 UVgO vorausgegangen ist.

4.3.2

Die für die Auswahl maßgeblichen Erwägungen sind zu dokumentieren. Bei der Ermittlung des Auftragswerts ist die ortsübliche Vergütung zugrunde zu legen. Die Eignungskriterien sind bei geeigneter Aufgabenstellung so zu wählen, dass kleinere Büroorganisationen und Berufsanfänger sich beteiligen können.

5

Durchführung der Vergabearten

5.1

Es sind bei der beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb im Allgemeinen mindestens fünf Bewerber und bei der beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb mindestens drei Bewerber zur Angebotsabgabe aufzufordern.

5.2

Bei einer Verhandlungsvergabe sind mehrere Bewerber (im Allgemeinen mindestens drei) zur Angebotsabgabe aufzufordern. Verhandlungsvergaben können bis zu einem Auftragswert von 25.000 Euro ohne Umsatzsteuer sowie in den Fällen des § 12 Absatz 3 UVgO per E-Mail abgewickelt werden. In diesen Fällen kommen § 7 Absatz 4 und die §§ 39, 40 Absatz 1 UVgO sowie die §§ 11a und 14 VOB/A nicht zur Anwendung.

5.3

Bei beschränkter Ausschreibung und Verhandlungsvergabe soll unter den Bewerbern möglichst gewechselt werden.

5.4

Die Möglichkeit einer beschränkten Ausschreibung oder einer Verhandlungsvergabe oberhalb dieser Wertgrenzen entsprechend § 8 Absatz 3 und Absatz 4 UVgO sowie § 3a Absatz 2 und Absatz 3 VOB/A bleibt unberührt.

5.5

Der Direktauftrag ist keine Verfahrensart und daher sind die Regelungen der UVgO nicht einschlägig. Es kann somit auf allgemein zugängliche Angebote (z. B. im Internet) unter Annahme der allgemeinen Geschäftsbedingungen des Lieferanten oder Dienstleistungserbringers zurückgegriffen werden. Bei der Bedarfsfeststellung und der Kaufentscheidung sind die haushaltsrechtlichen Bestimmungen zu berücksichtigen. Zum Nachweis von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit des Direktauftrags besteht eine Mindestdokumentationspflicht, d.h. dass zumindest die Preisanfrage/-ermittlung zu dokumentieren (formlose Preisermittlung) ist. Ist dies nicht möglich oder unzweckmäßig, ist die Wirtschaftlichkeit der Beschaffungsmaßnahme in anderer Weise darzulegen. Der Auftraggeber soll möglichst zwischen den beauftragten Unternehmen wechseln.

5.6

Auf die auch hier anwendbaren Ausnahmen von der Anwendbarkeit des Vergaberechts im GWB wird hingewiesen, vergleiche § 1 Absatz 2 UVgO.

6

Berücksichtigung von Werkstätten für behinderte Menschen und von Inklusionsbetrieben

Der Gemeinsame Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales, des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung und des Ministeriums der Finanzen "Berücksichtigung von Werkstätten für behinderte Menschen und von Inklusionsbetrieben bei der Vergabe öffentlicher Aufträge" vom 29. Dezember 2017 (MBl. NRW. 2018 S. 22) wird bei der Vergabe öffentlicher Aufträge für anwendbar erklärt.

7

Korruptionsverhütung

Bei öffentlichen Aufträgen sind die Vorschriften des Korruptionsbekämpfungsgesetzes vom 16. Dezember 2004 (GV. NRW. 2005 S. 8) in der jeweils geltenden Fassung zu beachten. Zur Vermeidung von Manipulationen sind entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen. Auf den Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 20. August 2014 - R 12.02.02 - "Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung" (MBl. NRW. S. 486) wird besonders hingewiesen. Insbesondere wird darauf verwiesen, dass das Vieraugenprinzip gemäß § 20 Korruptionsbekämpfungsgesetz ab einem Auftragswert (ohne Umsatzsteuer) von 500 Euro, das heißt auch bei einem Direktauftrag Anwendung findet.

8

Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieser Erlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2021 außer Kraft.

- MBl. NRW. 2021 S. 308