Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2021 Nr. 33 vom 24.11.2021 Seite 831 bis 924

Richtlinien über Finanzermittlungen der Strafverfolgungsbehörden zur Abschöpfung kriminell erlangten Vermögens und zur Bekämpfung der Geldwäsche, der Terrorismusfinanzierung sowie zur Aufklärung anderer Straftaten von erheblicher Bedeutung (Finanzermittlungsrichtlinien – FERL)
Normkopf
Norm
Normfuß
 

Richtlinien über Finanzermittlungen der Strafverfolgungsbehörden zur Abschöpfung kriminell erlangten Vermögens und zur Bekämpfung der Geldwäsche, der Terrorismusfinanzierung sowie zur Aufklärung anderer Straftaten von erheblicher Bedeutung (Finanzermittlungsrichtlinien – FERL)

2056

Richtlinien
über Finanzermittlungen der Strafverfolgungsbehörden zur Abschöpfung kriminell erlangten Vermögens
und zur Bekämpfung der Geldwäsche, der Terrorismusfinanzierung sowie
zur Aufklärung anderer Straftaten von erheblicher Bedeutung
(Finanzermittlungsrichtlinien – FERL)

Gemeinsamer Runderlass
des Ministeriums des Innern
(422 – 62.16.08),
des Ministeriums der Finanzen

(S 0750 – 10 – V A 1)
und des Ministeriums der Justiz

(4000 – III. 155 Sdb. FERL)

Vom 13. Oktober 2021

1
Allgemeines

Der konsequente Entzug deliktisch erlangten Vermögens und die Verfolgung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sind herausgehobene Bausteine moderner Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung. Sie engen die Handlungsspielräume von terroristischen oder kriminellen Organisationen beziehungsweise Netzwerken sowie von Banden und von einzelnen Täterinnen und Tätern entscheidend und dauerhaft ein.

Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung beseitigt strafrechtswidrige Störungen der Vermögensordnung und verschafft dadurch der materiellen Gerechtigkeit Geltung. Sie ermöglicht Opferentschädigung und verhindert, dass sich Straftaten wirtschaftlich lohnen. Sie verstärkt damit nachhaltig die spezialpräventive Wirkung von Strafen.

Umfassende und ressortübergreifende Finanzermittlungen folgen der Spur des Geldes. Sie legen Bezüge zwischen kriminellen Personen, Netzwerken und Organisationen offen. Sie sind so eine entscheidende kriminalistische Ermittlungshilfe zum Erkennen und Aufklären von Vermögens- und Korruptionsdelikten allgemeiner Art sowie von Straftaten aus den Bereichen des Terrorismus, der Organisierten Kriminalität und der Wirtschaftskriminalität. Digitalen Finanzermittlungen kommt dabei eine große Bedeutung zu. Die Verfolgung und Sicherung von Kryptowerten, die aus inkriminierter Herkunft stammen oder zur Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung genutzt wurden, sind von herausragender Bedeutung, um gerade neuartigen Begehungsformen der Kriminalität entgegenzutreten.

2
Aufgaben und Ziele von Finanzermittlungen

Finanzermittlungen umfassen insbesondere die

a) Erforschung verdächtiger Finanztransaktionen, Vermögensverschiebungen und Finanzbeziehungen,

b) Ermittlung aller wesentlichen Umstände, die bedeutsam sind, um (selbstständige) Einziehungsanordnungen, ihnen vorausgehende Sicherungsmaßnahmen oder steuerrechtliche Entscheidungen treffen und vollstrecken zu können; dazu gehören auch Ermittlungen zum Eigentum oder zur Inhaberschaft von Vermögen jeglicher Art,

c) Erforschung von Finanzbeziehungen zur Erkennung von neuen Phänomenen und lokalen Besonderheiten sowie zur Initiierung von Ermittlungsverfahren,

d) überörtliche Erkenntnisgewinnung zu Verflechtungen zwischen Personen, Organisationen, Vereinigungen und Vereinen des extremistischen und terroristischen Spektrums,

e) Erkenntnisgewinnung von Verflechtungen zwischen Personen oder Gruppierungen, Funktionsweisen von Finanzbeziehungen und Tatbeziehungen im Bereich der Organisierten Kriminalität,

f) Anregung und Durchführung von Einziehungs- und Sicherungsmaßnahmen zur Vermögensabschöpfung,

g) Ermittlung und Identifizierung von Finanztransfersystemen und Kryptowerten und

h) Vorbereitung der Opferentschädigung.

Finanzermittlungen können verfahrensintegriert oder verfahrensunabhängig erfolgen.

2.1
Verfahrensintegrierte Finanzermittlungen

Verfahrensintegrierte Finanzermittlungen dienen der Beweisführung, der Vermögensaufspürung, -sicherung und -abschöpfung. Sie sind abgestimmt mit den sonstigen strafprozessualen Ermittlungen durchzuführen und umfassen insbesondere die

a) Feststellung von Finanzbeziehungen, kriminellen oder terroristischen Strukturen (Vereinigungen, Banden, Vereinen oder sonstigen organisierten Strukturen) sowie Geldtransferwegen, die Beweisrelevanz für Tat- und beziehungsweise oder Täterzusammenhänge haben,

b) Feststellung des inkriminierten Vermögens und Ermittlung von Möglichkeiten zu dessen Abschöpfung,

c) Erhebung von Beweisen für Strafverfahren,

d) Sicherung von Vermögenswerten um die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen wegen Einziehung, Einziehung des Wertes, Geldstrafe und voraussichtlichen Kosten des Strafverfahrens sicherzustellen,

e) Feststellung von Umständen, die für die Verhängung von Geldstrafen oder Unternehmensgeldbußen von Bedeutung sind,

f) Feststellung von Umständen, die neben einem Strafverfahren die Einleitung von Maßnahmen zur Rückführung vorenthaltener, gesetzlich vorgeschriebener Abgaben gebieten,

g) Gewinnung von Erkenntnissen über Tatmotive und

h) zum Schutz privater Rechte durchgeführten Maßnahmen der Staatsanwaltschaft sowie der Polizei.

2.2
Verfahrensunabhängige Finanzermittlungen

Verfahrensunabhängige Finanzermittlungen dienen der Erforschung von verdachtsbegründenden Sachverhalten, die sich etwa aus Finanztransaktionen, von denen die Strafverfolgungsbehörden anlässlich einer Geldwäscheverdachtsmeldung im Sinne des Geldwäschegesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1822), das zuletzt durch Artikel 92 des Gesetzes vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3436) geändert worden ist, im Folgenden GwG genannt, Kenntnis erlangt haben, oder sonstigem auffälligen Finanzgebaren ergeben, ohne dass diesem bereits eine Straftat erkennbar zugeordnet werden kann.

Im Bereich der Organisierten Kriminalität sind sie insoweit Teil von Initiativermittlungen im Sinne des gemeinsamen Runderlasses des Justizministeriums, des Innenministeriums, des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales, des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie, des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft, des Ministeriums für Bauen und Wohnen und des Ministeriums für Stadtentwicklung und Verkehr „Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Zusammenarbeit bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität“ vom 13. November 1990 (MBl. NRW. S. 1721).

3
Zuständigkeiten

3.1
Zuständigkeiten im Bereich der Polizei

Die Zuständigkeiten richten sich nach den Bestimmungen des Polizeiorganisationsgesetzes, der Verordnung über die Bestimmung von Polizeipräsidien zu Kriminalhauptstellen vom 26. August 2013 (GV. NRW. S. 502), die zuletzt durch Verordnung vom 12. August 2020 (GV. NRW. S. 752) geändert worden ist, der Aufgabenverordnung LKA vom 26. November 2020 (GV. NRW. S. 1117) und der weiteren polizeilichen Erlasslage.

Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen, im Folgenden LKA NRW genannt, koordiniert für den Bereich der Finanzermittlungen die polizeilichen Maßnahmen im Land. Hierzu zählen insbesondere:

a) Sammlung und Auswertung von Informationen über die Begehungsweisen der Geldwäsche,

b) Sammlung und Auswertung von Informationen über Rechts- und Wirtschaftsfragen im Hinblick auf Geldwäsche und Vermögensabschöpfung,

c) Entwicklung und Fortschreibung polizeilicher Bekämpfungsstrategien und Ermittlungskonzepte in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen sowie Erstellung von Ermittlungshilfen,

d) Erstellung eines Lagebilds „Finanzermittlungen“,

e) Beratung und Unterstützung der Kreispolizeibehörden und der Staatsanwaltschaften bei der Vornahme von Finanzermittlungen,

f) Durchführung von Dienstbesprechungen zum Themenkomplex Finanzermittlungen,

g) Teilnahme an und Durchführung von Arbeitstagungen auf Landesebene mit allen an Finanzermittlungen beteiligten Stellen auch außerhalb der Polizei (zum Beispiel den bei den Staatsanwaltschaften beziehungsweise den Generalstaatsanwältinnen oder Generalstaatsanwälten bestellten Ansprechpartnerinnen beziehungsweise Ansprechpartnern/OK-Beauftragten sowie Koordinatorinnen beziehungsweise Koordinatoren, der Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten in Nordrhein-Westfalen (ZeOS NRW), dem Zollkriminalamt, der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen, im Folgenden FIU genannt, der Oberfinanzdirektion und Fortbildungsstellen von Justiz und Finanzverwaltung) zur Verbesserung der Zusammenarbeit und Erörterung aktueller Problemstellungen,

h) Unterhaltung einer Koordinierungsstelle für die Zusammenarbeit mit den anderen Ländern und dem Bundeskriminalamt,

i) Beteiligung an Arbeitsgruppen auf Landes- und Bundesebene und

j) Mitwirkung bei der Planung und Durchführung von Aus- und Fortbildungsveranstaltungen zu Finanzermittlungen.

Darüber hinaus bearbeitet das LKA NRW Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche gemäß Verfügungen der Staatsanwaltschaften, abhängig vom Umfang durch Ermittlungskommissionen. Außerdem bearbeitet das LKA NRW Geldwäscheverfahren gemäß § 13 Absatz 4 des Polizeiorganisationsgesetzes.

Im Bereich der digitalen Finanzermittlungen und der Vermögenssicherung von Kryptowerten arbeiten Finanzermittlerinnen und -ermittler sowie Ermittlerinnen und Ermittler im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik regelmäßig zusammen. Das LKA NRW stellt über eine zentrale Ansprechperson eine Beratung und Unterstützung sicher.

3.2
Zuständigkeiten im Bereich der Justiz

3.2.1
Verfahrensintegrierte Finanzermittlungen

Verfahrensintegrierte Finanzermittlungen obliegen derjenigen Staatsanwaltschaft, die das zugrundeliegende Verfahren führt. Bei jeder Staatsanwaltschaft soll durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge getragen werden, dass alle Dezernentinnen und Dezernenten mit dem Recht der Vermögensabschöpfung genügend vertraut sind. Es soll in jeder Staatsanwaltschaft eine Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner für Finanzermittlungen und Vermögensabschöpfung bestimmt werden, die oder der für Fragen genereller Art oder zur Hilfestellung in besonders komplexen Fällen zur Verfügung steht. Diese beziehungsweise dieser kann identisch mit der Ansprechperson für Organisierte Kriminalität sein.

3.2.2
Verfahrensunabhängige Finanzermittlungen

Zuständig ist in den Fällen einer durch die FIU den Strafverfolgungsbehörden übermittelten oder ihnen sonst zur Kenntnis gelangten Geldwäscheverdachtsmeldung im Sinne des GwG zunächst die Staatsanwaltschaft, in deren Bezirk in Nordrhein-Westfalen die oder der Betroffene ihren oder seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Sind diese nicht bekannt, ist die Staatsanwaltschaft zuständig, die nach den allgemeinen Regeln für die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zuständig wäre.

Bei der Prüfung, ob sich aus einer durch die FIU übermittelten Geldwäscheverdachtsmeldung der Anfangsverdacht einer Straftat ergibt, nimmt die Staatsanwaltschaft mögliche steuerstrafrechtliche Überhänge besonders in den Blick.

Die Generalstaatsanwaltschaften können für ihren Bezirk eine Staatsanwältin oder einen Staatsanwalt bestimmen, die oder der für die Entgegennahme und weitere Verfügung in den von der FIU nach § 32 Absatz 2 Satz 1 GwG übermittelten Geldwäscheverdachtsmeldungen bis zum Ablauf der Entscheidungsfrist über die Durchführung der Transaktion zuständig ist.

Im Einvernehmen mit allen Generalstaatsanwaltschaften und dem für Justiz zuständigen Ministerium kann diese Aufgabe einer Staatsanwältin oder einem Staatsanwalt bei einer Generalstaatsanwaltschaft übertragen werden, wenn dies im Interesse der beschleunigten Bearbeitung und aufgrund der Anzahl der Verdachtsmeldungen geboten erscheint.

3.3

Zuständigkeiten im Bereich der Finanzverwaltung

Innerhalb der Finanzverwaltung sind hinsichtlich der Prüfung steuerlich relevanter Sachverhalte eingehender Geldwäscheverdachtsmeldungen die Geldwäschebeauftragten beziehungsweise Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner „Geldwäsche“ bei den Finanzämtern für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung zuständig.

Bezüglich der von den Festsetzungsfinanzämtern nach § 31b der Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), die zuletzt durch Artikel 33 des Gesetzes vom 5. Oktober 2021 (BGBl. I S. 4607) geändert worden ist, zu meldenden Verdachtsfälle von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung wurden Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in den Finanzämtern für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung benannt. Diesen obliegt die Bearbeitung und Prüfung der gemeldeten Verdachtsfälle.

4
Anforderungen an das Personal, Aus- und Fortbildung

4.1
Anforderungen an das Personal, Aus- und Fortbildung im Bereich der Polizei

Alle mit strafrechtlichen Ermittlungen beauftragten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten verfügen über Grundkenntnisse der Vermögensabschöpfung, der zivil- und strafrechtlichen Opferansprüche und der polizei- und strafrechtlichen Sicherungsmöglichkeiten. Sie beurteilen die Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit von Finanzermittlungen in den von ihnen bearbeiteten Verfahren und führen die keine spezielle Sachkunde erfordernden Maßnahmen selbst durch oder veranlassen sie.

In taktisch oder rechtlich schwierigen Fällen erfordern die Ermittlungen von komplexen oder verschleierten Eigentums- und Vermögensverhältnissen oder Geldflüssen sowie die Einleitung von Sicherungsmaßnahmen zur Vermögensabschöpfung die Unterstützung durch ausschließlich mit dieser Aufgabe betrautes Personal mit entsprechender spezieller Fortbildung und Erfahrung.

Die Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen, das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen und die Kreispolizeibehörden führen hierzu zentrale und dezentrale Aus- und Fortbildungsveranstaltungen durch.

4.2
Anforderungen an das Personal, Aus- und Fortbildung im Bereich der Justiz

Die Themenbereiche Finanzermittlungen und Vermögensabschöpfung sollen regelmäßig zum Gegenstand von Fortbildungsveranstaltungen für Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sowie Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher gemacht werden.

4.3
Anforderungen an das Personal, Aus- und Fortbildung im Bereich der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung stellt sicher, dass sämtliche mit der Bearbeitung steuerlicher Fälle betrauten Beschäftigten dahingehend sensibilisiert werden, dass sie Sachverhalte mit einem möglichen Geldwäschebezug erkennen und somit der Meldeverpflichtung nach § 31b der Abgabenordnung entsprechen können.

5
Zusammenarbeit bei Finanzermittlungen

5.1
Allgemeines

Die Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft, Polizei, Finanz- und anderen Verwaltungsbehörden in Fragen der Geldwäschebekämpfung und Vermögensabschöpfung ist nach den Regeln der Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Zusammenarbeit bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität vom 13. November 1990 (MBl. NRW. S. 1721) zu gestalten.

Dies bedeutet unter Berücksichtigung des Zuständigkeitsbereichs sowie organisatorischen Aufbaus der betroffenen Behörden insbesondere

a) verfahrensübergreifend oder in einzelnen Verfahren eine vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit, eine möglichst frühzeitige gegenseitige Unterrichtung sowie den Austausch von strukturellen und personenbezogenen Erkenntnissen,

b) soweit möglich bei einzelnen Verfahren ein ressortübergreifend durch die jeweils zuständigen Behörden abgestimmtes Vorgehen unter Wahrung der Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft beziehungsweise der Finanzbehörde bei Steuerstraftaten in Verfahren nach § 386 Absatz 2 der Abgabenordnung in Verbindung mit § 399 Absatz 1 der Abgabenordnung und

c) einen regelmäßigen ressortübergreifenden und verfahrensunabhängigen Austausch.

Die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden mit anderen Behörden im Bereich der Finanzermittlungen dient auch der Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vorteile, die als Folge von Hinterziehung oder Nichtentrichtung sonstiger Abgaben und Sozialleistungen der Allgemeinheit auf Dauer vorenthalten wären, sowie der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung. Eine enge Zusammenarbeit und gemeinsame Besprechungen zwischen den örtlich oder aufgrund besonderer Zuweisung landes- oder bezirksweit zuständigen Behörden sind anzustreben.

Im Strafverfahren ist bereits im Stadium des Ermittlungsverfahrens durch die verfahrensführende Dezernentin beziehungsweise den verfahrensführenden Dezernenten der Staatsanwaltschaft oder der Finanzbehörde zu prüfen, ob im weiteren Verlauf voraussichtlich Anträge auf die (selbstständige) Einziehung von Taterträgen oder inkriminierten Vermögensgegenständen zu stellen sein werden und ob frühzeitig Maßnahmen zur Sicherung von Vermögenswerten zu veranlassen sind. Die Polizei oder die Finanzbehörden, soweit sie als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft tätig werden, regen deren Durchführung an.

Bei der Prüfung und Durchführung von Vermögenssicherungsmaßnahmen in Umfangsverfahren tauschen sich die verfahrensführende Dezernentin oder der verfahrensführende Dezernent, die Rechtspflegerin oder der Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft und die Ermittlungsperson (Finanzermittlerin oder Finanzermittler) frühzeitig aus und stimmen die Maßnahmen taktisch ab.

Die Staatsanwaltschaft prüft das Sicherungsbedürfnis der ermittelten Vermögenswerte auch unter dem Gesichtspunkt eines gegebenenfalls späteren selbstständigen Einziehungsverfahrens.

Vor der Freigabe und Aushändigung von beschlagnahmten beweglichen Sachen, die im strafrechtlichen Verfahren nicht eingezogen werden können, nimmt die verfahrensführende Dezernentin beziehungsweise der verfahrensführende Dezernent Kontakt mit der zuständigen Finanzermittlerin beziehungsweise dem zuständigen Finanzermittler auf, um gegebenenfalls eine Sicherstellung nach dem Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung vom 25. Juli 2003 (GV. NRW. S. 441), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 19. Dezember 2019 (GV. NRW. S. 995) geändert worden ist, einleiten zu können.

Sofern Ermittlungsverfahren und Vereinsverbotsverfahren parallel betrieben werden, ist ein frühzeitiger und grundlegender Informations- und Erkenntnisaustausch zwischen den verfahrensführenden Stellen sinnvoll.

5.2
Zusammenarbeit bei Fortbildungen

Die zuständigen Fortbildungsstellen der Justizverwaltung streben in Absprache mit den Fortbildungsträgern der Polizei und der Finanzverwaltung auch die Durchführung ressortübergreifender Fortbildungsveranstaltungen an.

5.3
Zusammenarbeit bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren, die auf Geldwäscheverdachtsmeldungen der FIU basieren

5.3.1
Ablauforganisation bei Meldungen der FIU gemäß § 32 Absatz 2 GwG

 

Von der FIU werden Geldwäscheverdachtsmeldungen an die jeweils zuständige Staatsanwaltschaft als benannte Strafverfolgungsbehörde im Sinne des § 32 Absatz 2 GwG übersandt. Die Staatsanwaltschaft überprüft diese Sachverhalte im Hinblick auf das Vorliegen eines Anfangsverdachtes einer strafbaren Handlung. Sofern weitere Ermittlungshandlungen vorzunehmen sind, soll sie die unter Nummer 3.1 vorgesehene Polizeibehörde mit der Vornahme der Ermittlungen beauftragen.

Sämtliche Ermittlungsverfahren, die auf Verdachtsmeldungen an die FIU basieren, unterliegen, unter Beachtung der Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft oder der zuständigen Finanzbehörde, den Regelungen der einschlägigen Handlungskonzepte der Polizei Nordrhein-Westfalen und beinhalten eine Prüfung und Bewertung hinsichtlich einer Relevanz für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, der politisch motivierten Kriminalität sowie des Terrorismus durch die hierfür zuständigen Fachdienststellen. Die weitere Bearbeitung erfolgt in der Regel durch die zuständige Behörde gemäß § 2 der Verordnung über die Bestimmung von Polizeipräsidien zu Kriminalhauptstellen.

Entfaltet eine Verdachtsmeldung die Wirkung gemäß § 46 Absatz 1 GwG, führt die Polizei unverzüglich die erforderlichen Ermittlungen durch und teilt die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft mit, um dieser innerhalb der vorgesehenen Frist die Entscheidung über das Verbot der Durchführung der beabsichtigten Finanztransaktion oder eine strafprozessuale Sicherung der in Rede stehenden Vermögenswerte zu ermöglichen.

Soll die Finanztransaktion nicht unterbunden werden, übermittelt die Staatsanwaltschaft oder in deren Auftrag die Polizei der oder dem Verpflichteten nach § 2 GwG ihre Zustimmung. In Ausnahmefällen genügt es, die Frist verstreichen zu lassen.

Im Falle des Untersagens der Transaktion oder Sicherung der Vermögenswerte teilt die Staatsanwaltschaft dies fristgerecht unmittelbar der oder dem Verpflichteten nach § 2 GwG mit.

Das Ergebnis ihrer Entscheidung teilt die Staatsanwaltschaft der mit den Ermittlungen beauftragten Polizeidienststelle mit. Die Mitteilung umfasst in Anlehnung an Nummer 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen vom 27. März 2019 (BAnz AT 08.04.2019 B1) die mit der Untersagungsentscheidung erwirkten gerichtlichen Entscheidungen.

5.3.2
Informationsaustausch mit den Finanzbehörden

Gemäß § 32 Absatz 6 GwG besteht eine Mitteilungspflicht der Strafverfolgungsbehörden an die Finanzbehörden, wenn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche, der Terrorismusfinanzierung oder einer sonstigen Straftat aufgrund eines nach § 32 Absatz 2 Satz 1 GwG übermittelten Sachverhaltes eingeleitet worden ist, das für die Durchführung oder Einleitung eines Besteuerungs- oder Steuerstrafverfahren Bedeutung haben könnte.

Die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen übersendet den Generalstaatsanwaltschaften und dem LKA NRW regelmäßig eine aktuelle Liste von Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern sowie zuständigen Stellen in den Finanzämtern für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung, an die Mitteilungen über die Einleitung von Ermittlungsverfahren nach § 32 Absatz 6 GwG gerichtet werden, damit sichergestellt ist, dass die Ermittlungen von Steuer- und Strafverfolgungsbehörden koordiniert durchgeführt werden.

Das LKA NRW und die Generalstaatsanwaltschaften leiten sie an die nachgeordneten Behörden weiter.

Abstimmungen zu Ermittlungsmaßnahmen in konkreten Verfahren treffen die beteiligten Stellen unmittelbar.

6
Vermögensfahndung

Die Vermögensfahndung stellt die wirksame Durchsetzung des Einziehungsanspruchs des Staates sicher. Sie zeigt auf, dass jederzeit mit der Durchsetzung des staatlichen Anspruchs auf Vermögensabschöpfung und der Beseitigung der geschaffenen strafrechtswidrigen Vermögenslage zu rechnen ist.

Vermögensfahndung ist eine Erweiterung der Möglichkeiten der Vollstreckung von Einziehungsentscheidungen durch Ausschreibung im polizeilichen Fahndungssystem. Sie richtet sich gegen die Verurteilte beziehungsweise den Verurteilten gemäß § 459g der Strafprozessordnung.

Für die Ausschreibung im polizeilichen Fahndungssystem ist die Beifügung eines Vollstreckungsauftrages erforderlich, aus dem mindestens Folgendes hervorgeht:

a) Angaben zu der Höhe des Anspruchs,

b) Benennung der vorrangig zu pfändenden Gegenstände,

c) Angaben zu der Höhe eines Freibetrages, der oder dem Betroffenen zu belassen ist,

d) Daten des Einzahlungskontos und

e) Informationen zu der Erreichbarkeit der zuständigen Rechtspflegerin beziehungsweise des zuständigen Rechtspflegers.

7
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieser gemeinsame Runderlass tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt der gemeinsame Runderlass des Innenministeriums, des Finanzministeriums und des Justizministeriums „Finanzermittlungsrichtlinien“ vom 21. Juli 2000 (MBl. NRW. S. 892), der durch gemeinsamen Runderlass vom 6. März 2002 (MBl. NRW. S. 392) geändert worden ist, außer Kraft.

- MBl. NRW. 2021 S. 832