Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2023 Nr. 15 vom 20.4.2023 Seite 399 bis 420

Richtlinie über die Gewährung von Billigkeitsleistungen des Landes Nordrhein-Westfalen als Härtefallhilfe für kleine und mittlere Unternehmen in der Energiekrise (Billigkeitsrichtlinie Härtefallhilfe KMU Energie des Landes Nordrhein-Westfalen)
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Richtlinie über die Gewährung von Billigkeitsleistungen des Landes Nordrhein-Westfalen als Härtefallhilfe für kleine und mittlere Unternehmen in der Energiekrise (Billigkeitsrichtlinie Härtefallhilfe KMU Energie des Landes Nordrhein-Westfalen)

702

Richtlinie
über die Gewährung von Billigkeitsleistungen des Landes Nordrhein-Westfalen
als Härtefallhilfe für kleine und mittlere Unternehmen in der Energiekrise
(Billigkeitsrichtlinie Härtefallhilfe KMU Energie des Landes Nordrhein-Westfalen)

Runderlass
des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie

Vom 9. März 2023

1
Zweck der Billigkeitsleistung und Rechtsgrundlagen

1.1
Zweck der Billigkeitsleistung

Die globalen Auswirkungen des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine stellen Deutschland und gerade Nordrhein-Westfalen insbesondere hinsichtlich gestiegener Energiepreise vor große Herausforderungen. Bund und Länder arbeiten eng zusammen, um die Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft in dieser außergewöhnlichen Lage zu entlasten. Die Soforthilfe des Bundes im Dezember 2022 sowie die Strom-, Erdgas- und Wärmepreisbremsen des Bundes leisten wichtige Hilfen für viele Unternehmen, können aber nicht jeden Härtefall abdecken. Für viele energieintensive kleine und mittelgroße Betriebe, die unter massiven Preissteigerungen leiden, haben sich Bund und Länder auf eine ergänzende Härtefallhilfe für kleine und mittlere Unternehmen, die trotz der vorstehenden Entlastungen im Einzelfall von besonders stark gestiegenen Mehrkosten für Energie betroffen sind, verständigt.

Zweck der Billigkeitsleistung ist, die durch die Ausgabensteigerungen für Energie als Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine stark belasteten kleinen und mittleren Unternehmen zu unterstützen, damit Betriebsaufgaben oder Arbeitsplatzabbau verhindert werden können.

1.2
Rechtsgrundlagen

Das Land Nordrhein-Westfalen gewährt auf Antrag Billigkeitsleistungen für die Umsetzung des Zuschussprogramms „Härtefallhilfe KMU Energie“ nach

a) Maßgabe dieser Billigkeitsrichtlinie,

b) § 53 der Landeshaushaltsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. April 1999 (GV. NRW. S. 158) in der jeweils geltenden Fassung sowie den Verwaltungsvorschriften zur Landeshaushaltordnung vom 6. Juni 2022 (MBl. NRW. S. 445) in der jeweils geltenden Fassung, soweit auf diese Verwaltungsvorschriften in dieser Richtlinie ausdrücklich Bezug genommen wird,

c) der Verwaltungsvereinbarung über Härtefallhilfen für kleine und mittlere Unternehmen wegen stark gestiegener Energiekosten zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Bundesrepublik Deutschland vom 6. März 2023 und

d) der BKR-Bundesregelung Kleinbeihilfen 2022 vom 23. November 2022 (BAnz AT 06.12.2022 B1) in der jeweils geltenden Fassung. Es sind sämtliche Regelungen der BKR-Bundesregelung Kleinbeihilfen 2022 einzuhalten.

Ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Billigkeitsleistung besteht nicht. Die finanziellen Leistungen werden aus Gründen der staatlichen Fürsorge zum Ausgleich oder zur Milderung von besonderen Härten und Nachteilen gewährt. Die Bewilligungsbehörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.

2
Begriffsbestimmungen

2.1
Kleine und mittlere Unternehmen

Kleines und mittleres Unternehmen, im Folgenden KMU, im Sinne dieser Billigkeitsrichtlinie ist jeder Rechtsträger, der wirtschaftlich am Markt tätig ist, durch die Strom-, Erdgas- und Wärmepreisbremse unterstützt werden kann und bis zu 250 Mitarbeitende beschäftigt. Hiervon erfasst sind auch Soloselbstständige und selbstständig tätige Angehörige der Freien Berufe im Haupterwerb. Die Zahl der Mitarbeitenden entspricht der Zahl der Jahresarbeitseinheiten, das heißt der Anzahl der während eines Jahres beschäftigten Vollzeitarbeitnehmerinnen und Vollzeitarbeitnehmer. Teilzeitbeschäftigte und Saisonbeschäftigte werden nur entsprechend ihres Anteils an den Jahresarbeitseinheiten berücksichtigt. Auszubildende sind nicht zu berücksichtigen. Zulässig sind die Zahlen per 31. Dezember 2021 oder per 31. Dezember 2022.

2.2
Verbundene Unternehmen

Verbundene Unternehmen sind solche, die zueinander in einer der in Artikel 3 Absatz 3 des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. L 187 vom 26.6.2014, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 2021/1237 (ABl. L 270 vom 29.7.2021, S. 39) geändert worden ist, genannten Beziehung stehen.

Hauptgesellschaft im Sinne dieser Billigkeitsrichtlinie ist die Gesellschaft, die für eine Gruppe von verbundenen Unternehmen den Antrag auf Bewilligung der Billigkeitsleistung stellt; sie hat ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen und übt einen beherrschenden Einfluss im Sinne des Artikels 3 Absatz 3 lit, a) bis d) des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 aus.

2.3
Öffentliche Unternehmen

Als öffentliche Unternehmen gelten Unternehmen mit öffentlich-rechtlicher Rechtsform, einschließlich Körperschaften oder Anstalten öffentlichen Rechts, oder solche, die sich mittelbar oder unmittelbar mindestens im Mehrheitsbesitz (insgesamt über 50 Prozent der Anteile oder der Stimmrechte) des Bundes, eines Landes, einer Kommune oder einer Körperschaft öffentlichen Rechts befinden.

2.4
Haupterwerb

Eine Tätigkeit gilt als Haupterwerb, wenn die Summe der Einkünfte im Jahr 2021 oder 2022 zu mindestens 51 Prozent aus der gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit erzielt wurden.

2.5
Prüfende Dritte

Als prüfende Dritte gelten Steuerberater/innen, Wirtschaftsprüfer/innen, vereidigte Buchprüfer/innen oder Fachanwälte/-anwältinnen für Steuerrecht.

Kosten für prüfende Dritte, die im Rahmen der Antragsstellung freiwillig oder obligatorisch beauftragt werden, werden als Festbetragspauschale in Höhe von 400 Euro erstattet.

3
Allgemeine Voraussetzungen und Bestimmungen

3.1
Art und Gegenstand der Billigkeitsleistung

Die Billigkeitsleistung erfolgt durch einen nicht rückzahlungspflichtigen Zuschuss bis zu den beihilferechtlich zulässigen Höchstgrenzen nach § 1 BKR-Bundesregelung Kleinbeihilfen 2022.

Nach dieser Richtlinie können Billigkeitsleistungen nach § 53 Landeshaushaltsordnung NRW zur Milderung besonderer Härten auf Antrag gewährt werden, wenn

a) die in Nummer 4.1 festgelegten Antragsvoraussetzungen für einen Härtefall in 2022 vorliegen,

b) die in Nummer 4.2 festgelegten Antragsvoraussetzungen für weitere Fördertatbestände vorliegen,

c) die Härtefallkommission gemäß Nummer 5 das Vorliegen einer besonderen Härte feststellt.

3.2
Antragsberechtigung

Antragsberechtigt sind KMU im Sinne von Nummer 2.1 mit Sitz der Hauptgesellschaft in Nordrhein-Westfalen. Es kann nur in der Bundesrepublik Deutschland verbrauchte Energie bezuschusst werden.

3.3
Ausschlusskriterien

Nicht antragsberechtigt sind:

a) KMU, deren Billigkeitsleistung je Tatbestand im Sinne von Nummer 4 die Höhe von 2 000 Euro nicht übersteigen würde (Bagatellgrenze),

b) KMU, die nicht bei einem deutschen Finanzamt geführt sind,

c) KMU, für die zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Eröffnungsantrag für ein Insolvenzverfahren vorliegt oder im Zeitpunkt der Antragstellung eine Insolvenzantragspflicht besteht,

d) sanktionierte KMU, wenn und solange die Europäische Union gegen sie Sanktionen verhängt hat.

Sanktionierte KMU im Sinne des Buchstabens d) sind:

aa) Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die in den Rechtsakten der Europäischen Union, mit denen diese Sanktionen verhängt wurden, ausdrücklich genannt sind,

bb) KMU, die im Eigentum oder unter der Kontrolle von Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen, gegen die die Europäische Union Sanktionen verhängt hat, und

cc) KMU, die in Wirtschaftszweigen tätig sind, gegen die die Europäische Union Sanktionen verhängt hat, soweit Beihilfen die Ziele der betreffenden Sanktionen untergraben würden,

e) Kredit- und Finanzinstitute, Energieunternehmen und -händler und

f) öffentliche Unternehmen.

3.4
Ermittlung auf Ebene des verbundenen Unternehmens

Sofern es sich um ein verbundenes Unternehmen im Sinne von Nummer 2.2 handelt, wird die Höhe der Billigkeitsleistung auf der Ebene des verbundenen Unternehmens berechnet. Dabei werden nur verbundene Unternehmen mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt. In Zweifelsfällen – insbesondere bei Vorliegen weiterer Entnahmestellen in anderen Bundesländern – kann die Bewilligungsbehörde auf Empfehlung der Härtefallkommission eine Entscheidung über die Zulässigkeit und Höhe der Billigkeitsleistung treffen. Die Hauptgesellschaft ist verantwortlich für die Richtigkeit der Daten, auch wenn die Hauptgesellschaft nicht das unmittelbar betroffene Unternehmen ist. Sie trägt Verantwortung für die Zusammenstellung aller Daten der verbundenen Unternehmen. Sie weist diese im Innenverhältnis auf die mit der Billigkeitsleistung zusammenhängenden Rechte und Pflichten, zum Beispiel der Steuerbarkeit der Billigkeitsleistung, hin.

3.5
Glaubhaftmachung und Nachweisführung

Der jeweilige Nachweis der Angaben der Antragstellenden kann durch die Glaubhaftmachung mittels geeigneter Belege und subventionserheblicher Versicherung der Richtigkeit der Angaben erbracht werden. Nachträgliche Anforderungen von Unterlagen und Nachweisen, zum Beispiel zu risikoorientierten Prüfungszwecken, sind dadurch nicht ausgeschlossen.

3.6
Kumulierung und Verhältnis zu anderen Zuschüssen

Eine Billigkeitsleistung nach dieser Billigkeitsrichtlinie kann mit anderen Zuschussprogrammen des Landes Nordrhein-Westfalen, des Bundes oder der Europäischen Union ergänzt werden, sofern und soweit dies die Fördervorschriften der anderen Zuschussprogramme zulassen und die Gesamtsumme aller gewährten Mittel die beihilferechtlich zulässigen Höchstgrenzen nicht übersteigen.

Leistungen aus anderen gleichartigen Energiehilfen des Bundes und der Länder werden auf die Billigkeitsleistung angerechnet, soweit sich die Zeiträume überschneiden. Eine Anrechnung bereits bewilligter beziehungsweise erhaltener Leistungen aus anderen Zuschussprogrammen erfolgt bereits bei der Beantragung der Billigkeitsleistung.

Es gelten die Kumulierungsvorschriften der Mitteilung der Kommission vom 23. März 2022, C(2022) 1890, Befristeter Krisenrahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine (ABl. C 131 I vom 24.3.2022, S. 1), ersetzt durch die Mitteilung der Kommission vom 28. Oktober 2022, C(2022) 7945, Befristeter Krisenrahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine (ABl. C 426 vom 9.11.2022, S.1) und der BKR-Bundesregelung Kleinbeihilfen 2022 in der jeweils geltenden Fassung.

Eine Überkompensation ist ausgeschlossen.

3.7
Prüfungsrechte

3.7.1
Allgemeine Prüfungsrechte

Die Bewilligungsbehörde oder von ihr beauftragte Dritte sind berechtigt, Bücher, Belege und sonstige Geschäftsunterlagen zur Prüfung anzufordern, vor Ort zu prüfen oder prüfen zu lassen. Die Leistungsempfangenden haben die erforderlichen Unterlagen bereitzuhalten und die notwendigen Auskünfte zu erteilen. Bei verbundenen Unternehmen muss die Hauptgesellschaft sicherstellen, dass auch alle mitgeförderten Unternehmen die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung stellen.

3.7.2
Erweitertes Prüfungsrecht der Bewilligungsbehörde

Die Bewilligungsbehörde ist berechtigt, nach Ablauf des Bewilligungsverfahrens, die der Bewilligung zugrundeliegenden Angaben und weitergehende Unterlagen der Leistungsempfangenden auf Richtigkeit zu prüfen. Es finden Stichprobenprüfungen insbesondere der Originalbelege durch die Bewilligungsbehörde oder die von ihr beauftragten Dritten statt.

3.7.3
Rechnungshöfe und andere Prüfstellen

Der Landesrechnungshof, der Bundesrechnungshof sowie die Bewilligungsbehörde, das Land Nordrhein-Westfalen oder der Bund oder von ihnen beauftragte Dritte sind berechtigt bei den Leistungsempfangenden zu prüfen. Die Hauptgesellschaft muss dabei sicherstellen, dass auch alle mitgeförderten verbundenen Unternehmen die entsprechenden Prüfungsrechte gewährleisten.

Dem Bund werden etwaige Prüfungsmitteilungen unverzüglich zugesandt, wenn die zuständigen Stellen des Landes Nordrhein-Westfalen – insbesondere der Landesrechnungshof – die Gewährung der Billigkeitsleistungen prüfen.

3.8
Datenverarbeitung und Datenübermittlung

Das Land Nordrhein-Westfalen, die Bewilligungsbehörde und die im Antrags-, Bewilligungs- und Evaluierungsverfahren eingebundenen Stellen, insbesondere die Härtefallkommission, sind befugt, die zum Zwecke des Antrags-, Bewilligungs- und Evaluierungsverfahrens erforderlichen Daten von den Antragstellenden, Leistungsempfangenden und den mitgeförderten Verbundunternehmen zu erheben und zu verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben nach dieser Richtlinie erforderlich ist.

Die Bewilligungsbehörde sowie die im Antrags-, Bewilligungs- und Evaluierungsverfahren eingebundenen Stellen, insbesondere die Härtefallkommission, sind befugt, die für die Entscheidung über die Bewilligung, die Gewährung, die Rückforderung, die Erstattung, die Weitergewährung oder das Belassen der „Härtefallhilfe KMU Energie“ erforderlichen Daten auch durch Abfragen bei öffentlichen Stellen, insbesondere im Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörden und bei den registerführenden Stellen zu erheben, vergleiche § 31a Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb der Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), die zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 20. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2730) geändert worden ist). Gleiches gilt für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Rückgewähr der Billigkeitsleistung, vergleiche § 31a Absatz 1 Nummer 2 der Abgabenordnung). In den Antragsformularen haben die Antragstellenden sowie zur Vertretung berechtigte Personen der Leistungsempfangenden und mitgeförderten Verbundunternehmen jeweils zu erklären, dass ihnen diese Befugnisse bekannt sind. Sie haben zudem in den Antragsformularen jeweils zu erklären, dass sie

a) die Finanz- und Bewilligungsbehörden und die im Antrags-, Bewilligungs- und Evaluierungsverfahren eingebundenen Stellen, insbesondere die Härtefallkommission, von der Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses gegenüber Bewilligungs- und Strafverfolgungsbehörden befreien, soweit Daten der Antragstellenden, oder der Leistungsempfangenden und mitgeförderten Verbundunternehmen zu verifizieren sind, die für die dortigen Verfahren im Zusammenhang mit der Gewährung von Leistungen des Landes Nordrhein-Westfalen als „Härtefallhilfe KMU Energie“ von Bedeutung sind oder waren (§ 30 Absatz 4 Nummer 3 der Abgabenordnung) und

b) der Weitergabe von Daten durch die Bewilligungsbehörden und die im Antrags-, Bewilligungs- und Evaluierungsverfahren eingebundenen Stellen, insbesondere die Härtefallkommission, an die Finanzbehörden zustimmen, soweit diese Daten für die Besteuerung relevant sind.

3.9
Elektronische Durchführung des Verwaltungsverfahrens

Das Antragsverfahren sowie das Bewilligungsverfahren werden entsprechend dem E-Government-Gesetz Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 2016 (GV. NRW. S. 551) in der jeweils geltenden Fassung grundsätzlich elektronisch durchgeführt.

3.10
Bewilligungsbehörde, Abwicklung und Evaluation

Bewilligungsbehörde im Sinne dieser Billigkeitsrichtlinie ist die NRW.BANK. Die Antragstellung und Abwicklung erfolgen über ein Antragsportal der NRW.BANK.

Die Bewilligungsbehörde stellt sicher, dass sämtliche Voraussetzungen der BKR-Bundesregelung Kleinbeihilfen 2022 vorliegen. Dazu zählen insbesondere die Vorschriften bezüglich der in Nummer 3.1 genannten beihilferechtlich zulässigen Höchstgrenzen, Kumulierung, Aufbewahrung, Überwachung und Veröffentlichung.

Hierzu fordert die Bewilligungsbehörde die Unterlagen vor Gewährung der Billigkeitsleistung zu jedem beantragten Zuschuss nach Ziffer 4.1.4.2. an und prüft insbesondere zur Einhaltung der beihilferechtlich zulässigen Höchstgrenzen die von den antragstellenden Unternehmen vorzulegende Erklärung nach Ziffer 4.1.4.2 lit. i).

Die Billigkeitsleistung wird einem fortlaufenden Monitoring anhand der Antragsdaten und ggf. weiterer zu erhebender Kriterien unterzogen und spätestens bis zum 31.12.2024 nach Vorgaben des Bundes evaluiert. Das Verfahren einschließlich der Kriterien wird gesondert geregelt. Die Antragstellenden sind schon bei der Antragstellung auf ihre Mitwirkungspflichten, insbesondere auf ihre Mitwirkung an einer Befragung, hinzuweisen.

3.11
Unwirksamkeit, Rücknahme oder Widerruf des Bewilligungsbescheides, Rückforderung der Billigkeitsleistung und Verzinsung

Unwirksamkeit, Rücknahme oder Widerruf von Bewilligungsbescheiden, sowie als Folge hiervon die Rückforderung der Billigkeitsleistungen und die Verzinsung, richten sich nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. November 1999 (GV. NRW. S. 602) in der jeweils geltenden Fassung oder anderen Rechtsvorschriften. Die erforderlichen Verwaltungsakte sind unter Angabe der Rechtsgrundlage gemäß § 39 VwVfG schriftlich zu begründen.

3.12
Aufbewahrungspflichten

Die Leistungsempfangenden haben die Belege und alle sonstigen mit der Billigkeitsleistung zusammenhängenden Unterlagen zehn Jahre nach Rechtskraft des Bewilligungsbescheides aufzubewahren, sofern nicht nach steuerrechtlichen oder anderen Vorschriften eine längere Aufbewahrungsfrist bestimmt ist. Die Aufbewahrung kann auch elektronisch erfolgen, wenn ein datenverarbeitungsgestütztes Buchführungssystem für die elektronische Belegaufbewahrung den Grundsätzen ordnungsmäßiger datenverarbeitungsgestützter Buchführungssysteme, vergleiche Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 7. November 1995 - IV A 8 - S 0316 - 52/95- BStBl 1995 I S. 738), entspricht. Die Bewilligungsbehörde muss alle Unterlagen über gewährte Billigkeitsleistungen nach dieser Billigkeitsrichtlinie, die die Einhaltung der in dieser Richtlinie vorliegend genannten Voraussetzungen belegen, für zehn Jahre nach Gewährung der Billigkeitsleistung aufbewahren. Sie sind der Europäischen Kommission auf Verlangen herauszugeben.

4
Tatbestände der Billigkeitsleistung

4.1
Härtefall 2022 – Strom, leitungsgebundenes Erdgas und Wärme

4.1.1
Art und Gegenstand der Billigkeitsleistung

Die Billigkeitsleistung wird als einmaliger Zuschuss bis zur Höhe eines Abschlages für das Jahr 2022 gemäß Nummer 4.1.3 für die Energieträger Strom, leitungsgebundenes Erdgas und Wärme gewährt.

4.1.2
Leistungsvoraussetzungen

Ein Härtefall wird angenommen, wenn sich die Preise für Strom, leitungsgebundenes Erdgas oder Wärme für das jeweilige Unternehmen in mindestens einem Monat im Zeitraum Juni 2022 bis November 2022 im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat 2021 (Bezugsmonat) mindestens vervierfacht haben. Es werden die Bruttoarbeitspreise je kWh zugrunde gelegt. Für Strom, leitungsgebundenes Erdgas oder Wärme sind jeweils unterschiedliche Anträge zu stellen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die jeweils beantragten Energieträger.

4.1.3
Bemessungsgrundlage

Der für die Höhe des Zuschusses maßgebliche Abschlag gemäß Nummer 4.1.1 berechnet sich anhand von einem Zwölftel des Jahresverbrauchs 2022 multipliziert mit dem zum 1. November 2022 gültigen, zwischen Letztverbraucher und Energielieferanten vertraglich vereinbarten Arbeitspreis ergänzt um ein Zwölftel des Grundpreises. Sofern der Jahresverbrauch 2022 nicht ermittelt werden kann, kann der vom Energielieferanten im Monat September 2022 prognostiziere Jahresverbrauch zugrunde gelegt werden. Bei verbundenen Unternehmen werden die Durchschnittspreise anhand der Verbräuche der verbundenen Unternehmen gewichtet. Gleiches gilt bei mehreren Entnahmestellen eines Unternehmens (beispielsweise Filialbetriebe).

Sofern kein pauschaler Bruttoarbeitspreis vorliegt, ist der verbrauchsgewichtete Durchschnittspreis gegebenenfalls aus dem Haupttarif und Nebentarif zu errechnen.

4.1.4
Verfahren

4.1.4.1
Antragsfrist und Antragsverfahren

Anträge sind bis zum 30. September 2023 auf Basis des Antragsvordrucks und der Antragsanlagen, die auf der Internetseite der NRW.BANK abrufbar sind, zu stellen (Antragsfrist). Der Antrag von verbundenen Unternehmen ist von der Hauptgesellschaft für den Verbund zu stellen. Es kann je Energieträger nur ein Antrag gestellt werden. Die erforderlichen Nachweise und antragsbegründenden Unterlagen sind von den Antragstellenden beizufügen.

4.1.4.2
Antragsbegründende Unterlagen

Dem Antrag sind folgende Unterlagen und Nachweise beizufügen:

a) Antragsformular,

b) Legitimationsnachweise: Ausweiskopie, PostIdent- oder vergleichbare Verfahren,

c) Nachweis zum Vorhandensein einer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit.

Dieser Nachweis kann insbesondere durch folgenden Unterlagen erbracht werden:

aa) Nachweis einer Kammermitgliedschaft oder ein vergleichbarer Nachweis über das Vorliegen einer freiberuflichen Tätigkeit oder

bb) Unternehmens-Nutzerkonto auf Basis der Elster-Technologie oder

cc) Gewerbeschein.

d) Bei Unternehmensverbund: Anlage „Unternehmensverbund“,

e) Nachweis der Vervierfachung der jeweiligen Energiepreise im Zeitraum Juni 2022 bis November 2022 im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat 2021 (Bezugsmonat). Dieser Nachweis kann durch folgende Unterlagen erbracht werden:

aa) Abrechnung (monatlich/quartalsweise/jährlich), die den Bezugsmonat 2021 umfasst, mit Angabe des Durchschnittspreises (ct/kWh) für diesen Monat pro Energieträger und Unternehmen und

bb) Abrechnung (monatlich/quartalsweise/jährlich), die den Bezugsmonat 2022 umfasst, mit Angabe des Durchschnittspreises (ct/kWh) für diesen Monat pro Energieträger und Unternehmen,

f) Nachweis des Durchschnittspreises (ct/kWh) für den Monat November 2022 pro Energieträger und Unternehmen oder Nachweis über den Jahresverbrauch 2022 oder in Einzelfällen,

g) Nachweis über den Jahresverbrauch 2022 oder Nachweis über den im September 2022 gültigen prognostizierten Jahresverbrauch, sofern der tatsächliche Jahresverbrauch 2022 nicht vorliegt,

h) Erklärung zum Verzicht auf Auszahlung von Boni und Dividenden gemäß § 29a des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes vom 20. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2560) und § 37a des Strompreisbremsegesetzes vom 20. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2512),

i) Erklärung über sämtliche dem Unternehmen auf Grundlage der BKR-Bundesregelung Kleinbeihilfen gewährten Beihilfen, sowie über sämtliche auf Grundlage anderer Regelungen gewährten Beihilfen für dieselben beihilfefähigen Kosten,

j) Subventionserhebliche Eigenerklärung im Antragsformular, ob ein verbundenes Unternehmen im Sinne der Nummer 2.2 vorliegt, sowie über die Eigenschaft des antragstellenden Unternehmens als „Hauptgesellschaft“ des Verbundes nach Nummer 2.2. Alternativ kann eine formlose Bestätigung eines prüfenden Dritten im Sinne der Nummer 2.5 eingeholt werden. Diese ist bei einer beantragten Billigkeitsleistung von mindestens 100 000 Euro obligatorisch.

4.1.4.4
Auszahlung

Die Billigkeitsleistung soll ohne weitere Mittelanforderung spätestens eine Woche nach Erlass des Bewilligungsbescheides angewiesen werden. Die Auszahlung erfolgt bei verbundenen Unternehmen an die jeweils antragstellende Hauptgesellschaft. Für Zwecke der Auszahlung haben die Antragstellenden im Antragsformular die IBAN einer bei dem für sie zuständigen Finanzamt hinterlegten Kontoverbindung anzugeben.

4.2
Weitere Billigkeitstatbestände

Die Voraussetzungen für Billigkeitsleistungen für nicht-leitungsgebundene Energieträger sowie für energieintensive KMU werden zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt. Eine Antragstellung ist erst dann möglich.

5
Anrufung der Härtefallkommission

Über die in der Nummer 4 und hinsichtlich der in Nummer 2 genannten Zeiträume getroffenen Regelungen hinaus kann im Einzelfall ein Zuschuss erfolgen, soweit dies erforderlich ist, um nach Sinn und Zweck dieser Billigkeitsrichtlinie oder einzelner ihrer Regelungen nicht anders abwendbare unbillige Härten zu vermeiden. Die Art, Höhe und Ausgestaltung der Förderung ist nach pflichtgemäßem Ermessen so zu bestimmen, dass die nicht anders abwendbare unbillige Härte auf das Maß einer zumutbaren Härte gemindert wird. Eine Entscheidung hierüber trifft die Bewilligungsbehörde im Rahmen des Bewilligungsverfahrens. Sie berücksichtigt dabei das Votum einer durch das für Wirtschaft zuständige Ministerium eingesetzten Härtefallkommission. Näheres, insbesondere Zugangskriterien, regelt eine Geschäftsordnung, die durch die Härtefallkommission beschlossen wird.

Ein Antrag zur Anrufung der Härtefallkommission ist zu einem späteren Zeitpunkt möglich.

6
Beihilferechtliche Veröffentlichungspflicht

Die Bewilligungsbehörde stellt sicher, dass alle relevanten Informationen zu jeder auf der Grundlage dieser Regelung gewährten Einzelbeihilfe von mehr als 100 000 Euro beziehungsweise von mehr als 10 000 Euro in der Primärproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und im Fischereisektor innerhalb von zwölf Monaten ab dem Zeitpunkt ihrer Gewährung auf einer ausführlichen Beihilfenwebsite oder über das IT-Instrument der Kommission veröffentlicht werden.

7
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieser Runderlass tritt mit Wirkung vom 14. März 2023 in Kraft. Er tritt am 31. Dezember 2023 außer Kraft.

Düsseldorf, den 9. März 2023

Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz
und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen

Mona  N e u b a u r

- MBl. NRW. 2023 S. 406