Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 1999 Nr. 20 vom 16.4.1999 Seite 349 bis 370

Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung bei Bundesfern- und Landesstraßen gemäß Bundesnaturschutzgesetz und Landschaftsgesetz NW - Eingriffsregelung Straße (E Reg Stra)
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Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung bei Bundesfern- und Landesstraßen gemäß Bundesnaturschutzgesetz und Landschaftsgesetz NW - Eingriffsregelung Straße (E Reg Stra)

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Naturschutzrechtliche
Eingriffsregelung bei Bundesfern- und Landesstraßen
gemäß Bundesnaturschutzgesetz und Landschaftsgesetz NW
- Eingriffsregelung Straße (E Reg Stra)

Gem. RdErl. d. Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr - 611 - 13-16 (17) - u. d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft- III B 4 - 605.01.03.01/03 - v. 25.2.1999

1
Zweck

Zweck dieses Erlasses ist die Einführung eines landeseinheitlichen Verfahrens zur Bewertung des Eingriffs und der Kompensation bei der Errichtung oder wesentlichen Änderung von Bundesfern- und Landesstraßen in der Baulast des Bundes oder der Landschaftsverbände.

2
Gutachtermodell

Das Bewertungsverfahren wurde von einer Gutachtergruppe auf fachwissenschaftlicher Grundlage entwickelt1). Es wird daher im Folgenden als "Gutachtermodell" bezeichnet.

Das Gutachtermodell beschreibt alle für die Umsetzung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung maßgebenden Arbeitsschritte in den Bereichen

- Naturhaushalt (biotische und abiotische Faktoren) bzw.
- Landschaftsbild (einschließlich Eignung der Landschaft für die naturbezogene Erholung)

und gibt dazu Arbeitshilfen.

Das Gutachtermodell stellt vorrangig auf eine verbal-argumentative Problembewältigung ab, um dem jeweiligen Einzelfall gerecht werden zu können. Die im Gutachtermodell enthaltenen formalisierten Ansätze zur Bewertung des Eingriffs und zur Ermittlung des Kompensationsumfangs sind lediglich Wertzuordnungen, die der Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Bewertungsergebnisse dienen.

Das Gutachtermodell ist nach Maßgabe dieses Erlasses anzuwenden; der Anwendungsbereich ergibt sich aus Anlage 1.

Als Orientierungshilfe wird das Gutachtermodell durch ein Fallbeispiel ergänzt (Neubau einer vierstreifigen Autobahn). Dieses stellt noch keinen vollständigen landschaftspflegerischen Begleitplan dar, sondern dient lediglich dazu, die praktische Umsetzung der entwickelten Methode zu dokumentieren und ihre Handhabbarkeit zu belegen (vgl. Nummer 4 des Gutachtermodells).

3
Vereinfachtes Bewertungsverfahren

In Abhängigkeit von der Art des geplanten Vorhabens und der zu erwartenden Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes ist die Anwendung des Gutachtermodells in vereinfachter Form zulässig (vereinfachtes Bewertungsverfahren). Damit soll der bewertungsmethodische Aufwand vor allem bei solchen Vorhaben verringert werden, bei denen von vornherein mit weniger gravierenden Eingriffsfolgen zu rechnen ist.

Beispiel:

Die Anlage eines Radweges führt - verglichen mit dem Neubau einer Autobahn - in der Regel weder zu spürbaren Zerschneidungswirkungen für die Tierwelt noch zu erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen der Pflanzenwelt außerhalb der vom Baukörper unmittelbar beanspruchten Fläche; auch das Landschaftsbild wird in der Regel kaum betroffen.

Die Vereinfachung bezieht sich im Wesentlichen auf die formalisierten Wertzuordnungen; näheres hierzu regeln die Anlagen 2 und 3.

Das vereinfachte Bewertungsverfahren ist nach Maßgabe dieses Erlasses anzuwenden; der Anwendungsbereich ergibt sich aus Anlage 1.

4
Ergänzende Hinweise

4.1
Bestandsaufnahme

Die nachfolgend aufgeführten Merkmale des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes sind in Bestandskarten darzustellen, damit die darauf aufbauenden Bewertungen nachvollziehbar sind.

4.1.1
Biotische Funktionen

Voraussetzung für die Anwendung des Gutachtermodells ist eine flächendeckende Erfassung und Kartierung der Biotoptypen innerhalb des Untersuchungsraumes anhand der Biotoptypenliste des Gutachtermodells (vgl. Abb. 3.1.1-6 des Gutachtermodells); vorhandene Unterlagen und örtliche Erhebungen sind heranzuziehen.

Tierarten, die an Lebensräume gebunden sind, die verschiedene Biotoptypen umfassen (Biotopkomplexe) und die zur Aufrechterhaltung ihrer Population entsprechende Areale benötigen, sind gesondert zu erfassen.

Vorliegende faunistische und vegetationskundliche Daten sind - eventuell ergänzt durch örtliche Erhebungen - auszuwerten, soweit dies zur Beurteilung der Beeinträchtigungen erforderlich ist. Die Notwendigkeit einer vertieften faunistischen Untersuchung muss anhand der ermittelten Daten belegt werden können.

4.1.2
Abiotische Funktionen

Voraussetzung für die Ermittlung der straßenbedingten Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts ist die Kenntnis über alle potentiell beeinträchtigten abiotischen Landschaftsfaktoren, also Boden (einschließlich Geomorphologie), Wasser und Klima/Luft.

Hierbei ist zwischen Wert- und Funktionselementen von allgemeiner und besonderer Bedeutung zu unterscheiden (vgl. Nummern 3.1.2.1 und 3.1.2.2 des Gutachtermodells i.V.m. den "Empfehlungen für die Abhandlung der Eingriffsregelung beim Bundesfernstraßenbau" des Bundesministeriums für Verkehr - BMV2)).

4.1.3
Landschaftsbild und landschaftsgebundene Erholung

Das Gutachtermodell (vgl. Nummern 3.2.1.2 und 3.2.2.2 des Gutachtermodells) basiert auf einer Untergliederung des Untersuchungsgebietes in landschaftsästhetische Raumeinheiten sowie einer Erfassung der

- ästhetisch wirksamen, insbesondere der charakteristischen und der untypischen Landschaftselemente,
- ausgewiesenen Erholungsräume,
- relevanten Landschaftsbestandteile und Infrastruktur für naturbezogene Erholung,
- schutzwürdigen Objekte und Flächen,
- bioklimatischen Daten und
- ruhigen und geruchsarmen Bereiche.

Die hierzu erforderlichen Kartierarbeiten werden im Zuge der Biotoptypenkartierung vorgenommen, die ihrerseits eine Grundlage für die Ermittlung relevanter Landschaftsbildstrukturen darstellt.

4.2
Bewertung der "Erheblichkeit" und "Nachhaltigkeit" von Beeinträchtigungen

Aus § 4 Abs. 4 des Gesetzes zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft - Landschaftsgesetz (LG) - folgt, dass nach Abschluss der Bestandsaufnahme zunächst Vorkehrungen zur Vermeidung oder Minderung von Beeinträchtigungen zu prüfen sind (vgl. Nummern 3.1.1.5.2, 3.1.2.5 und 3.2.1.5.2 des Gutachtermodells).

Sodann ist vor der weiteren Anwendung des Gutachtermodells bzw. des vereinfachten Bewertungsverfahrens zu prüfen, ob unvermeidbare Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes als erheblich oder nachhaltig eingestuft werden müssen.

Dabei ist im Einzelnen wie folgt vorzugehen:

- Innerhalb der vom Straßenkörper überlagerten Fläche (versiegelte Fläche einschließlich Bankette, Mittelstreifen und Böschungen) ist grundsätzlich von einer Erheblichkeit und Nachhaltigkeit der Beeinträchtigungen auszugehen (vgl. Nummern 3.1.1.5.1 und 3.2.1.5.1 des Gutachtermodells).

- Außerhalb der vom Straßenkörper überlagerten Fläche ist - abweichend vom Gutachtermodell - zu prüfen, ob und in welchem Umfang die von der Straße ausgehenden Wirkungen zu erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen führen können. Die im Gutachtermodell festgelegten Wirkzonen (auch die visuellen Wirkzonen des Landschaftsbildes) sind dabei als "Suchräume" heranzuziehen.

Eine immissionsmindernde Wirkung vorhandener oder geplanter Schutzanlagen (z.B. Lärmschutzwände, Gehölzpflanzungen) ist in die Prüfung der Erheblichkeit und Nachhaltigkeit von Beeinträchtigungen grundsätzlich einzubeziehen und ggfs. durch Modifikation des Beeinträchtigungsfaktors F (vgl. Nummer 3.1.1.5.4 des Gutachtermodells) zu berücksichtigen.

Ob und wie sich die Minderung der Schadstoffkonzentration auf den Beeinträchtigungsfaktor auswirkt, bedarf der einzelfallbezogenen Festlegung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beeinträchtigungsfaktor nicht nur schadstoffbedingte Wirkungen, sondern darüber hinaus z.B. auch Trennwirkungen beinhaltet und dass Lärmschutzwände insoweit auch eingriffsverstärkende Wirkungen entfalten können. Ebenso können Gehölzpflanzungen geringer Tiefe unter Umständen im Nahbereich der Straße zu Schadstoffanreicherungen führen.

Anhaltswerte zur Minderung der Schadstoffkonzentration in Abhängigkeit von der Höhe einer Lärmschutzwand oder der Tiefe einer Gehölzpflanzung geben die Tabellen 1 und 2. Bei Einschnitten und Wällen ist unter Berücksichtigung des Einzelfalles entsprechend zu verfahren.

Tabelle 1

Höhe der Lärmschutzwand

[m]

Minderung der
Schadstoffkonzentration 3)
[%]

3
4
5
6

30
60
70
80

Tabelle 2

Tiefe der Gehölzpflanzung

[m]

Minderung der

Schadstoffkonzentration 3)
[%]

6 bis 10
mehr als 10

30
60

Die Prüfung der Erheblichkeit oder Nachhaltigkeit von Beeinträchtigungen erfolgt in verbalargumentativer Form im Rahmen der Grundleistungen des HIV4), indem die straßenbedingten Wirkungen mit den Ausprägungen der betroffenen biotischen und abiotischen Funktionen sowie der Funktionen des Landschaftsbildes vor dem Hintergrund bestehender naturschutzfachlicher Ziele verknüpft werden. Abgrenzungshinweise dazu geben verschiedene Forschungsberichte2) 5).

Die Prüftiefe richtet sich nach den jeweiligen örtlichen Verhältnissen; sie kann in Abhängigkeit von der Intensität der straßenbedingten Wirkungen sowie der Empfindlichkeit und Bedeutung der betroffenen Biotoptypen und des Landschaftsbildes variieren. Im Ergebnis kommt es immer auf die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit der jeweils begründeten Annahme an.

Beispiel:

Befinden sich außerhalb der vom Straßenkörper überlagerten Fläche intensiv genutzte Ackerflächen, so wird die Prüfung der Erheblichkeit und Nachhaltigkeit von Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts in der Regel dazu führen, dass für derartige Flächen ein Kompensationserfordernis nicht besteht (geringe Bedeutung der Flächen für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, geringe Empfindlichkeit gegenüber straßenbedingten Wirkungen).

Derartige Flächen werden allerdings dann zu Kompensationsmaßnahmen führen, wenn nach Lage des Einzelfalles die Erheblichkeit oder Nachhaltigkeit von Beeinträchtigungen schlüssig dargelegt werden kann (z.B. im Rahmen der Beurteilung faunistischer Funktionsbeziehungen oder bei der Betroffenheit von abiotischen Wert- und Funktionselementen besonderer Bedeutung).

Nach Abschluss der Ermittlung von Art und Umfang der erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen ist die Anwendung des Gutachtermodells fortzusetzen; dabei sind der Festlegung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ausschließlich die unvermeidbaren erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen zugrunde zu legen.

4.3
Begründung der Kompensationsmaßnahmen

Funktion, Lage und Umfang der Kompensationsmaßnahmen sind unter Beachtung von Art, Umfang und Intensität der Beeinträchtigungen vorrangig verbal-argumentativ darzulegen. Die Herleitung des Kompensationsumfangs nach den formalisierten Wertzuordnungen des Gutachtermodells (vgl. Nummern 3.1.1.6 und 3.1.2.6 sowie Nummern 3.2.1.6 und 3.2.2.6 des Gutachtermodells) darf nicht losgelöst hiervon erfolgen.

Die verbal-argumentative Herleitung ist die wesentliche Begründung der Eignung und Erforderlichkeit der Kompensationsmaßnahmen, welche ihrerseits Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Grundflächen sind. In begründeten Zweifelsfällen hat das Ergebnis der verbal-argumentativen Bewertung Vorrang vor dem Ergebnis der formalisierten Wertzuordnungen.

Soweit sich für bestimmte Funktionsbeeinträchtigungen (z.B. Inanspruchnahme von Einzelgehölzen, Grundwasserveränderungen, Beeinträchtigungen von Biotopkomplexen) der Kompensationsumfang nicht über einen flächenbezogenen Ansatz mit Hilfe des Gutachtermodells ermitteln lässt, sind die Ergebnisse der verbal-argumentativen Herleitung in der Eingriffs-Ausgleichs-Bilanz gesondert auszuweisen.

Werden Straßenböschungen auf ökologisch geringwertigen Flächen angelegt, sind Kompensationsmaßnahmen hierfür außerhalb des Straßenkörpers nicht mehr erforderlich; derartige Böschungen gelten durch ihre Bepflanzung als in sich selbst ausgeglichen.

Straßenbedingte Eingriffe haben Auswirkungen auf Grundflächen, die gleichzeitig mehrere Funktionen des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes erfüllen können. Deshalb sind nach Art, Lage und Umfang auch Kompensationsmaßnahmen anzustreben, die eine Mehrfachfunktionalität von Flächen gewährleisten. Das Gutachtermodell berücksichtigt diesen Grundsatz bereits bei der Zusammenführung der Teilergebnisse für die biotischen und abiotischen Funktionen innerhalb des Naturhaushalts sowie für die Funktionen des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes (vgl. Nummern 3.1.3 und 3.3 des Gutachtermodells). Es ist darüber hinaus immer zu prüfen, ob und inwieweit eine geplante Kompensationsmaßnahme die Überlagerung der Funktionen zulässt. Dies gilt insbesondere für Beeinträchtigungen von Biotopkomplexen (vgl. Nummer 3.1.1.6.2 des Gutachtermodells).

Der Standort von Kompensationsmaßnahmen ist so zu wählen, dass die an sie gestellten einzel- und mehrfachfunktionalen Anforderungen erfüllt werden können. Daraus folgt:

- Ausgleichsmaßnahmen sind in einem engen räumlichen Zusammenhang zum Ort des Eingriffs und zu den beeinträchtigten Funktionen zu verwirklichen.

- Ausgleichsmaßnahmen für beeinträchtigte Funktionen des Naturhaushalts sollen dabei außerhalb der vom Straßenbauvorhaben erheblich oder nachhaltig beeinträchtigten Bereiche liegen. Abweichungen sind möglich bzw. geboten, wenn

· spezielle standörtliche Bedingungen dies erfordern,

· Schutzmaßnahmen an der Straße (z.B. Lärmschutzanlagen, Schutzpflanzungen) trotz der Straßennähe die notwendigen Entwicklungsbedingungen gewährleisten,

· eine Entsiegelung bisheriger Verkehrsflächen vorgenommen wird,

· derartige Maßnahmen dem Ausgleich für beeinträchtigte Zonen, die in der Belastungszone bestehender Straßen liegen, dienen (d.h. bei bestandsorientiertem Ausbau),

· derartige Maßnahmen in Pufferzonen zu besonders schutzwürdigen Bereichen liegen.

- Ersatzmaßnahmen sind in dem vom Eingriff betroffenen Landschaftsraum durchzuführen; dies bedeutet, dass trotz des gelockerten funktionalen und räumlichen Zusammenhangs ein räumlicher Bezug zwischen Ersatzmaßnahme und Ort des Eingriffs nicht völlig aufgegeben werden kann. Landschaftsraum ist der Raum, der in der Gesamtheit seiner belebten und unbelebten Bestandteile einschließlich ihrer Wechselwirkungen eine landschaftsökologische Einheit mit typischen Standortverhältnissen bildet.

- Flächen, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, sind - soweit geeignet - vorrangig für Kompensationsmaßnahmen heranzuziehen.

- Kompensationsmaßnahmen sind unter Berücksichtigung der räumlich-funktionalen Beziehungen zu ihrer Umgebung zu planen; eine isolierte Lage sollte vermieden werden.

- Soweit die Anforderungen an die Kompensation aller im Einzelnen beeinträchtigten Funktionen dies zulassen, können Kompensationsmaßnahmen in einem räumlich konzentrierten Maßnahmenkonzept - unter Beachtung naturschutzfachlicher Ziele - zusammenfassend geplant werden. Der Umfang eines solchen Maßnahmenkonzeptes leitet sich dabei ausschließlich aus dem Eingriff ab.

5
Inkrafttreten, Geltungsdauer, Übergangsregelung

Dieser Erlass tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft. Seine Geltungsdauer ist auf fünf Jahre begrenzt. Die Regelungen gelten nicht für Vorhaben, bei denen der Untersuchungsrahmen zwischen Straßenbau- und Landschaftsbehörden zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Erlasses bereits abgestimmt wurde.

______________________________________________

1) ARGE Eingriff-Ausgleich NRW (1994): Entwicklung eines einheitlichen Bewertungsrahmens für straßenbedingte Eingriffe in Natur und Landschaft und deren Kompensation, veröffentlicht von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen

2) Schriftenreihe Straßenbau und Straßenverkehrstechnik des BMV, Heft 668, 1994

3) vgl. Merkblatt über Luftverunreinigungen an Straßen - Teil: Straßen ohne oder mit lockerer Randbebauung, Ausgabe 1992 - MLuS-92, Kap. 5 (ARS Nummer 30/1992 des BMV, VkBl. 1992, S. 503)

4) Handbuch für Verträge über Leistungen der Ingenieure und Landschaftsarchitekten im Straßen- und Brückenbau (HIV-StB) Vertrieb: Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln

5) Richtwerte für Kompensationsmaßnahmen beim Bundesfernstraßenbau, Schriftenreihe Straßenbau und Straßenverkehrstechnik des BMV, Heft 714, 1996

Anlage 1

Tabelle 1: Anwendungsbereich Gutachtermodell/Vereinfachtes Bewertungsverfahren

(Naturhaushalt)

Nummer

Art des Vorhabens

Art des Verfahrens

1

- Neubau
- Ausbau mit neuen oder wesentlich veränderten Wirkzonen:
Dies sind sowohl Ausbaubaumaßnahmen mit größeren Neubauabschnitten als auch alle Ausbaumaßnahmen mit seitlicher Abweichung vom vorhandenen Verlauf von mehr als 10 m. *)

- Gutachtermodell

2

Ausbau innerhalb vorhandener Wirkzonen:
Dies sind alle Ausbaumaßnahmen mit seitlicher Abweichung vom vorhandenen Verlauf von nicht mehr als 10 m (z.B. 6-streifiger Ausbau)

Vereinfachtes Bewertungsverfahren

*) Sofern es die örtlichen Verhältnisse zulassen, kann bei Ausbaumaßnahmen mit seitlicher Abweichung vom vorhandenen Verlauf von mehr als 10 m (z.B. asymmetrischer BAB-Ausbau) im Einzelfall das vereinfachte Bewertungsverfahren angewendet werden.

Tabelle 2: Anwendungsbereich Gutachtermodell/Vereinfachtes Bewertungsverfahren

(Landschaftsbild)

Nummer

Art des Vorhabens

Art des Verfahrens

1

2-bahniger Neubau

Gutachtermodell

2

- 2-streifiger Neubau
- Ausbau

Vereinfachtes Bewertungsverfahren

Anlage 2

Vereinfachtes Bewertungsverfahren "Naturhaushalt"

Das vereinfachte Bewertungsverfahren "Naturhaushalt" findet Anwendung bei allen Ausbauvorhaben innerhalb vorhandener Wirkzonen (s. a. Anlage 1); dies setzt voraus, dass die ausbaubedingte seitliche Abweichung vom vorhandenen Verlauf in der Regel nicht mehr als 10 m beträgt. Für die Herleitung des Mindestumfangs der Kompensationsflächen lassen sich folgende Anwendungsfälle unterscheiden:

- Ausbauvorhaben, die - abgesehen von der direkten Beeinträchtigung durch den Straßenkörper - nur eine geringfügig nachteilige Veränderung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts innerhalb vorhandener Wirkzonen verursachen. Dies sind Maßnahmen, bei denen der Ausbau zu einer Neuklassifikation und damit verbundenen Erhöhung des Verkehrsaufkommens gemäß Abb. 3.1.1-7 des Gutachtermodells führt (z.B. 6-streifiger Ausbau mit Änderung der DTV-Belastungsklasse).

Die Änderung der Beeinträchtigungsintensität innerhalb der vorhandenen Wirkzonen wird durch die Differenz der Beeinträchtigungsfaktoren nach und vor dem Ausbau ausgedrückt. Sie hat den konstanten Wert

F = 0,1 bzw. 0,2 (vgl. Abb. 3.1.1-7 des Gutachtermodells) und ist Ausgangspunkt für die Prüfung evtl. ausbaubedingter erheblicher und nachhaltiger Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts innerhalb der Wirkzonen. Wegen des konstanten Wertes F in allen Wirkzonen ist eine Abgrenzung dieser Zonen untereinander nicht mehr erforderlich.

- Ausbauvorhaben, die - abgesehen von der direkten Beeinträchtigung durch den Straßenkörper - keine nennenswert nachteilige Veränderung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts innerhalb vorhandener Wirkzonen hervorrufen. Dies sind Maßnahmen, bei denen die DTV-Belastungsklasse gemäß Abb. 3.1.1-7 des Gutachtermodells trotz Ausbau unverändert bleibt (z.B. 6-streifiger Ausbau ohne Änderung der DTV-Belastungsklasse).

Bei den o.g. Vorhaben, denen gemeinsam ist, dass der Ausbau auf bereits ökologisch vorbelasteten Flächen erfolgt - d.h. der tatsächliche Biotopwert ist geringer als der Wert aus Abb. 3.1.1-6 des Gutachtermodells - ergibt sich der Mindestflächenumfang der Kompensationsmaßnahme eines beeinträchtigten Biotoptyps vereinfacht aus der Beziehung:

K = B ¿ F ¿ T

Dabei bedeutet:

K:

Erforderlicher Mindestumfang der Flächengröße der Kompensationsmaßnahme (ha, m2)

B:

Flächengröße des beeinträchtigten Biotoptyps (ha, m2)

F:

Beeinträchtigungsfaktor:

Baukörper (einschl. Böschungen):

F = 1,0

Wirkzonen:

F = 0,1 bzw. 0,2
(Ausbau mit Änderung der DTV-Belastungsklasse)

F = 0
(Ausbau ohne Änderung der DTV-Belastungsklasse)

T: Zeitfaktor:
Entwicklungszeit < 30 Jahre: Entwicklungszeit 30 - 100 Jahre:
Entwicklungszeit > 100 Jahre:


T = 1,0
T = 2,0
T = 3,0

Daraus folgt:

- Für den Bereich der vom Straßenkörper überlagerten Fläche erhält man die Gesamtkompensationsfläche als Summe der mit dem jeweiligen Zeitfaktor und dem Beeinträchtigungsfaktor F = 1,0 multiplizierten biotoptypbezogenen Eingriffsflächen; die Ausführungen gemäß Nummer 4.3 Abs. 4 dieses Erlasses bleiben unberührt.

- Für den Bereich der Wirkzonen (nur bei Ausbauvorhaben mit Änderung der DTV-Belastungsklasse) erhält man die Gesamtkompensationsfläche als Summe der mit dem jeweiligen Zeitfaktor und dem Beeinträchtigungsfaktor F = 0,1 bzw. 0,2 multiplizierten biotoptypbezogenen Eingriffsflächen, soweit diese durch die ausbaubedingte zusätzliche Beeinträchtigungsintensität erheblich oder nachhaltig beeinträchtigt sind. Bei Ausbauvorhaben ohne Änderung der Belastungsklasse entfällt dieser Kompensationsanteil (F = 0).

Bei der Ermittlung eventueller zusätzlicher Kompensationsmaßnahmen für die Beeinträchtigung abiotischer Landschaftsfaktoren ist entsprechend dem Gutachtermodell zu verfahren (vgl. Nummer 3.1.2.6 des Gutachtermodells); dabei sind die vorstehenden Hinweise zur Bewertung der Erheblichkeit und Nachhaltigkeit von Beeinträchtigungen zu berücksichtigen.

Anlage 3

Vereinfachtes Bewertungsverfahren "Landschaftsbild"

Das vereinfachte Bewertungsverfahren "Landschaftsbild" findet Anwendung bei zweistreifigen Neubau- und allen Ausbauvorhaben (s.a. Anlage 1).

Die vereinfachte Vorgehensweise besteht im Wesentlichen in einem Verzicht auf die rechnerische Herleitung des Erheblichkeitsfaktors (vgl. Nummer 3.2.1.5.5 des Gutachtermodells) und der zusätzlichen Erholungsbelastung (vgl. Nummer 3.2.2.6 des Gutachtermodells). Die Bewertung erfolgt durch eine verbale Beschreibung von Eingriff und Kompensation unter Verwendung nachstehender vereinfachter formalisierter Wertzuordnungen. Diese dienen der Herleitung des Mindestumfangs der Kompensationsflächen für das Landschaftsbild. Die Flächenangaben werden vor allem für die Ermittlung der Gesamtkompensation Naturhaushalt/ Landschaftsbild (vgl. Nummer 3.3 des Gutachtermodells) benötigt.

Bei der Herleitung des Mindestumfangs der Kompensationsflächen lassen sich folgende Anwendungsfälle unterscheiden:

- Zweistreifiger Neubau und Ausbau mit deutlich wahrnehmbarer Veränderung des räumlichen Erscheinungsbildes innerhalb der visuellen Wirkzonen (z.B. größere Hanganschnitte, größere Aufschüttungen oder sonstige deutliche Reliefveränderungen):

Diese Vorhaben sind dadurch gekennzeichnet, dass entweder neue visuelle Wirkzonen entstehen oder vorhandene visuelle Wirkzonen wesentlich verändert werden.

Der Kompensationsflächenumfang wird entsprechend dem Gutachtermodell ermittelt (vgl. Nummer 3.2.1.6.1 des Gutachtermodells). Der Erheblichkeitsfaktor "e" ist dabei in Abhängigkeit von der landschaftsästhetischen Wirkung des Eingriffs festzulegen, wobei folgende Werte als Anhalt dienen können:

- wenig empfindliche Landschaft: e = 0,3
- empfindliche Landschaft: e = 0,5
- sehr empfindliche Landschaft: e = 0,7 - 0,8

Zwischenwerte sind zulässig.

Ein eventueller Flächenzuschlag für die Eignung der Landschaft für die naturbezogene Erholung (vgl. Nummer 3.2.2 des Gutachtermodells) ist verbal zu begründen und durch eine entsprechende Erhöhung des Erheblichkeitsfaktors zu berücksichtigen.

- Ausbau ohne deutlich wahrnehmbare Veränderung des räumlichen Erscheinungsbildes innerhalb der visuellen Wirkzonen:

Bei diesen Maßnahmen werden bestehende visuelle Wirkzonen nicht wesentlich verändert und sind daher zu vernachlässigen.

Im Bereich der Straßenzone I (vgl. Nummer 3.2.1.5.6 des Gutachtermodells) erfolgt eine Kompensation für die Flächen dieser Zone - wie beim Gutachtermodell - im Verhältnis 1 : 1.

Im Bereich der Straßenzone II ist der Kompensationsflächenumfang mit 30 % dieser Fläche anzusetzen.

Ein Flächenzuschlag für "naturbezogene Erholung" kommt wegen der fehlenden visuellen Wirkzonen nicht in Betracht.

Bei beiden Anwendungsfällen ist bezüglich der Abgrenzung zwischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen entsprechend dem Gutachtermodell zu verfahren (vgl. Nummern 3.2.1.6.3 und 3.2.2.6 des Gutachtermodells), wobei im Bereich der visuellen Wirkzonen als Abgrenzungskriterium an Stelle des ästhetischen Eigenwertes vereinfachend der Erheblichkeitsfaktor heranzuziehen ist.

MBL. NRW. 1999 S. 365