Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2002 Nr. 54 vom 25.10.2002 Seite 1071 bis 1096

Orientierungsdaten 2003 – 2006 für die Finanzplanung der Gemeinden (GV) des Landes Nordrhein-Westfalen (Orientierungsdaten 2003)
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zugehörige Anlagen :
Anlage1
 

Orientierungsdaten 2003 – 2006 für die Finanzplanung der Gemeinden (GV) des Landes Nordrhein-Westfalen (Orientierungsdaten 2003)

II.

Innenministerium

Orientierungsdaten 2003 – 2006
für die Finanzplanung der Gemeinden (GV)
des Landes Nordrhein-Westfalen
(Orientierungsdaten 2003)

RdErl. d. Innenministeriums v. 30. September 2002

- 33 - 41.40 - 9045/02 -

Nachfolgend gebe ich gemäß § 24 Abs. 3 der Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO) vom 14.05.1995 (GV. NRW. S. 516), zuletzt geändert am 15.6.1999 (GV. NRW. S. 386), im Einvernehmen mit dem Finanzministerium die Orientierungsdaten 2003 bis 2006 für die Finanzplanung der Gemeinden (GV) des Landes Nordrhein-Westfalen bekannt. Die Tabelle mit den einzelnen Orientierungsdaten und eine Erläuterung sind als Anlage beigefügt.

Die Orientierungsdaten berücksichtigen die wirtschafts- und finanzpolitischen Empfehlungen des Finanzplanungsrates vom 21. März 2002 und die Ergebnisse der Steuerschätzung vom Mai 2002.

Der Finanzplanungsrat, dem unter anderem auch Vertreter der Gemeinden und Gemeindeverbände angehören, hat in der Sitzung am 21. März 2002 die Umsetzung der Ziele des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts erörtert.  Er erkennt diese als notwendig an und befürwortet einen nationalen Stabilitätspakt. In seinem Beschluss zur Sicherstellung der Einhaltung der deutschen Verpflichtungen aus dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt  hat er einvernehmlich beschlossen, dass bei der Gestaltung künftiger Haushalte für die Jahre 2003 und 2004 der Bund seine Ausgaben im Vergleich zu 2002 um durchschnittlich 0,5 v. H. pro Jahr vermindern wird und die Länder und Gemeinden ihr jährliches Ausgabenwachstum auf jeweils 1,0  v.H. im Jahresdurchschnitt begrenzen werden.

In der 96. Sitzung des Finanzplanungsrates am 12. Juni 2002 wurde darauf hingewiesen, dass die o.g. Ausgabenbegrenzungen unverzichtbar zur Umsetzung der Maastricht-Kriterien sind.

Gleichwohl muss aber berücksichtigt werden, dass die Kommunen in NRW bereits seit Mitte der 90er Jahre Vorleistungen erbracht haben, in dem sie mit ihren Ausgabensteigerungen im Durchschnitt unter den bisherigen Empfehlungen des Finanzplanungsrates  (maximal + 2,0 v. H.) lagen. Es wird für die Kommunen nicht zuletzt wegen der neuen gesetzlichen Belastungen durch den Bund (z.B. Grundsicherungsgesetz, Integrationskosten nach dem Zuwanderungsgesetz) schwierig werden, die neuen Ausgabenempfehlungen (maximal + 1,0 v. H.) einzuhalten.

Trotzdem müssen vor allem bei den laufenden Ausgaben (konsumtiven Ausgaben) die Konsolidierungsmaßnahmen verstärkt fortgeführt werden. Auf die Verpflichtung zur Ausschöpfung der eigenen Einnahmemöglichkeiten nach der Gemeindeordnung (GO) wird ergänzend hingewiesen. Auch wegen der erkennbaren Belastungen der kommunalen Haushalte durch die Auswirkungen des Steuersenkungsgesetzes, die Einführung des Grundsicherungsgesetzes zum 01. Januar 2003, die Integrationskosten nach dem Zuwanderungsgesetz und die weiterhin verhaltene wirtschaftliche Entwicklung ist es unumgänglich, den Kurs der Haushaltskonsolidierung noch verstärkt fortzuführen. Aufgrund der nicht mehr verlässlichen Entwicklung der kommunalen Einnahmen (wirtschaftliche Entwicklung, Gewerbesteuer), können künftige finanzielle Handlungsspielräume nur erreicht werden, wenn die Kommunen ihre Ausgaben reduzieren. 

In den Folgejahren wird die Lage angespannt bleiben, nicht zuletzt auch aufgrund der 3. Stufe der Einkommensteuertarifsenkung im Jahr 2005. Hier gilt es, mögliche steuerliche Mehreinnahmen, die den Kommunen individuell in den nächsten beiden Jahren  entstehen, soweit wie möglich zu nutzen, um Mindereinnahmen im Haushaltsjahr 2005 abfedern zu können.

Rückblickend auf den Verlauf der kommunalen Haushalts- und Finanzwirtschaft ist folgendes anzumerken:

Die Kommunalfinanzen haben sich 2001 und im Verlauf des ersten Halbjahres 2002 nachhaltig verschlechtert. Auf der Einnahmeseite gab es bereits im Haushaltsjahr 2001 einen empfindlichen Einbruch des Gewerbesteueraufkommens (Gewerbesteuer netto – 11,7 v.H.), der sich im Verlauf des ersten Halbjahres 2002 noch verstärkt fortgesetzt hat. Der kommunale Anteil an der Einkommensteuer reduzierte sich im Haushaltjahr 2001 um 4,9 v.H., auch das Umsatzsteueraufkommen blieb schwach. Auf der Ausgabenseite stiegen insbesondere die sozialen Leistungen wieder deutlich (2001 + 3,1 v.H.; erstes Halbjahr 2002 + 4,1 v.H.) an.

Im Saldo der (bereinigten) Gesamtausgaben und Gesamteinnahmen wiesen die Kommunen in Nordrhein-Westfalen 2001 erstmals seit drei Jahren wieder ein Finanzierungsdefizit in Höhe von rd. 1,15 Mrd. € auf. Anstrengungen vieler Kommunen bei der Konsolidierung ihrer Haushalte sind aber nach wie vor nicht zu übersehen. Die kommunalen Ausgaben (ohne besondere Finanzierungsvorgänge) blieben auch 2001 mit einem Anstieg von + 0,9 v.H. unterhalb der Empfehlungen des Finanzplanungsrates für die Entwicklung der öffentlichen Haushalte.

Sorgen bereiten die kommunalen Verwaltungshaushalte. Die Fehlbeträge der Verwaltungshaushalte 2001 erhöhten sich auf einen neuen Rekordstand von rd. 2,15 Mrd. €, worin eine Abdeckung von Fehlbeträgen aus Vorjahren von rd. 1,61 Mrd. € enthalten war. Auf das Jahr 2001 bezogen sind damit neue Fehlbeträge der Verwaltungshaushalte i. H. v. 509,9 Mio. € entstanden. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass dies ein Ergebnis einer saldierten Betrachtungsweise der Statistik ist. Für die künftige Entwicklung sind die nicht abgedeckten Fehlbeträge aus 2000 (509,8 Mio. €) mit zu berücksichtigen. Die Kommunalhaushalte 2003 und 2004 werden damit mit abzudeckenden Fehlbeträgen aus Vorjahren von insgesamt rd. 2,7 Mrd. € vorbelastet.

Darüber hinausgehende Belastungen der Kommunen sind kaum noch verträglich. Es bedarf im Gegenteil einer Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung und/oder nachhaltiger Entlastungen, damit die Kommunen in die Lage versetzt werden, ihre wichtigen Investitionen verstärken zu können. Die mit der vom Bund eingesetzten Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen verfolgten Reformüberlegungen sollten Chancen eröffnen, die kommunalen Steuereinnahmen stetiger und verlässlicher zu gestalten und Belastungen der Kommunen zu reduzieren.

Sorgen bereiten vor allem die Städte mit Haushaltssicherungskonzepten, in denen wirksame Maßnahmen zum Abbau der Fehlbeträge unabdingbar notwendig sind. Der allein gangbare Weg für die Kommunen besteht darin, den eigenen Haushalt weiter und nachhaltiger zu konsolidieren, die Bestrebungen zu einer Gemeindefinanzreform zu unterstützen und bei positiver wirtschaftlicher Entwicklung künftige Steuermehreinnahmen konsequent zum Abbau von Fehlbeträgen und Schulden zu nutzen. Allenfalls kommt noch – soweit möglich -  der Aufbau von Rücklagen oder eine Erhöhung der Investitionen in Betracht, neue Konsumausgaben sind auf absehbare Zeit dagegen nicht finanzierbar.

Die Konsolidierungsanstrengungen der Kommunen müssen deshalb, wie auch in den anderen öffentlichen Haushalten, konsequent fortgesetzt werden. Das Land hilft den Kommunen bei ihrer Konsolidierung, wo dies möglich ist. Land und Kommunen bilden auch bei der notwendigen Konsolidierung ihrer Haushalte eine bewährte Partnerschaft.

Den Berechnungen der nachfolgenden Orientierungsdaten liegt die gesamtwirtschaftliche Projektion der Bundesregierung nach dem Stand vom Mai 2002 zu Grunde.

Die Steuereinnahmen sind neben den Zuweisungen/Zuschüssen und Erstattungen die wichtigste Einnahmequelle des Kommunalhaushalts. Da sie die Basis für den finanzpolitischen Rahmen der nächsten Jahre bilden, werden an die Verlässlichkeit der Steuerschätzung hohe Erwartungen gestellt.

Die Einnahmenschätzungen orientieren sich an den Ergebnissen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ vom Mai 2002 auf der Basis des geltenden Steuerrechts. Sie berücksichtigen die zweite Stufe des Steuersenkungsgesetzes für 2003 mit den sich aus dem Flutopfersolidaritätsgesetz ergebenden Folgerungen.  

Die mehrfache drastische Rücknahme der Einnahmeerwartungen Mitte der 90er Jahre, aber auch die bundesweit zu beobachtenden Einnahmeeinbrüche der Gewerbesteuer im Jahr 2001 und im ersten Halbjahr 2002 machen die Schwierigkeiten der Steuerschätzungen deutlich. Dies habe ich bei der in der Anlage beigefügten Tabelle berücksichtigt.

An den in der Tabelle (vgl. Anlage) enthaltenen Daten sollen sich die Gemeinden (GV) bei der Erstellung und Fortschreibung der Finanzplanung für die Jahre 2003 bis 2006 entsprechend § 16 Abs. 1 Stabilitäts- und Wachstumsgesetz und § 75 Abs. 1 GO ausrichten. Die Orientierungsdaten sind Durchschnittswerte für den Bereich des Landes und können damit nur Anhaltspunkte für die individuelle gemeindliche Finanzplanung geben. Es bleibt Aufgabe jeder Gemeinde (GV), anhand dieser Durchschnittswerte unter Berücksichtigung der örtlichen und strukturellen Gegebenheiten die für ihre Finanzplanung zutreffenden bzw. erforderlichen Einzelwerte zu ermitteln und zu bestimmen. Dies gilt auch und besonders aufgrund der nicht prognostizierbaren Werte für die Schätzung der Gewerbesteuereinnahmen, die zudem, je nach den wirtschaftlichen Gegebenheiten vor Ort, erheblich voneinander abweichen können.

Die Orientierungsdaten für die Entwicklung der Gesamtausgaben, insbesondere der konsumtiven Ausgaben, z.B. bei den Personalausgaben und dem sächlichen Verwaltungs- und Betriebsaufwand, aber auch bei den sozialen Leistungen, verdeutlichen auch in diesem Jahr den Konsolidierungszwang, dem die kommunale Finanzwirtschaft ausgesetzt bleibt. Erhöhte Belastungen bei den sozialen Leistungen können aufgrund der gesetzlichen Neuerungen  und daneben wegen der sich im Pflegebereich abzeichnenden Kostenerhöhungen sowie der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit entstehen. Hierauf haben die Kommunalen Spitzenverbände in der Anhörung zu diesen Orientierungsdaten hingewiesen. Dies habe ich bei meiner Prognose berücksichtigt.

Das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik des Landes Nordrhein-Westfalen erfasst aufgrund des Finanz- und Personalstatistikgesetzes vom 8.03.2000 (BGBl. I S. 206) die Haus­haltsansätze für 2002 der Gemeinden und Kreise in der bekannten Differenzierung. Die Ergebnisse hierzu sind dem Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik

bis zum 02.12.2002

mitzuteilen. Entsprechende Vordrucke werden rechtzeitig zugesandt. Ich bitte, den finanzstatistischen Meldepflichten sorgfältig nachzukommen. Die Gemeinden sollten weiter bedenken, dass auf Grundlage der amtlichen Finanzstatistiken die notwendigen Informationen für finanzpolitische Entscheidungen des Bundes, der Länder und der Kommunen im Vergleich gewonnen werden. Deshalb liegt es im Interesse der Kommunen, dass die statistischen Meldepflichten sorgfältig und zeitgerecht erledigt werden.

Zu den nachstehenden Orientierungsdaten (vgl. Anlage) wurden die kommunalen Spitzenverbände am 03. September 2002 angehört.

Anlage

- MBl. NRW. 2002 S. 1088