Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2004 Nr. 37 vom 22.10.2004 Seite 889 bis 934

Verwaltungsvorschriften zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VV VwVG NRW) Gem. RdErl. d. Finanzministeriums - I C 1 - 0070 – 41.14 - u. d. Innenministeriums – 56/17 - 21.112 - v. 9.10.2004
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Verwaltungsvorschriften zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VV VwVG NRW) Gem. RdErl. d. Finanzministeriums - I C 1 - 0070 – 41.14 - u. d. Innenministeriums – 56/17 - 21.112 - v. 9.10.2004

2010

Verwaltungsvorschriften
zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz
(VV VwVG NRW)

Gem. RdErl. d. Finanzministeriums - I C 1 - 0070 – 41.14 -
u. d. Innenministeriums – 56/17 - 21.112 -
v. 9.10.2004

Auf Grund des § 81 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2003 (GV. NRW. S. 156/SGV. NRW. 2010), wird der Gemeinsame Runderlass des Finanzministeriums – C 1 –00700 –41.14 – und des Innenministeriums – 56/17 - 21.112 - vom 11.3.1963 im Ersten Abschnitt (Vollstreckung von Geldforderungen) unter Aufhebung der Anlage zu Nr. 37.2 wie folgt neu gefasst:

Verwaltungsvorschriften
zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz

(VV VwVG NRW)

Inhaltsverzeichnis

Erster Abschnitt:
Vollstreckung von Geldforderungen

Erster Unterabschnitt:
Allgemeine Vorschriften

1
Vollstreckbare Geldforderungen
2
Vollstreckungsbehörden
3
Vollstreckung durch Behörden der Finanz- und Justizverwaltung
4
Vollstreckungsschuldner
5.1
Vermögensermittlung (§ 5)
5.2
Eidesstattliche Versicherung (§ 5 a)
6.1
Voraussetzungen für die Vollstreckung (§ 6)
6.2
Einstellung und Beschränkung der Vollstreckung (§ 6 a)
7
Einwendungen gegen den Anspruch; Erstattungsanspruch
8
Widerspruch gegen die Pfändung
9
Zwangsverfahren gegen Personenvereinigungen
10
Vollstreckungsschuldner nach bürgerlichem Recht
11
Vollziehungsbeamte
12
Auftrag und Ausweis des Vollziehungsbeamten
13
Angabe des Schuldgrundes
14
Befugnisse des Vollziehungsbeamten
15
Zuziehung von Zeugen
16
Nachtzeit, Feiertage
17
Niederschrift
18
Mitteilungen des Vollziehungsbeamten
19
Mahnung
20
Kosten

Zweiter Unterabschnitt:
Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen

1.
Allgemeine Vorschriften

21
Pfändung
22
Pfändungspfandrecht
23
aufgehoben
24
Klage auf bevorzugte Befriedigung
25
Keine Gewährleistung
26
Beschränkung der Zwangsvollstreckung

2.
Zwangsvollstreckung in Sachen

27
Pfändungs- und Vollstreckungsschutz
28
Verfahren bei der Pfändung
29
Pfändung ungetrennter Früchte
30
Öffentliche Versteigerung, gepfändetes Geld
31
Versteigerungstermin
32
Versteigerungsverfahren
33
Gold- und Silbersachen
34
Wertpapiere
35
Früchte auf dem Halm
36
Namenspapiere
37
Andere Verwertung
38
Anschlusspfändung
39
Mehrfache Pfändung

3.
Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte

40
Pfändung einer Geldforderung
41
Pfändung einer Hypothekenforderung
42
Pfändung einer Wechselforderung
43
Pfändung fortlaufender Bezüge
44
Einziehung der Forderung - Herausgabe der Urkunden
45
Erklärungspflicht des Drittschuldners
46
Andere Arten der Verwertung
47
Ansprüche auf Herausgabe oder Leistung von Sachen
48
Pfändungsschutz
49
Mehrfache Pfändung
50
Vollstreckung in andere Vermögensrechte

Dritter Unterabschnitt:
Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen

51
Verfahren
52
Zwangsvollstreckung gegen Rechtsnachfolger

Vierter Unterabschnitt:
Sicherungsverfahren

53
Sicherung von Ansprüchen durch Arrestanordnung

Fünfter Unterabschnitt:
Befriedigung durch Verwertung von Sicherheiten

54
Verwertung von Sicherheiten

Erster Abschnitt:
Vollstreckung von Geldforderungen

Erster Unterabschnitt:
Allgemeine Vorschriften

1
Anwendungsbereich (zu § 1)

Der Beitreibung im Verwaltungszwangsverfahren unterliegen Geldforderungen unter zwei Voraussetzungen:

1.1
Es muss sich um Geldforderungen des Landes, einer Gemeinde, eines Gemeindeverbandes oder einer anderen unter Landesaufsicht stehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts (auch Landesbetriebe und Sondervermögen) handeln. Zu den Gemeindeverbänden gehören die Kreise, der Kommunalverband Ruhrgebiet, die Landschaftsverbände und die Zweckverbände, nicht jedoch der Landesverband Lippe. Wegen der Vollstreckungsrechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften vgl. Nr. 2.2.2.2.
Durch § 1 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) besteht die Möglichkeit, dass die so genannten „Beliehenen" das Verwaltungszwangsverfahren anwenden. Als „Beliehene“ kommen solche Stellen oder Personen in Betracht, denen das Recht verliehen ist, bestimmte öffentlich-rechtliche Zuständigkeiten wahrzunehmen und hierfür Gebühren oder Auslagen zu erheben.

1.2
Die beizutreibende Forderung muss öffentlich-rechtlicher Natur sein, oder die Beitreibung privatrechtlicher Forderungen ist durch Rechtsverordnung des Innenministeriums im Einvernehmen mit dem Finanzministerium (auf der Grundlage der Ermächtigung in § 1 Abs. 2 VwVG NRW) im Verwaltungszwangsverfahren für zulässig erklärt worden (siehe „Verordnung über die Beitreibung privatrechtlicher Geldforderungen im Verwaltungsvollstreckungsverfahren“ vom 10. März 2003 (SGV. NRW. 2010)).

1.2.1
Öffentlich-rechtliche Geldforderungen werden auf gesetzlicher Grundlage erhoben (formelles Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung) oder entstehen unmittelbar ohne Leistungsgebot aufgrund gesetzlicher Verpflichtung. Geldforderungen aus subordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Verträgen (§ 54 Satz 2 VwVfG NRW) und gesetzlich zugelassene schriftliche Erklärungen unterliegen gemäß § 1 Abs. 6 VwVG NRW der Vollstreckung nur, wenn sich der Vollstreckungsschuldner wegen der Forderung der Verwaltungsvollstreckung unterworfen hat (siehe zum Vertrag § 61 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW). Abweichend von der Regelung in § 1 Abs. 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes (VwVG) nimmt das Landesgesetz
unbestrittene öffentlich-rechtliche Geldforderungen nicht aus, für die ein anderer Rechtsweg als der Verwaltungsrechtsweg begründet ist; bundesrechtliche Regelungen, z.B. § 205 BEG, gehen jedoch vor.

1.2.2
Die für zulässig erklärte Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen

1.2.2.1
Die Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen nach § 1 Abs. 2 VwVG NRW ist ein der zivilprozessualen Geltendmachung vorgeschaltetes Verwaltungsverfahren. Die privatrechtliche Rechtsnatur der Geldforderung bleibt bestehen. Die Durchführung des Verfahrens ist ausgeschlossen oder endet, sobald der Vollstreckungsschuldner das Bestehen der Forderung dem Grunde oder der Höhe nach bestreitet. Diesen Einwand kann der Vollstreckungsschuldner bis zum Abschluss der Verwertung erheben. Nach Abschluss der Verwertung ist der Einwand ausgeschlossen. Der Vollstreckungsschuldner kann dann nach § 7 Abs. 3 VwVG NRW vorgehen. Keine Anwendung findet dieses Verfahren nach Abschluss eines zivilrechtlichen Verfahrens. Auf der Grundlage zivilrechtlicher Titel kann die Vollstreckung ausschließlich nach der Zivilprozessordnung erfolgen.

1.2.2.2
Die Einwendungen des Vollstreckungsschuldners gegen die Forderung hat dieser schriftlich oder zur Niederschrift bei der Vollstreckungsbehörde einzulegen. Der Vollstreckungsbehörde steht keine Befugnis zu, die Berechtigung von Einwendungen, die sich gegen die Forderung richten, zu prüfen. Die pauschale Erklärung des Vollstreckungsschuldners, mit der Vollstreckung nicht einverstanden zu sein, führt nicht zur Einstellung des Verfahrens. Gleiches gilt für Einwände gegen die Voraussetzungen der Vollstreckung oder das Vorbringen nachträglicher Vollstreckungshindernisse, die sich nicht auf die Forderung beziehen, oder Einwände gegen die Art und Weise der Vollstreckungsdurchführung. Derartige Einwände sind als Widerspruch gegen die Vollstreckung auszulegen, dem gemäß § 8 AG VwGO NRW keine aufschiebende Wirkung zukommt. Über diesen Rechtsbehelf ist im Widerspruchsverfahren zu entscheiden.

1.2.2.3
Es besteht keine Verpflichtung zur Beitreibung privatrechtlicher Forderungen im Verwaltungsvollstreckungsverfahren. Zweckmäßig ist die Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen nur, wenn mit einem Bestreiten der Forderung durch den Vollstreckungsschuldner nicht gerechnet werden muss. Die Beurteilung der Zweckmäßigkeit obliegt dem Gläubiger (anordnende Stelle). Zweckmäßig ist das Verfahren wenn vor der Erlangung eines zivilrechtlichen Titels vorrangige Pfandrechte gesichert werden sollen. Die Durchführung des Verfahrens kann auch im Rahmen der Amtshilfe verlangt werden, auch wenn die ersuchte Stelle ihre privatrechtlichen Forderungen ausschließlich im Zivilprozessweg beitreibt. Bei Amtshilfeersuchen an Vollstreckungsstellen in anderen Bundesländern ist dies aber nur zulässig, sofern in diesen Ländern entsprechende Vorschriften zur Beitreibung privatrechtlicher Forderungen bestehen. Ein drohender Verjährungseintritt der privatrechtlichen Forderung kann nur dadurch abgewendet werden, dass gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme (insbesondere Pfändung) der Neubeginn der Verjährungsfrist herbeigeführt wird. Andernfalls ist ein Anerkenntnis des Vollstreckungsschuldners nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB, etwa durch die nachweisbare Vereinbarung von Abschlagszahlungen, herbeizuführen oder eine Hemmung der Verjährung durch die Zustellung eines Mahnbescheides oder durch Klageerhebung vor den Zivilgerichten zu bewirken (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BGB).

1.2.2.4
Der Durchführung der Vollstreckung muss eine Zahlungsaufforderung an den Vollstreckungsschuldner vorausgehen. Die Zahlungsaufforderung ist die an den Vollstreckungsschuldner gerichtete Aufforderung, seiner Zahlungsverpflichtung wegen einer bestimmten Forderung nachzukommen. Sie erfolgt unter Bezug auf die bereits eingetretene Fälligkeit oder auf einen bereits bestimmten zukünftigen Fälligkeitstermin der Forderung. Die Zahlungsaufforderung kann bereits in der vertraglichen Grundlage enthalten sein oder in einer Rechnung erfolgen, kann aber auch Gegenstand eines gesonderten Schreibens sein. Vor Beginn der Vollstreckung ist der Vollstreckungsschuldner schriftlich oder mündlich über sein Recht zu belehren, Einwendungen gegen die Forderung zu erheben und hierdurch die Einstellung der Vollstreckung im Verwaltungswege herbeizuführen. Die Belehrung sollte auch einen Hinweis auf die Zulässigkeit der Vollstreckung der fälligen Forderung nach dem VwVG NRW enthalten. Eine schriftliche Belehrung kann in der Erinnerung oder Mahnung erfolgen. Sie kann wie folgt formuliert werden:
„Wegen der oben (der in meiner Zahlungsaufforderung vom ...) bezeichneten Forderung beabsichtige ich bei Nichtzahlung die Beitreibung im Verwaltungsvollstreckungsverfahren gemäß § 1 Abs. 2 VwVG NRW vom 19. Februar 2003 (SGV. NRW. 2010) i. V. m. der Verordnung über die Beitreibung privatrechtlicher Geldforderungen vom 10. März 2003 (SGV. NRW. 2010).
Die öffentlich-rechtliche Beitreibung dieser Forderung nach dem VwVG NRW unterbleibt oder ist einzustellen, wenn Sie bei der Vollstreckungsbehörde (– Anschrift der Vollstreckungsbehörde -) schriftlich oder zu Protokoll Einwendungen gegen die Forderung geltend machen. Die Forderung wird in diesem Fall im Zivilprozessweg geltend gemacht.“

Darüber hinaus müssen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 und § 6 Abs. 3 VwVG NRW vorliegen (Wochenfrist und Mahnung oder Erinnerung).

1.2.2.5
Sollen Ermittlungen über die Vermögensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners nach § 5 VwVG NRW erfolgen, ist der Vollstreckungsschuldner spätestens eine Woche vor Beginn dieser Maßnahmen entsprechend Nr. 1.2.2.4 zu belehren. Die Frist berechnet sich nach § 31 Abs. 1 - 5 VwVfG NRW i. V. m. §§ 187-193 BGB; der Tag des Zugangs des Schreibens zählt beim Fristbeginn nicht mit.

1.2.2.6
Nach der wirksamen Erhebung von Einwendungen unterbleibt eine noch nicht begonnene Vollstreckung, eine bereits eingeleitete Vollstreckung wird eingestellt.
Bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen bleiben bestehen. Nach Abschluss der Vollstreckung erfolgt keine Einstellung mehr. Erworbene Pfandrechte bleiben wirksam und sind gegenüber späteren Pfändungen anderer Gläubiger rangwahrend. Die Verwertung erworbener Pfandrechte wird bis zur Erlangung des Vollstreckungstitels im Zivilrechtsweg ausgesetzt. Der Gläubiger entscheidet nach Information durch die Vollstreckungsbehörde, ob er innerhalb eines Monates nach der Erhebung der Einwendungen (Fristberechnung nach § 31 Abs. 1-5 VwVfG NRW i. V. m. §§ 187-193 BGB, der Tag des Zugangs oder der zur Protokollerhebung zählt beim Fristbeginn nicht mit) einen Mahnbescheid beantragt oder Klage bei einem Zivilgericht einreicht.
Bereits angefallene Kosten der Verwaltungsvollstreckung können nach § 91 ZPO als vorgerichtliche Kosten geltend gemacht werden. Wird innerhalb der Monatsfrist kein Mahnbescheid beantragt oder keine Klage erhoben, hebt die Vollstreckungsbehörde noch bestehende Pfändungsmaßnahmen auf. Eine Aufhebung hat auch in den Fällen zu erfolgen, in denen die Klage rechtskräftig abgewiesen wurde.
Liegt ein rechtskräftiger oder vorläufig vollstreckbarer zivilrechtlicher Titel vor, erfolgt die Verwertung der öffentlich-rechtlich erworbenen Pfandrechte ausschließlich im Zivilprozessweg (Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht). Entsprechende Verwertungsaufträge an den Gerichtsvollzieher und Anträge an das Vollstreckungsgericht sind unter Beifügung der Unterlagen über bereits durchgeführte Pfändungsmaßnahmen zu stellen.

1.2.3
Abweichende Anwendungsbereiche für öffentlich-rechtliche Geldforderungen
Alle Steuern und Steuervergütungen nach § 1 Abs. 1 Abgabenordnung (AO), die durch Bundesrecht oder Recht der EU geregelt sind und durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden, unterfallen einschließlich der Vollstreckung ausschließlich dem Anwendungsbereich der AO.
Für die Realsteuern (Grund- und Gewerbesteuern), deren Verwaltung in NRW den Gemeinden übertragen ist, gilt nach § 12 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) grundsätzlich die AO. Für die Vollstreckung und das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren findet das VwVG NRW Anwendung.
Ausgenommen ist die Anwendbarkeit des § 10 VwVG NRW. Die Inanspruchnahme durch Haftungs- und Duldungsbescheid ist nach der AO dem Festsetzungs- und Feststellungsverfahren zugeordnet. § 191 AO geht deshalb im Bereich der Realsteuern (§ 3 Abs. 2 AO) dem § 10 VwVG NRW vor.
Nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 b KAG gilt § 191 AO entsprechend, weshalb auch für kommunale Abgaben nach dem KAG die Anwendbarkeit des § 10 des VwVG NRW ausscheidet.
Für die Vollstreckung kommunaler Abgaben nach dem KAG gilt wegen der nach § 12 Abs. 1 Nr. 6 KAG nur singulären Verweisung auf einzelne Vorschriften der AO im Übrigen das VwVG NRW. Besonderheiten ergeben sich nach § 12 Abs. 1 Nr. 6 KAG für die Vollstreckung im Insolvenzverfahren (§ 251 Abs. 2 AO), wegen der Verzichtbarkeit auf ein Leistungsgebot für Säumniszuschläge und Zinsen nach § 254 Abs. 2 AO und für die Niederschlagung von Ansprüchen (§ 261 AO).
Sofern Bundesgesetze das VwVG für Landesbehörden für „sinngemäß“ oder „entsprechend“ anwendbar erklären, gilt ebenfalls das VwVG NRW (siehe § 136 FlurbG, § 200 Abs. 2 SGG).
Im Bereich des Sozialversicherungsrechts gilt gemäß § 66 Abs. 3 SGB X für die Vollstreckung zugunsten der Landes- und Kommunalbehörden aus Leistungsbescheiden das VwVG NRW; für den Bereich der Kriegsopferversorgung aber das VwVG des Bundes (§ 66 Abs.2 SGB X). Sozialgerichtliche Titel werden nach dem VwVG des Bundes vollstreckt (§§ 200, 201 SGG).
Wegen der Vollstreckung von Geldstrafen und anderer Ansprüche nach der Justizbeitreibungsverordnung vgl. § 1 JBeitrO.
Für die Beitreibung von Bußgeldern und von Verwarnungsgeldern für Ordnungswidrigkeiten nach Bundes- und Landesrecht gilt das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Für die Vollstreckung von Bußgeldentscheidungen findet gemäß § 90 Abs. 1 OWiG das VwVG NRW Anwendung. Aus den §§ 89 und 95 OWiG ergeben sich besondere Bestimmungen für die Vollstreckungsvoraussetzungen, die dem VwVG NRW vorgehen. Der Bußgeldbescheid ist danach nur vollstreckbar, wenn er rechtskräftig geworden ist.
Die Beitreibung kann vor Ablauf von zwei Wochen nach der Fälligkeit erfolgen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen erkennbar ist, dass sich der Betroffene der Zahlung entziehen will.
Für die Erzwingungshaft bei Nichtzahlung ist das besondere Verfahren nach § 96 OWiG einzuhalten (siehe auch Nr. 63.3).

2
Vollstreckungsbehörden (zu § 2)

2.1
Das VwVG NRW geht davon aus, dass die Beitreibung von Geldforderungen stets Aufgabe besonderer Vollstreckungsbehörden ist, und dass die Wahrnehmung dieser Aufgabe innerhalb der verschiedenen Verwaltungen regelmäßig den Kassen zusteht. In der kommunalen Verwaltung ist dies die jeweils für das Mahn- und Vollstreckungsverfahren bestimmte zentrale Stelle (siehe Kommunales Finanzmanagementgesetz NRW).
Nach dem Stand des Jahres 2003 bestehen in NRW im Bereich der Landes- und Landtagsverwaltung folgende Kassen, die im Sinne des § 2 Abs. 1 VwVG NRW Vollstreckungsbehörden sind: Landeshauptkasse, Kasse des Landtags NRW, Landeskassen bei den Bezirksregierungen, Oberjustizkasse, Hochschulkassen und Erhebungsstellen der Finanzämter, sowie die Kasse beim Direktor der Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe.
Landesbetriebe und Sondervermögen des Landes sind nach § 2 Abs. 2 VwVG NRW durch eine gesetzliche Regelung zu Vollstreckungsbehörden zu bestimmen.
Den kommunalen Anstalten des öffentlichen Rechts nach § 114 a GO NRW steht keine gesetzlich eingeräumte Befugnis zur Wahrnehmung der Aufgaben der Vollstreckungsbehörden zu. Sofern in der Anstaltssatzung die Ausübung der Vollstreckungsbefugnisse vorgesehen werden soll, muss die Anstalt im Wege des § 2 Abs. 2 Satz 2 VwVG NRW durch die Bezirksregierung (unter Einbeziehung des Innenministeriums) im Einzelfall oder durch Rechtsverordnung als Vollstreckungsbehörde bestimmt werden (siehe Nr. 2.2.3).
Für die Amtshilfe zwischen Vollstreckungsbehörden gelten die §§ 4 bis 8 VwVfG NRW.
Das Ersuchen soll alle erforderlichen Angaben enthalten und nach Möglichkeit die erbetene Maßnahme (Pfändung, Versteigerung oder sonstige Verwertung, Verfahren zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung usw.) bezeichnen.
Will die ersuchende Behörde bestimmte Vermögenswerte pfänden lassen, muss sie diese im Amtshilfeersuchen genau angeben. Die Pfändung einer Forderung durch die ersuchte Behörde ist nicht rechtswidrig, im Hinblick auf die Regelung in § 40 Abs. 3 VwVG NRW (vgl. Nr. 40.12) aber nicht erforderlich.
Die allgemeine Bitte um „Beitreibung“ eines Betrages verpflichtet die ersuchte Behörde zur zweckmäßigen, im Rahmen der vorhandenen organisatorischen und personellen Ausstattung möglichen Vollstreckung (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW). Vollstreckungsmaßnahmen, die einen unverhältnismäßig großen Aufwand erfordern, können unterbleiben (§ 5 Abs. 3 Nr.2 VwVfG NRW). Über das zweckmäßige Vorgehen entscheidet die ersuchte Vollstreckungsbehörde.
Sofern die ersuchte Vollstreckungsbehörde über eigene Vollziehungsbeamte verfügt oder regelmäßig die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung durch eigene Bedienstete durchführt, entscheidet die ersuchte Vollstreckungsbehörde im Einzelfall, ob die Beauftragung eines Gerichtsvollziehers zweckmäßig ist.

2.1.1
In der Regel werden Forderungen des Landes von staatlichen Vollstreckungsbehörden beigetrieben, soweit nicht kommunale Behörden für staatliche Aufgaben auftragsweise zuständig sind, z. B. die kommunalen Vollstreckungsbehörden als Funktionsnachfolger der Regierungskassen für die Kassenaufgaben der unteren Landesbehörden (vgl. § 3 des Gesetzes über die Eingliederung staatlicher Sonderbehörden in die Kreis- und Stadtverwaltung v. 30. April 1948 - SGV. NRW. 2000 - und den RdErl. des Innenministeriums v. 21.10.2003 - SMBl. NRW. 632 -).

2.1.1.1
Soll aus gerichtlichen Entscheidungen oder Vergleichen, aus Anerkenntnissen oder aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen im sozialgerichtlichen Verfahren vollstreckt werden, so bestimmt sich die zuständige Vollstreckungsbehörde gemäß § 200 SGG i.V.m. § 4 des Ausführungsgesetzes v. 8. Dezember 1953 (SGV. NRW. 304) i. V. m. § 2 VwVG NRW nach der für den jeweiligen Gläubiger der Forderung geltenden Zuständigkeitsregelung. Forderungen des Landes als Partei im Sozialgerichtsverfahren werden also von derjenigen Vollstreckungsbehörde beigetrieben, die für die das Land vertretende Behörde zuständig ist. Die Beitreibung von Forderungen des Landes als Träger der Sozialgerichte (z. B. Kostenforderungen) obliegt der Oberjustizkasse Hamm.
Geldforderungen, die sich im Bereich der Versorgungsverwaltung ergeben, werden nach § 66 Abs. 2 SGB X i. V. m. § 4 Abs. 2 der VO zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Sozialgesetzbuch (SGV. NRW. S. 820), für das Land von derjenigen Gemeinde beigetrieben, in welcher der Vollstreckungsschuldner der beizutreibenden Forderung seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Geldforderungen der dem Sozialrecht unterfallenden „übrigen Behörden“ im Sinne des § 66 Abs. 3 SGB X werden nach dem VwVG NRW beigetrieben. Die Zuständigkeit der Kommunen für die Beitreibung ergibt sich aus den von den Bezirksregierungen auf der Grundlage des § 2 Abs. 2 Satz 2 VwVG NRW erlassenen Rechtsverordnungen zur Bestimmung von Vollstreckungsbehörden (siehe Nr. 2.2.3).

2.1.1.2
Auch Geldforderungen des Bundes und bundesunmittelbarer Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts werden nach dem VwVG NRW von kommunalen Vollstreckungsbehörden beigetrieben, wenn Bundesgesetze und darauf beruhende Zuständigkeitsregelungen dies vorsehen (z.B. § 350 b LAG für öffentlich-rechtliche Geldforderungen des Ausgleichsfonds; § 18 des Gesetzes über die deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank vom 11. Juli 1989 (BGBl. I S. 1421) i. V. m. mit § 1 der Verordnung über die Bestimmung von Vollstreckungsbehörden für die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank, Bonn, v. 6. Juli 1971 (SGV. NRW. 760) für Darlehensforderungen aus Bundesmitteln). Hierbei handelt es sich teilweise um Forderungen, die nur im Innenverhältnis dem Bund zustehen, während nach außen das Land als Gläubiger auftritt.

2.1.2
Innerhalb der kommunalen Verwaltungen ist für die Durchführung des Verwaltungszwangsverfahrens die jeweils für das Mahn- und Vollstreckungsverfahren bestimmte zentrale Stelle ausschließlich zuständig (kommunale Vollstreckungsbehörde).

2.1.2.1
Weder die Vertretung der Gemeinde oder des Gemeindeverbandes noch der Hauptverwaltungsbeamte haben das Recht, diese Aufgabe im Allgemeinen oder in Einzelfällen dieser Stelle zu entziehen, sich selbst vorzubehalten oder anderen Dienststellen ihrer Körperschaft zu übertragen. Das innerdienstliche Weisungsrecht des Hauptverwaltungsbeamten als Dienstvorgesetzter gegenüber dem Leiter dieser Stelle wird dadurch nicht berührt (§ 5 Abs. 5 GemKVO).

2.1.2.2
Es entspricht der besonderen Rechtsstellung des Leiters der kommunalen Vollstreckungsbehörde, dass er in den Fällen, in denen die Vollstreckungsbehörde selbst über einen Widerspruch gegen ihre Vollstreckungsmaßnahmen zu entscheiden hat (§ 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO), grundsätzlich auch selbständig entscheidet. Er soll jedoch vorher mit dem Vorgesetzten die Angelegenheit besprechen, wenn der Widerspruchsbescheid voraussichtlich einen Verwaltungsprozess auslösen wird. Das Recht des Hauptverwaltungsbeamten, Weisungen für die Entscheidung über Widersprüche zu erteilen, bleibt unberührt.

2.2
Nach geltendem Recht üben nur wenige Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts die Befugnisse der Vollstreckungsbehörde selbst aus.

2.2.1
Hierzu gehören:
a) die Krankenkassen, wenn ihre
geschäftsleitenden Bediensteten nach Bestimmung der obersten Verwaltungsbehörde durch das zuständige Versicherungsamt als Vollstreckungsbehörde bestellt worden sind (§ 66 Abs. 3 S. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 3 SGB X; siehe RdErl. d. MGSFF v. 27.6.2003, SMBl. NRW. 8220),
b) der Entsorgungsverband in Hattingen, der Aggerverband, die Emschergenossenschaft, der Erftverband, der Niersverband, der Lippeverband, der Ruhrverband und der Wupperverband. Ihre Geschäftsführer oder -vorstände sind selbst Vollstreckungsbehörden. Sie können sich zur Durchführung der Vollstreckung der Gemeinden oder der Gemeindeverbände bedienen (vgl. z.B. § 33 des Gesetzes über die Gründung des Abfallentsorgungs- und Altlastenverbandes NRW, § 28 Aggerverbandsgesetz).

2.2.2
Für andere Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sind vielfach kommunale Vollstreckungsbehörden kraft Gesetzes tätig.

2.2.2.1
So sind die Gemeinden gemäß § 3 IHKG Vollstreckungsbehörden für die Industrie- und Handelskammern, gemäß § 113
HwO für die Handwerkskammern. Eine entsprechende Aufgabenzuweisung ergibt sich häufig auch aus der Formulierung, dass Beiträge, Gebühren usw. „wie Gemeindeabgaben“ beizutreiben sind (z.B. §§ 73 u. 89 HwO für die Innungen und Kreishandwerkerschaften).
Zur Wahrnehmung der Kassenaufgaben für das Land Nordrhein-Westfalen durch die Kassen der Kreise und kreisfreien Städte siehe RdErl. des Innenministeriums vom 21.10.2003 (SMBl. NRW. 632).

2.2.2.2
Vollstreckungsbehörden für die Kirchen (Kirchengemeinden) und die Religionsgemeinschaften, welche die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben, sind, soweit es sich um die Beitreibung von Kirchensteuern einschl. Kirchgeld handelt, grundsätzlich die Finanzämter (§§ 8 Abs. 1 und  15 Kirchensteuergesetz (KiStG) v. 22. April 1975 - SGV. NRW. 610 -). Kommunale Vollstreckungsbehörden sind nur zuständig für die Beitreibung der „Kirchensteuer vom Grundbesitz“, die als Zuschlag zu den Grundsteuermessbeträgen erhoben wird. Dies gilt sowohl, wenn die Kirchensteuer vom Grundbesitz durch die Gemeinden (GV) verwaltet wird (§ 11 aaO), als auch dann, wenn sie von den Kirchen selbst verwaltet wird, die Gemeinden (GV) aber die „Maßstabsteuern“ einziehen (§ 12 aaO). In beiden Fällen haben die Gemeinden (GV) das VwVG NRW anzuwenden. Das ergibt sich, unbeschadet des Hinweises auf die AO in § 8 KiStG, schon aus der Gegenüberstellung der „Vorschriften über das Verwaltungszwangsverfahren“ und der „Vorschriften der Abgabenordnung“ in § 12 aaO.
Sollen andere öffentlich-rechtliche Forderungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften als Kirchensteuern, z.B. Friedhofsgebühren, beigetrieben werden, so ist nach Nr. 2.2.3 zu verfahren.

2.2.2.3
Rückständige Rundfunkgebühren, die dem Westdeutschen Rundfunk Köln zustehen, werden im Verwaltungszwangsverfahren von der für den Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Vollstreckungsschuldners zuständigen kommunalen Vollstreckungsbehörde beigetrieben.
Der Kostenbetrag, den der WDR Köln an die in Anspruch genommene Vollstreckungsbehörde zu zahlen hat, ergibt sich aus § 1 der VO über die Bestimmung von Vollstreckungsbehörden für die Beitreibung rückständiger Rundfunkgebühren v. 1. Dezember 1992 (SGV. NRW. 2010).

2.2.2.4
In den vorstehenden Fällen wird die kommunale Vollstreckungsbehörde stets in Erfüllung eigener, ihr gesetzlich zugewiesener Aufgaben tätig. Sie ist „die“ Vollstreckungsbehörde der Handwerkskammer, der Kirchengemeinde usw. und leistet insoweit nicht etwa Amtshilfe.

2.2.3
Fehlen entsprechende Vorschriften, so bestimmt die Bezirksregierung gemäß § 2 Abs. 2  Satz 2 VwVG NRW eine Vollstreckungsbehörde, und zwar für den Einzelfall - entsprechend der gesetzlichen Regelung für vergleichbare Fälle in § 4 Abs. 2 OBG - im Verwaltungswege, als allgemeine Zuständigkeitsregelung für die Dauer jedoch durch Verordnung.
Zuständig ist die Bezirksregierung, in deren Bezirk die Vollstreckungsmaßnahme durchgeführt werden soll oder in deren Bezirk der Gläubiger seinen Sitz hat. Die von der Bezirksregierung bestellte Vollstreckungsbehörde muss außerhalb ihres Bereichs ggf. die Amtshilfe anderer Vollstreckungsbehörden in Anspruch nehmen.
Durch inhaltlich aufeinander abgestimmte Verordnungen der Bezirksregierungen

Arnsberg
v. 25. Juli 2003 (ABl. BezR Arnsberg S. 245/246),

Detmold
v. 14. April 1989 (ABl.
BezR. DT S. 120/121), zuletzt geändert durch Verordnung v. 20. Juni 2002 (ABl. BezR. DT S. 177),

Düsseldorf
v. 22. Oktober 1959 (ABl. Reg. Ddf. S. 377), zuletzt geändert durch Verordnung v. 8. Juli 2002 (ABl
. Reg. Ddf. S. 265)

Köln
v. 15. Januar 1993 (ABl. BezR Köln S. 25), zuletzt geändert durch Verordnung v. 22. Juli 2002 (ABl. BezR Köln S. 251),

Münster
v. 2. Januar 1985 (ABl. BezR MS 1985 S. 7), zuletzt geändert durch Verordnung v. 11. September 2002 (ABl. BezR MS 2002 S. 290)

sind für die meisten in Frage kommenden Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts unter Landesaufsicht die für den Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Vollstreckungsschuldners innerhalb des Landes zuständigen Gemeindekassen zu Vollstreckungsbehörden bestimmt worden. Die dort vorgenommene Bestimmung der Vollstreckungsbehörden umfasst auch die Anordnung nach § 66 Abs. 3 SGB X zur Vollstreckung sozialrechtlicher Forderungen. Dagegen ist die kommunale Vollstreckungsbehörde am Sitz des Gläubigers zuständig, wenn gegen einen Vollstreckungsschuldner außerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen vollstreckt werden soll.

2.2.4
In den vorgenannten Verordnungen haben die Bezirksregierungen den vom Gläubiger an die Vollstreckungsbehörde abzuführenden Kostenbetrag (Unkostenbeitrag) je Beitreibungsersuchen festgesetzt (16,00 Euro, Stand 2003; Anhebung ist geplant in 2004). Die Verpflichtung des Vollstreckungsgläubigers entsteht mit der Inanspruchnahme der Vollstreckungsbehörde und wird bei Zugang des Vollstreckungsauftrages bei der Vollstreckungsbehörde fällig, ohne dass es einer besonderen Anforderung durch die Vollstreckungsbehörde bedarf. Daneben besteht ein Anspruch auf Auslagenersatz nach § 20 Abs. 2 VwVG NRW.

2.3
Befugnisse der Vollstreckungsbehörde in der Anordnung, Leitung und Durchführung des Zwangsverfahrens

2.3.1
Nach § 2 Abs. 3 VwVG NRW stehen die vorgenannten verfahrensrechtlichen Befugnisse des Gläubigers grundsätzlich auch der Vollstreckungsbehörde zu. Wann die Vollstreckungsbehörde von diesen Befugnissen selbst Gebrauch macht, wird im Innenverhältnis von dem Auftrag abhängen, den ihr der Gläubiger erteilt hat und sich auch nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten bestimmen. Bei einer routinemäßigen Vollstreckung sind besondere Absprachen mit dem Gläubiger nicht erforderlich.
Bei Maßnahmen, die von besonderer Tragweite für den Vollstreckungsschuldner und auch für sein weiteres Verhältnis zum Gläubiger sind, sollte eine Anordnung des Gläubigers eingeholt werden. Dritten gegenüber handelt die Vollstreckungsbehörde gemäß § 2 Abs. 3 VwVG NRW immer aus eigenem Recht; eine Vollmacht des Gläubigers kann ein Dritter - auch ein Gericht - nicht verlangen.

2.3.2
Die Befugnis der Vollstreckungsbehörde zur selbständigen Wahrnehmung der „nach den Vorschriften dieses Gesetzes“ dem Gläubiger zustehenden verfahrensrechtlichen Befugnisse erstreckt sich grundsätzlich nicht auf die Wahrnehmung materieller Gläubigerrechte. Nach den §§ 5 a Abs. 1 Satz 2 und 21 Abs. 2 VwVG NRW und über die Verweisung in § 27 Satz 1 VwVG NRW auf die entsprechende Anwendung der §§ 806 b, 813 a ZPO steht der Vollstreckungsbehörde bzw. den Vollziehungsbeamten aber das Recht zur Vereinbarung von Teilzahlungen zu. Sofern die Vollstreckungsbehörde regelmäßig für den Gläubiger vollstreckt und dieser keine abweichende allgemeine oder auf den Einzelfall bezogene abweichende Anordnung trifft, kann seine erforderliche Zustimmung zu derartigen Vereinbarungen in den gesetzlichen Regelfällen vermutet werden.

3
Sonderbestimmungen für Finanz- und Justizverwaltung (zu § 3)

3.1
Das VwVG NRW ist dann nicht anzuwenden, wenn eine Geldforderung i. S. d. § 1 VwVG NRW von Vollstreckungsbehörden der Finanzverwaltung oder der Justizverwaltung beizutreiben ist, sei es auf Grund eigenen Rechts oder sei es im Wege der Amtshilfe.

3.2
Die Finanzbehörden richten sich nur nach den Vorschriften der AO und zwar auch dann, wenn sie als Vollstreckungsbehörde für andere Gläubiger tätig werden (z.B. bei Einziehung der Kirchensteuer  (vgl. Nr. 2.2.2.2) oder der Umlagen für die Landwirtschaftskammer (vgl. Nr
. 4.3.3.1 aE)).

3.3
Die Gerichtskassen als Vollstreckungsbehörden richten sich nach der JBeitrO. Für die Vollstreckungsbeamten der Justizverwaltung (Gerichtsvollzieher und Vollziehungsbeamte der Justiz) sind, wenn sie im Verwaltungszwangsverfahren für andere als Justizbehörden tätig werden, auch die Vorschriften der Zivilprozessordnung maßgebend; jedoch ersetzt der Auftrag der Vollstreckungsbehörde den sonst erforderlichen vollstreckbaren Titel.

4
Vollstreckungsschuldner (zu § 4)

Jede Vollstreckungsmaßnahme richtet sich gegen einen oder mehrere jeweils genau zu bezeichnende Vollstreckungsschuldner. Das VwVG NRW unterscheidet
a) Selbstschuldner (Nr. 4.1),
b) Haftungsschuldner (Nr. 4.2),
c) Duldungsschuldner (Nr. 4.3).

4.1
Selbstschuldner (§ 4 Abs. 1 Buchstabe a VwVG NRW) haben eine Leistung kraft Gesetzes oder auf Grund eines Vertrages aus eigenen Mitteln an den Gläubiger zu bewirken. Außer dem ursprünglichen Vollstreckungsschuldner ist auch der Gesamtrechtsnachfolger Selbstschuldner, z.B. bei Verschmelzung von Gesellschaften und bei Erbfolge (§ 45 AO). Die Möglichkeit, die „Haftung“ auf den Nachlass zu beschränken (§§ 1975 ff. BGB), macht den Erben nicht zum Haftungsschuldner. Denn Nachlassverbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten des Erben selbst geworden.

4.2
Haftungsschuldner (§ 4 Abs. 1 Buchstabe b VwVG NRW) haben für die Leistung, die ein anderer schuldet, an seiner Stelle oder neben ihm mit ihrem eigenen Vermögen, regelmäßig uneingeschränkt, kraft Gesetzes einzustehen.
Ihre Haftung kann beruhen:

4.2.1
auf Vorschriften des öffentlichen Rechts, insbesondere auf Steuergesetzen (z.B. §§ 69 ff. AO), aber auch auf Sozialversicherungsgesetzen, Kostenordnungen und dergleichen.
Beispiele: Haftung des Betriebsübernehmers nach § 75 AO für Steuerschulden, Haftung des Grundstückserwerbers nach § 11 Abs. 2 GrStG, Haftung des gesetzlichen Vertreters gemäß §§ 69, 34 AO,

4.2.2
auf Vorschriften des bürgerlichen Rechts, wenn die Haftung kraft Gesetzes gegeben ist.

Beispiele: Haftung des Erbschaftskäufers (§ 2382 BGB) für die Nachlassverbindlichkeiten, Haftung desjenigen, der ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführt (§ 25 HGB), Haftung der Gesellschafter für Schulden einer offenen Handelsgesellschaft (§ 128 HGB) und des persönlich haftenden Gesellschafters in einer Kommanditgesellschaft (§ 161 HGB), gesamtschuldnerische Steuerhaftung des Kommanditisten nach § 171 HGB, Haftung des überlebenden Ehegatten für Gesamtgutsverbindlichkeiten (§ 1489 BGB). Die Bedeutung dieser Fälle ist aber gering, da meistens zugleich auch öffentlich-rechtliche Haftung auf Grund von Abgabengesetzen gegeben ist (vgl. § 10 Abs. 3 VwVG NRW). Die Einleitung der Zwangsvollstreckung gegen Haftungsschuldner kraft Gesetzes nach bürgerlichem Recht setzt eine Entscheidung der Vollstreckungsbehörde nach § 10 VwVG NRW voraus (vgl. Nr. 4.3.2 und Nr. 10).
Die Durchführung des Zwangsverfahrens ist unzulässig gegen einen Dritten, der sich durch Vertrag zur Begleichung der Verbindlichkeit eines Hauptschuldners verpflichtet hat, z.B. gegen den Bürgen (vgl. Nr. 10.4).

4.3
Duldungsschuldner sind verpflichtet, die dem Hauptschuldner obliegende Leistung regelmäßig aus fremden Mitteln zu bewirken, die ihrer Verwaltung unterliegen (vgl. jedoch Nr. 4.3.3), und notfalls die Vollstreckung in diese Vermögenswerte zu dulden. Ihre Verpflichtung kann beruhen

4.3.1
auf Vorschriften des öffentlichen Rechts (§ 4 Abs. 2 und 3 VwVG NRW). In diesen Fällen wird der Duldungsschuldner neben dem Selbstschuldner durch entsprechend abgewandelten Leistungsbescheid (Nr
. 6.1.2.1) ausdrücklich in Anspruch zu nehmen sein;

4.3.2
auf Vorschriften des bürgerlichen Rechts.
Beispiele:
Eltern (§§ 1626 und 1629 Abs. 2 BGB), Vormund (§ 1793 BGB), Testamentsvollstrecker (§ 2213 BGB), Nachlassverwalter (§§ 1984, 1985 BGB), Nießbraucher (§§ 1086, 1089 BGB) hinsichtlich der Abgabenschulden desjenigen, der den Nießbrauch bestellt hat, § 11 des Anfechtungsgesetzes (AnfG).
Besonderer Bedeutung kommt aber dem bürgerlich-rechtlichen Anspruch aus § 11 AnfG  zu, welcher einen Dritten verpflichtet, das durch eine anfechtbare Rechtshandlung Erlangte dem Gläubiger zur Verfügung zu stellen.

4.3.3
Besondere Fälle der öffentlich-rechtlichen Duldungspflicht bilden die öffentlichen Lasten als dingliche Verwertungsrechte, die auf öffentlichem Recht beruhen (§ 4 Abs. 3 VwVG NRW i. V. m. § 77 Abs. 2 AO) und die Duldungspflicht des Eigentümers, der ein Grundstück erworben hat, nachdem im Verwaltungszwangsverfahren eine Sicherungshypothek eingetragen worden  ist (§ 52 VwVG NRW). In diesen Fällen muss der Eigentümer auch wegen solcher rückständiger Leistungen, die er nicht persönlich zu bewirken hatte, die Vollstreckung in das eigene belastete Grundvermögen dulden oder ggf. durch freiwillige Leistung aus eigenen Mitteln abwenden.

4.3.3.1
Als öffentliche Last werden in bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften nur solche Abgaben ausdrücklich bezeichnet, die in einem inneren Zusammenhang mit dem Grundstück stehen, insbesondere für Leistungen geschuldet werden, die seiner dauernden Werterhaltung oder Wertsteigerung dienen (vgl. die Aufzählung in Art. 1 und 2 des Ausführungsgesetzes zum Reichsgesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung v. 23.
September 1899 (SGV. NRW. 321)).
Beispiele für öffentliche Lasten: die Grundsteuer (§ 12 GrStG), die Erschließungsbeiträge (§ 134 Abs. 2 BauGB), Kanalanschlussbeiträge und Beiträge für straßenbauliche Maßnahmen (§ 8 KAG), Kehr- und Überprüfungsgebühren, Beiträge der Wasser- und Bodenverbände (§ 29 WVG).

4.3.3.2
Bestehen öffentliche Lasten in wiederkehrenden Leistungen, so erstrecken sie sich wegen des letzten fällig gewordenen Teilbetrages, bei monatlicher Fälligkeit wegen der letzten beiden Teilbeträge, auch auf die Miet- und Pachtzinsforderungen (Gesetz über die Pfändung von Miet- und Pachtzinsforderungen wegen Ansprüchen aus öffentlichen Grundstückslasten v. 9. März 1934 (RGBl. I S. 181)). Der Gläubiger kann durch ihre Pfändung die Unwirksamkeit von Vorausverfügungen, die sein Recht beeinträchtigen könnten, herbeiführen und mindestens eine Teilbefriedigung auch erreichen, ohne in das Grundstück selbst vollstrecken zu müssen.

4.4
In allen Fällen hat die Vollstreckungsbehörde sorgfältig zu prüfen, wer im Einzelfall als Vollstreckungsschuldner in Anspruch genommen werden kann und wer zur wirksamen Vollstreckung allein oder neben dem Selbstschuldner in Anspruch genommen werden muss.

4.4.1
Soweit es zur Vollstreckung in gewisse Vermögensmassen nach den §§ 737 – 749 ZPO vollstreckbarer Titel gegen mehrere Beteiligte bedarf, müssen auch vor Einleitung des Verwaltungszwangsverfahrens gegen jeden von ihnen Leistungsbescheide vorliegen und die übrigen Voraussetzungen für die Vollstreckung (§ 6 VwVG NRW) gegeben sein oder geschaffen werden, unbeschadet der gesetzlichen Bedingungen nach § 10 VwVG NRW. Dies gilt nicht in den durch § 9 VwVG NRW geregelten Fällen.

4.4.2
Bei Erlass des Leistungsbescheides gegen Haftungs- und Duldungsschuldner ist darauf zu achten, dass auch der oder die Selbstschuldner darin angegeben werden.

5
Vermögensermittlung (zu § 5) und eidesstattliche Versicherung (zu § 5 a)

5.1
Vermögensermittlung

5.1.1
Durch § 5 VwVG NRW erhält die Vollstreckungsbehörde die ausdrückliche Befugnis, zur Vorbereitung der Vollstreckung die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners zu ermitteln. Die Ermittlung erfolgt nach den Regeln des VwVfG NRW (siehe §§ 24 ff VwVfG NRW). Die Entscheidung zur Ermittlung liegt im Ermessen der Vollstreckungsbehörde.
Der Hinweis auf § 30 AO stellt klar, dass eine Behörde die aufgrund eines steuerrechtlichen Verfahrens ermittelten Schuldnerdaten auch dann verwenden darf, wenn sie neben steuerlichen auch nichtsteuerliche Forderungen zu vollstrecken hat (Ausnahmeregelung zu § 30 Abs. 4 AO).

5.1.2
Auskunftsrechte gegenüber Dritten
Bei der Ermittlung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse kommt dem Verweis auf § 93 AO besondere Bedeutung zu. Dritte können dann zur Auskunftserteilung oder zur Vorlage von Urkunden herangezogen werden, wenn
a) sich der Vollstreckungsschuldner weigert, bei der Ermittlung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse mitzuwirken (z.B. ein mit einer Vollstreckungsankündigung versendetes Vermögensverzeichnis nicht ausfüllt),
b) der Vollstreckungsschuldner seiner Auskunfts- und Vorlagepflicht nur unzureichend nachkommt oder
c) die Ermittlung beim Vollstreckungsschuldner keinen Erfolg verspricht (z.B. Vorliegen eines unvollständigen oder unrichtigen Vermögensverzeichnisses).

Die Vorlage von Urkunden durch einen Dritten soll erst dann verlangt werden, wenn die Vollstreckungsbehörde Anhaltspunkte dafür hat, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist.
Zur Auskunftserteilung kann jeder Dritte herangezogen werden, der nach den Erkenntnissen der Vollstreckungsbehörde über die für die Vollstreckung benötigten Daten verfügt. Stehen mehrere Dritte zur Auswahl, die der Vollstreckungsbehörde die erforderliche Auskunft erteilen können, kann sie im Rahmen ihres Ermessens und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entscheiden, wen sie zur Auskunftserteilung heranzieht (vgl. BFH 7. Senat, Urteil vom 22.02.2000, Az: VII R 73/98 - Verfassungsmäßigkeit § 93 AO, Auswahl des Auskunftspflichtigen).
Die Ermittlungsbefugnis wird lediglich durch spezialgesetzliche Regelungen eingeschränkt (z. B. § 30 AO, § 68 SGB X, § 35 StVG). Datenschutzrechtliche Einschränkungen ergeben sich nicht, da § 13 Abs. 2 Buchstabe i Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen bereits grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, zum Zwecke der Vollstreckung Auskunftsersuchen an Dritte zu richten. Die Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen des Auskunftspflichtigen ist kein Grund, der die Versagung der Auskunft rechtfertigt.
In dem Auskunftsersuchen ist genau anzugeben, welche Daten über den Vollstreckungsschuldner benötigt werden. Es dürfen nur solche Daten erfragt werden, die für die Beitreibung der Forderung erforderlich sind. Aus datenschutzrechtlichen Gründen sollen in dem Auskunftsersuchen keine Angaben zum Grund oder zur Höhe der Forderung erfolgen, es sei denn, die Angaben sind zur Geltendmachung des Auskunftsanspruches dringend erforderlich.
Das Auskunftsersuchen ist ein Verwaltungsakt und kann mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Ein Widerspruch gegen das Auskunftsersuchen hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, wegen des Eingriffs in die Rechtssphäre eines Dritten ist aber bei der Einlegung eines Widerspruchs zu prüfen, ob vorübergehend von der zwangsweisen Durchsetzung abgesehen wird.
Die vom Auskunftspflichtigen in Rechnung gestellten Kosten sind Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens und nach § 77 Abs. 1 VwVG NRW i. V. m. § 11 Nr. 9 KostO NRW vom Vollstreckungsschuldner zu tragen.
Die Anwendung des § 5 VwVG NRW ist auch dann zulässig, wenn eine im Geltungsbereich des VwVG NRW ansässige Behörde um Amtshilfe ersucht wird. Von der Ermittlungsbefugnis soll jedoch nur Gebrauch gemacht werden, wenn die ersuchende Behörde dies ausdrücklich verlangt.

5.2
Eidesstattliche Versicherung (zu § 5 a)

5.2.1
Neben der Möglichkeit, die Wohnung und Behältnisse des Vollstreckungsschuldners durch einen Vollziehungsbeamten durchsuchen zu lassen (§ 14 VwVG NRW), hat der Gläubiger im Verwaltungszwangsverfahren nur ein Mittel in der Hand, um festzustellen, ob der Vollstreckungsschuldner noch pfändbare Vermögensgegenstände besitzt, in die sich eine Zwangsvollstreckung lohnt: die Durchführung des Verfahrens zur Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung (e. V.-Verfahren).
§ 5 a Satz 1 VwVG NRW sieht hinsichtlich der Zuständigkeit für die Abnahme der e. V. eine Optionslösung vor. Damit wird die Vollsteckungsbehörde ermächtigt, das Verfahren zur Abnahme der e. V. selbst durchzuführen oder einen Gerichtsvollzieher zu beauftragen. Die Vollstreckungsbehörde ist nicht verpflichtet, vorrangig das Verfahren zur Abnahme der e. V. selbst zu betreiben. Sie entscheidet auf der Grundlage ihrer organisatorischen und personellen Ausstattung, ob sie selbst e. V.-Verfahren durchführt. Auch wenn sie diese grundsätzlich selbst durchführt, ist sie berechtigt, im Einzelfall aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen den Gerichtsvollzieher zu beauftragen. Mit der Möglichkeit, die Zuständigkeit für das e. V.-Verfahren auf die Vollstreckungsbehörde zu verlagern, wird die Verhandlungsposition gegenüber dem Vollstreckungsschuldner gestärkt.

5.2.2
Abnahme der eidesstattlichen Versicherung durch den Gerichtsvollzieher

5.2.2.1
Nach § 5 a VwVG NRW wird für das Verfahren durch den Gerichtsvollzieher auf die Vorschriften der §§ 899 - 915 h ZPO verwiesen.
Ist der Vollstreckungsschuldner eine juristische Person oder ein nicht rechtsfähiger Verein, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz, bei geschäftsunfähigen oder beschränkt geschäftsfähigen Personen nach ihrem Wohnsitz.

5.2.2.2
Antrag
Vor der Antragstellung hat die Vollstreckungsbehörde zu prüfen, ob der Vollstreckungsschuldner bereits die e. V. innerhalb der letzten drei Jahre abgegeben hat und ggf. das Vermögensverzeichnis beim zuständigen Amtsgericht anzufordern.

5.2.2.2.1
Antragsberechtigt sind der Gläubiger und die Vollstreckungsbehörde. Die Vollstreckungsbehörde, die nach außen keiner Vollmacht des Gläubigers bedarf, hat jedoch im Hinblick auf die Folgen, welche die Abnahme einer e. V. für die wirtschaftliche Existenz und das allgemeine Ansehen des Vollsteckungsschuldners haben kann, von ihrem Antragsrecht nur in Abstimmung mit dem Gläubiger Gebrauch zu machen. Es muss stets der Gläubigerkörperschaft, beispielsweise einer Innung oder einer Kammer, überlassen bleiben, ob sie ein Mitglied oder einen beitragspflichtigen Angehörigen des Berufsstandes etwa wegen rückständiger Beiträge zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zwingen lässt und damit Gefahr läuft, das künftige Verhältnis zwischen Gläubiger und Vollsteckungsschuldner zu belasten.

5.2.2.2.2
In dem Antrag ist die vollstreckbare Forderung genau zu bezeichnen. Der nach § 900 Abs. 1 ZPO dem Antrag beizufügende Vollstreckungstitel wird durch die schriftliche Erklärung der Vollstreckungsbehörde über die Höhe und den Grund der Forderung ersetzt. „Sonstige Urkunden“ (§ 900 Abs. 1 ZPO), z. B. Protokolle über die fruchtlose Pfändung oder Versteigerungsprotokolle, Nachweise über späteren Vermögenserwerb (§ 903 ZPO), sind ebenfalls vorzulegen, um dem Gerichtsvollzieher die Entscheidung über die Verpflichtung zur Durchführung des e. V.-Verfahrens zu ermöglichen.

5.2.2.2.3
Der Antrag auf Durchführung des e. V.-Verfahrens soll nur dann gestellt werden, wenn ausreichende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass der Vollstreckungsschuldner pfändbare Vermögenswerte, insbesondere Forderungen, absichtlich verheimlicht oder dass er sich, obwohl er über laufende Einnahmen verfügt, seiner Zahlungspflicht entziehen will. Haben Gläubiger oder Vollstreckungsbehörde die Überzeugung gewonnen, dass der Vollstreckungsschuldner weder zahlen kann noch pfändbare Vermögenswerte besitzt und ist auch nicht anzunehmen, dass das pfändbare Vermögen durch Veräußerungen oder Verfügungen verringert worden ist, so soll von der Einleitung des Verfahrens zur Abnahme einer e. V. abgesehen und nicht noch unnötigerweise das Ansehen des Vollsteckungsschuldners geschädigt werden. Der Antrag kann jedoch gestellt werden, um einen wirksamen Druck auf einen zwar vermögenslosen, aber doch zahlungsfähigen Vollsteckungsschuldner auszuüben.
Bei der Niederschlagung sind § 59 Abs. 1 Nr. 2 LHO und die dazu ergangenen VV bzw. § 32 Abs. 2 GemHVO zu beachten.

5.2.3
Abnahme der eidesstattlichen Versicherung durch die Vollstreckungsbehörde

5.2.3.1
Für die Durchführung des e. V.- Verfahrens durch die Vollsteckungsbehörde verweist § 5 a VwVG NRW auf die Anwendung des § 284 AO und ergänzend auf § 27 Abs. 4 und 5 VwVfG NRW. Im Falle der Verhaftung gilt § 6 a VwVG NRW entsprechend. Für die Kosten ist § 7 b der KostO NRW anzuwenden.

5.2.3.2
Der Vollstreckungsschuldner kann nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 AO zur lückenlosen Offenlegung seiner Vermögens- und Einkommensverhältnisse aufgefordert werden, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und die darin enthaltenen Angaben an Eides statt zu versichern, wenn die Voraussetzungen des § 6 VwVG NRW und des § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 1 AO vorliegen. § 6 a VwVG NRW ist zu beachten.
Die zuständige Vollstreckungsbehörde bestimmt sich nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 5 AO.

5.2.3.3
Liegen die Voraussetzungen zur Abnahme der e. V. vor, so hat die Vollstreckungsbehörde zunächst zu prüfen, ob Hinderungsgründe nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 4 AO (Schutzfrist) gegeben sind. Liegen keine Hinderungsgründe vor, kann der Vollstreckungsschuldner zur Abgabe der e. V. geladen werden. Das Vorliegen der Voraussetzungen für das e. V.-Verfahren ist aktenkundig zu machen, da die Vollstreckungsbehörde dafür beweispflichtig ist. Der Ladung ist das Vermögensverzeichnis beizufügen, das der Vollstreckungsschuldner richtig und vollständig ausgefüllt zum Termin mitzubringen hat. Die Terminbestimmung kann mit der Ladung verbunden werden. Die Ladung ist ein Verwaltungsakt, der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen werden sollte (vgl. Nr. 5.2.3.9.3).
Ist der Vollstreckungsschuldner eine juristische Person, ist der gesetzliche Vertreter zu laden.
Die Terminbestimmung kann auch mit einem gesonderten Schreiben erfolgen, das dem Vollstreckungsschuldner erst übersandt werden sollte, wenn die Ladung bestandskräftig ist.
Mit der Terminbestimmung sollte der Vollstreckungsschuldner über die Folgen seines Nichterscheinens zu dem für die Abgabe der e. V. anberaumten Termin hingewiesen werden.

5.2.3.4
Im Termin zur Abnahme der e. V. ist das vom Vollstreckungsschuldner ausgefüllte Vermögensverzeichnis auf Richtigkeit und Vollständigkeit von der Vollstreckungsbehörde zu prüfen und mit ihm zu erörtern. Soweit Ergänzungen erforderlich sind, sind diese in das Vermögensverzeichnis einzutragen.
Während des Termins ist gemäß § 27 Abs. 5 VwVfG NRW eine Niederschrift anzufertigen.
Die Abnahme der e. V. liegt im Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Sie kann z. B. davon absehen, wenn nur noch eine geringfügige Forderung rückständig ist und die Abnahme der e. V. mit den durch die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis verbundenen Nachteilen in keinem angemessenen Verhältnis steht.
Entscheidet sich die Vollstreckungsbehörde, das vorliegende Vermögensverzeichnis an Eides statt versichern zu lassen, so ist der Vollstreckungsschuldner vorher über die rechtliche Bedeutung zu belehren. Dazu gehören
- die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts,
- die Dauer der Eintragung,
- das Erlöschen der Eintragung vor Fristablauf bei vorzeitiger Tilgung der rückständigen Forderung,
- die strafrechtlichen Folgen der e. V. (§§ 156, 163 Abs. 1 StGB).

Die Belehrung über die strafrechtlichen Folgen hat besondere Bedeutung, wenn nach Ansicht der Vollstreckungsbehörde das an Eides statt zu versichernde Vermögensverzeichnis offensichtlich unrichtig oder unvollständig ist. Der Vollstreckungsschuldner ist auf diese offensichtliche Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit besonders hinzuweisen.
Die Eidesformel, die vom Vollstreckungsschuldner mündlich zu sprechen ist, lautet:
„Ich versichere an Eides Statt, dass ich die von mir im Vermögensverzeichnis verlangten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht habe.“
Weigert sich der Vollstreckungsschuldner, die Angaben im Vermögensverzeichnis an Eides statt zu versichern, so ist er darüber zu belehren, dass die Vollstreckungsbehörde die Möglichkeit hat, einen Haftbefehl zu beantragen.
Während des Termins ist gemäß § 27 Abs. 5 VwVfG NRW eine Niederschrift zu erstellen.

Die Abnahme der e. V. ist unzulässig, wenn der Vollstreckungsschuldner gegen die Ladung zur Abgabe der e. V. Widerspruch erhoben hat, über den noch nicht unanfechtbar entschieden ist, es sei denn, dass der Widerspruch nicht begründet oder bereits früher über diese Einwendungen unanfechtbar entschieden worden ist.

5.2.3.5
Inhalt des Vermögensverzeichnisses
In dem Vermögensverzeichnis hat der Vollstreckungsschuldner alle Vermögenswerte anzugeben, die möglicherweise dem Zugriff der Vollstreckung unterliegen. Zu erklären ist das gesamte Aktivvermögen des Vollstreckungsschuldners, selbst wenn es bereits für andere Gläubiger abgetreten oder gepfändet ist. Das sind außer den einzelnen beweglichen und unbeweglichen Gegenständen alle Forderungen – auch nicht fällige, bedingte und unsichere Forderungen – sowie sonstige Vermögensrechte i. S. d. § 50 VwVG NRW.
Bei treuhänderischer Übereignung an einen Dritten sind die Ansprüche aus dem Treuhandverhältnis auf Rückgewähr zu erklären. Gegenstände, die dem Verpflichteten treuhänderisch übertragen sind, müssen ebenfalls als zu seinem Vermögen gehörend behandelt werden.
Neben dem beweglichen und unbeweglichen Vermögen sind auch die – im Hinblick auf die Anfechtungsmöglichkeiten nach § 3 AnfG – in den letzten zwei Jahren vorgenommenen entgeltlichen Veräußerungen des Vollstreckungsschuldners an eine nahe stehende Person (§ 138 InsO) sowie die unentgeltlich vorgenommenen Leistungen in den letzten vier Jahren vor dem ersten zur Abgabe der e. V. anberaumten Termin anzugeben (§ 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 2 AO).
Gelegenheitsarbeiter sind verpflichtet, die Arbeitgeber der letzten zwölf Monate und den durchschnittlich täglich erzielten Arbeitslohn anzugeben (Beschluss des LG Frankenthal v. 24.08.1984).
Vermögenswerte, die kein Vermögensrecht darstellen, bloße Erwerbsmöglichkeiten (z. B. Kundenkreis, Know-how) und Rechtsverhältnisse, aus denen Forderungen noch nicht entstanden sind (z. B. Makleraufträge), brauchen ebenso wenig erklärt zu werden wie wertlose Sachen. Gleiches gilt für offensichtlich der Pfändung nicht unterworfene Sachen i. S. d. § 811 Nr. 1 und 2 ZPO, es sei denn, dass eine Austauschpfändung in Betracht kommt.
Die Beurteilung, ob eine Sache unpfändbar ist, obliegt nicht dem Vollstreckungsschuldner, sondern der Vollstreckungsbehörde.
Aus dem Zweck der e. V. folgt letztlich die Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners, den Ort, wo sich die einzelnen Gegenstände befinden, näher zu bezeichnen.

5.2.3.6
Zur Abgabe der e. V. verpflichtete Personen
Zur Abgabe der e. V. sind nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 AO verpflichtet:

- der Vollstreckungsschuldner, folglich auch der Haftungs- und Duldungsschuldner,
- der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, eines Geschäftsunfähigen oder in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten,
- Personen i. S. d. § 34 Abs. 2 und 3 AO im Rahmen des ihnen zugewiesenen Aufgabenbereichs,
- Personen i. S. d. § 35 AO im Rahmen ihrer Verfügungsbefugnis.

Wer nicht selbst Vollstreckungsschuldner ist, sondern eine Vermögensmasse verwaltet, hat die e. V. mit Beschränkung auf diese Masse abzugeben.
Zur Abgabe der e. V. für eine gesetzlich vertretene natürliche oder juristische Person ist verpflichtet, wer diese Person im Zeitpunkt des Termins zur Abgabe der e. V. vertritt. Erfolgt die Niederlegung des Amtes oder die Abberufung des gesetzlichen Vertreters mit dem Ziel, sich der Verpflichtung zur Abgabe der e. V. zu entziehen, bleibt der bisherige gesetzliche Vertreter gleichwohl zur Abgabe der e. V. verpflichtet.

5.2.3.7
Zur Abnahme der e. V. berechtigte Personen
Kraft Gesetzes sind zur Abnahme der e. V. nur der Leiter der Vollstreckungsbehörde sowie dessen allgemeiner Vertreter befugt. Außerdem sind andere Angehörige des öffentlichen Dienstes befugt, soweit sie die Befähigung zum Richteramt haben oder die Voraussetzungen des § 110 Satz 1 des Deutschen Richtergesetzes erfüllen.
Andere Angehörige des öffentlichen Dienstes können durch den Leiter der Vollstreckungsbehörde oder dessen allgemeinen Vertreter hierzu allgemein oder im Einzelfall beauftragt werden. Es ist darauf zu achten, dass die ausgewählte Person (z. B. der Vollziehungsbeamte) die erforderlichen Kenntnisse über die Durchführung eines ordnungsgemäßen e. V.-Verfahrens (z. B. durch Fortbildung) besitzt.

5.2.3.8
Nach der Abnahme der e. V. ist das vollständige Vermögensverzeichnis nebst Anlagen zeitnah dem zuständigen Amtsgericht zur Eintragung in das Schuldnerverzeichnis zuzuleiten. Hierbei ist der Zeitpunkt der Abgabe der e. V. anzugeben. Es ist unzulässig, die e. V. abzunehmen und das Vermögensverzeichnis nicht an das Amtsgericht weiterzuleiten.

5.2.3.9
Widerspruch
Gegen die Ladung zur Abgabe der e. V. kann der Vollstreckungsschuldner gemäß § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 6 Satz 2 AO Widerspruch einlegen. Hierfür gelten die Regelungen der VWGO für das Widerspruchsverfahren. Der Widerspruch hat aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt, wenn der Widerspruch ohne Begründung eingelegt wird oder die Einwendungen bereits in einem früheren Verfahren unanfechtbar zurückgewiesen worden sind. Die Regelung des § 284 Abs. 6 Satz 2 AO stellt insoweit eine besondere Regelung i. S. d. § 80 Abs. 2 letzter Satz VwGO dar.
Soweit der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, ist der Widerspruchsführer mit der Bestätigung über den Eingang seines Widerspruchs darauf hinzuweisen, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung entfaltet und er weiterhin verpflichtet ist, zu dem für die Abgabe der e. V. anberaumten Termin zu erscheinen. Die Eingangsbestätigung sollte auf die möglichen Folgen des Nichterscheinens hinweisen.

5.2.3.9.1
Einwendungen,
die den zu vollstreckenden Verwaltungsakt betreffen, sind unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 und 2 VwVG NRW zurückzuweisen. Hierzu zählt z. B. der Einwand des Vollstreckungsschuldners, die Höhe der beizutreibenden Forderung sei unzutreffend.

Gründe, auf die ein Widerspruch gestützt werden kann, sind z. B.
- die Vollstreckung hat zur vollständigen Befriedigung geführt,
- es ist noch ausreichend verwertbares Vermögen vorhanden,
- der Vollstreckungsschuldner ist nicht der zur Abgabe der e. V. Verpflichtete,
- die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit (§ 6 VwVG NRW) sind nicht gegeben,
- über einen Antrag auf Vollstreckungsaufschub, Stundung, Erlass oder Aussetzung der Vollziehung ist bisher nicht entschieden.

Soweit der Vollstreckungsschuldner geltend macht, er sei aus gesundheitlichen Gründen zur Abgabe der e. V. nicht in der Lage, sind die folgenden Fallgestaltungen zu unterscheiden:

- Weist der Vollstreckungsschuldner auf eine plötzlich aufgetretene Erkrankung hin, wendet er sich in der Regel nicht gegen die ihm auferlegte Verpflichtung zur Abgabe der e. V., sondern möchte im Allgemeinen nur eine Verlegung des Termins erreichen. In diesen Fällen bestehen gegen eine kurzfristige, sich an der voraussichtlichen Krankheitsdauer orientierenden Terminverschiebung keine Bedenken, wenn der Vollstreckungsschuldner seine Erkrankung z. B. durch Vorlage eines ärztlichen Attests glaubhaft macht.
Ist dem Vollstreckungsschuldner infolge der Erkrankung lediglich das Erscheinen bei der Vollstreckungsbehörde nicht möglich, kann die Vollstreckungsbehörde die e. V. auch in der Wohnung des Vollstreckungsschuldners abnehmen. Weist der Vollstreckungsschuldner einen entsprechenden Vorschlag der Vollstreckungsbehörde ohne stichhaltige Begründung zurück, gilt die Abgabe der e. V. als verweigert, so dass das zuständige Amtsgericht um Anordnung der Haft ersucht werden kann.

- Hält sich der Vollstreckungsschuldner infolge seines gesundheitlichen Zustandes für unfähig, der Offenbarungspflicht als solcher nachzukommen, ist sein Einwand als Widerspruch zu werten. Bei der Entscheidung hierüber ist zu beachten, dass eine Befreiung von seiner Verpflichtung nur dann zu rechtfertigen ist, wenn die Abgabe der e. V. aufgrund schwerwiegender körperlicher oder seelischer Störungen des Vollstreckungsschuldners eine drohende Gefahr für dessen Leib oder Leben darstellt. Die Verpflichtung zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses ist davon grundsätzlich nicht betroffen.
Für die behauptete gesundheitliche Beeinträchtigung ist der Vollstreckungsschuldner beweispflichtig. Die ärztliche Bescheinigung muss konkrete und nachvollziehbare Gründe beinhalten. Die Vollstreckungsbehörde kann auch verlangen, dass die behaupteten Beeinträchtigungen durch ein amtsärztliches Zeugnis nachgewiesen werden.
Im Übrigen muss die Vollstreckungsbehörde bei der Beurteilung der Frage, ob der Vollstreckungsschuldner zur Abgabe der e. V. aus gesundheitlichen Gründen tatsächlich nicht in der Lage ist, alle Umstände des Einzelfalles einfließen lassen (z. B. Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit, Tätigkeit als Geschäftsführer).

5.2.3.9.2
Einwendungen nach der Haftanordnung
Soweit der Vollstreckungsschuldner erst bei der Vollziehung des Haftbefehls gegenüber dem Gerichtsvollzieher (§ 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 8 AO) geltend macht, aus Krankheits- oder Altersgründen die e. V. nicht leisten zu können, obliegt es dem Gerichtsvollzieher zu prüfen, ob Haftunfähigkeit vorliegt.
Geht der Gerichtsvollzieher im Einzelfall nach Ansicht der Vollstreckungsbehörde zu Unrecht von der Haftunfähigkeit des Vollstreckungsschuldners aus, kann die Vollstreckungsbehörde gegen die Entscheidung nach § 766 ZPO Erinnerung einlegen. Dabei kann eine amtsärztliche Untersuchung zur Prüfung der Haftunfähigkeit des Vollstreckungsschuldners angeregt werden. Die Kosten sind nach § 788 ZPO vom Vollstreckungsschuldner zu tragen.

5.2.3.9.3
Terminbestimmung nach dem Widerspruch
Die e. V. kann gemäß § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 6 Satz 2 AO erst abgenommen werden, wenn die Entscheidung über den Widerspruch des Vollstreckungsschuldners unanfechtbar geworden ist. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist daher ausgeschlossen. Bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit ist die Terminbestimmung, nicht aber die bereits an den Vollstreckungsschuldner ergangene Ladung, aufzuheben.
Die aufschiebende Wirkung eines fristgemäß eingelegte Widerspruchs ist nach dem Beschluss des BFH vom 25.11.1997 (Az: VII B 188/97) nur davon abhängig, dass der Widerspruch begründet worden ist und die vorgebrachten Einwendungen nicht bereits in einem früheren Verfahren unanfechtbar zurückgewiesen worden sind. Aufgrund der ergangenen Rechtsprechung sollte daher die Ladung mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen werden. Enthält der eingelegte Widerspruch keine Begründung, kommt ihm keine aufschiebende Wirkung zu (§ 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 6 Satz 2 AO).
Macht der Vollstreckungsschuldner im Rahmen eines Widerspruchs Einwendungen geltend, deren Gründe erst nach der Unanfechtbarkeit der früheren Entscheidung entstanden sind (z. B. zwischenzeitliche Abgabe der e. V. gegenüber einem anderen Gläubiger), so haben diese Einwendungen aufschiebende Wirkung.

5.2.3.9.4
Widerspruch im Amtshilfeverfahren
Wird die Vollstreckungsbehörde aufgrund eines Amtshilfeersuchens für eine andere Vollstreckungsbehörde tätig, so ist bei den Einwendungen des Vollstreckungsschuldners zu unterscheiden, ob diese sich gegen die Terminbestimmung richten, oder gegen die Anordnung zur Abgabe der e. V. Den Einwendungen gegen die Terminbestimmung kann die ersuchte Behörde z. B. durch eine Verlegung des Termins entsprechen. Richten sich die Einwendungen gegen die Anordnung zur Abgabe der e. V., entscheidet die Vollstreckungsbehörde, die die Anordnung erlassen hat, über die Einwendungen.

5.2.3.10
Erzwingung zur Aufstellung des Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der e. V.
Verlangt die Vollstreckungsbehörde als Maßnahme des § 5 VwVG NRW nur die Vorlage eines Vermögensverzeichnisses, nicht aber zugleich die e. V., so kann sie die Vorlage des Vermögensverzeichnisses nach den §§ 57 ff. VwVG NRW erzwingen.
Betreibt die Vollstreckungsbehörde das Verfahren nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 AO und ist der Vollstreckungsschuldner ohne ausreichende Entschuldigung dem anberaumten Termin ferngeblieben oder verweigert er ohne Grund die Vorlage des Vermögensverzeichnisses oder die Abgabe der e. V., kann die Vollstreckungsbehörde das zuständige Amtsgericht um Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung der e. V. ersuchen (vgl. § 284 Abs. 8 AO).
Gegen die Zurückweisung des Ersuchens kann die Vollstreckungsbehörde die Beschwerde nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 9 AO i. V. m. den §§ 567 bis 577 ZPO erheben; sie ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung einzulegen.
Der Vollstreckungsschuldner kann nach § 793 ZPO gegen die Haftanordnung sofortige Beschwerde einlegen, sobald er von der Haftanordnung Kenntnis erlangt hat oder davon hätte Kenntnis erlangen müssen.
Der Antrag der Vollstreckungsbehörde an das Amtsgericht auf Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung der e. V. gemäß § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 8 Satz 1 AO ist in Bezug auf den Vollstreckungsschuldner ein mit dem Widerspruch anfechtbarer Verwaltungsakt. Er ist daher auch dem Vollstreckungsschuldner gemäß § 41 VwVfG NRW bekannt zu geben.
Sobald der Vollstreckungsbehörde der beantragte Haftbefehl vorliegt, ist dessen Vollstreckung unverzüglich bei der Gerichtsvollzieherverteilungsstelle des zuständigen Amtsgerichts zu beantragen. Eine Aufstellung über die Höhe und den Grund der rückständigen Forderungen ist beizufügen, damit der Vollstreckungsschuldner durch vollständige Tilgung der Forderungen die Verhaftung abwenden kann.
Die e. V. kann nach der erfolgten Verhaftung durch die Vollstreckungsbehörde abgenommen werden. Ist die Vollstreckungsbehörde nicht erreichbar oder findet die Verhaftung nicht am Sitz der Vollstreckungsbehörde statt, führt der Gerichtsvollzieher die Abnahme der e. V. durch.

5.2.3.11
Nachbesserung eines im e. V.-Verfahren aufgestellten Vermögensverzeichnisses
Nach Abgabe der e. V. kommt der Vollstreckungsschuldner in den Genuss einer dreijährigen Schutzfrist (§ 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 4 AO), innerhalb der er nur unter besonderen Voraussetzungen zur erneuten Abgabe der e. V. geladen werden kann. Von der Ladung zur Abgabe einer erneuten e. V. ist die Nachbesserung eines unvollständigen Vermögensverzeichnisses zu unterscheiden. Zur Nachbesserung kann ein Schuldner aufgefordert werden, wenn das Vermögensverzeichnis formell fehlerhaft ist (z. B. Adresse des Arbeitgebers fehlt, Einkommensbeträge sind ohne Zeitraum angegeben, Auslassungen in den Antwortspalten). Das Nachbesserungsverfahren ist eine Fortführung des alten e. V.-Verfahrens und von der Stelle durchzuführen, die das formell fehlerhafte e. V.-Verfahren durchgeführt hat.
Materielle Unrichtigkeiten im Vermögensverzeichnis können lediglich strafrechtlich geahndet werden.

5.2.3.12
Abschriften des Vermögensverzeichnisses für andere Gläubiger
Nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 7 Satz 1 AO hat die Vollstreckungsbehörde die persönlichen Daten des Vollstreckungsschuldners sowie den Tag der Abgabe der e. V. dem Amtsgericht zur Aufnahme in das Schuldnerverzeichnis mitzuteilen und eine beglaubigte Abschrift des vollständigen Vermögensverzeichnisses zu übersenden. Die nach § 284 Abs. 7 Satz 2 AO entsprechend anzuwendenden Vorschriften der §§ 915 a ff. ZPO rechtfertigen es nicht, Dritten Abschriften des Vermögensverzeichnisses zu übersenden. Dies liegt ausschließlich in der Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts.

5.2.4
Strafanzeige wegen einer falschen Versicherung an Eides statt
Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides statt zuständigen Behörde eine solche Versicherung vorsätzlich falsch abgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft (§ 156 StGB). Wird die Tat fahrlässig begangen, so tritt Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe ein (§ 163 StGB).
Personen, die das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder Verstandesschwäche vom Wesen oder von der Bedeutung eines Eides keine genügenden Vorstellungen haben, sind nicht eidesmündig und können folglich nicht Täter einer Straftat nach den §§ 156, 163 StGB sein.
Falsch ist die Versicherung, wenn das, was ausgesagt oder bekundet wird, mit den tatsächlichen Verhältnissen objektiv nicht übereinstimmt. Die Strafbarkeit nach den §§ 156, 163 StGB richtet sich nach den Grenzen der Aussage- und Wahrheitspflicht des § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 AO. Weitergehende Angaben sind im Falle der Unrichtigkeit daher nicht tatbestandsgemäß.
Wird festgestellt, dass eine zur Abgabe der e. V. verpflichtete Person im Verfahren nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 AO vor der Vollstreckungsbehörde oder vor dem zuständigen Amtsgericht tatbestandsmäßig i. S. d. §§ 156 oder 163 StGB gehandelt hat, kann eine Strafanzeige bei der Strafverfolgungsbehörde erstattet werden. Datenschutzrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen.

6
Voraussetzungen für die Vollstreckung (zu § 6) und Einstellung und Beschränkung der Vollstreckung (zu § 6 a)

6.1
Voraussetzungen für die Vollstreckung (zu § 6)

6.1.1
Die Vollstreckungsbehörde ist gehalten, vor der Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen - dazu gehört auch die Einleitung des e.V.-Verfahrens nach § 5 a VwVG NRW – die Feststellung zu treffen, ob die in § 6 VwVG NRW genannten Voraussetzungen vorliegen. Eine derartige Prüfung ist besonders dann sehr sorgfältig vorzunehmen, wenn die Vollstreckungsbehörde nicht gleichzeitig Gläubiger ist.
Die Vollstreckung aus einem nicht mehr anfechtbaren Verwaltungsakt ist wegen Nichtigkeit der ihm zugrunde gelegten materiellen Norm nur unzulässig, wenn diese Norm von einem Verfassungsgericht für nichtig erklärt worden ist (OVG Münster v. 9.12.1964, Az: III A 3/64).
Wird dagegen die Nichtigkeit einer Satzung durch ein Verwaltungsgericht festgestellt, nachdem der Heranziehungsbescheid unanfechtbar geworden ist, so wird dadurch die Vollstreckung aus diesem Heranziehungsbescheid nicht unzulässig (OVG Münster vom 20.1.1965, Az: III A 604/64).

6.1.2
Der Leistungsbescheid ist, wenn und soweit er eine öffentlich-rechtliche Geldforderung zum Gegenstand hat, Verwaltungsakt. Er wird mit der Bekanntgabe an den Vollstreckungsschuldner wirksam und kann mit Widerspruch und anschließender Klage beim Verwaltungsgericht angefochten werden.  Bei der Beitreibung zugelassener privatrechtlicher Forderungen tritt an die Stelle des Leistungsbescheides die Zahlungsaufforderung. Die Zahlungsaufforderung muss ebenso wie der Leistungsbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 37 VwVfG NRW) (siehe Nr. 6.1.2.1).

6.1.2.1
Der Leistungsbescheid muss die ausdrückliche Aufforderung an den Vollstreckungsschuldner enthalten, die geschuldete, der Höhe und dem Grunde nach genau zu bezeichnende Leistung bei einer ebenfalls genau zu bezeichnenden Zahlstelle zu bewirken. Gegenüber einem Duldungsschuldner (§ 4 Abs. 2 und § 10 VwVG NRW) muss er die Aufforderung enthalten, zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung in die näher bezeichnete Vermögensmasse die Begleichung der Schuld zu veranlassen. Der Leistungsbescheid muss auch erkennen lassen, ob die Leistung bereits fällig ist oder wann sie fällig wird.

6.1.2.2
In den folgenden drei Fällen bedarf es keines ausdrücklichen Leistungsbescheids des Gläubigers:
a) Selbstberechnungserklärung (Nr. 6.1.2.2.1),
b) Beitragsnachweisung (Nr. 6.1.2.2.2),
c) Beitreibung von Nebenforderungen (Nr. 6.1.2.2.3).

6.1.2.2.1
Verschiedene Abgaben werden zwar nach deren Regelung in Gesetzen oder Ortssatzungen zu bestimmten Terminen fällig, sind aber ihrer Höhe nach vom Erklärungspflichtigen selbst einzuschätzen. In diesen Fällen steht die vom Pflichtigen an die Steuerbehörde abzugebende Selbstberechnungserklärung (jetzt: Steueranmeldung gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 a und b KAG i. V. m. § 150 Abs. 1 Satz 3 und § 167 AO), mit welcher der Pflichtige auch die Höhe seiner Verpflichtung anerkannt hat, dem Leistungsbescheid gleich (§ 6 Abs. 2 Buchstabe a VwVG NRW). Die Annahme der Selbstberechnungserklärung durch den Gläubiger wird also wie ein belastender Verwaltungsakt behandelt. Da sie als Erklärung des Pflichtigen keine Rechtsbehelfsbelehrung des Gläubigers enthalten kann, ist sie, falls der Pflichtige nachträglich einen Fehler feststellen sollte, noch innerhalb eines Jahres durch Widerspruch anfechtbar (§ 58 Abs. 2 i. V. m. § 70 Abs. 2 VwGO).

6.1.2.2.2
In gleicher Weise wird der Leistungsbescheid ersetzt durch die Beitragsnachweisung, die der Arbeitgeber nach den Satzungen zahlreicher Krankenversicherungsträger gegenüber der Krankenkasse hinsichtlich der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitslosenversicherung abzugeben hat (§ 6 Abs. 2 Buchstabe b VwVG NRW). Eines Leistungsbescheides der Krankenkasse bedarf es nur noch in den Fällen, in denen der Grundlohn als Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge nach Lohnstufen festgesetzt wird und in den Fällen der Beitragsnachweisung, in denen sich bei einer späteren Überprüfung des Betriebes herausstellt, dass die Beitragsnachweisung unrichtig war und höhere Beiträge geschuldet werden. Hinsichtlich der Anfechtung der Nachweisung durch den Arbeitgeber gilt Nr. 6.1.2.2.1 entsprechend.

6.1.2.2.3
Nebenforderungen (Säumniszuschläge, Kosten, u. U. Zinsen - vgl. Nr. 6.1.2.3) können ohne besonderen Leistungsbescheid beigetrieben werden, wenn im Leistungsbescheid über die Hauptforderung oder in der Mahnung wenigstens dem Grunde nach, bei Säumniszuschlägen und Zinsen üblicherweise unter Angabe eines Vomhundertsatzes, auf sie hingewiesen worden ist. Der Vollstreckungsschuldner muss jedenfalls über seine Verpflichtung zur Erfüllung von Nebenforderungen dem Grunde und dem Umfang nach vor Beginn der Vollstreckung unterrichtet werden. Das gilt sowohl, wenn sie zusammen mit der Hauptforderung, als auch dann, wenn sie selbständig beigetrieben werden sollen, etwa weil der Vollsteckungsschuldner inzwischen die Hauptforderung unter Ablehnung aller Nebenforderungen beglichen hat. In diesem Fall wird ihre Beitreibung auch durch den Verzicht auf Schonfrist und Mahnung erleichtert (§ 6 Abs. 4 VwVG NRW). Bedarf es in besonderen Fällen, etwa wegen Unübersichtlichkeit der Verpflichtungen, doch eines Leistungsbescheids über Nebenforderungen, so erlässt ihn regelmäßig die Vollstreckungsbehörde.

6.1.2.3
Zinsen, insbesondere Verzugszinsen und Stundungszinsen, dürfen für öffentlich-rechtliche Forderungen jedenfalls dann berechnet werden, wenn eine Rechtsvorschrift das ausdrücklich vorschreibt oder zulässt (z. B. § 12 Abs. 1 Nr. 5 b und Abs. 3 KAG i. V. m. §§ 233 bis 239 AO, § 135 BauGB, § 59 LHO, § 32 Abs. 1 GemHVO, § 59 Abs. 3 VwVG NRW). Freiwillig vereinbarte Stundungszinsen können im Verwaltungsverfahren beigetrieben werden, wenn es sich um eine zulässige öffentlich-rechtliche Vereinbarung handelt (§ 61 VwVfG NRW).

6.1.3
Durch die in § 6 Abs. 1 Nr. 3 VwVG NRW vorgeschriebene Einhaltung einer Schonfrist von einer Woche wird nicht etwa der - vielfach gesetzlich bestimmte - Fälligkeitstermin hinausgeschoben, sondern lediglich der Beginn der Vollstreckung im Interesse des  Vollstreckungsschuldners verzögert. Der Vollsteckungsschuldner, der diese Schonfrist und die nach § 19 VwVG NRW einzuhaltende Mahnfrist ausnutzt, muss regelmäßig die üblichen Verzugsfolgen tragen. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 b KAG i. V. m. § 240 Abs. 3 AO wird aber bei einer Säumnis bis zu fünf Tagen ein Säumniszuschlag grundsätzlich nicht erhoben (siehe auch § 18 Abs. 4 GebG NW).

6.1.3.1
Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob eine vor Ablauf der Schonfrist getroffene Vollstreckungsmaßnahme unwirksam oder zwar formell wirksam (so dass die Beseitigung der Pfandsiegelmarke strafbar wäre), aber materiell schwebend unwirksam ist und erst mit Ablauf der  Wochenfrist rechtswirksam wird. Einigkeit besteht aber darüber, dass die Heilung von Mängeln der Zwangsvollstreckung jedenfalls für die Zukunft möglich ist, sofern das Fehlende vor verwaltungsgerichtlicher Aufhebung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nachgeholt werden kann (OVG Münster, Beschluss v. 15.7.1964, Az: II B 380/64).

6.1.3.2
Die Schonfrist braucht nur eingehalten zu werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist. Etwas anderes ist z.B. vorgeschrieben in § 6 Abs. 4, § 43 Abs. 3 und § 53 VwVG NRW. Danach kann ohne Einhaltung der Schonfrist und auch ohne Mahnung
a) die Vollstreckung von Zwangsgeldern und Kosten der Ersatzvornahme betrieben werden. Das entspricht dem Wesen der Zwangsmittel als Beugemittel zur fristgerechten Durchsetzung eines bestimmten Verhaltens des Pflichtigen;
b) selbständig die Vollstreckung wegen Nebenforderungen betrieben werden (vgl. Nr. 6.1.2.2.3);
c) im Sicherungsverfahren nach § 53 VwVG NRW der Arrestantrag unter den dort genannten Voraussetzungen sofort, sogar schon ehe der Anspruch zahlenmäßig feststeht, gestellt oder selbst verfügt werden. In Vollziehung des Arrestes kann auch vor Ablauf der Wochenfrist gepfändet werden (vgl. Nr. 53.1.1).

6.1.4
Die Mahnung des Vollstreckungsschuldners nach § 19 VwVG NRW braucht sich nicht mehr an die Schonfrist anzuschließen, sie kann vielmehr bereits am 1. Tage der Schonfrist ausgesprochen werden. Die Mahnfrist deckt sich dann weitgehend mit der Schonfrist. Im günstigsten Fall kann also bereits am 8. oder 9. Tage nach Fälligkeit der Leistung mit der Vollstreckung begonnen werden.

6.1.5
Mit der Zwangsvollstreckung kann unter Einhaltung der Schonfrist und ggf. der Mahnfrist bereits begonnen werden, ehe der Leistungsbescheid unanfechtbar geworden ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten haben Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Nur in anderen Fällen bedarf es u. U. der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO durch diejenige Stelle, die den Leistungsbescheid erlassen hat, um im Falle des Widerspruchs die Vollstreckung fortsetzen zu können.

6.1.6
Im Falle der nachträglichen Stundung durch den Gläubiger bedarf es keines neuen Leistungsbescheides, um nach Ablauf der Stundungsfrist ohne neue Mahnung und Schonfrist mit der Vollstreckung beginnen oder fortfahren zu können.

6.1.7
Auch wenn die formalen Voraussetzungen des § 6 VwVG NRW gegeben sind, sollte die Vollstreckungsbehörde erst prüfen, ob ein Vollstreckungsverfahren geboten ist, z.B. auch, um die Verjährung zu unterbrechen, oder ob einer der nachstehend unter Nr. 6.1.7.1 Buchstabe a und b genannten Gründe es vertretbar erscheinen lässt, davon Abstand zu nehmen (vgl. jedoch Nr. 6.1.8). Diese Prüfung ist, soweit erforderlich, im Benehmen mit dem Gläubiger im Verlauf des Zwangsverfahrens zu wiederholen, sobald sich neue Gesichtspunkte ergeben.

6.1.7.1
Von Vollstreckungsmaßnahmen ist im Allgemeinen - im Falle des Buchstaben a wenigstens kurzfristig - Abstand zu nehmen, wenn
a) auf Grund vom Vollstreckungsschuldner vorgelegter Unterlagen, z.B. über einen aussichtsreichen Schriftwechsel mit dem Gläubiger, mit Tilgung der Schuld durch Zahlung, Aufrechnung oder Erlass, in nächster Zeit zu rechnen ist;
b) die Beitreibung aussichtslos erscheint wegen Zahlungsunfähigkeit des Vollstreckungsschuldners oder wegen vorgehender Rechte anderer Gläubiger an den zu pfändenden Vermögenswerten.

6.1.7.2
Gegebenenfalls ist bei der zuständigen Stelle die Stundung, die Niederschlagung oder der Erlass herbeizuführen (vgl. § 16 Abs. 2 GemKVO). Die Bestimmungen des § 59 LHO und der dazu ergangenen VV, des § 12 Abs. 1 Nr. 5 a KAG i. V. m §§ 222 und 227 AO sowie des § 32 GemHVO sind zu beachten. Wegen der Vereinbarung von Teilzahlungen durch die Vollstreckungsbehörde oder deren Vollziehungsbeamte siehe Nr. 2.3.2.

6.1.8
Sind die Voraussetzungen für eine erfolgversprechende Beitreibung der Geldforderung jedoch gegeben, so ist die Vollstreckungsbehörde auch verpflichtet, das Zwangsverfahren ohne Verzögerung einzuleiten und zweckmäßig durchzuführen. Sie ist im Allgemeinen ohne Genehmigung des Gläubigers nicht berechtigt, gegenüber sachlich gebotenen Vollstreckungsmaßnahmen Aufschub zu gewähren, sofern dies nicht im Rahmen von Teilzahlungsvereinbarungen nach § 806 b ZPO erfolgt (siehe Nr. 2.3.2) oder die Voraussetzungen des § 26 VwVG NRW gegeben sind (vgl. Nr.
26.4).

6.2
Einstellung und Beschränkung der Vollstreckung (zu § 6 a)

6.2.1
§ 6 a Abs. 1 VwVG NRW nennt die Tatbestände, die zur Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung führen. Um eine Einstellung der Vollstreckung handelt es sich, wenn der gesamte Anspruch, der in dem zu vollstreckenden Leistungsbescheid festgelegt ist, nicht weiter vollstreckt wird. Eine Beschränkung der Vollstreckung liegt vor, wenn der Anspruch zum Teil nicht mehr vollstreckt wird. In beiden Fällen bleiben bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen grundsätzlich bestehen, da die Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung nur für die Zukunft wirkt. Lediglich in den Fällen des § 6 a Abs. 2 Satz 1 VwVG NRW sind bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben. Ist die Forderung nach § 6 a Abs. 1 Buchstabe d VwVG NRW gestundet worden, hat die Vollstreckungsbehörde lediglich die Verwertung des erworbenen Pfandrechtes auszusetzen. Das erworbene Pfandrecht bleibt als Sicherungsmaßnahme bis zur Tilgung der vollständigen Forderung bestehen.

6.2.2
Die Vollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken, sobald die Vollziehbarkeit des Leistungsbescheides gehemmt ist (§ 6 a Abs. 1 Buchstabe a VwVG NRW). Dies ist der Fall, wenn die Vollziehung des Verwaltungsaktes ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist. Leistungsbescheide sind, auch ohne dass bereits deren Bestandskraft eingetreten ist oder sie dem Gesetz nach oder aufgrund behördlicher Anordnung sofort vollziehbar sind, nach Eintritt der Fälligkeit und Ablauf der Wochenfrist gemäß § 6 Abs.1 Nr. 3 VwVG NRW vollstreckbar. Die Einlegung eines Widerspruchs kann in diesen Fällen bereits die Hemmung der Vollstreckbarkeit herbeiführen. Bei bestandskräftigen oder bei auf Grund gesetzlicher oder auf Grund behördlicher Anordnung sofort vollziehbaren Leistungsbescheiden tritt hingegen eine Hemmung der Vollziehbarkeit nur bei behördlicher oder gerichtlicher Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 4 und 5 VwGO ein.

6.2.3
Anforderung von öffentlichen Abgaben i. S. v. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO
Öffentlich-rechtliche Geldforderungen, die dem Anwendungsbereich des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO unterfallen, können wegen der dort angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit auch dann noch beigetrieben werden, wenn gegen den Leistungsbescheid Widerspruch eingelegt wurde.
Der Anwendungsbereich, der dem Begriff der „öffentlichen Abgaben“ in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO unterfällt, ist umstritten. Die historische Auslegung spricht nicht für eine Auslegung, nach der nur Steuern, Gebühren und Beiträge erfasst sind. Vielmehr können auch Abgaben in den Anwendungsbereich fallen (vgl. VGH Kassel, Beschluss v. 28.6.1983, Az: 5 TH 20/83). Der Anwendungsbereich des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bezieht sich somit auf solche Geldleistungen, die zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfes des Staates oder der sonstigen zur Aufgabenerfüllung berechtigten Körperschaften bestimmt sind. Abgaben sind dann erfasst, wenn die Erzielung von Einnahmen zumindest gesetzgeberischer Nebenzweck ist (vgl. VGH Kassel aaO). Abgaben sind demnach darauf zu überprüfen, ob der Zweck ihrer Erhebung einer Steuer, einer Gebühr oder einem Beitrag vergleichbar ist, auch wenn mit der Abgabe im Übrigen andere Ziele, etwa eine Verhaltenslenkung verfolgt werden. Verfolgt eine Abgabe hingegen primär andere Zwecke und ist die allgemeine Finanzierung der Aufgabenerfüllung nur ein Reflex der Abgabenerhebung, liegt keine öffentliche Abgabe i. S. d. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vor.

6.2.4
Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit für öffentlich-rechtliche Geldforderungen nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO
Wie sich aus der Wertung des § 80 Abs.1 Nr. 1 VwGO ergibt, reicht das allgemeine fiskalische Interesse an der Refinanzierung von staatlichen Vorleistungen alleine nicht aus, um für öffentlich-rechtliche Forderungen, die nicht dem Anwendungsbereich des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO unterfallen, ohne Hinzutreten besonderer zusätzlicher Gründe eine Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen.
Im Einzelfall kann aber bei Hinzutreten besonderer Umstände, insbesondere zur Abwehr konkreter rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme von Rechtsbehelfen, die nachträgliche Anordnung der sofortigen Vollziehung in Betracht kommen.
Wird gegen die Anforderung eines nicht unerheblichen Geldbetrages Widerspruch eingelegt, der offensichtlich unbegründet ist, kann bei allgemein schlechter Haushaltslage der erhebenden Körperschaft oder bei besonders hohem Refinanzierungsaufwand für den der Forderung zugrunde liegenden Aufgabenbereich eine nachträgliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO durch die verfügende Behörde oder durch die Widerspruchsbehörde ermessensgerecht sein.

6.2.5
Die Vollstreckung ist ferner einzuschränken oder zu beschränken, wenn der Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt wird, aufgehoben wurde (§ 6 a Abs. 1 Buchstabe b VwVG NRW). Der Verwaltungsakt kann aufgehoben oder geändert werden durch die erlassende Behörde selbst, durch die Widerspruchsbehörde oder durch ein Gericht. Ein Verwaltungsakt ist durch einen Widerspruchsbescheid erst geändert, durch einen Abhilfebescheid geändert oder aufgehoben oder durch ein Gerichtsurteil geändert oder aufgehoben, wenn die Entscheidung bestandskräftig oder rechtskräftig geworden ist. Kann der Vollstreckungsschuldner eine aufhebende oder abändernde Entscheidung vorweisen, hat sich der Vollziehungsbeamte bei der Vollstreckungsbehörde zu versichern, ob diese Entscheidung unanfechtbar ist oder der Gläubiger beabsichtigt, einen noch möglichen Rechtsbehelf einzulegen.
Bei noch schwebenden Rechtsbehelfsverfahren kann eine Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung in Betracht kommen.

6.2.6
Dass die Vollstreckungsvoraussetzungen durch Erlöschen der Zahlungspflicht ganz oder teilweise weggefallen seien (§ 6 a Buchstabe c VwVG NRW), kann der Vollstreckungsschuldner nur durch Nachweis der Zahlung an die für die Einziehung zuständige Stelle oder durch den Nachweis, dass ihm die Schuld erlassen ist, geltend machen. Hat der Vollziehungsbeamte Zweifel an der Behauptung des Vollstreckungsschuldners oder den vorgelegten Nachweisen, soll er sich zunächst unverzüglich (telefonisch) mit der Vollstreckungsbehörde in Verbindung setzen, ehe er von der Vollstreckung absieht. Der Vollziehungsbeamte hat den Pfändungsauftrag mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen und der Vollstreckungsbehörde zurückzugeben. Begonnene Pfändungen sind nicht fortzusetzen, bei nachgewiesener Teilzahlung jedoch nur entsprechend zu beschränken, obwohl der Pfändungsauftrag noch in voller Höhe besteht. Bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen darf der Vollziehungsbeamte nur rückgängig machen, wenn der Vollstreckungsschuldner ihm eine entsprechende Verfügung der Vollstreckungsbehörde vorweist; anderenfalls hat der Vollziehungsbeamte die schriftliche Weisung der Vollstreckungsbehörde auf Grund seines Vermerks abzuwarten.

6.2.7
Eine nicht von der Vollstreckungsbehörde ausgestellte Stundung (§ 6 a Buchstabe d VwVG NRW) ist für den Vollziehungsbeamten nur maßgebend, wenn sie einwandfrei von der für die Einziehung zuständigen Dienststelle des Gläubigers schriftlich bestätigt ist. In Zweifelsfällen hat der Beamte bei der Vollstreckungsbehörde nachzufragen. Diese selbst ist zur Stundung regelmäßig (Zulassung von Ausnahmen nach § 16 Abs. 1 Satz 4 GemKVO durch den Bürgermeister möglich) nicht befugt, kann aber im Anwendungsbereich des § 21 Abs. 2 Satz 2 VwVG NRW, des § 27 VwVG NRW i. V. m. § 813 a ZPO, des § 5 a Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW i. V. m. § 806 b ZPO und im Rahmen des Vollstreckungsschutzes nach § 27 VwVG NRW Teilzahlungen vereinbaren (siehe auch Nr. 2.3.2 - vgl. auch § 16 Abs. 1 Satz 3 GemKVO). Sie kann darüber hinaus in eigener Verantwortung die Vollstreckung zumindest kurzfristig aussetzen, wenn etwa der Vollstreckungsschuldner ihr glaubhaft gemacht hat, dass die Voraussetzungen für Stundung, Niederschlagung oder Erlass der Forderung vorliegen und eine entsprechende Entscheidung des Gläubigers in Kürze zu erwarten ist, oder wenn sie vor weiteren Maßnahmen sich zunächst mit dem Gläubiger in Verbindung setzen will (vgl. z. B. § 16 Abs. 2 GemKVO).

6.2.8
Zahlung an den Vollziehungsbeamten
Der Vollstreckungsschuldner kann jederzeit, nicht erst beim Pfändungsversuch an Ort und Stelle, den beizutreibenden Betrag an den Vollziehungsbeamten zahlen. Dieser ist auch ohne besondere schriftliche Ermächtigung, die sich aber regelmäßig aus seinem Vollstreckungsauftrag ergibt, zur Annahme von Zahlungen des Vollstreckungsschuldners bis zur Höhe des beizutreibenden Betrages - dazu gehören auch Säumniszuschläge, Zinsen und Kosten - verpflichtet. Diese Zahlung gilt als freiwillige Leistung, und zwar auch dann, wenn sie bewirkt wird, nachdem sich der Vollziehungsbeamte in Ausführung des Pfändungsauftrages an Ort und Stelle begeben hat und die volle Pfändungsgebühr nach § 4 Abs. 2 KostO NRW bereits fällig geworden ist. Zahlt der Vollstreckungsschuldner freiwillig einen Teilbetrag und sind mehrere Forderungen rückständig, kann er i. S. d. Nr. 43 VV zu § 70 LHO bestimmen, welche Forderung durch seine Zahlung getilgt werden soll. Das gleiche gilt bei Leistung an die Vollstreckungsbehörde oder den Gläubiger vor der Pfändung einer Sache oder Forderung.

6.2.8.1
Eine zur Tilgung der ganzen Forderung (einschließlich Nebenleistungen) nicht ausreichende Zahlung nach der Pfändung (§ 40 VwVG NRW) ist wie jeder beigetriebene Betrag zunächst auf etwaige Geldstrafen, Ordnungsstrafen, Geldbußen oder Zwangsgelder, sodann auf die Kosten (Gebühren und Auslagen) und auf die Verspätungszuschläge, Zinsen und Säumniszuschläge und zuletzt auf die Hauptschuld zu verrechnen (Nr. 43 VV zu § 70 LHO; anders: § 12 Abs. 1 Nr. 5 a KAG i. V. m § 225 AO).

6.2.8.2
Als Teilzahlung ist auch eine Zahlung zu behandeln, welche die Kosten ungedeckt lässt. Es steht im Ermessen der Vollstreckungsbehörde, ob und wieweit in einem solchen Falle und auch sonst, wenn nur ein geringer Restbetrag offen bleibt, die Vollstreckung weitergeführt, beschränkt oder ausgesetzt wird.

7
Einwendungen gegen den Anspruch; Erstattungsanspruch (zu § 7)

7.1
Die Durchführung des Zwangsverfahrens wird durch Einwendungen des Vollstreckungsschuldners gegen die Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheides nicht gehindert. Dies betrifft nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung auch Einwendungen gegen den Leistungsbescheid, die nach Eintritt der Bestandskraft entstanden sind. Die teilweise auf Grund der früheren Rechtslage vertretene Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, die hier eine Anfechtungsklage für möglich hielten, gilt in NRW seit der Neufassung von § 7 VwVG NRW nicht mehr. Derartige Einwendungen kann der Vollstreckungsschuldner nur außerhalb des Zwangsverfahrens mit den jeweils gebotenen Rechtsbehelfen gegen den Leistungsbescheid erheben. Nach Eintritt der Bestandskraft des Leistungsbescheides entstandene Einwendungen können nur über eine Abänderung oder Aufhebung dieses Bescheides im Wiederaufnahmeverfahren nach §§ 48 oder 51 VwVfG NRW geltend gemacht und anschließend im Erstattungsverfahren gemäß § 7 Abs. 3 und 4 VwVG NRW die Rückzahlung verlangt werden.

7.2
Nach § 7 Abs. 2 VwVG NRW besteht zugunsten des Vollstreckungsschuldners bei Einwendungen, die nicht durch einen Rechtsbehelf auf Rücknahme des Heranziehungsbescheides oder durch die Anfechtung der Vollstreckungsmaßnahme geltend gemacht werden können, (z. B. der Einwand des nachträglichen Erlöschens der Forderung, einer späteren Fälligkeit durch Stundung), ein vollstreckungsrechtlicher Anspruch auf Aufhebung oder Beschränkung
der Befugnis des Gläubigers, aus dem bisher vollsteckbaren Leistungsbescheid bei dem Vollstreckungsschuldner eine zwangsweise Befriedigung seiner Ansprüche zu suchen. Der Vollstreckungsschuldner ist nicht darauf verwiesen, in diesen Fällen zunächst die Vollstreckung zu dulden, um erst anschließend bei einer rechtswidrigen Vollstreckung einen Erstattungsanspruch geltend zu machen.
Einwendungen gegen den Bestand der Forderung oder deren Vollstreckbarkeit, die von der Vollstreckungsbehörde nicht zu beachten sind, sind bei der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, geltend zu machen.
Diese prüft zunächst verfahrensbegleitend, ob sie, in Abwägung der möglichen Erfolgsaussichten der Einwendungen mit dem öffentlichen Interesse an der Beitreibung der Forderung, die Vollstreckung vorläufig aussetzt oder beschränkt. Der Behörde steht hierbei ein Ermessensspielraum zu; ein eigenständiger Anspruch auf eine Entscheidung besteht nicht. Mit der Entscheidung zur Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung können Entscheidungen zur Aufhebung bereits durchgeführter Vollstreckungsmaßnahmen getroffen werden.
Berücksichtigung finden nur Einwendungen gegen die Forderung selbst, sofern diese nicht im Verfahren gegen den Leistungsbescheid geltend gemacht werden konnten. Derartige Einwendungen sind insbesondere: streitige Erfüllung, streitiger Erlass oder streitige Stundung, Verjährung, Aufrechnung, Haftungsbeschränkungen, Anfechtung und Rücktritt bei gemäß § 61 Abs. 2 VwVfG NRW vollstreckbaren öffentlich-rechtlichen Verträgen oder Vergleichsregelungen.
Sofern es sich hingegen um Einwendungen im Sinne von § 6 a VwVG NRW handelt, sind diese von der Vollstreckungsbehörde von Amts wegen als Zulässigkeitsvoraussetzungen des Vollsteckungsverfahrens zu beachten. Deren Nichtbeachtung macht die einzelne Vollstreckungsmaßnahme rechtswidrig und kann im Wege der Anfechtung gegen diese geltend gemacht werden.
Im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 2 VwVG NRW dürfte eine Feststellungsklage, die vom OVG Münster in Anbetracht einer bislang fehlenden vollstreckungsrechtlichen Regelung für zulässig gehalten wurde, zukünftig mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht mehr zulässig sein. Vielmehr ist nach der Neuregelung zunächst eine Entscheidung des Gläubigers herbeizuführen und im Falle der Ablehnung des Antrages auf Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung Widerspruch einzulegen und bei dessen Zurückweisung eine Verpflichtungsklage anzustrengen; einstweiliger gerichtlicher Rechtschutz kann über § 123 VwGO erreicht werden.

7.3
Über den Anspruch auf Erstattung eines nach Meinung des Pflichtigen zu Unrecht geleisteten Betrages entscheidet der Gläubiger, zu dessen Gunsten der Betrag vorläufig geleistet oder beigetrieben worden ist. Der Anspruch auf Erstattung ist rechtzeitig geltend gemacht, wenn der Antrag innerhalb der in § 7 Abs. 4 VwVG NRW bestimmten Ausschlussfrist beim Gläubiger oder der Vollstreckungsbehörde gestellt wird. Der Bescheid des Gläubigers, der den Erstattungsanspruch ganz oder teilweise ablehnt, kann mit dem Widerspruch angefochten werden und unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung. Er sollte deshalb nicht nur eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, sondern auch ausreichend begründet sein.

7.4
Mit den ihm nach den §§ 2014 und 2015 BGB zustehenden Einreden (Dreimonats- und Aufgebotseinrede) kann der Erbe - gegebenenfalls der Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter oder Nachlasspfleger - nur erreichen, dass die Vollstreckung in den Nachlass für die Dauer der dort bestimmten Fristen auf solche Maßnahmen beschränkt wird, die zur Vollziehung eines Arrestes zulässig sind (vgl. §§ 782, 783 ZPO). Abgesehen davon, dass diese Einredemöglichkeiten schon nach den Vorschriften der §§ 2016 und 2017 i.V.m. § 1971 BGB erheblich eingeschränkt sind, berühren sie das Verwaltungszwangsverfahren in den Nachlass auch insoweit nicht, als es sich um die Beitreibung von Forderungen handelt, die nach Beginn des der Vollstreckungsmaßnahme vorausgegangenen Kalenderjahres fällig geworden sind.
Als Vollstreckungsmaßnahme gilt schon der schriftliche Vollstreckungsauftrag an den Vollziehungsbeamten (§ 12 VwVG NRW), ferner die Pfändungsverfügung nach § 40 VwVG NRW, ein Vollstreckungsantrag an das Gericht oder Grundbuchamt nach § 51 VwVG NRW, der Arrestantrag (§ 53 VwVG NRW), und die Vollstreckungsanmeldung im Insolvenzverfahren.

8
Widerspruch gegen die Pfändung (zu § 8)

8.1
Auch der Widerspruch des Dritten und die Einwendungen einer durch gesetzliche oder behördliche Veräußerungsverbote geschützten Person (§ 772 ZPO), eines Nacherben (§ 773 ZPO) oder des Ehegatten eines Gewerbetreibenden im Falle der Vollstreckung in das Gesamtgut (§ 774 ZPO) können den Fortgang der Zwangsvollstreckung nicht ohne
weiteres hindern. Zu den „die Veräußerung hindernden Rechten“ gehören alle materiellen Rechte, die dem Dritten die Befugnis geben, die Verwendung des Gegenstandes zur Befriedigung des Gläubigers zu verhindern. Nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts kommen hier in Frage: Eigentum, Erbbaurecht und andere dingliche Rechte; schuldrechtliche Herausgabeansprüche auf Grund Vermietung , Leihe, Hinterlegung usw., dagegen nicht „Verschaffungsansprüche“ aus Kauf, Vermächtnis usw. auf Überlassung solcher Sachen, die nicht aus dem Vermögen des Dritten stammen.

8.2
Als Dritter ist jeder zu behandeln, der nicht als Gläubiger oder Vollstreckungsschuldner am Zwangsverfahren unmittelbar beteiligt ist. Als Dritter gilt auch ein Duldungspflichtiger insoweit, als ihm persönlich gehörende Gegenstände von der zulässigen Zwangsvollstreckung in das seiner Verwaltung unterliegende Vermögen betroffen sind.

8.3
Erhebt ein Dritter Widerspruch bei der Vollstreckungsbehörde, so kann diese den gepfändeten Gegenstand freigeben, wenn der Dritte sein Recht ausreichend nachweist oder wenn andere, von dritten Personen nicht in Anspruch genommene Gegenstände gepfändet werden können, die hinreichend Sicherheit gewähren. In nicht zweifelsfreien Fällen sollte die Vollstreckungsbehörde vorsorglich eine Entscheidung des Gläubigers herbeiführen, um einen offensichtlich für sie und den Gläubiger aussichtslosen Rechtsstreit zu vermeiden.

8.4
Lehnt der Gläubiger die Freigabe ab, so kann der Dritte, abgesehen von der Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde, nur Widerspruchsklage erheben.

8.4.1
Nach Erhebung der Klage hat die Vollstreckungsbehörde sich nach den auf Grund der §§ 769 und 770 ZPO ergehenden Anordnungen des Prozessgerichts und etwaigen Ersuchen des Gläubigers zu richten, im Übrigen aber das Zwangsverfahren fortzusetzen. Jedoch ist sie zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen dem Dritten gegenüber verpflichtet, alle Maßnahmen zu unterlassen oder hinauszuschieben, die seine Rechte endgültig beeinträchtigen. Darunter fällt insbesondere die Verwertung der gepfändeten Gegenstände.

8.4.2
Gegenstand der Klage ist nicht das sachliche Recht des Dritten, sondern nur der Ausspruch der Unzulässigkeit oder der Einstellung der Vollstreckung in den streitigen Gegenstand. Die Klage ist grundsätzlich gegen den Gläubiger, der möglicherweise im Prozess durch die Vollstreckungsbehörde vertreten wird, nicht gegen den Vollstreckungsschuldner und auch nicht gegen die Vollstreckungsbehörde zu richten. § 8 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW betrifft nur den Fall, dass der Vollstreckungsschuldner vom Dritten gleichzeitig mit einer materiellrechtlichen Klage, z.B. aus § 985 BGB, auf Herausgabe in Anspruch genommen wird.

8.4.3
Die Widerspruchsklage ist nur zulässig, wenn die Pfändung schon begonnen hat, die Zwangsvollstreckung aber noch nicht beendet ist. Wird ihr stattgegeben, muss die unzulässige Vollstreckungsmaßnahme von der Vollstreckungsbehörde alsbald aufgehoben werden.

9
Zwangsverfahren gegen Personenvereinigungen (zu § 9)

Das Zwangsverfahren gegen Personenvereinigungen ist in manchen Punkten abweichend von der zivilprozessualen Vollstreckung geregelt.

9.1
In das Vermögen einer Personenvereinigung oder eines „ähnlichen Gebildes“ kann und muss selbständig vollstreckt werden, wenn
a) ein zweckgebundenes, aus dem übrigen Vermögen der Mitglieder (Gesellschafter) herausgelöstes Sondervermögen (Gesamthandvermögen) vorhanden ist,
b) die Personenvereinigung als solche leistungspflichtig ist.

9.2
Der Leistungsbescheid und die Vollstreckungsmaßnahme müssen unmittelbar gegen die Personenvereinigung als solche gerichtet werden. Ob und wieweit daneben auch Vertreter, Mitglieder, Gesellschafter usw. als unmittelbar haftende Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden können, bestimmt sich nach materiellem Recht.

9.3
Als solche leistungspflichtig sind zunächst alle juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts, also rechtsfähige Personenvereinigungen, insbesondere eingetragene Vereine und Genossenschaften, Aktiengesellschaften, Gesellschaften m.b.H. usw., Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und rechtsfähige Zweckvermögen, vor allem Stiftungen und Anstalten in entsprechender Rechtsform.

9.4
Auch gegen nicht rechtsfähige Vereine, Gesellschaften oder Gemeinschaften nach bürgerlichem Recht, offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, ferner gegen durch Sammlung entstandene Vermögen und ähnliche Gebilde kann unter den oben (Nr. 9.1) angegebenen Voraussetzungen unmittelbar vollstreckt werden, wenn diese Vereinigungen und Gebilde nach materiellem öffentlichem Recht die beizutreibende Geldleistung selbständig, allein oder neben ihren Mitgliedern usw. schulden. Das ist für jeden Fall der Heranziehung besonders zu prüfen und unter Umständen, z.B. nach den verschiedenen Steuergesetzen, für dieselbe Personenvereinigung von Fall zu Fall durchaus unterschiedlich zu beurteilen.

10
Vollstreckungsschuldner nach bürgerlichem Recht (zu § 10)

10.1
Bürgerlich-rechtliche Haftung kraft Gesetzes

10.1.1
Die Anwendbarkeit von § 10 VwVG NRW ist für Steuern und kommunale Abgaben nach dem KAG ausgeschlossen, hierfür ist nach § 191 AO vorzugehen (siehe Nr. 1.2.3). Es verbleiben öffentlich-rechtliche Forderungen (Gebührenforderungen nach der AVerwGebO NRW, Kosten aus Ersatzvornahmen, Zwangs-, Buß- und Ordnungsgelder etc. - z. B. Ablöseforderung für Stellplatzverpflichtung nach der BauO NRW) und nach § 1 VwVG NRW beizutreibende privatrechtliche Forderungen, für die nicht das KAG, die AO oder ausdrücklich andere Vorschriften gelten.
Die OFD-Münster hat zum Haftungsrecht nach der AO ein Haftungshandbuch entwickelt, das neben Hilfestellungen zum Haftungsrecht der AO auch Mustertexte und Berechnungsbeispiele enthält. Das Haftungshandbuch besteht aus diversen Word-Dateien, hat zurzeit eine Größe von ca. 3 MB (Stückelungswünsche bitte angeben) und kann ausschließlich per E-Mail angefordert werden bei: hannelore.pump@ofd-ms.fin-nrw.de

10.1.2
Das Verwaltungszwangsverfahren ist auch zulässig gegen Personen, die kraft Gesetzes, jedoch ausschließlich nach Vorschriften des bürgerlichen Rechts (Nr. 4.2.2 und Nr. 4.3.2) für die Verbindlichkeit des Hauptschuldners haften oder die Vollstreckung in eigenes oder ihrer Verwaltung unterliegendes fremdes Vermögen dulden müssen. Zwar ist die Zahlungspflicht, die hinsichtlich einer öffentlich-rechtlichen Schuld des Hauptschuldners unter gewissen Voraussetzungen z.B. den Erben, den Erbschaftskäufer, den Erwerber des Nießbrauchs oder die Eltern trifft, eine öffentlich-rechtliche, aber sie ist an das Bestehen eines bürgerlich-rechtlichen Haftungsverhältnisses als entscheidendes Tatbestandsmerkmal geknüpft.
In manchen Fällen ist die gleichzeitige Vollstreckung gegen solche Personen Voraussetzung für eine wirksame Vollstreckung gegen den Hauptschuldner, allgemein oder hinsichtlich bestimmter Vermögensmassen (vgl. Nr. 4.4).

10.1.3
Gelangt die Vollstreckungsbehörde zu der Überzeugung, dass die Vollstreckung gegen einen Dritten zulässig (
Nr. 10.1.1) und im vorliegenden Fall auch geboten ist, so hat sie das Zwangsverfahren auf ihn auszudehnen, ggf. unter Beschränkung auf eine bestimmte Vermögensmasse.

10.2
Vorverfahren
Die Inanspruchnahme des Haftungs- oder Duldungsschuldners kraft ausschließlich bürgerlichen Rechts setzt die Durchführung des in § 10 VwVG NRW geregelten besonderen Vorverfahrens voraus. Darin hat der Betroffene einen besonders ausgestalteten Anspruch auf rechtliches Gehör. Die Verletzung dieses Anspruchs kann auf Grund der Verweisung auf den Zivilrechtsweg nicht im Widerspruchsverfahren geheilt werden, da ein Widerspruchsverfahren nur bei einer Verweisung auf den Verwaltungsrechtsweg in Betracht kommt.

10.2.1
Die Vollstreckungsbehörde hat dem Dritten die beabsichtigte Inanspruchnahme auf Haftung oder Duldung unter genauer Bezeichnung des Anspruchs gegen den Hauptschuldner dem Grund und der Höhe nach anzukündigen und ihn zur Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist aufzufordern. Die wesentlichen Haftungs- oder Duldungsgründe sind mitzuteilen. Die Frist soll mindestens zwei Wochen betragen, wenn nicht Gefahr im Verzuge ist. Es handelt sich um ein Anhörungsverfahren vor dem Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes, das nach den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Verfahrensgrundsätzen durchzuführen ist. Der förmlichen Ankündigung bedarf es nicht, wenn der Betroffene bereits ohne eine solche seine Verpflichtung anerkannt hat. Mit dem Anhörungsverfahren im Rahmen der Ankündigung ermittelt die Vollstreckungsbehörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt für das Haftungs- oder Duldungsverfahren. Der potenzielle Haftungs- oder Duldungsschuldner kann sich innerhalb der gesetzten Frist zu den von der Vollstreckungsbehörde vorgetragenen Tatbeständen äußern. Erhebt der zur Erklärung aufgeforderte Dritte Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des gegenüber dem Hauptschuldner verfügten Leistungsbescheides oder bestreitet er seine Verpflichtung zur Haftung oder Duldung oder erhebt er andere, in Absatz 2 näher bezeichnete Einwendungen, so entscheidet die Vollstreckungsbehörde. Die Einwendungen hat die Vollstreckungsbehörde beim Erlass des Duldungs- oder Haftungsbescheides zu würdigen. Entweder erkennt sie die Einwendungen an und sieht insoweit von der Inanspruchnahme des Dritten ab oder sie weist die Einwendungen in ihrem Haftungs- oder Duldungsbescheid zurück, der unmittelbar der Nachprüfung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit unterliegt (vgl. Nr. 10.3). Da die Entscheidung eine Ausschlussfrist in Lauf setzt, soll sie zugestellt werden. Mängel der Anhörung oder der Begründung können nachträglich nur über § 48 VwVfG NRW korrigiert werden.
Die Vollstreckungsbehörde sollte zur Vermeidung von Schadenersatzansprüchen des Gläubigers diesen - oder seine zur Vertretung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten berufene Dienststelle - spätestens im Rahmen des Widerspruchverfahrens über die beabsichtigte Entscheidung informieren und ihm Gelegenheit zur Äußerung geben. Die Entscheidung des Gläubigers ist für die Vollstreckungsbehörde bindend. Die Vollstreckungsbehörde sollte zur Vermeidung von Schadenersatzansprüchen des Gläubigers diesen in nicht ganz zweifelsfreien Fällen auch dann verständigen, wenn sie die Einwendungen des Dritten anerkennen und von sich aus auf eine Inanspruchnahme als Haftungs- oder Duldungsschuldner verzichten will.

10.2.2
Zwischen der Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners (Nr. 10.2.2.1) und der Inanspruchnahme eines Duldungsschuldners (Nr. 10.2.2.2) ist zu unterscheiden.

10.2.2.1
Erkennt der auf Haftung in Anspruch genommene Dritte seine Verpflichtung an oder äußert er sich innerhalb der Erklärungsfrist nicht, dann erlässt die Vollstreckungsbehörde den Haftungsbescheid. Der Bescheid muss hinsichtlich der Höhe und der Begründung des Anspruchs mit der Ankündigung übereinstimmen und im Übrigen den Besonderheiten der Haftungspflicht angepasst sein.

10.2.2.2
Ein Duldungsbescheid hat einen doppelten Inhalt:
a) eine verbindliche Feststellung der Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheides gegen den Vollstreckungsschuldner auch gegenüber dem auf Duldung in Anspruch genommenen Dritten,
b) die Aufforderung an den Dritten, die Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner in
Bezug auf bestimmte, sich in seinem Vermögen befindliche Sachen zu dulden, Geld herauszugeben, Wertersatz zu leisten oder auf die Ausübung von Rechten zu verzichten.

10.3
Klage vor den ordentlichen Gerichten

10.3.1
Gegenstand des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht ist die Nachprüfung der vom Kläger bestrittenen bürgerlich-rechtlichen Haftungs- oder Duldungspflicht. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheides gegen den Vollstreckungsschuldner kommt nur dann nicht in Betracht, wenn der Dritte infolge seiner Beiladung ein verwaltungsgerichtliches Urteil gegen sich gelten lassen muss.

10.3.2
Die für die Erhebung der Klage in § 10 Abs. 2 Satz 3 VwVG NRW vorgesehene Ausschlussfrist von einem Monat beginnt mit der Zustellung der Entscheidung an den Betroffenen. Durch die Erhebung der Klage werden Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger, vorbehaltlich der in § 6 VwVG NRW genannten Voraussetzungen, nicht gehindert. Doch wird die Vollstreckungsbehörde im Hinblick auf die dem Prozessgericht in § 10 Abs. 2 Satz 4 VwVG NRW eingeräumten Befugnisse zur Einstellung der Zwangsvollstreckung und zur Aufhebung einzelner Vollstreckungsmaßnahmen pflichtgemäß zu prüfen haben, ob solche Maßnahmen nach der Klageerhebung sinnvoll sind.

10.3.3
Gibt das Gericht der Klage statt, müssen Leistungsbescheid und etwaige Vollstreckungsmaßnahmen aufgehoben werden. Beigetriebene Geldbeträge sind zu erstatten.

10.4
Haftung kraft Vertrages
Ein Dritter, der sich durch Vertrag (Bürgschaft oder Schuldübernahme) zur Erfüllung der Verbindlichkeiten des Hauptschuldners verpflichtet hat, kann auch dann nur im ordentlichen Rechtswege und nicht im Verwaltungszwangsverfahren in Anspruch genommen werden, wenn es sich um eine Steuerschuld oder um eine andere öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit handelt.

10.5
Duldungsbescheide auf der Grundlage des Anfechtungsgesetzes
Den Vollstreckungsbehörden obliegt die Feststellung entgeltlicher Verfügungen des Vollstreckungsschuldners in einem zurückliegenden Zeitraum von bis zu zwei Jahren mit einer dem Vollstreckungsschuldner nahe stehenden Person im Sinne von § 138 Insolvenzordnung (InsO), sowie die Feststellung aller unentgeltlicher Verfügungen des Vollstreckungsschuldners innerhalb der letzten vier Jahre, die zu einer vollstreckungsrechtlich relevanten Verringerung des Schuldnervermögens geführt haben und möglicherweise nach dem AnfG anfechtbar sind. Bedienstete, welche die e. V. abnehmen, haben sich mit den Anfechtungstatbeständen der §§ 3 bis 6 AnfG vertraut zu machen. Im e. V.-Verfahren sind derartige Anfechtungstatbestände (§§ 3und 4 AnfG) bei der Aufstellung des Vermögensverzeichnisses zu berücksichtigen. Bei begründetem Verdacht einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung können auch Verfügungen innerhalb der letzten 10 Jahre angefochten werden. Im Gegensatz zur AO sind für die Anordnung einer Haftungs- oder Duldungsverfügung nach § 10 VwVG NRW die Vollstreckungsbehörden zuständig.
Die Geltendmachung kann im Wege des Duldungsbescheides nach § 10 VwVG NRW oder durch unmittelbare Duldungsklage beim zuständigen Zivilgericht nach § 13 AnfG erfolgen.
Eine unmittelbare Klageerhebung kommt nur in Betracht, wenn der Sachverhalt für eine erfolgreiche Klagedurchführung abschließend festgestellt ist. Andernfalls ist das Vorgehen durch Duldungsbescheid vorzuziehen. Denn in dem vorangehenden Anhörungsverfahren kann der in Anspruch genommene Dritte sich äußern. Zudem stehen hier der Vollstreckungsbehörde noch alle Ermittlungsrechte des Vollstreckungsverfahrens, insbesondere des § 5 VwVG NRW, zur Verfügung.
Die Anordnung richtet sich im Regelfall auf die Duldung der öffentlich-rechtlichen Vollstreckung in
Bezug auf bestimmte Vermögensgegenstände, die der Vollstreckungsschuldner durch anfechtbare Verfügung aus seinem Vermögen abgegeben hat. Bei der Verfügung über Geld richtet sich die Anordnung unmittelbar auf Zahlung, bei der Abtretung von Forderungen, die vom Dritten bereits eingezogen wurden, auf Wertersatz, sonst auch hier auf Duldung der Vollstreckung. Bei Belastungen von beweglichen Sachen und Grundstücken wird angeordnet, dass der Dritte verpflichtet ist, von diesem Recht gegenüber dem Gläubiger keinen Gebrauch zu machen.

11
Vollziehungsbeamte (zu § 11)

11.1
Aufgabenbereich und Rechtsstellung
Die Vollstreckungsbehörde ist auf die ihr durch das VwVG NRW ausdrücklich zugewiesenen Aufgaben in der Anordnung, Leitung und Überwachung des Verwaltungszwangsverfahrens beschränkt. Sie muss die angeordneten Vollstreckungsmaßnahmen (z.B. Sachpfändung, Wegnahme von Urkunden, meist auch Versteigerung) nach § 11 Abs. 1 VwVG NRW durch Vollziehungsbeamte ausführen lassen (vgl. Nr.
11.3.3). Bei der Ausübung der Befugnisse nach § 14 VwVG NRW ist der Vollziehungsbeamte Vollzugsdienstkraft i. S. d. § 68 Abs. 1 Nr. 1 VwVG NRW.

11.1.1
Grundsätzlich vollzieht jede Vollstreckungsbehörde ihre Maßnahmen auch durch eigene Vollziehungsbeamte. Soweit der Umfang der anfallenden Vollstreckungsaufgaben es rechtfertigt, sollen dies in aller Regel hauptamtliche, ausschließlich mit Vollziehungsaufgaben betraute Dienstkräfte sein.
Bei geringerem Arbeitsanfall soll in erster Linie der nicht voll ausgelastete Vollziehungsbeamte auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung zugleich unmittelbar - also nicht etwa im Rahmen der Amtshilfe - als Vollziehungsbeamter einer oder mehrerer anderer Vollstreckungsbehörden eingesetzt werden. Er handelt jeweils nach den Weisungen der für den einzelnen Vollstreckungsfall zuständigen Behörde, bleibt jedoch Bediensteter seiner Anstellungsbehörde. Die anderen an dieser Vereinbarung beteiligten Behörden haben der Anstellungsbehörde die anteiligen Personalkosten zu erstatten.

11.1.2
Kommt diese in jedem Falle vorzuziehende Lösung nicht in Frage, dann lässt sich auch der Einsatz hauptamtlicher Dienstkräfte vertreten, die neben ihrer Tätigkeit als Vollziehungsbeamte noch andere Aufgaben ihrer Behörde erledigen. Eine gleichzeitige Wahrnehmung von Aufgaben der Vollstreckungsbehörde ist unzulässig (siehe Nr. 11.3.3). Auch auf Zeit, z. B. in Vertretung erkrankter oder beurlaubter Vollziehungsbeamten, können solche Dienstkräfte, wenn sie entsprechend vereidigt sind, als Vollziehungsbeamte eingesetzt werden.

11.1.3
Die Tätigkeit eines Vollziehungsbeamten erfordert nicht nur umfassende Kenntnis des Vollstreckungsrechts, sondern in besonderem Maße wirtschaftliches und menschliches Verständnis, Takt, Entschlusskraft und Durchsetzungsvermögen, Umsicht und solche charakterlichen Eigenschaften, die eine unparteiische Amtsführung gewährleisten. Dieses ist bei der Auswahl der Kräfte zu beachten.

11.1.4
Der Vollziehungsbeamte handelt in Ausübung öffentlicher Gewalt. Diese sollte grundsätzlich Berufsbeamten anvertraut werden. Jedoch ermöglicht es die Fassung des § 11 VwVG NRW, auch Angestellte zu dieser Aufgabe heranzuziehen. Hiervon sollte aber, wenn die Personallage der Behörden eine andere Lösung gestattet, nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden. (Bestellung von Angestellten der Krankenkassen nach § 66 Abs. 3 S. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 3 SGB X). Angestellte werden durch Bestellung zu Vollziehungsbeamten zwar nicht Beamte im staatsrechtlichen Sinne, sie stehen aber unter dem gleichen strafrechtlichen Schutz wie diese (§ 113 StGB) und unterliegen auch im Übrigen denselben Strafbestimmungen wie Beamte (insbesondere §§ 113 Abs. 3, 203 Abs. 2, 331 ff. StGB).

11.2
Vereidigung
Die Vereidigung des Vollziehungsbeamten ist Voraussetzung für die Rechtsgültigkeit der von ihm durchgeführten Maßnahmen. Sie ist durch seinen Dienstherrn nach den geltenden allgemeinen Vorschriften zu veranlassen. Haben Beamte bereits anlässlich ihrer Anstellung einen allgemeinen Diensteid geleistet, so bedarf es einer nochmaligen Vereidigung nicht. Angestellte sind jedoch stets besonders zu vereidigen, auch wenn sie nur vorübergehend (vgl. Nr.
11.1.2) zu Vollziehungsbeamten bestellt werden sollen. Als Eidesformel genügt, soweit vom Dienstherrn nichts anderes bestimmt wird:
„Ich schwöre, dass ich die Pflichten eines Vollziehungsbeamten der Gemeinde ...... gewissenhaft erfüllen werde.“
Wird ein Bediensteter für mehrere Vollstreckungsbehörden unmittelbar, nicht nur in Ausführung einzelner Amtshilfeersuchen, als Vollziehungsbeamter tätig (vgl. Nr. 11.1.1), so muss er von jeder Behörde vereidigt werden, sofern er nicht bereits bei der erstmaligen Vereidigung durch seinen Dienstherrn unter entsprechender Ergänzung der Eidesformel zugleich auch auf seine Pflichten gegenüber den sonst beteiligten Gemeinden (GV) vereidigt werden kann. Über die Vereidigung ist eine durch den Vollziehungsbeamten zu unterzeichnende Niederschrift aufzunehmen und zu seinen Personalakten zu nehmen.

11.3
Verhältnis zur Vollstreckungsbehörde

11.3.1
Der Vollziehungsbeamte handelt niemals kraft eigenen Rechts. Er wird nur im Namen der Vollstreckungsbehörde und nur im Rahmen der ihm ausdrücklich erteilten Aufträge tätig. Er ist nicht Organ, sondern Gehilfe der Vollstreckungsbehörde. Im Sinne der Rechtsmittelvorschriften sind seine Amtshandlungen stets Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde. Für etwaige Amtspflicht-Verletzungen haftet nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG die Anstellungsbehörde.

11.3.2
Die Unterstellung des Vollziehungsbeamten unter die Vollstreckungsbehörde, d.h. seine Weisungsgebundenheit, ist eine rein fachliche. Persönlich und disziplinarisch untersteht er der Anstellungsbehörde, die mit der Vollstreckungsbehörde nicht identisch sein muss.

11.3.3
Das Gesetz weist bestimmte Handlungen ausdrücklich der Vollstreckungsbehörde als solcher zu. Dazu zählen zum Beispiel: der Antrag auf richterliche Anordnung der Wohnungsdurchsuchung (§ 14 Abs. 4 Satz 2), die Zulassungsverfügung betreffend die Austauschpfändung (§ 27 VwVG NRW i.V.m. § 811 a ZPO), die Versteigerungsanordnung (vgl. § 30). Derartige Handlungen kann die Vollstreckungsbehörde nicht durch einen Vollziehungsbeamten ausführen lassen. Das Gesetz grenzt die Befugnisse des Vollziehungsbeamten klar ab gegenüber den entscheidenden und anordnenden Befugnissen der Vollstreckungsbehörde.
Zu den Befugnissen des Vollziehungsbeamten gehören insbesondere:
- Das Betreten und Durchsuchen der Wohnung des Vollstreckungsschuldners (§ 14 VwVG NRW),
- die Sachpfändung (§ 28 VwVG NRW),
- die Versteigerung (§ 30 VwVG NRW),
- die Wegnahme des Hypothekenbriefes (§ 41 VwVG NRW) und
- die Wegnahme von Wertpapieren (§ 42 VwVG NRW).
Das Gesetz fordert andererseits vielfach das Zusammenwirken beider. Darin liegt eine weitgehende Gewähr für die Vermeidung rechtswidriger Akte. Es ist daher unzulässig, dass etwa bei kleinen Gemeinden Aufgaben der Vollstreckungsbehörde und Befugnisse des Vollziehungsbeamten von demselben Bediensteten wahrgenommen werden.

11.4
Vollstreckung durch Gerichtsvollzieher
Die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Gerichtsvollziehern durch das Land und andere Gläubiger (§ 11 Abs. 3 VwVG NRW) ist in der Verwaltungsverordnung des Justizministeriums über die Inanspruchnahme von Gerichtsvollziehern nach dem VwVG für das Land NRW v. 29.4.1996 (SMBl. NRW. 2010) geregelt.
Die Gerichtsvollzieher sind bei Durchführung von derartigen Vollstreckungsaufträgen im Verwaltungszwangsverfahren zwar an sachliche Weisungen der auftraggebenden Vollstreckungsbehörde gebunden, wenden aber die zivilprozessualen Vollstreckungsvorschriften an. Der schriftliche, mit Dienstsiegel versehene Auftrag der Vollstreckungsbehörde tritt dabei an die Stelle des sonst erforderlichen „vollstreckbaren Titels“.

12
Auftrag und Ausweis des Vollziehungsbeamten (zu § 12)

12.1
Vollstreckungsauftrag

12.1.1
Der Vollstreckungsschuldner braucht eine Vollstreckungshandlung nur zu dulden, wenn und soweit sich der Vollziehungsbeamte durch einen Vollstreckungsauftrag ausweist. Der Auftrag ist von der Vollstreckungsbehörde unbeschadet ergänzender mündlicher Weisungen stets schriftlich zu erteilen. Keines schriftlichen Auftrages bedarf es, wenn der Vollziehungsbeamte nur Zustellungen bewirken oder andere Handlungen vornehmen will, die sich nicht als Vollstreckungsmaßnahme darstellen.

12.1.2
Zur rechtmäßigen Ausübung seines Amtes (§ 113 StGB) wird der Vollziehungsbeamte nur ermächtigt durch einen Auftrag seiner Vollstreckungsbehörde. Bei Ausführung eines Vollstreckungsersuchens ist der Auftrag daher nicht von der ersuchenden, sondern von der ersuchten Behörde zu erteilen.

12.1.3
Der Vollstreckungsauftrag soll enthalten:
1. die Bezeichnung des Vollstreckungsschuldners (Postanschrift), ggf. Angaben über Duldungsschuldner (keine Sammelaufträge gegen mehrere Vollstreckungsschuldner), bei juristischen Personen muss auch der gesetzliche Vertreter (z.B. Geschäftsführer) angegeben werden,
2. die Angabe der beizutreibenden Haupt- und Nebenforderungen (§ 6 Abs. 4 Buchstabe b VwVG NRW),
3. wenn nötig, die zu treffenden Vollstreckungsmaßnahmen (z.B. Wegnahme bestimmter Urkunden) und bei Zwangsvollstreckung gegen Duldungsschuldner auch die Bezeichnung der Vermögensmasse, in die vollstreckt werden soll,
4. die Ermächtigung des Vollziehungsbeamten, die geschuldeten Leistungen gegen Empfangsbescheinigung anzunehmen. Der Vollstreckungsauftrag muss die geschuldeten Leistungen der Höhe und dem Grunde nach unter Angabe des Gläubigers enthalten (vgl. § 13 VwVG NRW),
5. sofern zweckmäßig, die Aufforderung, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Vollstreckungsschuldners im wesentlichen Umfange zu ermitteln und aufzunehmen.

Hinweis zu vorstehender Nr. 5:
Es hat sich in der Regel als zweckdienlich erwiesen, wenn der Vollziehungsbeamte vor der Durchführung der eigentlichen Sachpfändung bzw. der Erstellung des Unpfändbarkeitsprotokolls die wesentlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners ermittelt. Diese umfassen zumindest den Familienstand, die Wohnverhältnisse (Mietwohnung, eigenes Haus, Miet- oder Untermieteinnahmen), die Einkommensverhältnisse (Arbeitseinkommen, Arbeitslosengeld/-hilfe, Rente, Kindergeld, Wohngeld, Sozialhilfe, Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit), sonstiges Vermögen (Bausparvertrag, Kontenguthaben, eigenes Fahrzeug (Brief), Lebensversicherung, Forderungen aus Verkauf, Werklohn, Dienstvertrag oder Einkommensteuererklärung), bereits abgegebene eidesstattliche Versicherungen (vor welchem AG, Zeitpunkt) und bestehende Unterhaltsverpflichtungen.

12.1.4
Der Vollstreckungsauftrag soll dem Vollziehungsbeamten nicht vor Ablauf der in § 6 Abs. 1 Nr. 3 VwVG NRW vorgesehenen Wochenfrist ausgehändigt werden.

12.1.5
Der Vollstreckungsauftrag ist dem Vollstreckungsschuldner oder der in seinem Haushalt angetroffenen Personen (§ 15 VwVG NRW) unaufgefordert vorzuzeigen.

12.2
Dienstausweis
Der Vollziehungsbeamte muss bei der Ausübung seiner Tätigkeit auf Verlangen jederzeit einen mit Lichtbild und Dienstsiegel versehenen Ausweis der Vollstreckungsbehörde vorzeigen, der ihn zur Vornahme von Vollstreckungshandlungen allgemein ermächtigt (Dienstausweis für Vollziehungsbeamte). Ein anderer „behördlicher Ausweis“, z.B. ein Personalausweis oder ein allgemeiner Dienstausweis für Behördenangehörige, genügt nicht.

13
Angabe des Schuldgrundes (zu § 13)

Damit der Vollstreckungsschuldner erkennen kann, welche Ansprüche der Zwangsvollstreckung zu Grunde liegen, muss im Vollstreckungsauftrag und in der Pfändungsverfügung die zu vollstreckende Forderung (Schuldgrund) genannt werden (vgl. auch Nr. 12.1.3 und Nr. 40.2.2 Buchstabe a).

14
Befugnisse der Vollziehungsbeamten (zu § 14)

14.1
Der Vollziehungsbeamte ist befugt, die Wohnung und die Behältnisse des Vollstreckungsschuldners zu durchsuchen, wenn dieser oder in seiner Abwesenheit ein erwachsener Hausgenosse der Durchsuchung nicht widerspricht; dies ist im Protokoll zu vermerken.
Zur Wohnung gehören alle Räumlichkeiten, die den häuslichen oder beruflichen Zwecken ihres Inhabers dienen, insbesondere die eigentliche Wohnung, ferner Arbeits-, Betriebs- und andere Geschäftsräume, dazugehörige Nebenräume sowie das angrenzende befriedete Besitztum (Hofraum, Hausgarten). Widerspricht eine der in Satz 1 genannten Personen der Durchsuchung der Wohnung bedarf es - außer bei Gefahr im Verzug - gemäß Artikel 13 Abs. 2 GG einer richterlichen Anordnung.
Gestattet der Angetroffene die Durchsuchung nicht, so ist er vom Vollziehungsbeamten nach den Gründen zu befragen, die er gegen eine Durchsuchung geltend machen will. Seine Erklärungen sind ihrem wesentlichen Inhalt nach im Protokoll festzuhalten. Der Vollziehungsbeamte belehrt den Vollstreckungsschuldner zugleich, dass dieser aufgrund der Durchsuchungsverweigerung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 1 Nr. 3 AO verpflichtet ist, sobald ein entsprechender Auftrag vorliegt. Die Belehrung vermerkt er im Protokoll.

14.1.1
Durchsuchungsanordnungen können nicht im V
oraus beantragt werden, sondern erst dann, wenn der Vollstreckungsschuldner seine Einwilligung zur Durchsuchung verweigert hat, die Durchsuchung also gegen seinen Willen stattfinden muss oder der Vollstreckungsschuldner wiederholt in seiner Wohnung trotz Ankündigung nicht angetroffen wird.

14.1.2
Zuständig für die Anordnung der Durchsuchung ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Durchsuchung stattfinden soll (§ 14 Abs. 4 VwVG NRW). Das Stellen des Antrages auf Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung gehört zum Aufgabenbereich der Vollstreckungsbehörde. Der Antrag soll auf die Anordnung der Durchsuchung zum Zwecke der Pfändung und zum Zwecke der Abholung evtl. gepfändeter Sachen gerichtet sein. Dem Antrag soll eine Erklärung darüber beigefügt werden, dass die beizutreibende Forderung vollstreckbar ist und dass die Durchsuchung geboten erscheint, z.B. weil die Möglichkeit besteht, dass sich in den zu durchsuchenden Räumen der Vollstreckung unterliegende Vermögensgegenstände befinden und die Durchsuchung zu einer Befriedigung des Gläubigers zumindest beiträgt.

14.1.3
Die richterliche Anordnung einer Durchsuchung entfaltet auch Wirkung gegenüber einem Gewahrsamsinhaber der Wohnung, der seine Einwilligung in die Durchsuchung verweigert hat.
Ist dieser mit dem Betreten der Wohnung und ihrer Begehung durch den Vollziehungsbeamten zum Zwecke der Vornahme von Vollstreckungsmaßnahmen einverstanden, liegt keine Durchsuchung vor, für die eine richterliche Anordnung notwendig ist.

14.1.4
Hat der Vollziehungsbeamte mit Einwilligung des Vollstreckungsschuldners die Wohnung betreten, so hat der Vollziehungsbeamte zunächst durch Befragen festzustellen, ob der Vollstreckungsschuldner mit einer weiteren Durchsuchung der Wohnung zum Zwecke der Vornahme von Vollstreckungsmaßnahmen einverstanden ist.
Die Einwilligung muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann auch durch das stillschweigende Verhalten des Vollstreckungsschuldners erfolgen. Die stillschweigende Einwilligung liegt zum Beispiel dann vor, wenn der Vollstreckungsschuldner als Inhaber der Wohnung die Räume dem Vollziehungsbeamten zur Durchsuchung zugänglich macht.
Erteilt der Vollstreckungsschuldner keine Einwilligung zur Durchsuchung der Wohnung oder widerruft er die erteilte Einwilligung, so ist die Vollstreckungshandlung abzubrechen. Auch dem Vollziehungsbeamten sichtbar gewordene, weitere zur Pfändung geeignete Gegenstände dürfen in diesem Fall nicht (mehr) gepfändet werden.

14.1.5
Keiner Einwilligung bedarf es bei „Gefahr für den Erfolg der Durchsuchung“.
Der Begriff ist eng auszulegen. Die richterliche Anordnung einer Durchsuchung muss die Regel, die nichtrichterliche die Ausnahme darstellen. Die Annahme einer Gefahr für den Durchsuchungserfolg muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind. Reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf Alltagserfahrung gestützte, vom Einzelfall unabhängige Vermutungen reichen nicht aus. Eine Gefahr ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte damit zu rechnen ist, dass zur Pfändung geeignete Gegenstände kurzfristig beiseite geschafft werden und die vorherige Einholung einer richterlichen Durchsuchungsanordnung dem Vorschub leisten würde. Derartige Anhaltspunkte können sich aus Bemerkungen des Vollstreckungsschuldners oder zu seiner Wohngemeinschaft gehörenden Personen, aus der Beobachtung von Nachbarn oder aus der Feststellung bereits vom Vollstreckungsschuldner eingeleiteter Maßnahmen zur Entfernung von Pfandgut (Umzug) ergeben. Ist die Annahme von Gefahr im Verzug aufgrund derartiger Indizien gerechtfertigt, so ist die Vollstreckungsmaßnahme fortzusetzen. Einer richterlichen Durchsuchungsanordnung bedarf es dann nicht.

14.1.6
In § 14 Abs. 2 VwVG NRW wird die bei so genanntem Drittgewahrsam an der Wohnung auftretende Problematik durch eine grundsätzliche Duldungspflicht der Mitbewohner geregelt, sofern der Vollstreckungsschuldner in die Wohnungsdurchsuchung eingewilligt hat oder eine richterliche Durchsuchungsanordnung ergangen ist. Unbillige Härten gegenüber Mitbewohnern, wie z.B. Zwangsvollstreckung trotz schwerer, akuter Erkrankung eines Mitbewohners, können für den Vollziehungsbeamten erst an Ort und Stelle erkennbar werden. Unbillige Härten sind zu vermeiden (Abs. 2 Satz 2). Härten für Mitbewohner, die bei Erlass der richterlichen Durchsuchungsanordnung gewürdigt und nicht als hinderlich angesehen wurden, können vom Vollziehungsbeamten oder Gerichtsvollzieher jedoch nicht erneut berücksichtigt werden.

14.2
Umfang der Befugnis
§ 14 VwVG NRW gibt auf Grund richterlicher Durchsuchungsanordnung und bei Gefahr im Verzug das Recht, die Wohnung und Behältnisse des Vollstreckungsschuldners zu durchsuchen und notfalls Türen und Behältnisse öffnen zu
lassen (Nr. 14.3). Bestreitet der Vollstreckungsschuldner oder ein Familienangehöriger dieses Recht, oder leistet jemand darüber hinaus noch in anderer Weise Widerstand (Nr. 14.4), dann stellen sich die oben genannten Maßnahmen ebenso wie jede Gewaltanwendung zur Brechung des Widerstandes rechtlich als tatsächliche Ausübung unmittelbaren Zwanges dar. § 14 VwVG NRW bildet i. V. m. mit § 66 Abs. 1 Nr. 1, § 68 Abs. 1 Nr. 1 VwVG NRW hierfür die notwendige und ausreichende Rechtsgrundlage. Hinzu kommt das in § 15 VwVG NRW geregelte „weitere Erfordernis“ der Zuziehung von Zeugen (vgl. Nr. 14.3.2 und Nr. 15.1). Der Vollziehungsbeamte darf von seinen Zwangsbefugnissen erst Gebrauch machen, wenn er diese Maßnahmen dem Vollstreckungsschuldner oder einer sonst anwesenden „Ersatzperson“ (Nr. 15.1) angedroht hat. Das ergibt sich aus § 69 VwVG NRW.
Der Vollziehungsbeamte darf im Übrigen nie weiter gehen, als „dies der Zweck der Vollstreckung fordert“. Er hat also nicht nur auf die Belange des Gläubigers, sondern auch auf diejenigen des Vollstreckungsschuldners angemessen Rücksicht zu nehmen und insbesondere § 58 Abs. 2 und 3 VwVG NRW zu beachten.
Überschreitet er insoweit seine Befugnisse, so handelt er nicht mehr „in rechtmäßiger Ausübung seines Amtes“. Ein etwaiger Widerstand des Vollstreckungsschuldners gegen sein unangemessenes Vorgehen wäre dann nicht nach § 113 StGB strafbar.

14.3
Wohnung und Behältnisse

14.3.1
Der Begriff der „Wohnung“ in Artikel 13 GG ist weit auszulegen (vgl. Nr. 14.1).
Räume, die einem Untermieter überlassen sind, gehören dagegen regelmäßig nicht zur Wohnung des Vollstreckungsschuldners (vgl. § 28 Abs. 4 VwVG NRW).

14.3.2
Behältnisse sind alle fest eingebauten Gelasse oder losen Gegenstände, die der Aufbewahrung von Sachen dienen (Schränke, Truhen, Kisten, Kasten, Schubladen, Dosen, Fässer, Kannen usw.), aber auch Kleidungsstücke mit Taschen, die der Vollstreckungsschuldner am Leibe trägt. Zur Durchsuchung der Kleidung weiblicher Personen soll eine weibliche Hilfsperson zugezogen werden.

14.3.3
Verschlossene Türen und feste Behältnisse darf der Vollziehungsbeamte nicht rücksichtslos aufbrechen. Er soll sie vielmehr ordnungsgemäß, etwa durch einen sachkundigen Handwerker, öffnen lassen, wenn er nicht Gefahr laufen will, eine Schadenshaftung seiner Behörde gegenüber dem Vollsteckungsschuldner zu begründen.

14.4
Widerstand

14.4.1
Widerstand ist jedes Verhalten des Vollstreckungsschuldners oder eines anwesenden Dritten, durch das die Vollstreckungshandlung verhindert oder erschwert wird. Auch die ernstzunehmende mündliche Bedrohung des Vollziehungsbeamten kann bereits Widerstand sein.

14.4.2
Die Befugnis, Widerstand mit allen geeigneten Mitteln, mit Ausnahme der Anwendung von Waffen, gewaltsam zu brechen, steht dem Vollziehungsbeamten nicht nur gegenüber dem Vollstreckungsschuldner, sondern gegenüber jedem Beteiligten oder Unbeteiligten zu, der seine rechtmäßigen Vollstreckungshandlungen zu hindern versucht. Er darf aber auch dann, wenn er mit dem Widerstand allein fertig werden könnte, nur in Gegenwart der in § 15 VwVG NRW ausdrücklich vorgesehenen Zeugen Gewalt anwenden. Er muss deshalb bei Widerstand seine Vollstreckungshandlung unterbrechen, bis die Zeugen anwesend sind. Ist etwa nach früheren Erfahrungen bei diesem Vollstreckungsschuldner schon mit Widerstand zu rechnen, so sollte der Vollziehungsbeamte geeignete Zeugen, am besten einen Polizeibeamten, vorsorglich mitbringen. Zugezogene Zeugen machen sich auch bei Widerspruch des Wohnungsberechtigten keines Hausfriedensbruches schuldig.
Der Vollziehungsbeamte soll in Gegenwart der Zeugen ausdrücklich auch auf die strafrechtlichen Folgen weiteren Widerstandes hinweisen, ehe er die angedrohte Gewalt anwendet.

14.5
Vollzugshilfe der Polizei

14.5.1
Der Vollziehungsbeamte kann auch zu seiner Unterstützung polizeiliche Hilfe erbitten. Ob er diese unmittelbar erbittet oder erst die auftraggebende Vollstreckungsbehörde einschaltet, wird von den Umständen des Einzelfalles abhängen. Im Übrigen soll der Unterschied im Wortlaut zu § 287 AO (Polizeibeamte) und zu § 758 ZPO (polizeiliche Vollzugsorgane) nicht besagen, dass sich der Vollziehungsbeamte im Verwaltungszwangsverfahren nur an die Polizeibehörde als solche und nicht auch an den nächsten erreichbaren Polizeibeamten wenden kann.

14.5.2
Weder die Polizeibehörde noch der ersuchte Polizeibeamte haben die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung, zu der die polizeiliche Hilfe erbeten wird, nachzuprüfen. Die Polizei hat jedoch die Vordringlichkeit der beantragten Hilfeleistung gegenüber anderen ihr obliegenden Dienstgeschäften in eigener Verantwortung zu beurteilen.

14.6
Vollstreckung gegen Soldaten

14.6.1
Grundsätzlich werden sowohl die zivilprozessuale Zwangsvollstreckung als auch das Verwaltungszwangsverfahren gegen Soldaten nach den allgemeinen Vorschriften durchgeführt. Das gilt uneingeschränkt für Vollstreckungsmaßnahmen gegen Soldaten, die sich nicht im Dienst befinden, sondern außerhalb militärischer Unterkünfte.
Soll jedoch gegen einen Soldaten im Dienst oder innerhalb einer Truppenunterkunft (Kaserne, Truppenübungsplatz, mil. Dienststelle, Schiff u. ä.) vollstreckt werden, muss der Vollziehungsbeamte in geeigneter Weise auf die dienstlichen Belange der Bundeswehr Rücksicht nehmen. Es sind daher die Grundsätze zu beachten, die der Bundesminister für Verteidigung in seinem Erlass über Zustellungen, Ladungen, Vorführungen und Zwangsvollstreckungen in der Bundeswehr v. 23.7.1998 (VMBl. S. 246) getroffen hat, um
von Seiten der Bundeswehr den Vollziehungsbeamten ihre Aufgaben zu erleichtern.

15
Zuziehung von Zeugen (zu § 15)

15.1
Eine Vollstreckung in Abwesenheit des Vollstreckungsschuldners soll möglichst vermieden werden. Zeugen sind daher außer im Falle des Widerstandes (vgl. Nr. 14.4.2) auch dann zuzuziehen, wenn eine Vollstreckungshandlung in Abwesenheit des Vollstreckungsschuldners und der angegebenen Ersatzperson durchgeführt werden soll. Der Kreis dieser Personen ist möglichst weit zu fassen. Es gehören dazu alle mit dem Vollstreckungsschuldner in wirtschaftlicher Lebensgemeinschaft stehenden Personen. Andererseits genügt nicht etwa schon die Anwesenheit eines Jugendlichen, der die Tragweite der beabsichtigten Vollstreckungshandlung noch nicht erfassen kann, um die gesetzlich vorgeschriebene Heranziehung von Zeugen entbehrlich zu machen.

15.2
Wegen einer etwaigen Entschädigung der Zeugen ist entsprechend Nr. 27.2.4 zu verfahren.

16
Vollstreckung zur Nachtzeit und an Feiertagen (zu § 16)

Da bereits eine Zustellung zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen nach Verwaltungszustellungsgesetz  der schriftlichen Erlaubnis des Behördenvorstandes bedarf, soll erst recht der Vollziehungsbeamte eine Vollstreckungshandlung in dieser Zeit nur mit Erlaubnis des Leiters der Vollstreckungsbehörde vornehmen.
Die Vollstreckung an Sonn- und Feiertagen wird, abgesehen von Fällen drohender Vermögensverschiebung, wohl nur in Frage kommen bei solchen Vollstreckungsschuldnern, die an diesen Tagen ihr Geschäft offen halten oder sonst ihrer Arbeit nachgehen und deshalb über Tageseinnahmen verfügen. Die Feiertage ergeben sich aus § 2 Feiertagsgesetz NRW (SGV. NRW. 113).

17
Niederschrift (zu § 17)

17.1
Jede Niederschrift, die den Erfordernissen des § 17 VwVG NRW entspricht, hat die Eigenschaft einer öffentlichen Urkunde i. S. d. § 348 StGB und des § 415 ZPO.

17.2
Mehrere inhaltlich gleichartige Vollstreckungsaufträge, die sich gegen denselben Vollstreckungsschuldner richten, können bei gleichzeitiger Ausführung ebenso wie mehrere zusammenhängende Vollstreckungshandlungen in einer gemeinsamen Niederschrift erfasst werden. Im Übrigen ist über jede Vollstreckungshandlung eine besondere Niederschrift anzufertigen.

17.2.1
Vollstreckungshandlungen sind insbesondere:
1. Die Annahme von Zahlungen und anderen Leistungen (jedoch keine Niederschrift im Falle der Nr. 17.2.2),
2. die Durchsuchung von Räumen und Behältnissen (§ 14 VwVG NRW),
3. die Pfändung (§§ 21, 28 ff. VwVG NRW) und Anschlusspfändung (§ 38 VwVG NRW),
4. die - auch nachträgliche - Wegschaffung gepfändeter Sachen aus dem Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners, z.B. bei Gefahr der Pfandverschleppung,
5. die Wegnahme und die Entgegennahme herauszugebender Sachen, besonders Urkunden,
6. die Niederlegung einer Zahlungsaufforderung bei Abwesenheit des Vollstreckungsschuldners,
7. die Versteigerung und die freihändige Veräußerung von Pfandsachen.

Die Aufhebung der Pfändung und die Rückgabe von Pfandstücken gegen Quittung kann auf dem Pfändungsprotokoll bescheinigt werden. Im Falle der vorstehenden Nr. 5 und bei Annahme von Teilzahlungen ohne gleichzeitige Pfändung genügt ein Vermerk auf dem Vollstreckungsauftrag.

17.2.2
Zahlt der Vollstreckungsschuldner auf bloße Aufforderung des Vollziehungsbeamten an diesen ohne Vorbehalt oder Bedingung den geschuldeten Betrag, so genügt anstelle der Niederschrift eine für die Vollstreckungsbehörde bestimmte Ausfertigung der Quittung.

17.3
Die Niederschrift soll in unmittelbarem Anschluss an die Vollstreckungshandlung an Ort und Stelle angefertigt werden. Ihr Inhalt richtet sich nach § 17 Abs. 2 VwVG NRW. Darüber hinaus sind ggf. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Gefahr im Verzuge in der Niederschrift festzuhalten. Im Übrigen bestimmt sich der Inhalt der Niederschrift
im Einzelnen, insbesondere zu § 17 Abs. 2 Nr. 2 VwVG NRW, nach den Besonderheiten des Anlasses. Sie muss jedenfalls so vollständig sein, dass die Vollstreckungsbehörde stets in der Lage ist, die ordnungsgemäße Durchführung des Vollstreckungsverfahrens zu beurteilen und notfalls gegen spätere Einwendungen zu beweisen. Die Nutzung einheitlicher Vordrucke für die verschiedenen Zwecke bleibt den Vollstreckungsbehörden überlassen; in diesem Falle ist aber das sorgfältige und vollständige Ausfüllen aller Vordruckteile besonders wichtig.

18
Mitteilungen des Vollziehungsbeamten (zu § 18)

18.1
Zu den mündlich zu erlassenden Aufforderungen gehören u. a. die Aufforderungen zur freiwilligen Leistung und zur Öffnung der Behältnisse (§ 14 Abs. 2 VwVG NRW).

18.2
Können diese Aufforderungen und andere Mitteilungen nicht mündlich ergehen, so hat der Vollziehungsbeamte das in der Niederschrift zu vermerken und eine Abschrift formlos dem zu übersenden, dem die Mitteilung mündlich hätte gemacht werden müssen. Der Zustellung bedarf es nicht.

19
Mahnung (zu § 19)

19.1
Wesen und Inhalt der Mahnung

19.1.1
Mit der Mahnung wird der Vollstreckungsschuldner aufgefordert, einen bestimmten, durch Leistungsbescheid bereits angeforderten fälligen Geldbetrag einschließlich der Kosten der Mahnung bis zum Ablauf der Mahnfrist (regelmäßig 1 Woche) zur Vermeidung des Verwaltungszwangsverfahrens an die angegebene Kasse zu zahlen. Gemäß § 6 Abs. 3 VwVG NRW kann die Mahnung schon am ersten Tag der Schonfrist ausgesprochen werden (vgl. Nr. 6.1.4).

19.1.2
Die Mahnung ist nicht Vollstreckungshandlung, auch nicht notwendige Voraussetzung der Vollstreckung im Sinne des § 6 Abs. 1 VwVG NRW. Sie soll jedoch gemäß §§ 6 Abs. 3 und 19 VwVG NRW der Vollstreckung regelmäßig vorausgehen, wenn keine Hinderungsgründe (Nr. 19.1.3) entgegenstehen. Zu mahnen ist stets derjenige, der als Vollstreckungsschuldner in Anspruch genommen werden soll und von dem ein Tätigwerden durch Leistung erwartet werden kann. Das kann außer dem Selbstschuldner ein Haftungsschuldner, der nach § 4 Abs. 2 VwVG NRW die Pflichten eines Vollstreckungsschuldners hat, oder auch ein Duldungsschuldner sein, der die Leistung selbst aus fremden Mitteln zu bewirken hat.

19.1.3
Die Mahnung darf über die in § 6 Abs. 4 VwVG NRW vorgesehenen Fälle hinaus unterbleiben,
a) wenn zu befürchten ist, dass der Erfolg der Zwangsvollstreckung durch die mit der Mahnung verbundene Verzögerung oder durch die damit beabsichtigte Warnung des Vollstreckungsschuldners in Frage gestellt wird,
b) wenn die Mahnung infolge eines in der Person des Vollstreckungsschuldners liegenden Hindernisses nicht ausgeführt werden kann, z.B. weil der Vollstreckungsschuldner verzogen und seine neue Anschrift nicht bekannt ist,
c) wenn die Mahnung infolge offenkundiger Mittellosigkeit des Vollstreckungsschuldners zwecklos erscheint,
d) wenn die Kosten der Mahnung außer Verhältnis zu dem geschuldeten Betrag stehen,
e) wenn Geldbußen oder Ordnungsstrafen beigetrieben werden sollen,
f) im Falle der Dauerpfändung gemäß § 43 Abs. 3 VwVG NRW,
g) wenn gemäß § 19 Satz 3 VwVG NRW an die Zahlung erinnert wurde.

19.2
Zuständigkeit und Voraussetzungen für die Mahnung

19.2.1
Die Mahnung ist Sache derjenigen Stelle, die für die Einziehung des Betrages zuständig ist.

19.2.2
Die Vollstreckungsbehörde hat von sich aus zu mahnen, wenn sie vor Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen feststellt, dass der Vollstreckungsschuldner bisher von der zuständigen Stelle noch nicht gemahnt worden ist.

19.3
Formen der Mahnung
Die Mahnung erfolgt in der Regel schriftlich. Neben den inhaltlichen Anforderungen (vgl. Nr. 19.3.1) sind keine Formerfordernisse zu beachten. Eine Unterschrift ist nicht Voraussetzung für die Rechtsgültigkeit – vgl. insoweit § 37 VwVfG NRW. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die schriftliche Mahnung ersetzt werden durch die öffentliche Erinnerung an fällige Zahlungen (Nr. 19.3.3).

19.3.1
Die Mahnung soll die zu bewirkenden Geldleistungen bezeichnen und dem Empfänger für den Fall der Nichtzahlung binnen einer Woche die Beitreibung im Zwangsverfahren durch die Vollstreckungsbehörde androhen.

19.3.2
Die Mahnung wird in der Regel ohne förmliche Zustellung als einfacher Brief an die Anschrift des Vollstreckungsschuldners verschickt. Der Zeitpunkt der Absendung ist bei den Vorgängen der mahnenden Stelle zu vermerken.

19.3.3
Das Innenministerium als oberste Aufsichtsbehörde lässt mit dieser Verwaltungsvorschrift zu, dass an die Zahlung aller von den Gemeinden einzuziehenden Abgaben (einschließlich Nebenleistungen), die periodisch zu leisten sind, statt der Mahnung allgemein öffentlich erinnert wird, wenn und soweit die Pflichtigen rechtzeitig durch einen persönlichen Leistungsbescheid unter Hinweis auf die Fälligkeitstermine und die fälligen Beträge zur Zahlung aufgefordert worden sind.
Die öffentliche Erinnerung gilt nicht als Mahnung gegenüber Vollstreckungsschuldnern, die außerhalb des Bezirks der erinnernden Behörde wohnen. Das gilt sowohl für Selbstschuldner wie für Haftungs- und Duldungsschuldner.

19.4
Die Mahnung gilt als bewirkt
a) im Falle der Nr. 19.3.2 am dritten Tage nach dem Tag der Aufgabe zur Post. (vgl. § 41 Abs. 2 VwVfG NRW) Es gilt § 31 Abs. 3 VwVfG NRW, § 193 BGB kommt für diese Fristberechnung nicht in Betracht,
b) im Falle der Nr. 19.3.3 mit Ablauf des Tages, an dem die Erinnerung in dem für amtliche Veröffentlichungen des Gläubigers bzw. der Vollstreckungsbehörde bestimmten Publikationsorgan oder in sonst ortsüblicher Weise bekannt gemacht worden ist.

Dies gilt auch dann, wenn im Falle des Buchstaben a der Mahnbrief als unzustellbar zurückkommt.

19.5
Zahlungserinnerung vor Fälligkeit
Durch die Ergänzung des § 19 VwVG NRW kann die Vollstreckungsbehörde entweder nach Ablauf der Zahlungsfrist eine Mahnung oder schon vor Ablauf der Zahlungsfrist eine Zahlungserinnerung versenden. Versendet die Vollstreckungsbehörde eine Zahlungserinnerung, so entfällt zwar die Mahngebühr, der Vollstreckungsschuldner wird jedoch frühzeitig an die Zahlung erinnert.

20
Kosten (zu § 20)

20.1
Die Kosten, die der Vollstreckungsbehörde zustehen und grundsätzlich vom Vollstreckungsschuldner zu tragen sind, gliedern sich in Gebühren für die Mahnung und für einzelne Vollstreckungshandlungen sowie in Schreibgebühren und in erstattungspflichtige Auslagen. Ihre Höhe und ihre Voraussetzungen ergeben sich aus der KostO NRW (SGV. NRW. 2010).

20.2
Soweit nicht andere Bestimmungen maßgebend sind, werden nach § 13 Abs. 2 KostO NRW aus den vom Vollstreckungsschuldner beigetriebenen Beträgen vor dem Hauptanspruch zunächst die in Ansatz gebrachten Gebühren und sodann die übrigen Kosten der Zwangsvollstreckung (etwaige Geldstrafen, Ordnungsstrafen, Geldbußen oder Zwangsgelder, Verspätungszuschläge, Zinsen oder Säumniszuschläge) entnommen. Im Falle der Amtshilfe (§§ 4 bis 8 VwVfG NRW) werden zunächst die Kosten der ersuchten Behörde gedeckt (§ 13 Abs. 4 KostO NRW). Für die Reihenfolge der Tilgung bei Abgaben nach dem KAG und der in § 2 Abs. 3 KAG erwähnten Abgaben gilt § 225 AO 1977 i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 5 a KAG. 

20.3
§ 20 Abs. 2 VwVG NRW zieht die rechtlichen Folgerungen aus der bereits in Nr. 2.2.2.4 erörterten Tatsache, dass Vollstreckungsbehörden, die nicht auf Ersuchen einer anderen Vollstreckungsbehörde, sondern kraft Rechtsvorschrift in Erfüllung eigener Aufgaben für „ihren“ Gläubiger tätig werden, regelmäßig keine Amtshilfe leisten. Kammern, Innungen, landwirtschaftliche Sozialversicherungen, unter gewissen Voraussetzungen auch sonstige Sozialversicherungsträger usw., müssen im Falle der Uneinbringlichkeit der Kosten, unbeschadet des ohnehin nach näherer Bestimmung der Bezirksregierungen zu zahlenden Unkostenbetrages (vgl. Nr. 2.2.3), an ihre Vollstreckungsbehörde nicht nur die baren Auslagen, sondern auch die fälligen Gebühren anstelle des Vollstreckungsschuldners entrichten (vgl. dazu auch § 13 Abs. 4 KostO NRW).

20.4
Kostenpflicht bei Amtshilfe
Die Kostenregelung des § 20 Abs. 2 VwVG NRW gilt nicht für das Verhältnis zwischen ersuchender und ersuchter Vollstreckungsbehörde im Falle der Amtshilfe. Sie gilt ferner nicht in den Fällen, in denen ausnahmsweise eine Vollstreckungsbehörde auch für einen Gläubiger ohne eigene Vollstreckungsstelle nicht in Erfüllung einer ihr durch Gesetz oder Rechtsverordnung zugewiesenen Aufgabe, sondern im Rahmen eines echten Amtshilfeersuchens tätig wird. Die Kostenregelung in Absatz 2 gilt, wie sich aus dem Sinnzusammenhang ergibt, jedoch dann, wenn eine Vollstreckungsbehörde berechtigt wäre, einen Gerichtsvollzieher in Anspruch zu nehmen (Nr. 11.4), aus besonderen Gründen es aber vorzieht, sich der Amtshilfe einer anderen Vollstreckungsbehörde zu bedienen.

20.5
Kostenpflicht bei länderübergreifender Vollstreckungshilfe
§ 20 Abs. 3 VwVG NRW sieht eine besondere Kostenregelung im Falle der Amtshilfe für eine Vollstreckungsbehörde mit Sitz in einem anderen Bundesland vor. Die Kostenpflicht entsteht, wenn in dem betreffenden Bundesland eine für nordrhein-westfälische Vollstreckungsbehörden nachteilige Kostenregelung gilt (zum Beispiel in Bayern) und die Kosten im Einzelfall 25 Euro übersteigen. Die nordrhein-westfälische Regelung trägt dem Gebot der Gegenseitigkeit Rechnung. Die meisten Bundesländer verfahren jedoch nach § 8 VwVfG und fordern demnach keine volle Kostenerstattung, so dass Absatz 3 keine Anwendung findet.

Zweiter Unterabschnitt:
Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen

1.
Allgemeine Vorschriften

21
Pfändung (zu § 21)

21.1
Die Vollstreckungsbehörde hat im Rahmen ihres Ermessens zu prüfen, ob und in welchem Umfange zur Befriedigung des Gläubigers die Beschlagnahmung unbeweglichen Vermögens (§ 51 VwVG NRW) geboten oder die Zwangsvollstreckung in bewegliches Vermögen, also die Pfändung von Sachen (§§ 27 – 39 VwVG NRW), Forderungen (§§ 40 – 49 VwVG NRW) und anderen Vermögensrechten (§ 50 VwVG NRW) angemessen und erfolgversprechend ist. Zulässig ist es auch, wegen einer Forderung mehrere Pfändungsmaßnahmen zu ergreifen und daneben noch die Zwangsvollstreckung in Liegenschaften zu betreiben, wenn die Höhe der beizutreibenden Forderung das rechtfertigt.

21.2
Wenn die Vollstreckungsbehörde oder der Vollziehungsbeamte die Wahl zwischen mehreren Pfändungsmaßnahmen hat, ist regelmäßig diejenige Art der Pfändung zu wählen, die voraussichtlich am sichersten und leichtesten zur Deckung der beizutreibenden Forderung führen wird (Geeignetheit der Maßnahme). Sind mehrere Maßnahmen in gleicher Weise geeignet, ist diejenige auszuwählen, die für den Vollstreckungsschuldner offensichtlich die geringere Belastung darstellt. Auf etwaige Wünsche des Vollstreckungsschuldners ist dabei Rücksicht zu nehmen. Daraus ergeben sich folgende Grundsätze:

21.2.1
In erster Linie sind bares Geld, Wertpapiere und Kostbarkeiten zu pfänden. Die Pfändung von Vieh und von Früchten auf dem Halm kommt regelmäßig erst an letzter Stelle in Frage. § 29 VwVG NRW ist zu beachten.

21.2.2
Nicht zu pfänden sind solche Sachen,
a) deren Pfändbarkeit insbesondere auf Grund von Einwendungen des Vollstreckungsschuldners zweifelhaft erscheint, oder
b) hinsichtlich derer ein Dritter persönlich oder nach Angabe des Vollstreckungsschuldners irgendwelche Ansprüche erhebt, die im Falle ihrer Begründung der Verwendung des Erlöses zugunsten des Gläubigers entgegenstehen würden, oder
c) die offensichtlich bereits von anderen Vollziehungsbeamten oder Gerichtsvollziehern gepfändet worden sind,

wenn die Pfändung anderer Sachen möglich ist und hinreichend Sicherung gewährt. Sind andere pfändbare Sachen oder Vermögensrechte jedoch nicht vorhanden, so kann der Vollziehungsbeamte nach Ermessen die genannten Sachen dennoch pfänden, im Falle des Buchstaben c durch Anschlusspfändung (§§ 38, 39 VwVG NRW). Die Vollstreckungsbehörde hat dann jedoch auf Grund des über die näheren Umstände in das Pfändungsprotokoll aufzunehmenden Vermerkes alsbald im Falle des Buchstaben a über die Pfändbarkeit der Sachen eine Entscheidung zu treffen und diese dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen, gegebenenfalls die unzulässigen Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben. Im Falle des Buchstaben b hat sie im Benehmen mit dem Gläubiger zu prüfen, ob die gepfändeten Sachen freizugeben sind. Bis zu dieser Entscheidung ist von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich der gepfändeten Sachen abzusehen, sofern die angemeldeten Ansprüche glaubhaft erscheinen (vgl. Nr. 8.3).

21.2.3
Unzulässig ist die Pfändung solcher Gegenstände, die Zubehör eines Grundstücks sind und dem Grundstückseigentümer gehören, da sie nach § 865 ZPO i. V. m. § 1120 BGB der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen. Zum Zubehör gehören alle beweglichen Sachen, die, ohne Bestandteile des Grundstücks zu sein, seinem wirtschaftlichen Zweck zu dienen bestimmt, wenn auch nicht dafür notwendig sind und zu ihm noch in einem entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen (§§ 97, 98 BGB
; vgl. Nr. 27.1.2.1). Andere Gegenstände, auf die sich nach den §§ 1120 - 1122 BGB die auf dem Grundstück lastenden Hypotheken erstrecken, können nur gepfändet werden, solange sie nicht durch Zwangsvollstreckung in das Grundstück beschlagnahmt worden sind.
Schließlich sind die Pfändungsverbote der §§ 811 bis 813 b ZPO zu beachten (vgl. § 27 VwVG NRW).

21.3
§ 21 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW enthält das Verbot der Überpfändung (Nr.
21.3.1), Satz 3 das Verbot der zwecklosen Pfändung (Nr. 21.3.2). Die Verletzung dieser Ordnungsvorschriften hat zwar nicht die Unwirksamkeit der Pfändung zur Folge, kann u. U. aber als Amtspflichtverletzung einen Schadensersatzanspruch gegen die Vollstreckungsbehörde aus § 839 BGB begründen.

21.3.1
Zur Vermeidung der Überpfändung hat der Vollziehungsbeamte den Betrag, der bei der Versteigerung einer Sache voraussichtlich erzielt werden wird, zu schätzen (Schätzungswert). Wenn mehrere Personen als Gesamtschuldner für den beizutreibenden Anspruch haften, darf bei jedem Vollstreckungsschuldner für den ganzen Anspruch gepfändet werden, da jeder für die ganze Schuld haftet, soweit sie nicht von einem der Mithaftenden beglichen wird. Ist nur ein pfändbarer Gegenstand vorhanden, dessen Wert den zu vollstreckenden Anspruch erheblich übersteigt (z.B. ein Flügel, eine wertvolle Geige, ein Kunstgegenstand), so darf er dennoch gepfändet werden.

21.3.2
Das Verbot der zwecklosen Pfändung soll nicht nur den Vollsteckungsschuldner vor Schaden, sondern auch den Gläubiger vor unnötigen Kosten schützen (vgl. § 20 Abs. 2 VwVG NRW). Sachen, deren Pfändung an sich zulässig ist, sind dann nicht zu pfänden, wenn zu erwarten ist, dass ihre Versteigerung oder ihr freihändiger Verkauf einen Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht erbringen wird. Sachen, die zum gewöhnlichen Hausrat gehören und im Haushalt des Vollstreckungsschuldners gebraucht werden, sollen, auch wenn sie an sich der Pfändung unterliegen, dann nicht gepfändet werden, wenn ihre Verwertung sich praktisch als eine Verschleuderung darstellen würde (§ 27 VwVG NRW i. V. m. § 812 ZPO; Nr.
27.1.1).
Ergibt sich erst nach der Pfändung, dass von der Verwertung der Pfandstücke ein Überschuss über die Kosten nicht zu erwarten ist, so soll die Verwertung unterbleiben.

21.3.3
Vereinbarung von Teilzahlungen durch den Vollziehungsbeamten
§ 21 Abs. 2 VwVG NRW zielt auf die gütliche und zügige Erledigung des Verfahrens ab. Er normiert keine neue Verpflichtung des Vollziehungsbeamten, sondern stellt eine Ermächtigung zu geeigneten Maßnahmen, insbesondere zur Aufforderung des Vollstreckungsschuldners zu freiwilliger Leistung mit Hinweis auf nachteilige Folgen des zwangsweisen Handelns dar. Der Vollziehungsbeamte handelt dabei nach eigenem Ermessen. Zügige Erledigung bedeutet, dass die gebotenen Möglichkeiten im Rahmen des Vollstreckungsversuchs ausgeschöpft werden sollen. Absatz 2 eröffnet dem Vollziehungsbeamten die Möglichkeit, Teilbeträge einzuziehen, falls er pfändbare Gegenstände nicht vorfindet und der Vollstreckungsschuldner glaubhaft versichert, die Schuld kurzfristig in Teilbeträgen zu tilgen. Insbesondere in den Fällen, in denen die Vollstreckungsbehörde für andere Körperschaften des öffentlichen Rechts vollstreckt, führt die Regelung des § 21 Absatz 2 zu einer Verfahrensbeschleunigung. Es obliegt der Ermessensentscheidung des Vollziehungsbeamten, ob er Teilzahlungen vereinbart. Soweit der Gläubiger in seinem Vollstreckungsauftrag nicht ausdrücklich die Vereinbarung von Teilzahlungen durch den Vollziehungsbeamten ausschließt, kann das Einverständnis des Gläubigers vorausgesetzt werden (§ 21 Abs. 2 Satz 2 VwVG NRW).

22
Pfändungspfandrecht (zu § 22)

22.1
Das öffentlich-rechtliche Pfändungspfandrecht entsteht bei der
- Pfändung von Sachen mit der Inbesitznahme (§ 28 VwVG NRW),
- bei der Pfändung von Forderungen mit der Zustellung der Pfändungsverfügung an den Drittschuldner (§ 40 Satz 3 VwVG NRW),
- bei der Pfändung hypothekarisch gesicherter Forderungen mit der Wegnahme des Hypothekenbriefes bzw. mit der Eintragung der Pfändung im Grundbuch (§ 41 Abs. 1 VwVG NRW).

Es gibt dem Gläubiger in gleicher Weise wie ein vertraglich bestelltes Pfandrecht (§§ 1204 ff. BGB) das Recht auf Befriedigung seiner Ansprüche aus dem Pfandgegenstand im Wege hoheitlicher Vollstreckung.

22.2
Vorschriften des bürgerlichen Rechts
sind im Allgemeinen auf das Pfändungspfandrecht nicht anzuwenden, da sie die Entstehung des Pfandrechts durch Rechtsgeschäft voraussetzen (z. B. gutgläubiger Erwerb nach §§ 1207, 1208 BGB).

22.3
Der Rang des Pfändungspfandrechts gegenüber anderen Pfandrechten bestimmt sich nach dem Zeitpunkt seiner Entstehung. Wegen der Wirkung einer vor Ablauf der Schonfrist vorgenommenen Pfändung vgl. Nr
. 6.1.3.1. Durch späteren Vertrag kann ein vorgehendes Pfandrecht begründet werden, wenn es in gutem Glauben an das Nichtbestehen des älteren Pfändungspfandrechts erworben wird (§ 1208 BGB, § 366 Abs. 2 HGB); der gute Glauben ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Pfändung erkennbar war.

22.4
Da der Pfändungsgläubiger dem Faustpfandgläubiger gleichgestellt wird, bestimmen sich seine Rechte im Insolvenzverfahren des Vollstreckungsschuldners nach den §§ 50, 51 InsO.

22.5
Das Pfändungspfandrecht erlischt
a) mit der Ablieferung der verwerteten Pfandsachen an den Erwerber gegen Bezahlung, (§ 32 VwVG NRW i. V. m. § 817 ZPO),
b) bei Forderungen und anderen Vermögensrechten mit der Einziehung zugunsten des Pfändungsgläubigers,
c) mit der Aufhebung der Pfändung durch die Vollstreckungsbehörde (Entstrickung),
d) durch die Entfernung der Pfandzeichen mit Einwilligung des Gläubigers,
e) durch ausdrücklichen Verzicht des Gläubigers auf sein Pfandrecht, auch wenn die Aufhebung der Pfändung nach Buchstabe c nicht verfügt wird,
f) durch Untergang der Pfandsache,
g) durch gutgläubigen Eigentumserwerb an der Pfandsache.

22.6
Das Pfändungspfandrecht erlischt nicht
a) durch unfreiwilligen Besitzverlust,
b) durch unberechtigtes Entfernen, durch Beschädigen oder durch Abfallen der Pfandzeichen.

22.7
Das Erlöschen des durch Pfändung gesicherten Anspruchs bewirkt im Übrigen nicht selbsttätig die Entstrickung der Pfandsache. Dazu bedarf es vielmehr der ausdrücklichen Aufhebung der Pfändung (vgl. auch Nr. 22.5 Buchstabe c).

23
Abwendung der Pfändung
(ehemals § 23 - aufgehoben)
§ 23 ist durch Gesetz vom 28. 12. 2002 (GV. NRW. 2003, S. 24) aufgehoben worden. Zum Thema siehe jetzt Nr. 6.2 zu § 6 a VwVG NRW

24
Klage auf bevorzugte Befriedigung (zu § 24)

24.1
Verhältnis zwischen den §§ 24 und § 8 VwVG NRW
§ 8 VwVG NRW gibt dem Dritten - das kann auch der mittelbare oder unmittelbare Besitzer sein - das Recht, mit der Behauptung, der Gegenstand der Zwangsvollstreckung gehöre nicht zum Vermögen des Vollstreckungsschuldners, im Wege der Widerspruchsklage die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung geltend zu machen. Dies gilt sowohl für die Mobiliarvollstreckung wie für die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen. Demgegenüber kann nach § 24 VwVG NRW ein Dritter, der behauptet, an einer zu pfändenden oder gepfändeten beweglichen Sache, die er nicht besitzt, ein Pfand- oder Vorzugsrecht zu haben, zwar die Pfändung und Verwertung nicht verhindern, wohl aber nach Maßgabe seines vorgehenden Ranges bevorzugte Befriedigung aus dem Erlös verlangen. Dieses mindere Recht steht auch dem besitzenden Pfandberechtigten zu, der von seinem Recht nach § 8 VwVG NRW keinen Gebrauch macht, und ist von der Vollstreckungsbehörde entsprechend zu berücksichtigen.

24.2
Pfand- und Vorzugsrechte
Folgende Rechte kommen unter der Voraussetzung, dass sie dem Recht des Pfändungsgläubigers im Range vorgehen (vgl. Nr. 22.3), in Frage:

24.2.1
Gesetzliche Pfandrechte, z.B. das Pfandrecht des Vermieters, des Verpächters und Pächters, des Unternehmers beim Werkvertrag, des Gastwirtes (§§ 559, 585, 590, 647, 704 BGB), ferner das Pfandrecht des Kommissionärs, des Spediteurs, des Lagerhalters, des Frachtführers (§§ 397, 441, 464, 475 b HGB) und das Früchtepfandrecht des Lieferers von Düngemitteln und Saatgut (§ 2 Abs. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Düngemittel- und Saatgutversorgung (DüngMSaatG) v. 19. Januar 1949).

24.2.2
Vertragspfandrechte, also das Faustpfandrecht gemäß § 1205 BGB, jedoch nur für den Fall, dass der Pfandgläubiger den unmittelbaren Besitz verloren oder aufgegeben hat, ohne dass zugleich das Pfandrecht erloschen ist (z. B. unfreiwilliger Verlust oder bei Ausleihe an einen Dritten oder wenn der Pfandgläubiger nur den mittelbaren Besitz hat und die Pfandsache beim unmittelbaren Besitzer gepfändet wird; §§ 1205 Abs. 2, 1206 BGB), ferner das besitzlose Pfandrecht am Inventar eines landwirtschaftlichen Pachtgrundstückes nach § 1 PachtkredG und das Recht der Realgläubiger an den beweglichen Sachen, auf die sich die Hypothek erstreckt (§ 1120 BGB);

24.2.3
Pfändungspfandrechte, jedoch nur dann, wenn der Besitz an der Pfandsache gegen den Willen oder ohne Wissen des Gläubigers, also ohne Verlust des Pfandrechts, verlorengegangen ist (vgl. Nr. 22.6). Hat der erste Pfändungsgläubiger aber noch den Besitz an der Pfandsache, kommt nur die Anschlusspfändung in Frage.

24.3
Geltendmachung des Anspruchs

24.3.1
Solange der pfandberechtigte Dritte keine Einwendungen gegen die Pfändung erhebt, ist die Vollstreckung so durchzuführen
, als bestünde das Recht nicht. Dies gilt auch dann, wenn die Vollstreckungsbehörde oder der Vollziehungsbeamte Kenntnis vom angeblichen Bestehen eines solchen Rechtes hat. Die Vollstreckungsbehörde hat jedoch darauf zu achten, dass die Beteiligten keinen ungerechtfertigten Schaden erleiden.

24.3.2
Macht der pfandberechtigte Dritte während der Zwangsvollstreckung seine Rechte nach § 24 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW geltend, so verfährt die Vollstreckungsbehörde sinngemäß nach Nr. 8.3. Sie wird es im Interesse des Gläubigers auf eine Klage des Dritten nur ankommen lassen, wenn seine Einwendungen offensichtlich unberechtigt sind.

24.3.3
Klagt der Dritte, ohne sich vorher mit der Vollstreckungsbehörde ins Benehmen gesetzt zu haben, muss er damit rechnen, zur Kostentragung verurteilt zu werden. Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung kann der Dritte mit seiner Klage nach § 24 VwVG NRW nicht mehr durchdringen. Ihm bleibt allenfalls noch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Gläubiger, an den der Erlös aus der Zwangsvollstreckung abgeführt worden ist.

24.3.4
Anders als bei der Widerspruchsklage nach § 8 VwVG NRW sind in diesem Verfahren gerichtliche Anordnungen gemäß §§ 769 und 770 ZPO nicht vorgesehen. Auch auf Hinterlegung des Erlöses (§ 805 Abs. 4 ZPO) hat der Kläger keinen Anspruch. Da es jedoch zu den Amtspflichten des Gläubigers oder der ihn vertretenden Vollstreckungsbehörde gehört, dafür zu sorgen, dass keinem der Beteiligten ein unwiederbringlicher Schaden entsteht, soll - wenn die Verwertung der Pfandgegenstände nicht ausgesetzt ist - über den Erlös der streitigen Rechte nicht endgültig verfügt werden.

24.3.5
Ein Recht auf bevorzugte Befriedigung aus dem Erlös, d.h. aus dem nach Abzug der Vollstreckungskosten verbleibenden Reinerlös, hat der Dritte auch dann, wenn seine Forderung noch nicht fällig ist. In diesem Falle kann er Befriedigung jedoch nur in der Höhe verlangen, die sich in sinngemäßer Anwendung der §§ 1133, 1217 BGB nach Abzug eines Zwischenzinses ergibt.

25
Keine Gewährleistung (zu § 25)

25.1
Erwerb im Zwangsverfahren ist sowohl der Erwerb in öffentlicher Versteigerung (§§ 30 ff. VwVG NRW) als auch der Erwerb aus freihändigem Verkauf oder aus jeder anderen Verwertung (§§ 33, 34, 37 VwVG NRW). Der Ausschluss der Gewährleistungspflicht setzt aber voraus, dass für den Erwerber erkennbar war, dass er eine gepfändete Sache im Wege der Pfandverwertung erwirbt.

25.2
Weder der Gläubiger noch der Vollstreckungsschuldner haften für Mängel im Recht (§ 435 BGB) oder für Mängel der Sache (§§ 459 ff. BGB), und zwar auch dann nicht, wenn dem Erwerber die Gewährleistung zugesichert worden sein sollte.
Der Vollziehungsbeamte bleibt aber verpflichtet, gepfändete Sachen vor der Veräußerung auf Vollständigkeit und einwandfreie Beschaffenheit zu prüfen (vgl. Nr.
31.2.4).
Unberührt bleiben Schadensersatzansprüche des Erwerbers gegen den Gläubiger oder den Vollstreckungsschuldner wegen unerlaubter Handlung und gegen die Anstellungsbehörde wegen Amtspflichtverletzung des Vollziehungsbeamten (Nr
. 11.3.1).

26
Beschränkung der Zwangsvollstreckung (zu § 26)

26.1
Abweichung von der Zivilprozessordnung
Das Gesetz übernimmt mit dieser Vorschrift nahezu wörtlich die Schutzvorschriften des § 765 a ZPO, jedoch mit der bezeichnenden Abweichung, dass es aus der Kann-Vorschrift eine Muss-Vorschrift macht. Aus der Ermächtigung für das Vollstreckungsgericht, seine Mitwirkung bei der missbräuchlichen Ausnutzung gesetzlich zulässiger Vollstreckungsmöglichkeiten zu versagen, wird eine Verpflichtung der Vollstreckungsbehörde, auf Vollstreckungsmaßnahmen zu verzichten, die mit den guten Sitten nicht vereinbar sind.

26.2
Voraussetzungen für die Anwendung

26.2.1
Der Vollstreckungsschuldner hat einen gesetzlichen Anspruch auf Vollstreckungsschutz im Rahmen des § 26 VwVG NRW nur dann, wenn die Vollstreckungsmaßnahmen wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeuten, die mit den guten Sitten unvereinbar ist. Er muss sich in der Regel aber mit allen Härten abfinden, die Vollstreckungsmaßnahmen unvermeidbar mit sich zu bringen pflegen.
Ganz besondere Umstände in diesem Sinne können sich ergeben

26.2.1.1
aus der gewählten Art der Vollstreckung, z.B. aus der Betreibung des Verfahrens zur Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung gegen einen seit jeher vermögenslosen Vollstreckungsschuldner wegen eines geringfügigen Anspruchs oder aus einer wirtschaftlich offensichtlich zwecklosen Pfändung, deren geringer Nutzen für den Gläubiger in keinem Verhältnis zu dem Schaden für den Vollstreckungsschuldner steht;

26.2.1.2
aus der Zeit der Vollstreckungshandlung, z.B. aus der sofortigen, einer Verschleuderung gleichkommenden Verwertung an sich guter Aktien während eines offensichtlich nur vorübergehenden Tiefstandes der Börsenkurse oder aus der Pfändung in einem Trauerhause oder aus rücksichtsloser Inanspruchnahme aller an sich pfändbaren Einkommensteile eines schwer erkrankten Vollstreckungsschuldners, der gerade jetzt zu erhöhten Aufwendungen gezwungen ist.

26.2.2
Die Härte muss derart sein, dass sie mit den guten Sitten unvereinbar ist, d.h. dass sie dem Anstandsgefühl aller „billig und gerecht Denkenden“ widerspricht. Das trifft zu bei allen Vollstreckungen, die den Vollstreckungsschuldner schädigen, ohne dem Gläubiger über die Deckung der Kosten hinaus einen nennenswerten Nutzen zu bringen, und insbesondere bei allen Maßnahmen, die das Leben oder die Gesundheit des Vollstreckungsschuldners oder seiner Angehörigen unmittelbar gefährden können.

26.2.3
Neben den Interessen des Vollstreckungsschuldners muss auch das Schutzbedürfnis des Gläubigers voll gewürdigt werden. Für die daraus sich ergebende Interessenabwägung müssen aber im Verwaltungszwangsverfahren andere Maßstäbe gelten als im zivilgerichtlichen Vollstreckungsverfahren. Dort ist häufig der Gläubiger nicht weniger Not leidend als der Vollstreckungsschuldner, und mit der Nichtbeitreibung seiner Außenstände können seine wirtschaftlichen Existenzvoraussetzungen ernstlich gefährdet sein (vgl. auch Nr. 26.4).

26.3
Verfahren

26.3.1
Im Allgemeinen kann die Vollstreckungsbehörde bei Anordnung einer Vollstreckungsmaßnahme noch nicht übersehen, ob und warum diese sich als unzumutbare Härte für den Vollstreckungsschuldner oder seine Familie auswirken könnte. Deshalb soll jeder begründete Hinweis des betroffenen Vollstreckungsschuldners und jede entsprechende Feststellung des Vollziehungsbeamten ihr Gelegenheit zur Überprüfung ihrer Maßnahmen unter diesen Gesichtspunkten geben.

26.3.2
Zum selbständigen Aufschub einer Vollstreckungsmaßnahme ist der Vollziehungsbeamte nach § 26 Abs. 2 VwVG NRW nur befugt, soweit er den Auftrag hat, die Herausgabe von Sachen zu erwirken. Dabei kann es sich um die Herausgabe eines Hypothekenbriefes, Sparkassenbuches, Pfandscheines und anderer Urkunden, die über eine Geldforderung des Gläubigers ausgestellt oder für ihren Nachweis wichtig sind (§§ 41 Abs. 1, 42, 44 Abs. 2 VwVG NRW), um die Verwirklichung gepfändeter Herausgabeansprüche (§ 47 VwVG NRW) oder um die Herausgabe einer Sache bei Pfändung eines Nutzungsrechts (§ 50 Abs. 4 VwVG NRW) handeln. Der Vollziehungsbeamte muss jedoch eine endgültige Entscheidung der Vollstreckungsbehörde alsbald herbeiführen.

26.3.3
Die Vollstreckungsbehörde kann ihre Entscheidung jederzeit abändern, wenn die veränderten Verhältnisse, z.B. die Genesung des zunächst schwer kranken Vollstreckungsschuldners, die Verbesserung oder Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse, eine andere Beurteilung geboten erscheinen lassen.

26.4
Allgemeiner Grundsatz des Vollstreckungsschutzes
Die Möglichkeiten der Vollstreckungsbehörde, den besonderen Interessen des Vollstreckungsschuldners und des Gläubigers je nach den Umständen des Einzelfalles im Rahmen des Ermessens Rechnung zu tragen, erschöpfen sich nicht in der Mussvorschrift des § 26 VwVG NRW. Aus Gründen der Billigkeit und der Zweckmäßigkeit (vgl. Nr
. 21.3.1 und Nr. 21.3.2) kann die Vollstreckungsbehörde auch in anderen Fällen durch Anweisung an den Vollziehungsbeamten, durch Antrag an das Gericht oder durch Ersuchen an die um Amtshilfe ersuchte Behörde die Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung oder die Aufhebung einzelner Vollstreckungsmaßnahmen veranlassen. Die im Vergleich zum Zivilprozess ganz andere Stellung des - jedenfalls nicht notleidenden - Gläubigers im Verwaltungszwangsverfahren rechtfertigt durchaus die Beachtung des allgemeinen Grundsatzes, dass Vollstreckungsmaßnahmen unterbleiben sollen, wenn dies im Interesse des nicht böswilligen Vollstreckungsschuldners dringend geboten ist und dem Gläubiger nach Lage der Verhältnisse zugemutet werden kann.
Betrifft die Vollstreckungsmaßnahme ein Tier, so hat die Vollstreckungsbehörde bei ihrer Entscheidung auch die Verantwortung des Menschen für das Tier zu beachten.

2.
Zwangsvollstreckung in Sachen

27
Pfändungs- und Vollstreckungsschutz (zu § 27)

27.1
Pfändungsverbote

27.1.1
§ 811 ZPO enthält den Katalog der unpfändbaren Sachen, die dem Vollstreckungsschuldner zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts für sich und seine Familie, zur Fortsetzung seiner beruflichen Tätigkeit oder aus Gründen der Pietät unbedingt belassen werden müssen.
Darüber hinaus soll der Vollziehungsbeamte auch Gegenstände, die zum gewöhnlichen, wenn auch nicht gemäß § 811 Nr. 1 ZPO unentbehrlichen, Hausrat gehören, dann nicht pfänden, wenn der zu erwartende Erlös, z.B. bei alten und abgenutzten Möbeln, in keinem Verhältnis zu dem tatsächlichen Wert steht, den diese Gegenstände im Haushalt des Vollstreckungsschuldners noch haben (§ 812 ZPO; vgl. auch Nr
. 21.3.2).

27.1.2
Unzulässig ist auch die Pfändung von Zubehörstücken eines Grundstücks, solange sie im Eigentum des Grundstückseigentümers stehen, also gemäß §§ 1120 - 1122 BGB für eine Hypothek haften (§ 865 Abs. 1 und 2 Satz 1 ZPO i. V. m. § 51 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW).

27.1.2.1
Was Zubehör ist, bestimmt sich nach den §§ 97 und 98 BGB (vgl. Nr
. 21.2.3). Bei einem gewerblich genutzten Gebäude sind das insbesondere die zu dem Betrieb bestimmten Maschinen und Geräte, bei einem landwirtschaftlichen Betrieb das für den wirtschaftlichen Zweck des Betriebes bestimmte Vieh und Gerät und der vorhandene, im Betrieb gewonnene Dünger. Vom Grundstück getrennte landwirtschaftliche Erzeugnisse sind nur insoweit Zubehör, als sie zur Fortführung der Wirtschaft nicht nur bestimmt, sondern bis zur nächsten Ernte gleicher oder ähnlicher Erzeugnisse auch notwendig sind.

27.1.2.2
Zubehörstücke sind zunächst nur unpfändbar, wenn sie dem Eigentümer des Grundstücks gehören, weil sie nur dann auch für eine Hypothek haften. Auf Zubehörstücke eines landwirtschaftlichen Betriebes, die nicht dem Eigentümer, sondern etwa dem Pächter gehören, erstreckt sich die Hypothek nicht, sie sind also im Zwangsverfahren gegen den Pächter grundsätzlich pfändbar. Unpfändbar sind sie nur insoweit, als sie für den Wirtschaftsbetrieb erforderlich, also unentbehrlich sind (§ 811 Nr. 4 ZPO). Gerät und Vieh des Pächters, das zum Wirtschaftsbetrieb zwar bestimmt, aber nicht erforderlich ist, darf also gepfändet werden, obwohl es zum Zubehör gehört. Bei Dünger ist zu beachten, dass sich der Pfändungsschutz beim Grundstückseigentümer auf den vorhandenen Dünger erstreckt, dagegen beim Pächter usw. auf den nötigen Dünger beschränkt.

27.1.2.3
Vom Grundstück getrennte Erzeugnisse, die nicht für die Fortführung des Betriebes bis zur neuen Ernte erforderlich sind (§ 98 Nr. 2 BGB), sondern beispielsweise verkauft werden sollen, und sonstige Bestandteile des Grundstücks haften ebenso wie das Zubehör für die Hypothek, solange sie dem Grundstückseigentümer gehören, und nicht vom Grundstück entfernt wurden (vgl. §§ 1120 - 1122 BGB). Sie dürfen aber nach § 865 Abs. 2 Satz 2 ZPO trotzdem gepfändet werden, solange sie nicht im Wege einer Zwangsvollstreckung in das Grundstück beschlagnahmt worden sind. Das gilt wiederum nicht für landwirtschaftliche Erzeugnisse, die zwar nicht zur Fortführung der Wirtschaft, wohl aber zur Sicherung des Unterhalts für den Vollstreckungsschuldner, seine Familie und seine Arbeitnehmer erforderlich sind. Sie sind ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse unpfändbar kraft ausdrücklicher Bestimmung in § 811 Abs. 1Nr. 4 ZPO.

27.2
Zuziehung eines Sachverständigen

27.2.1
§ 813 ZPO sieht die Zuziehung eines Sachverständigen vor
a) zur Schätzung des Wertes von Kostbarkeiten,
b) bei der Pfändung von Früchten auf dem Halm,
c) bei der Pfändung von Gegenständen der in § 811 Nr. 4 ZPO bezeichneten Art bei Personen, die Landwirtschaft betreiben.

Grundsätzlich kann bei der Pfändung von Gegenständen, die unter § 811 ZPO fallen, ein Sachverständiger zur Feststellung der Unentbehrlichkeit gehört werden.

27.2.2
In den Fällen der Buchstaben b und c ist ein landwirtschaftlicher Sachverständiger immer zu Rate zu ziehen, wenn der Wert der Pfandgegenstände voraussichtlich 500,00 Euro übersteigt. Auch bei einem geringeren Wert ist die Zuziehung eines Sachverständigen in der Regel geboten (vgl. Nr. 28.5).

27.2.3
Ist die Zuziehung ohne Erfolg versucht worden, so kann auch ohne Beteiligung eines Sachverständigen gepfändet werden. Sie ist aber nach Möglichkeit vor der Verwertung der Pfandstücke nachzuholen. Personen, die mit dem Vollstreckungsschuldner nahe verwandt oder verschwägert sind, dürfen nicht als Sachverständige zugezogen werden.

27.2.4
Die Vollstreckungsbehörde bestimmt die Höhe der dem Sachverständigen nach Maßgabe der KostO NRW im Rahmen der Vollstreckungskosten zu gewährenden Entschädigung, wenn eine solche in derartigen Fällen üblich ist und der Sachverständige sie beantragt. Die Entschädigung soll die Beträge nicht übersteigen, die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
zzt. auf Grund des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes –JVEG - gewährt werden können.

27.3
Austauschpfändung

27.3.1
Die Vorschriften
der §§ 811 a und 811 b ZPO eröffnen der Vollstreckungsbehörde die Möglichkeit, unter den an sich unpfändbaren Sachen, die dem persönlichen Gebrauch, dem Haushalt oder der Erwerbstätigkeit des Vollstreckungsschuldners dienen (§ 811 Nr. 1, 5 und 6), einen besonders wertvollen Gegenstand dennoch zur Befriedigung des Gläubigers zu verwerten, und dem Vollstreckungsschuldner dafür ein einfacheres, aber für denselben geschützten Zweck ausreichendes Ersatzstück zu überlassen. So kann z. B. ein besonders teurer Fernseher ohne weiteres gepfändet werden, wenn dem Vollstreckungsschuldner dafür ein einfaches Fernsehgerät überlassen wird.

27.3.2
Der Vollstreckungsbehörde wird es nur selten - allenfalls mit Hilfe des Gläubigers - möglich sein, vor der Wegnahme der Sachen dem Vollstreckungsschuldner ein ausreichendes Ersatzstück zur Verfügung zu stellen. In der Regel wird sie ihm daher den zur Beschaffung eines solchen Ersatzstückes erforderlichen Geldbetrag aus ihrer Kasse überlassen. Das ist ihr auch mindestens in den Fällen zuzumuten, in denen sie die Pfändung für Forderungen der eigenen Behörde durchführt. Nur ausnahmsweise soll sie von der dritten, freilich bequemsten Möglichkeit Gebrauch machen und dem Vollstreckungsschuldner den zur Bezahlung des Ersatzstückes nötigen Geldbetrag erst aus dem Vollstreckungserlös überlassen.

27.3.3
Der Vollziehungsbeamte darf in diesem Falle den sonst unpfändbaren Gegenstand nur auf Grund einer schriftlichen Zulassungsverfügung der Vollstreckungsbehörde pfänden, die dem Vollstreckungsschuldner durch Zustellung bekannt zu geben ist (Vermerk in der Niederschrift) und von ihm durch Widerspruch und verwaltungsgerichtliche Klage angefochten werden kann. In der Verfügung setzt die Vollstreckungsbehörde den Wert des vom Gläubiger angebotenen Ersatzstückes oder den Betrag fest, den der Vollziehungsbeamte vor der Wegnahme - nicht schon vor der Pfändung - des Pfandstückes dem Vollstreckungsschuldner zu übergeben hat, oder der dem Vollstreckungsschuldner aus dem Erlös zu zahlen ist. Die Vollstreckungsbehörde soll die Austauschpfändung nur zulassen, wenn der voraussichtliche Erlös aus der Verwertung den Wert des Ersatzstückes erheblich übersteigen wird und die Austauschpfändung auch sonst „nach Lage der Verhältnisse angemessen ist“ (so ist z. B. auf Erinnerungswerte Rücksicht zu nehmen, die mit dem wertvollen Gegenstand verknüpft sein können).

27.3.4
Der Vollziehungsbeamte kann gemäß § 811 b ZPO, wenn er mit der Zulassung der Austauschpfändung durch die Vollstreckungsbehörde einigermaßen sicher rechnen darf, einen geeigneten Gegenstand schon vor der Zulassung pfänden, hat ihn jedoch im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners zu belassen. Er hat die Vollstreckungsbehörde von der von ihm festgestellten Verwertungsmöglichkeit unverzüglich zu benachrichtigen. Lässt die Vollstreckungsbehörde daraufhin die Austauschpfändung nicht zu, ist die Pfändung wieder aufzuheben. Ob und wieweit die Entscheidung von einer Rücksprache mit dem Gläubiger, der nicht zugleich Vollstreckungsbehörde ist, abhängig gemacht wird, bleibt dieser überlassen.

27.3.5
Der dem Vollstreckungsschuldner im Wege der Austauschpfändung zur Verfügung gestellte Geldbetrag ist auch dann unpfändbar (§ 811 a Abs. 3 ZPO), wenn der verbleibende Erlös zur Deckung der Gläubigeransprüche nicht ausreicht.

27.4
Vorwegpfändung
Der Vollziehungsbeamte darf nach § 811 d ZPO eine zurzeit noch unpfändbare Sache dann pfänden, wenn zu erwarten ist, dass sie demnächst pfändbar wird (z. B. ein zur Berufsausübung unentbehrlicher Gegenstand, wenn feststeht, dass der Vollstreckungsschuldner in Kürze seinen Beruf aufgibt). Erfüllt sich diese Erwartung nicht binnen eines Jahres, so ist die Pfändung aufzuheben. Bis dahin ist die gepfändete Sache im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners zu belassen.

27.5
Aufschub der Verwertung
§ 813 b ZPO gibt der Vollstreckungsbehörde eine weitgehende Befugnis, in der Zeit zwischen Pfändung und Verwertung dem Vollsteckungsschuldner angemessene Zahlungsfristen zur Vermeidung der Versteigerung des Pfandgutes und zur freiwilligen Bereinigung seiner Schulden einzuräumen. Wenn der Vollstreckungsschuldner einen entsprechenden Antrag nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Pfändung stellt, wird die Vollstreckungsbehörde nur ausnahmsweise die Voraussetzung für ein besonderes Entgegenkommen für gegeben erachten. Sie darf ihre Anordnungen wiederholen, jedoch die Verwertung nicht länger als insgesamt ein Jahr hinausschieben (§ 813 b Abs. 4 ZPO). Sie kann ihre Anordnungen auf Antrag oder von Amts wegen jederzeit aufheben oder ändern (§ 813 b Abs. 3 ZPO).

28
Verfahren bei der Pfändung (zu § 28)

28.1.1
Der Vollziehungsbeamte kann grundsätzlich davon ausgehen, dass alle Sachen, die sich im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners befinden, auch zu dessen Vermögen gehören. Er hat nicht zu prüfen, ob behauptete Rechte Dritter zu Recht bestehen, sondern die Betroffenen an die Vollstreckungsbehörde zu verweisen. Nur wenn es nach den besonderen Umständen des Falles, etwa nach den bestehenden Geschäftsgebräuchen, außer Zweifel steht, dass solche Sachen nicht dem Vollstreckungsschuldner gehören (z.B. Leergut, das an den Lieferanten zurückzugeben ist, fremde Möbel beim Spediteur, zu reparierende Schuhe in der Werkstatt des Schusters, entliehene Bücher mit dem Eigentumsstempel einer Bücherei), hat der Vollziehungsbeamte von der Pfändung abzusehen.

28.1.2
Im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners befinden sich diejenigen Sachen, die sich in seinen Wohn- und Geschäftsräumen befinden, unabhängig davon, ob er Eigentümer, Mieter, Pächter, Verwahrer, Nießbraucher, Entleiher usw. dieser Gegenstände ist.
Der Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners erstreckt sich auch auf die Sachen seiner Familienangehörigen, die mit ihm die Wohnung teilen (wegen der Ehegatten vgl. Nr. 28.1.3), dagegen nicht auf die Sachen seiner Hausangestellten, Gehilfen, Besucher usw., die diese bei sich tragen oder in den ihnen zur Benutzung zugewiesenen Räumen untergebracht haben.
Umgekehrt haben Familienangehörige, Hausangestellte, Gehilfen, Besucher usw. keinen Gewahrsam an den Sachen des Vollstreckungsschuldners, die sich in den von ihnen benutzten oder mitbenutzten Räumen befinden. Keinen Gewahrsam hat schließlich der Vollstreckungsschuldner an Sachen, die ihm zwar gehören, aber sich nicht in seinen Wohn- und Geschäftsräumen befinden, weil er sie verliehen, vermietet, verpachtet, verpfändet oder sonst in Verwahrung gegeben hat (vgl. Nr. 28.1.4).

28.1.3
Bei der Vollstreckung gegen einen von zwei nicht getrennt lebenden Ehegatten kann der Vollziehungsbeamte auch bewegliche Sachen pfänden, die sich im Besitz beider Ehegatten oder des anderen Ehegatten befinden. Sie gelten nach der in § 1362 BGB enthaltenen Eigentumsvermutung zu Gunsten des Gläubigers als dem Vollstreckungsschuldner gehörig. Dies gilt nicht für die ausschließlich zum persönlichen Gebrauch des anderen Ehegatten bestimmten Sachen.

28.1.4
Sachen, die zum Vermögen des Vollstreckungsschuldners gehören, sich aber im Gewahrsam eines Dritten (z. B. eines Mieters, Untermieters, Entleihers, Verwahrers) befinden, darf der Vollziehungsbeamte nur pfänden, wenn der Dritte zur Herausgabe bereit ist (§ 28 Abs. 4 VwVG NRW).
Das Gleiche gilt für Sachen im Mitgewahrsam des Vollstreckungsschuldners und eines Dritten, z. B. für Wertpapiere oder Schmuckstücke in einem Bankschließfach unter Mitverschluss der Bank (anders, wenn nur der Vollstreckungsschuldner einen Schlüssel und damit Alleingewahrsam hat). Ist in diesem Fall die Bank nicht zur Herausgabe bereit, so muss die Vollstreckungsbehörde erst den Herausgabeanspruch des Vollsteckungsschuldners gegen die Bank gemäß § 47 VwVG NRW pfänden.

28.2.1
Der Vollziehungsbeamte muss durch die Pfändung den Pfandgegenstand in Besitz nehmen, d.h. sich die tatsächliche Gewalt über ihn verschaffen (§ 854 BGB). Dies erfolgt, indem er
a) Zahlungsmittel, Wertpapiere, Wertzeichen, Kostbarkeiten und ggf. auch andere Gegenstände an sich nimmt,
b) Sachen, die er im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners oder des Dritten belässt, mit dem Pfandzeichen versieht.

Die bloße Erklärung des Vollziehungsbeamten, dass er die Sachen pfände, genügt nicht (zum Vorstehenden siehe § 28 Abs. 2 VwVG NRW).

28.2.2
Bares Geld führt der Vollziehungsbeamte an die Vollstreckungsbehörde ab. Ebenso übergibt er ihr Wertpapiere und andere Wertsachen, die sie entweder in einem Panzerschrank oder in einer Pfandkammer unterbringt oder einem Beauftragten in Verwahrung gibt. Auf die Obhutpflicht, die sich aus dem öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis zwischen Vollstreckungsschuldner und Vollstreckungsbehörde in diesen Fällen ergibt, wird besonders hingewiesen.

28.2.3
Andere als die in Nr. 28.2.1 unter Buchstabe a genannten Gegenstände sind unter Anbringung von Pfandzeichen im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners zu belassen, sofern nicht hierdurch die Befriedigung des Gläubigers gefährdet wird. Im Pfändungsprotokoll ist ausdrücklich zu vermerken, dass der Vollstreckungsschuldner sich zur sicheren Aufbewahrung der Pfandsachen verpflichtet hat.

28.3
Pfandzeichen und Pfandanzeige

28.3.1
Der Vollziehungsbeamte hat an jeder im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners belassenen Sache sein Pfandzeichen (Pfandsiegelmarke) an einer deutlich sichtbaren Stelle (nicht etwa auf der Rückseite eines Möbelstückes) so anzubringen, dass die Pfändung für jedermann ohne nähere Nachforschung erkennbar ist.

28.3.2
Für Pfandzeichen ist das Landeswappen nicht zu verwenden. Pfandsiegelmarken sollen die Form eines farbig umrahmten Rechteckes in der Größe von etwa 3,5 x 5 cm haben und in der oberen Hälfte die Bezeichnung der Vollstreckungsbehörde tragen. In der Mitte befindet sich ein farbiges Oval mit der weißen Inschrift Pfandsiegel. Unter dem Oval ist vorgedruckt: „I. A. der Vollziehungsbeamte“; darunter sind handschriftlich der Name und das Datum einzutragen.

28.3.3
Für eine Mehrzahl von Pfandstücken, insbesondere eine Menge von Waren oder anderen vertretbaren Sachen, die sich in einem Behältnis oder einer Umhüllung befinden oder mit Zustimmung des Vollstreckungsschuldners in einem abgesonderten Raum untergebracht werden, genügt ein gemeinschaftliches Pfandsiegel nur dann, wenn es in der Weise, z. B. über dem Schlüsselloch, angelegt wird, dass ohne seine Zerstörung kein Stück aus dem Behältnis, der Umhüllung oder dem Raum entfernt werden kann. Die Schlüssel verschlossener, versiegelter Behältnisse oder Räume hat der Vollziehungsbeamte an sich zu nehmen.

28.3.4
Kann eine Pfandsiegelmarke an dem Gegenstand nicht angebracht werden (z. B. an Tieren oder an einem Kartoffelvorrat) oder reicht sie nicht aus, um die Pfändung in vollem Umfang erkennbar zu machen, so ist an dem Ort, an dem sich die Pfandsache befindet, eine Pfandanzeige an der Wand in anderer Weise so deutlich anzubringen, dass jedermann den Umfang der Pfändung zweifelsfrei erkennen kann. Wird dabei von den Vorräten des Vollstreckungsschuldners nur ein Teil gepfändet, etwa unter Berücksichtigung der gemäß § 27 VwVG NRW anzuwendenden Pfändungsschutzvorschriften, so sind die gepfändeten Teile und die dem Vollstreckungsschuldner belassenen Teile äußerlich erkennbar zu trennen.

28.3.5
Die Pfandanzeige soll etwa wie folgt gefasst werden:

„Pfandanzeige

In der Vollstreckungssache gegen .....................................
........................................ in ..................................................
Hebe-Nr. ............... habe ich heute im Auftrage der
................................................................-kasse als Vollstreckungsbehörde die folgenden hier befindlichen Gegenstände gepfändet und in Besitz genommen:
........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
Wer diese Anzeige vorsätzlich ablöst oder beschädigt oder die gepfändeten Gegenstände beiseite schafft oder zerstört, wird nach § 136 des Strafgesetzbuches bestraft.
............................................................., den......................20..........
........................................................................................................................................
als Vollziehungsbeamter“

Wird eine derartige Pfandanzeige im Freien angebracht, so darf statt der sonst vorgeschriebenen Tinte (Tintenstift, urkundenechter Kugelschreiber) auch wetterfeste Farbe benutzt werden.

28.3.6
Sobald der Vollziehungsbeamte erfährt, dass ein Pfandzeichen oder eine Pfandanzeige beschädigt oder entfernt wurde oder abgefallen ist, hat er ein neues Pfandzeichen anzubringen. Bei Verdacht der vorsätzlichen Beseitigung eines Pfandzeichens (Siegelbruch - § 136 Abs. 2 StGB) ist die Vollstreckungsbehörde unverzüglich zu verständigen.

28.4
Anderweitige Unterbringung und Erhaltung der Pfandsachen

28.4.1
Weigert sich der Vollstreckungsschuldner, die Pfandsache sicher aufzubewahren, oder ist aus anderen Gründen mit einem Siegelbruch oder einer sonstigen Gefährdung der Gläubigerrechte zu rechnen oder wird die Fortschaffung der Sache vom Gewahrsamsinhaber verlangt, dann soll der Vollziehungsbeamte auch andere als die in Nr. 28.2.1 unter Buchstabe a genannten Gegenstände an sich nehmen.

28.4.2
Sachen, die der Vollziehungsbeamte nicht der Vollstreckungsbehörde übergeben kann, hat er in sicherer Weise, jedoch möglichst Kosten sparend unterzubringen oder (z. B. gepfändetes Vieh oder vom Boden noch nicht getrennte Früchte) einem zuverlässigen Verwahrer oder Hüter gegen Quittung anzuvertrauen. Eine mit diesen Personen getroffene Vereinbarung über die Gewährung einer ortsüblichen Vergütung oder über eine Nutzung der Pfandsache ist in das Pfändungsprotokoll oder einem Nachtrag dazu aufzunehmen und von den Beteiligten zu unterzeichnen.

28.4.3
Der Vollziehungsbeamte hat dafür zu sorgen, dass die Pfandsachen in brauchbarem Zustand erhalten und namentlich, wenn sie leicht dem Verderben ausgesetzt sind, in ihrem Wert nicht gemindert oder aber beschleunigt verwertet werden (vgl. § 31 Abs. 1 VwVG NRW). Können die gepfändeten Sachen genutzt werden, um einen Ertrag zu erzielen, so hat der Vollziehungsbeamte oder die Vollstreckungsbehörde die geeigneten Anordnungen zu treffen.

28.5
Landwirtschaftliche Sachverständige

28.5.1
Müssen in einem landwirtschaftlichen Betrieb, beim Eigentümer oder beim Pächter, Gerät, Vieh, Dünger oder landwirtschaftliche Erzeugnisse gepfändet werden, so soll der Vollziehungsbeamte nicht nur in den im § 813 ZPO vorgesehenen Fällen einen landwirtschaftlichen Sachverständigen zuziehen
. Das Gleiche gilt, wenn vom Boden noch nicht getrennte Früchte, auch bei einem Nichtlandwirt, gepfändet werden sollen.
Ein Sachverständiger ist nicht hinzuzuziehen, wenn die dadurch voraussichtlich entstehenden Kosten im Missverhältnis zu dem Wert der zu pfändenden Sachen stehen oder wenn der Vollziehungsbeamte auf Grund gleich gelagerter Vollstreckungsfälle die dem Sachverständigen vorzulegenden Fragen bereits selbst beurteilen kann.

28.5.2
Der Vollziehungsbeamte veranlasst den Sachverständigen, sich gutachtlich darüber zu äußern,
a) ob die zu pfändenden Sachen zu den gemäß § 811 Nr. 4 ZPO unpfändbaren Sachen gehören oder als Zubehör der Pfändung nicht unterliegen (vgl. Nr. 27.1.2.1),
b) wenn Früchte gepfändet werden sollen, die vom Boden noch nicht getrennt sind (§ 29 VwVG NRW), ob die gewöhnliche Zeit der Reife binnen eines Monats zu erwarten ist und ob die Früchte ganz oder teilweise zur Fortführung der Landwirtschaft des Vollstreckungsschuldners bis zur nächsten Ernte gleicher oder ähnlicher Früchte erforderlich sind,
c) wie ggf. die zu pfändenden Erzeugnisse oder Tiere am besten verwahrt und gepflegt werden können,
d) welchen Wert die Pfandsachen haben.

In der Regel wird die mündliche Äußerung des Sachverständigen genügen. Eine besondere Versicherung der Richtigkeit kann der Vollziehungsbeamte nicht verlangen. Er kann den aufgeforderten Sachverständigen auch nicht zwingen, zu erscheinen oder sich zu äußern.

28.5.3
Das Gutachten des Sachverständigen ist für den Vollziehungsbeamten nicht bindend, er soll jedoch nur aus besonderen Gründen davon abweichen und die Gründe in der Niederschrift erwähnen.

28.6
Pfändungsprotokoll

28.6.1
Aus der vom Vollziehungsbeamten gemäß § 17 VwVG NRW unmittelbar nach der Pfändung an Ort und Stelle aufzunehmenden Niederschrift (vgl. Nr. 17.3) müssen außer den durch § 17 VwVG NRW erforderten Angaben die Uhrzeit der Pfändung selbst, alle Aufforderungen und Mitteilungen des Vollziehungsbeamten, z.B. auch das Vorzeigen des Vollstreckungsauftrages, und die auf die Vollstreckung bezogenen Erklärungen aller Beteiligten, mit denen verhandelt worden ist, ersichtlich sein. Die Vollstreckungsbehörden werden hierfür den Vollziehungsbeamten zweckmäßigerweise Vordrucke zur Verfügung stellen, die auf die besonderen örtlichen Verhältnisse zugeschnitten sind.

28.6.2
Das Pfändungsprotokoll soll ferner enthalten
a) die beizutreibenden Beträge einschließlich Säumniszuschlag, Zinsen und Kosten;
b) die Bezeichnung jeder gepfändeten Sache unter Angabe ihres Schätzwertes nach ihrer Art und Beschaffenheit und erforderlichenfalls nach Maß und Gewicht, und zwar so genau, dass jede Verwechslung mit anderen Sachen ausgeschlossen ist;
c) eine Angabe darüber, in welcher Weise die Pfändung kenntlich gemacht wurde; hat der Vollziehungsbeamte eine Pfandanzeige angebracht (Nr. 28.3.5), ist deren Inhalt wörtlich wiederzugeben oder eine Durchschrift beizufügen. Wurden Pfandstücke in einem besonderen Behältnis oder einem besonderen Raum verschlossen (Nr. 28.3.3), ist in der Niederschrift ausdrücklich zu vermerken, dass der Verschluss des Behältnisses oder des Raumes durch Pfandsiegel gesichert wurde;
d) den Grund für die etwaige Entfernung von Pfandstücken aus dem Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners, sofern es sich nicht um Geld, Wertsachen oder sonstige Kostbarkeiten handelt;
e) jede Vereinbarung, die mit einem vom Vollziehungsbeamten bestellten Hüter oder Verwahrer für aus dem Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners entfernte Sachen getroffen wird (Nr. 28.4.2);
f) bei der Pfändung von Früchten auf dem Halm die Lage des Grundstückes, seinen ungefähren Flächeninhalt und den voraussichtlichen Eintritt der Reife;
g) bei Hinzuziehung eines Sachverständigen den Inhalt seines Gutachtens, sofern es nicht schriftlich erstattet wurde, und die Gründe, die den Vollziehungsbeamten etwa veranlasst haben, dem Gutachten nicht zu folgen;
h) nach Möglichkeit, vorbehaltlich endgültiger Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, Angaben über Zeit und Ort der Versteigerung; dabei sind die Bestimmungen der §§ 31, 34, 35 und 37 VwVG NRW zu beachten. Der Termin ist dem oder den Vollstreckungsschuldnern und den Personen, denen Pfandstücke zur Aufbewahrung, Pflege oder Beaufsichtigung anvertraut wurden, mitzuteilen.

28.6.3
Wenn sich bei der Ausführung des Pfändungsauftrages ergibt,
a) dass der Vollstreckungsschuldner gänzlich unpfändbar ist oder
b) dass sich die Pfändbarkeit auf solche Sachen beschränkt, deren Pfändung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 VwVG NRW zu unterbleiben hat, oder hinsichtlich deren die Voraussetzungen des § 812 ZPO vorliegen (Gegenstände des Hausrats; vgl. Nr. 21.3.2 und Nr. 27.1.1), so soll die Niederschrift erkennen lassen, dass alle zulässigen Mittel versucht worden sind, ein anderes Ergebnis jedoch nicht zu erzielen war. Im Falle des Buchstaben b sind die vorhandenen, an sich pfändbaren Sachen mit den geschätzten Werten anzugeben. Im Übrigen bedarf es aber der Aufzählung vorgefundener unpfändbarer
Sachen im Einzelnen nicht.

Aus der Niederschrift soll ferner hervorgehen, dass und mit welchem Ergebnis der Vollstreckungsschuldner befragt worden ist, ob er weitere Sachen, pfändbare Forderungen oder andere Vermögenswerte besitzt und ob und wann er bereits eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Auch sonst soll der Vollziehungsbeamte vermerken, was er über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Vollstreckungsschuldners ermittelt hat.

28.6.4
Der Vollziehungsbeamte übergibt das Protokoll nebst etwaigen Nachtragsverhandlungen unmittelbar nach der Pfändung der Vollstreckungsbehörde. Diese prüft den Inhalt sorgfältig und veranlasst etwa notwendige Berichtigungen des Verfahrens. Dem Vollstreckungsschuldner teilt der Vollziehungsbeamte die Pfändung regelmäßig mündlich mit (§ 28 Abs. 3 i. V. m. § 18 VwVG NRW). Eine Abschrift des Pfändungsprotokolls hat er ihm nur zu übergeben, wenn bares Geld gepfändet worden ist (Beweis der Zahlung).
Im Übrigen erteilt die Vollstreckungsbehörde eine Abschrift des Pfändungsprotokolls, auch im Falle der Anschlusspfändung,
a) dem Vollstreckungsschuldner, wenn er eine Mitteilung über die Pfändung nicht erhalten konnte (§ 18 zweiter Halbsatz VwVG NRW) oder wenn er es verlangt oder wenn Sachen gepfändet worden sind, die sich nicht in seinem Gewahrsam befanden,
b) dem Gewahrsamsinhaber (§ 28 Abs. 4 VwVG NRW), wenn er es verlangt oder wenn in seiner Abwesenheit gepfändet worden ist.

28.6.5
Wird der Vollstreckung Widerstand entgegengesetzt (Nr. 14.3), muss immer eine besondere Verhandlung aufgenommen und den zugezogenen Zeugen zur Unterschrift vorgelegt werden. Die Ausführungen unter Nr. 28.6.4 gelten entsprechend.

29
Pfändung ungetrennter Früchte (zu § 29)

29.1
„Früchte auf dem Halm“ i. S. d. §§ 29 und 35 VwVG NRW sind, abweichend von dem allgemeinen Begriff „Früchte“ in § 99 BGB, die periodisch zu erntenden Erzeugnisse von Grund und Boden, also Getreide, Hackfrüchte, Obst, Trauben auf dem Stock, nicht aber Holz, Kohlen, Torf. Den Gewahrsam an ihnen hat, wer berechtigt ist, sie abzuernten.

29.2
Der Vollziehungsbeamte pfändet Früchte auf dem Halm regelmäßig nach Zuziehung eines landwirtschaftlichen Sachverständigen (vgl. Nr. 28.5), indem er auf dem Grundstück eine Tafel mit Pfandanzeige (Nr. 28.3.5) aufstellt. Soweit erforderlich und im Hinblick auf die Kosten vertretbar, bestellt er einen Hüter. Das Pfändungspfandrecht setzt sich an den geernteten Früchten fort.

29.3
Ein Pfändungspfandrecht an den Früchten kann wirksam nur begründet werden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

29.3.1
Das Grundstück darf nicht gemäß § 51 VwVG NRW beschlagnahmt sein. Dies gilt nicht, wenn die Pfändung in einem Vollstreckungsverfahren gegen den Pächter vorgenommen wird. Eine spätere Beschlagnahme des Grundstücks lässt das vorher begründete Pfändungspfandrecht unberührt. Der Pfandgläubiger muss aber sein Pfandrecht zur Sicherung des Vorrangs nach § 37 Nr. 4 ZVG beim Vollstreckungsgericht anmelden.

29.3.2
Die Früchte dürfen höchstens einen Monat vor der gewöhnlichen - nicht der tatsächlichen - Reife stehen.

29.3.3
Die Früchte dürfen nicht zur Fortführung der Landwirtschaft des Vollstreckungsschuldners erforderlich sein und dürfen nach der Trennung vom Boden nicht Zubehör des Grundstücks werden (Nr. 27.1.2.1 Satz 3).

29.4
Nicht nur der Realgläubiger kann gemäß § 29 Abs. 2 VwVG NRW der Pfändung widersprechen. Zu beachten sind auch die gesetzlichen Pfandrechte des Vermieters (§§ 562 ff. BGB), des Verpächters (§§ 592 BGB), des Lieferers von Düngemitteln und Saatgut (vgl. Nr.
24.2.1) und, im Hinblick auf die Verwertbarkeit der Früchte nach der Ernte, das u. U. im Range vorgehende Pfandrecht am Inventar nach dem PachtkredG (vgl. Nr. 24.2.2). Alle diese nicht immer erkennbaren und vorauszusehenden Möglichkeiten, der Pfändung im Rahmen der §§ 8 oder 24 VwVG NRW zu widersprechen, lassen es sinnvoll erscheinen, einen Auftrag zur Pfändung vom Boden noch nicht getrennter Früchte nur in zwingenden Fällen zu geben, in denen überdies die rechtlichen Verhältnisse völlig geklärt sind.

30
Öffentliche Versteigerung, gepfändetes Geld (zu § 30)

30.1
Gepfändetes Geld

30.1.1
Da Geld unmittelbar zur Befriedigung des Gläubigers dienen kann, hat es der Vollziehungsbeamte alsbald an die Vollstreckungsbehörde abzuliefern. Die Vollstreckungsbehörde leitet nach Abzug ihrer Kosten den zustehenden Betrag unverzüglich an den Gläubiger weiter. Ein etwaiger Überschuss ist dem Vollstreckungsschuldner oder dem sonst Berechtigten auszuzahlen.

30.1.2
Als „Geld“ sind nur die umlaufenden Euromünzen und Eurobanknoten zu behandeln, ebenso gültige Wertzeichen, z.B. Briefmarken, Gebührenmarken in größeren Mengen. Ausländische Zahlungsmittel sind dagegen nach § 34 VwVG NRW, ausländisches Hartgeld u. U. nach § 33 VwVG NRW zu behandeln.

30.1.3
Geld wird mit der Pfändung Eigentum des Trägers der Vollstreckungsbehörde. Macht ein Dritter ein die Verwertung hinderndes Recht geltend, so ist er darauf hinzuweisen, dass ihm allenfalls ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zusteht.

30.2
Versteigerungsauftrag

30.2.1
Der Vollziehungsbeamte ist auf Grund seines Pfändungsauftrages nicht schon zur Verwertung der Pfandstücke berechtigt. Er darf sie nur auf Grund eines besonderen schriftlichen Verwertungsauftrages der Vollstreckungsbehörde öffentlich versteigern oder freihändig veräußern. Die Entscheidung über die Art und Weise der Verwertung ist Sache der Vollstreckungsbehörde (vgl. insbes. § 30 und § 37 VwVG NRW).

30.2.2
Die Vollstreckungsbehörde erteilt den Versteigerungsauftrag (oder den Auftrag zur freihändigen Veräußerung der Pfandsachen) regelmäßig durch eine Verfügung, die unter das Pfändungsprotokoll gesetzt wird. Diese Verfügung muss Zeit und Ort der Versteigerung sowie die Person des mit der Versteigerung beauftragten Beamten angeben und etwaige besondere Versteigerungsbedingungen enthalten. Sie muss ferner, wenn später eine Anschlusspfändung vorgenommen worden ist, bestimmen, dass die Versteigerung (der freihändige Verkauf) wegen sämtlicher
im Einzelnen aufzuführender Ansprüche durchzuführen ist, derentwegen die Sachen gepfändet worden sind.

30.2.3
Maßgebend für die Bestimmung von Zeit und Ort der Versteigerung soll die Rücksicht auf die vorteilhafteste Verwertung der gepfändeten Sachen und die Ersparnis von Transportkosten sein. Die Sachen sollen da ausgeboten werden, wo sie voraussichtlich am ehesten Interessenten finden. Kraftfahrzeuge, Maschinen, wertvolle Möbel usw. werden meistens nur in größeren Städten zu annehmbaren Bedingungen abzusetzen sein.

30.2.4
Ein einmal festgesetzter Versteigerungstermin darf vom Vollziehungsbeamten nur unter den Voraussetzungen des § 6 a VwVG NRW aufgehoben werden.

30.3
Abschätzung durch Sachverständige

30.3.1
§ 813 ZPO i. V. m. § 27 VwVG NRW sieht für bestimmte Fälle die Einschaltung eines landwirtschaftlichen Sachverständigen vor. § 30 Satz 2 VwVG NRW macht es dem Vollziehungsbeamten zur Pflicht, Kostbarkeiten durch einen Sachverständigen abschätzen zu lassen. Kostbarkeiten sind nicht nur Gold- und Silbersachen, wertvolle Schmuckstücke und Rohmaterialien (z. B. Perlen, Edelsteine, Platin) sondern auch Kunstwerke, wertvolle Bücher, echte Teppiche, alte Münzen, u. U. eine Briefmarkensammlung u. dgl. Im Zweifel entscheidet die Verkehrsauffassung.

30.3.2
Darüber hinaus empfiehlt sich die Zuziehung eines Sachverständigen auch dann, wenn es sich um andere wertvolle, wenn auch nicht als Kostbarkeiten anzusehende Sachen handelt, z.B. um schwer zu bewertende Maschinen, Kraftfahrzeuge usw. Auch die Vollstreckungsbehörde kann in solchen Fällen einen Sachverständigen einschalten, wenn der vom Vollziehungsbeamten ermittelte Schätzwert ihr zweifelhaft erscheint.

30.3.3
In allen nicht zwingend vorgeschriebenen Fällen soll jedoch ein Sachverständiger nur zugezogen werden, wenn der voraussichtliche Wert des Gegenstandes und die Höhe des beizutreibenden Betrages die zusätzliche Belastung des Vollstreckungsschuldners mit den dadurch entstehenden Kosten rechtfertigen.

30.3.4
Um die Benennung von Sachverständigen ist im Bedarfsfalle die für den Ort der Vollstreckung zuständige Landwirtschaftskammer, Handwerkskammer oder Industrie- und Handelskammer zu bitten.

31
Versteigerungstermin (zu § 31)

31.1
Zeit und Ort der Versteigerung
Vor Ablauf einer Woche seit dem Tage der Pfändung darf die Versteigerung nur unter den in § 31 Abs. 1 VwVG NRW angegebenen Voraussetzungen anberaumt werden. Nach Ablauf dieser Frist kann die Vollstreckungsbehörde unbeschadet des Grundsatzes, dass gepfändete Sachen möglichst rasch verwertet werden sollen, die Verwertung weiter hinausschieben, wenn aus saisonbedingten oder anderen Gründen zu einem späteren Zeitpunkt mit einem höheren Erlös zu rechnen ist. Hinsichtlich des Ortes der Versteigerung hat die Vollstreckungsbehörde freie Hand.
Die Vollstreckungsbehörde muss allerdings damit rechnen, dass der Vollstreckungsschuldner gegen den Verwaltungsakt der Pfändung noch binnen eines Monats Widerspruch einlegt (§ 70 VwGO). Es ist jedoch Sache des Vollstreckungsschuldners, rechtzeitig die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs herbeizuführen.

31.2
Vorbereitung des Termins

31.2.1
Die Vollstreckungsbehörde oder der in ihrem Auftrag mit der Versteigerung betraute Beamte hat bei der in § 31Abs. 2 VwVG NRW vorgeschriebenen öffentlichen Bekanntmachung die geltenden Bestimmungen zu beachten. Die öffentliche Bekanntmachung ist zudem in angemessener Frist und in einer Form zu bewirken, die sich nach Umfang und Bedeutung der Versteigerung richtet. Sofern alternativ mehrere Bekanntmachungsformen zur Verfügung stehen, sollte die Auswahl auch unter Beachtung der Zielsetzung der öffentlichen Versteigerung erfolgen. Etwaigen zusätzlichen Anträgen des Vollstreckungsschuldners oder des Gläubigers ist zu entsprechen, wenn er die jeweiligen Kosten trägt. Der Name des Vollsteckungsschuldners darf in der Bekanntmachung nicht genannt werden.

31.2.2
Vom Versteigerungstermin sind die Beteiligten (Vollstreckungsschuldner, Gläubiger - Anschlusspfändung - Pfandgläubiger (§ 24 VwVG NRW) und ggf. der Eigentümer einer Pfandsache) ausdrücklich zu benachrichtigen. Diese Verpflichtung entfällt, wenn die Betreffenden über den Termin bereits durch Übermittlung des Pfändungsprotokolls unterrichtet wurden (vgl. Nr. 28.6.2, 28.6.4, 30.2.2). Ferner wird sich vielfach, etwa bei Versteigerung von Warenlagern, Schmucksachen, Spezialmaschinen usw., die ausdrückliche Benachrichtigung der interessierten Fachverbände des betreffenden Gewerbes oder eine Bekanntmachung in der Fachpresse empfehlen, um interessierte Käufer zur Teilnahme an der Versteigerung zu veranlassen.

31.2.3
Der Vollziehungsbeamte hat die zu versteigernden Sachen rechtzeitig am Ort der Versteigerung bereitzustellen, also für ihren Transport und ihre ordnungsgemäße Behandlung und Sicherung zu sorgen. Eine rechtzeitige Mitteilung an den Vollstreckungsschuldner über die bevorstehende Abholung der gepfändeten Sachen kann diesen u. U. veranlassen, in letzter Stunde noch die Versteigerung durch Zahlung abzuwenden.

31.2.4
Der Vollziehungsbeamte
prüft anhand des Pfändungsprotokolls und sonstiger Unterlagen sorgfältig, ob die bereitgestellten Sachen vollständig und unversehrt, ferner ob gepfändete Nahrungs- und Genussmittel und andere verderbliche Verbrauchsgegenstände noch unverdorben sind. Im letzteren Falle kann die Zuziehung eines Sachverständigen zweckmäßig sein. Fehlen einzelne Pfandstücke oder ergibt sich, dass sie beschädigt oder verdorben sind, so nimmt der Vollziehungsbeamte hierüber einen Vermerk auf, der dem Versteigerungsauftrag beizufügen ist. Außerdem verständigt er den Vollstreckungsschuldner (mündliche Mitteilung im Versteigerungstermin kann genügen) sowie wegen des Verdachtes von Siegelbruch und anderer strafbarer Handlungen auch die Vollstreckungsbehörde.

32
Versteigerungsverfahren (zu § 32)

32.1
Wenn der Vollstreckungsschuldner im Versteigerungstermin die Begleichung der beizutreibenden Summe einschließlich der Kosten durch Quittung des Gläubigers oder der Vollstreckungsbehörde nachweist (Vorlage des Quittungsabschnitts einer Zahlkarte usw. genügt in diesem Stadium des Verfahrens regelmäßig nicht) oder den vollen Betrag an den mit der Versteigerung beauftragen Beamten zahlt, so hat dieser den Termin aufzuheben und die Freigabe der gepfändeten Sachen durch die Vollstreckungsbehörde zu veranlassen. Wird eine Fristbewilligung der Vollstreckungsbehörde nachgewiesen, so ist der Termin gleichfalls aufzuheben, jedoch unter Aufrechterhaltung der Pfändung.

32.2
Verlauf der Versteigerung

32.2.1
Der Vollziehungsbeamte hat dafür zu sorgen, dass die Versteigerung entsprechend ihrem Wesen als staatlicher Hoheitsakt in angemessenen Formen verläuft.

32.2.2
Nach Eröffnung des Termins hat der Vollziehungsbeamte zunächst die gesetzlichen Versteigerungsbedingungen und die von der Vollstreckungsbehörde oder ihm selbst noch für zweckmäßig gehaltenen zusätzlichen Versteigerungsbedingungen (z.B. Regelung der Rückgabe von leeren Behältern) bekannt zu geben. Er hat insbesondere darauf hinzuweisen, dass der Erwerber keine Gewährleistungsansprüche hat (§ 25 VwVG NRW). Die gesetzlichen Versteigerungsbedingungen ergeben sich im Übrigen aus den §§ 32 - 36 VwVG NRW und aus den in § 32 VwVG NRW für anwendbar erklärten Vorschriften. Da in § 32 VwVG NRW der § 817 a ZPO ausdrücklich ausgenommen ist, finden die sonst üblichen Bestimmungen über das Mindestgebot keine Anwendung. Wegen Gold- und Silbersachen siehe § 33 VwVG NRW.

32.2.3
Die Pfandstücke sollen nach Möglichkeit einzeln, zusammengehörende Stücke, z.B. eine vollständige Zimmereinrichtung oder eine mehrbändige Ausgabe literarischer Werke, jedoch geschlossen ausgeboten werden, sofern nicht bei Ausbietung in Einzelstücken ein höherer Erlös zu erwarten ist. Bei Einzelausgebot von Sachen, die sich zum Gesamtausgebot eignen, kann der Zuschlag davon abhängig gemacht werden, dass bei einem Gesamtausgebot kein höherer Erlös erzielt wird.
Wünsche des Vollstreckungsschuldners hinsichtlich der Reihenfolge des Ausgebots sind möglichst zu berücksichtigen.

32.2.4
Bei jedem Ausbieten ist die im Pfändungsprotokoll enthaltene Angabe des Schätzwertes sowie ggf. das Ergebnis einer Sachverständigenschätzung bekannt zu geben, bei Gold- und Silberwaren außerdem der reine Metallwert.

32.2.5
Bei dem Zuschlag hat der Vollziehungsbeamte unparteiisch zu verfahren. Insbesondere darf er den Zuschlag nicht zu Gunsten eines Bieters übereilen. Von dem Grundsatz, dass eine zugeschlagene Sache nur Zug um Zug gegen Barzahlung dem Erwerber auszuhändigen ist (§ 817 Abs. 2 ZPO), darf der Vollziehungsbeamte nur kraft ausdrücklicher Anordnung der Vollstreckungsbehörde abweichen. Die Bezahlung mit Scheck ist nicht als Barzahlung zu behandeln.

32.2.6
Sobald der Erlös der Versteigerung unter Hinzurechnung etwa geleisteter Teilzahlungen die beizutreibende Gesamtsumme deckt, ist die weitere Versteigerung unter Freigabe der übrigen Pfandstücke einzustellen (§ 818 ZPO). Reicht der Erlös dagegen nicht aus, ist dem Vollstreckungsschuldner Gelegenheit zu geben, bisher noch nicht gepfändete Sachen von angemessenem Wert für die Versteigerung noch zur Verfügung zu stellen, um eine spätere Fortsetzung des Zwangsverfahrens und die dadurch neu entstehenden Kosten abzuwenden.

32.3
Beteiligung am Bieten

32.3.1
Gläubiger, Vollstreckungsschuldner und Eigentümer der Pfandsachen dürfen sich am Bieten beteiligen. Das Gebot der beiden letzteren darf aber zurückgewiesen werden, wenn nicht gleichzeitig der gebotene Betrag in bar hinterlegt wird. Erhält der Vollstreckungsschuldner den Zuschlag, so darf der Vollziehungsbeamte den versteigerten Gegenstand sofort wieder pfänden, wenn durch den Zuschlag volle Befriedigung noch nicht erreicht ist.

32.3.2
Weder dem Vollziehungsbeamten, der die Pfändung durchgeführt hat oder die Versteigerung leitet, noch seinen Gehilfen und seinen Angehörigen ist es gestattet, mit zu bieten oder andere für sich bieten zu lassen (vgl. § 450 BGB). Ein Verstoß gegen dieses Verbot stellt eine Amtspflichtverletzung dar und macht den Erwerb ungültig. Um jeden Anschein zu vermeiden, sollen alle Dienstkräfte der Vollstreckungsbehörde, die dienstlich mit dem laufenden Zwangsverfahren zu tun hatten oder haben, sich jeder Beteiligung an der Versteigerung enthalten.

32.4
Versteigerung bestimmter Waren

32.4.1
Bei der Übergabe eines versteigerten Kraftfahrzeuges ist dem Erwerber auch der Fahrzeugbrief auszuhändigen oder, wenn der Vollziehungsbeamte diesen noch nicht an sich genommen hat, eine entsprechende Bescheinigung auszustellen.

32.4.2
Zollpflichtige oder verbrauchssteuerpflichtige Erzeugnisse oder Waren, für die der Zoll oder die Verbrauchssteuer noch nicht entrichtet sind, soll der Vollziehungsbeamte dem Ersteher erst aushändigen, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass die Zoll- oder Steuerverpflichtungen erfüllt sind oder ihre Erfüllung ausreichend gewährleistet ist (vgl. Nr. 37.2).

33
Gold- und Silbersachen (zu § 33)

33.1
Der Gold- und Silberwert ist regelmäßig durch den nach § 30 Satz 2 VwVG NRW zu hörenden Sachverständigen festzustellen. Seine Zuziehung erübrigt sich jedoch bei Gold- und Silbersachen, die keinen Kunstwert, sondern ausschließlich einen Metallwert haben, der nach dem Gewicht auch vom Vollziehungsbeamten ermittelt werden kann. Platin und Platinmetalle sind entsprechend zu behandeln.

33.2
Die Anordnung des freihändigen Verkaufs ist Sache der Vollstreckungsbehörde.

34
Wertpapiere (zu § 34)

34.1
Wertpapiere sind Urkunden, in denen ein Recht so verbrieft ist, dass es sich nur aus ihnen ergibt und ihr Besitz zur Ausübung des Rechtes notwendig ist. Dazu gehören
a) Inhaber- und Namenspapiere, z. B. Aktien, Pfandbriefe, Schuldverschreibungen und Grund- und Rentenschulden, die auf den Inhaber lauten, Zinsscheine, Gewinnanteilscheine, ausländische Banknoten;
b) Orderpapiere, z. B. Wechsel, kaufmännische Anweisungen, Konnossemente, Lagerscheine, Ladescheine.

34.2
§ 34 VwVG NRW gilt nicht
a) für Wechsel und andere indossable Papiere, durch deren Wegnahme gemäß § 42 VwVG NRW nicht das Papier als solches, sondern die aus dem Papier sich ergebende Forderung gepfändet worden ist;
b) für Legitimationspapiere, d. h. Urkunden, die nicht Träger eines Rechts sind, auch wenn ein solches in ihnen verbrieft ist, bei denen also das Recht am Papier dem Recht aus dem Papier folgt; dazu gehören die meisten Sparkassenbücher (vgl. aber Nr
. 40.4.2, 40.4.3), Pfandscheine, Versicherungsscheine, Hypothekenbriefe, Grund- und Rentenschuldbriefe, die nicht auf den Inhaber lauten, ferner reine Beweisurkunden wie Schuldscheine, GmbH-Anteilscheine u. a.;
c) für Bankkonten und Schecks sowie für Wertzeichen, die hinsichtlich der Pfändung und Verwertung wie Bargeld zu behandeln sind (vgl. Nr.
30.1.2).

34.3
Wertpapiere, die an einer Börse amtlich notiert werden, sollen grundsätzlich nur durch ein Kreditinstitut oder einen zugelassenen Makler verkauft werden. Die in § 31 VwVG NRW vorgesehene Wochenfrist gilt hier zwar nicht, doch empfiehlt es sich, den Zeitpunkt des Verkaufs von der Wahrscheinlichkeit einer möglichst günstigen Verwertung abhängig zu machen und insoweit auch die Vorschläge des Vollstreckungsschuldners zu berücksichtigen.
Beim Verkauf oder der Versteigerung von Namenspapieren ist § 36 VwVG NRW zu beachten.

35
Früchte auf dem Halm (zu § 35)

35.1
Regelmäßig sollen Früchte, die gemäß § 29 VwVG NRW „auf dem Halm“ gepfändet wurden, erst nach der wirklichen Reife, aber noch vor der Ernte versteigert werden, so dass die Ernte Sache des Erstehers sein wird. Aus besonderen Gründen, vor allem aus Gesichtspunkten der bestmöglichen Verwertung, kann aber die Vollstreckungsbehörde anordnen, dass die Früchte noch vor der Versteigerung abzuernten sind. In diesem Falle hat der Vollziehungsbeamte die Aberntung durch den Vollstreckungsschuldner oder eine Hilfsperson zu veranlassen und diese dabei so weit zu beaufsichtigen, als erforderlich ist, um den Ertrag der Ernte mit Sicherheit festzustellen. Er hat auch dafür zu sorgen, dass die geernteten Früchte bis zur Versteigerung sicher untergebracht und verwahrt werden.

35.2
Sind die Früchte erst unmittelbar vor der Reife gepfändet worden (vgl. Nr. 29.3.2), ist die Wochenfrist nach § 31 VwVG NRW zu beachten.

36
Namenspapiere (zu § 36)

36.1
Die Vollstreckungsbehörde ist verpflichtet, dem Käufer oder Ersteher eines gepfändeten Wertpapiers auch das Eigentum am Papier und damit das Recht aus dem Papier zu verschaffen. Der Käufer oder Ersteher hat daher einen Rechtsanspruch darauf, dass die Vollstreckungsbehörde von der in § 36 VwVG NRW enthaltenen Ermächtigung Gebrauch macht, soweit es sich um Namenspapiere handelt, weil er sonst mit dem ihm übergebenen Papier nichts anfangen kann.

36.2
Die Vollstreckungsbehörde, die ein auf den Namen lautendes Wertpapier veräußert oder versteigert hat, muss es dem Erwerber nicht nur übergeben, sondern es auch auf seinen Namen umschreiben lassen. Das geschieht entweder durch Indossament oder durch die übliche Abtretungserklärung. Diese ist auf die Rückseite des Papiers oder eine damit zu verbindende Anlage zu setzen und hätte etwa folgendermaßen zu lauten:

Auf Grund Zuschlags im Versteigerungstermin vom ......................, abgetreten an Herrn ..........................
in ...................................................................................................
...................................................., den ................................ 20........
(Vollstreckungsbehörde)
I. A.
...........................................................................................................

Bei Namensaktien ist gemäß §§ 67, 68 AktG die Umschreibung im Aktienbuch auf den Erwerber zu veranlassen.

36.3
Handelt es sich um ein ursprüngliches Inhaberpapier, das erst später auf den Namen des Vollstreckungsschuldners umgeschrieben ist (z.B. § 24 AktG, § 806 BGB), so hat die Vollstreckungsbehörde, bevor sie das Papier verkauft oder versteigern lässt, bei der zuständigen Stelle, z.B. bei dem Vorstand einer Aktiengesellschaft, die Rückverwandlung in ein Inhaberpapier zu erwirken, indem sie die hierzu erforderlichen Erklärungen des Vollstreckungsschuldners an seiner Stelle abgibt.
Streng zu beachten ist, dass Orderpapiere der in § 42 VwVG NRW genannten Art nicht durch Versteigerung verwertet werden dürfen. Hier ist vielmehr die durch Wegnahme des Papiers gepfändete verbriefte Forderung unmittelbar vom Gläubiger einzuziehen (vgl. Nr. 42.2).

37
Andere Verwertung (zu § 37)

37.1
Die §§ 30 – 36 VwVG NRW werden von dem Grundsatz beherrscht, dass Pfandsachen nicht vor Ablauf einer Woche seit der Pfändung, dann aber unverzüglich, regelmäßig durch den zuständigen Vollziehungsbeamten öffentlich zu versteigern sind (Ausnahmen in den §§ 33 oder 34 VwVG NRW). § 37 VwVG NRW gibt der Vollstreckungsbehörde die Ermächtigung, nach ihrem eigenen Ermessen - ein Antrag ist nicht Voraussetzung - von diesem Grundsatz abzuweichen und anzuordnen, dass die Pfandsachen
a) aus freier Hand zu verkaufen sind (mit und ohne Ausschreibung),
b) durch einen Auktionator, einen Börsenmakler oder eine sonst fachlich besonders geeignete Person veräußert werden,
c) durch einen anderen Beamten oder eine dritte Person oder auch gemeinsam durch den Vollziehungsbeamten und einen Dritten (z. B. einen Kunsthändler) zu versteigern sind; im letzteren Falle sind die Obliegenheiten beider im Versteigerungsauftrag genau abzugrenzen,
d) erst zu einem späteren Zeitpunkt als üblich oder in einer anderen Gemeinde als der, in der sie gepfändet wurden, veräußert oder versteigert werden sollen,
e) über das Internet versteigert werden.

Maßgebend für diese Entscheidung dürfen nur besondere Zweckmäßigkeitsgründe sein, vor allem die Erwägung, dass durch die abweichende Regelung eine günstigere Verwertung der Pfandsachen erzielt werden kann, was nicht nur dem Gläubiger, sondern auch dem Vollstreckungsschuldner zugute kommt. Dies ist auch dann anzunehmen, wenn bei einer Versteigerung nicht mehr als der handelsübliche Marktpreis zu erzielen wäre, durch den freihändigen Verkauf aber wenigstens Kosten erspart werden können.

37.2
Bei Pfandsachen, die Zollgut darstellen oder zu bestimmten Warengruppen gehören (z. B. Branntwein, Tabakblätter, Tabak-Halberzeugnisse, Zigarettenpapier, Süßstoff, gewisse Arzneimittel, Zucker, Salz, Kaffee, Tee), hat die Vollstreckungsbehörde die Bestimmungen in §§ 90 und 91 der Gerichtsvollzieherordnung sinngemäß zu beachten. Teilweise ist hier eine Benachrichtigung des zuständigen Zollamtes, der Branntweinmonopolverwaltung oder anderer Dienststellen vorgesehen. Bestimmte Erzeugnisse dürfen nur einem begrenzten Personenkreis angeboten, also nicht öffentlich versteigert werden. Andere Waren dürfen nur mit Genehmigung der zuständigen Dienststellen, z.B. der Branntweinmonopolverwaltung, und zu den von ihr festgesetzten Bedingungen verwertet werden. Die Vollziehungsbeamten sind über diese Sonderbestimmungen genau zu belehren.

37.3
Versteigerung von Pfand- und Sicherungsgut im Internet
§ 37 VwVG NRW eröffnet auch die Möglichkeit, die Versteigerung über das Internet vorzunehmen (z. B. www.zoll-auktion.de). Auch dies stellt eine besondere Form der Verwertung i. S. d. § 37 VwVG NRW dar. Die Versteigerung im Internet muss gemäß § 31 Abs. 2 VwVG NRW öffentlich bekannt gemacht werden. Ein ständiger Aushang im Dienstgebäude, mit den wichtigsten Informationen zur Versteigerung im Internet, reicht hierzu aus. Die Versteigerung im Internet ist jedoch nur zulässig, wenn sie jederzeit eingestellt werden kann (§ 6 a VwVG NRW).

Das angebotene Pfandgut muss detailliert beschrieben werden, auf etwaige Mängel oder Gebrauchsspuren ist hinzuweisen. Mit dem Angebotstext soll auch ein Foto der Pfandsache und ggf. ein erstelltes Wertgutachten veröffentlicht werden. Da eine Besichtigung des Pfandgutes (vergleichbar einer Versteigerung vor Ort) regelmäßig nicht in Betracht kommt, ist der Beschreibung und dem Foto der Pfandsache besondere Bedeutung beizumessen. Grundsätzlich sollte interessierten Bietern jedoch die Möglichkeit der Inaugenscheinnahme des Pfandgutes am Aufbewahrungsort angeboten werden. Folgende Angaben sind des Weiteren im Angebotstext erforderlich:
- Mindestgebot,
- Versandart und -kosten, sofern das Pfandgut für den Versand geeignet ist,
- Abholort,
- Ansprechpartner mit Telefonnummer, E-Mailadresse und Sprechzeiten und
- ggf. Abholzeitraum von vier Wochen nach Beendigung der Versteigerung, falls das Pfandgut nicht für den Versand geeignet ist oder die persönliche Abholung grundsätzlich möglich sein soll.

Im Übrigen ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es sich um die Versteigerung von Pfandgut handelt und die Versteigerung jederzeit nach § 6 a VwVG NRW eingestellt werden kann.
Der Versand oder die Abholung der ersteigerten Sache ist nur nach vorheriger Zahlung des Gebotspreises und ggf. der Versandkosten zulässig. Holt der Bieter die ersteigerte Sache persönlich ab, so hat er sich durch Vorlage seiner Personalpapiere auszuweisen und die Benachrichtigung (E-Mail) über das Höchstgebot vorzulegen. Den Empfang des ersteigerten Pfandguts hat er in der Niederschrift zu bestätigen.
Die Auslagen für die Versteigerung im Internet sind Kosten der Vollstreckung und vom Vollstreckungsschuldner zu tragen.
Wird das ersteigerte Pfandgut nicht innerhalb von vier Wochen nach Beendigung der Versteigerung abgeholt, kann eine erneute Versteigerung oder andere Art der Verwertung erfolgen.

38
Anschlusspfändung (zu § 38)

38.1
Voraussetzungen
Sachen, die bereits für andere Gläubiger gepfändet sind, sei es durch den Vollziehungsbeamten selbst oder durch einen anderen Vollziehungsbeamten oder einen Gerichtsvollzieher, soll der Vollziehungsbeamte nur dann pfänden, wenn
a) andere zur Befriedigung der beizutreibenden Forderungen ausreichende pfändbare Sachen nicht vorgefunden werden. In diesem Fall ist die Anschlusspfändung geboten ohne Rücksicht darauf, ob nach Befriedigung der vorgehenden Gläubiger aus der ersten Pfändung noch ein Überschuss zu erwarten ist;
b) die Vollstreckungsbehörde die Anschlusspfändung ausdrücklich angeordnet hat;
c) der Vollziehungsbeamte aus besonderen Gründen die Anschlusspfändung für aussichtsreicher hält als die Pfändung anderer noch nicht gepfändeter Sachen im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners.

38.2
Formen der Anschlusspfändung

38.2.1
Der Vollziehungsbeamte kann die Anschlusspfändung in der Weise wirksam vornehmen, dass er die in § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW vorgesehene Erklärung in die Niederschrift aufnimmt. In diesem Falle braucht er die Pfandsache weder in Besitz zu nehmen noch ein Pfandzeichen an ihr anzubringen. Er braucht dazu nicht einmal die Wohnung des Gewahrsamsinhabers aufzusuchen. Da die vereinfachte Form der Anschlusspfändung aber zu ihrer Wirksamkeit eine formell noch gültige Erstpfändung voraussetzt, ist sie nur in den Fällen unbedenklich, in denen der Vollziehungsbeamte selbst die Erstpfändung vorgenommen hat.

38.2.2
Der Vollziehungsbeamte kann die Anschlusspfändung aber auch in den Formen einer Erstpfändung vollziehen (Nr. 28.3). Dies empfiehlt sich in allen Fällen, in denen irgendwelche Zweifel hinsichtlich der Gültigkeit der Erstpfändung bestehen. Insbesondere ist trotz des Vorhandenseins von Pfandsiegelmarken oder einer Pfandanzeige u. U. damit zu rechnen, dass die Pfandsachen vom erstpfändenden Gläubiger bereits freigegeben sind, der Vollstreckungsschuldner aber die Pfandsiegel zur Täuschung anderer Gläubiger absichtlich nicht entfernt hat.

38.3
Mitteilungspflicht

38.3.1
Die Anschlusspfändung ist dem Vollstreckungsschuldner vom Vollziehungsbeamten mündlich, fernmündlich oder schriftlich mitzuteilen. Wegen Erteilung einer Abschrift des Protokolls an den Vollstreckungsschuldner (vgl. Nr. 28.6.4).

38.3.2
Die Vollstreckungsbehörde hat in jedem Falle eine Abschrift des Protokolls über die Anschlusspfändung den an den vorhergehenden Pfändungen beteiligten Vollstreckungsbehörden und Gerichtsvollziehern förmlich zuzustellen (siehe Landeszustellungsgesetz NRW), und zwar auch dann, wenn die Anschlusspfändung in der Form einer Erstpfändung durchgeführt worden ist. Die unverzügliche Benachrichtigung der genannten Stellen ist in jedem Falle deshalb besonders wichtig, weil anders der neue Gläubiger und seine Vollstreckungsbehörde nicht erwarten können, über die Anberaumung von Versteigerungsterminen und andere Vollstreckungsmaßnahmen auf Grund der vorhergehenden Pfändungen unterrichtet und an der Befriedigung aus dem Erlös beteiligt zu werden.

38.3.3
Die Mitteilung an den Vollstreckungsschuldner (Nr. 38.3.1) und die Zustellungen (Nr. 38.3.2) sind zwar keine Voraussetzungen für die Rechtswirksamkeit der Anschlusspfändung. Werden sie aber unterlassen, so machen sich die Vollstreckungsbehörde und der Vollziehungsbeamte unter Umständen gegenüber dem Gläubiger schadenersatzpflichtig.

38.4
Erstreckt sich die Anschlusspfändung auf Pfandsachen im Gewahrsam eines Dritten, so ist zur Anschlusspfändung nach heute herrschender Meinung seine Zustimmung erforderlich.

38.5
Durch die Anschlusspfändung wird für den Gläubiger ein selbständiges Pfändungspfandrecht begründet. Er und seine Vollstreckungsbehörde können nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 VwVG NRW alles tun, um die kraft der Erstpfändung zuständige Vollstreckungsbehörde zum Handeln zu veranlassen, selbst wenn diese zunächst die Vollstreckung nicht weiter betreiben will, etwa weil der Gläubiger der Erstpfändung Stundung bewilligt hat.

39
Mehrfache Pfändung (zu § 39)

39.1
Die Versteigerung einer mehrfach gepfändeten Sache kann nur diejenige Vollstreckungsbehörde oder derjenige Gerichtsvollzieher anordnen, welche die Erstpfändung veranlasst haben. Bei der Bewertung der Pfandsachen sind die Interessen aller beteiligten Gläubiger nach Maßgabe ihres Rangverhältnisses oder abweichender Vereinbarungen zu wahren. Die für die Erstpfändung zuständige Vollstreckungsbehörde (der zuständige Gerichtsvollzieher) hat sich daher nicht einseitig nur nach den Wünschen oder Weisungen des Erstgläubigers zu richten, sondern die Anträge und Anregungen aller Gläubiger bei der Entscheidung über die Versteigerung oder sonstige Verwertung der Pfandsache angemessen zu berücksichtigen (Absatz 2). Gegenüber etwa beteiligten privaten Pfandgläubigern hat die Vollstreckungsbehörde dieselben Pflichten wie der Gerichtsvollzieher.

39.2
Der Versteigerungsauftrag oder der Auftrag zum freihändigen Verkauf, den die zuständige Vollstreckungsbehörde ihrem Vollziehungsbeamten erteilt, muss die ausdrückliche Anordnung enthalten, dass die Pfandsache zur Befriedigung aller, im
Einzelnen genau aufzuführenden Ansprüche, deretwegen sie mehrfach gepfändet worden ist, verwertet werden soll. Um nichts zu versäumen, hat sich daher die versteigernde Stelle nicht mit den gemäß § 38 Abs. 2 VwVG NRW ihr zugegangenen Mitteilungen über Anschlusspfändungen zu begnügen, sondern sich, falls nötig, von allen Beteiligten ergänzende Unterlagen übermitteln zu lassen.

39.3
Der Erlös ist auch dann gemäß § 39 Abs. 3 VwVG NRW zu verteilen, wenn er zur Deckung aller Ansprüche nicht ausreicht. Hinterlegung des Erlöses und gerichtliches Verteilungsverfahren hat die zuständige Vollstreckungsbehörde immer dann zu veranlassen, wenn sich die beteiligten Gläubiger, Vollstreckungsbehörden und Gerichtsvollzieher über die Reihenfolge der Befriedigung streiten.
Das gerichtliche Verteilungsverfahren kommt jedoch nicht in Frage, wenn mehrfache Pfändungen zwar für mehrere Gläubiger oder durch verschiedene Vollziehungsbeamte, jedoch im Auftrage derselben Vollstreckungsbehörde vorgenommen worden sind. In solchen Fällen bestimmt die Vollstreckungsbehörde den für die Versteigerung zuständigen Vollziehungsbeamten und entscheidet selbst über die Verteilung des Erlöses. Den Beteiligten bleibt die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde oder der formellen Rechtsbehelfe.

3.
Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte

40
Pfändung einer Geldforderung (zu § 40)

40.1
Voraussetzungen und Zuständigkeiten

40.1.1
Die Vollstreckungsbehörde soll eine Forderung im Allgemeinen erst dann pfänden, wenn sie die begründete Annahme hat, dass
a) die Forderung zu Recht besteht und
b) ihrer Verwertung Pfändungsbeschränkungen und Vollstreckungsschutzbestimmungen nicht entgegenstehen (§ 48 VwVG NRW).

Die vorherige Anhörung des Vollstreckungsschuldners ist zwar nicht, wie in § 834 ZPO, ausdrücklich ausgeschlossen. Sie wird aber in der Regel nicht in Betracht kommen, da der Vollstreckungsschuldner sonst durch rasche Einziehung oder Abtretung der Forderung die Pfändung vereiteln könnte.

40.1.2
§ 40 Abs. 3 VwVG NRW stellt klar, dass die Vollstreckungsbehörde die Rechtsmacht hat, durch eigene Verfügung Geldforderungen im gesamten Territorium des Landes NRW zu pfänden. Sie kann daher auch dann eine Pfändungsverfügung erlassen, wenn der Schuldner und/oder der Drittschuldner sich außerhalb ihres „territorialen Zuständigkeitsbereichs“ aufhält. Sie muss sich dazu nicht der Amtshilfe einer „örtlich zuständigen“ nordrhein-westfälischen Vollstreckungsbehörde bedienen. Sie kann dem Drittschuldner die Pfändungsverfügung auch außerhalb ihres Bezirks im Wege der Postzustellung wirksam selbst zustellen. Eine andere Vollstreckungsbehörde braucht nur eingeschaltet zu werden, wenn zum Beispiel aus besonderen Gründen Wert auf die persönliche Zustellung gegen Empfangsbekenntnis gelegt wird.

40.1.3
Länderübergreifende Forderungspfändung (§ 40 Abs. 4)
Das nordrhein-westfälische Verwaltungsvollstreckungsgesetz hat Rechtswirkungen grundsätzlich nur innerhalb des Territoriums des Landes NRW. Entsprechendes gilt für die jeweiligen Verwaltungsvollstreckungsgesetze der anderen Länder. Es besteht aber ein Bedürfnis nach länderübergreifender Forderungspfändung. Um dies zu ermöglichen, haben die Länder vereinbart, jeweils eine dem § 40 Abs. 4 VwVG NRW entsprechende Regelung zu schaffen.
§ 40 Abs. 4 a) VwVG NRW bewirkt, dass auch die außerhalb des Landes NRW erlassene Pfändungsverfügung in NRW wirksam ist und hier auch wirksam zugestellt werden kann. Daher muss jeder Vollstreckungsschuldner oder Drittschuldner im Lande Nordrhein-Westfalen auch die Zustellung einer Pfändungsverfügung durch eine Vollstreckungsbehörde eines anderen Bundeslandes unmittelbar gegen sich gelten lassen.
§ 40 Abs. 4 b) VwVG NRW bezieht sich auf den umgekehrten Fall. Diese Bestimmung bewirkt, dass nordrhein-westfälische Vollstreckungsbehörden länderübergreifende Forderungspfändungen selbst erlassen und ihre Zustellung im Wege der Postzustellung bewirken können, wenn in dem Land, in dem zugestellt werden soll, eine dem § 40 Abs. 4 entsprechende Regelung besteht (wie zzt. schon in Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Thüringen). Solange das Recht anderer Bundesländer dies nicht zulässt, ist nach den Vorschriften über die Amtshilfe (§§ 4 bis 8 VwVfG NRW) zu verfahren.

40.2
Die Pfändungsverfügung

40.2.1
Die Pfändungsverfügung ergeht schriftlich. Es handelt sich hier um ein gesetzliches Schriftformerfordernis. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, dass die Verfügung den Betroffenen inhaltlich eindeutig und in beweisgeeigneter Form vorliegt.
Das neue Zustellungsrecht unterscheidet nicht mehr zwischen Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift bzw. Durchschrift. Daher haben derartige Differenzierungen im Rahmen des § 40 VwVG NRW keine Bedeutung mehr. Auch eine Unterschrift ist nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Pfändungsverfügung. Vergleiche hierzu § 37 VwVfG NRW.

40.2.2
Die Pfändungsverfügung muss enthalten:
a) die Bezeichnung des Gläubigers und der Forderung, deretwegen die Zwangsvollstreckung betrieben wird, nach Art, Höhe und Zeitraum (beachte Nr. 40.2.3 Buchstabe j). Das Steuergeheimnis kann durch Mitteilung dieser Forderung an den Drittschuldner nicht verletzt werden, da die Mitteilung insoweit nicht „unbefugt" ist (§ 30 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 c KAG),
b) den Betrag der beizutreibenden Kosten,
c) die Bezeichnung der zu pfändenden Forderung unter genauer Angabe des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (z.B. Gehaltsansprüche aus dem „Dienst-/Arbeitsverhältnis..."; nicht „Forderung aus Kaufvertrag", sondern: „Ansprüche aus dem Kaufvertrag vom ... über einen Schrank" oder „Forderung aus dem Verkauf eines Kraftwagens (Marke)"; nicht „Forderung aus Vermietung", sondern „Forderung aus der Vermietung eines Zimmers - einer ... Zi.-Wohnung im Hause...") mit dem Ausspruch, dass diese Forderung wegen der zu 1. und zu 2. angegebenen Beträge gepfändet wird,
d) das an den Drittschuldner zu richtende Verbot, an den Vollstreckdungsschuldner zu zahlen,
e) das an den Vollstreckungsschuldner zu richtende Gebot, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten,
f) die Erklärung, dass der Gläubiger die gepfändete Forderung zur Befriedigung seiner Ansprüche einziehen kann; diese Erklärung kann auch nachgeholt werden (vgl. Nr. 40.2.7).

40.2.3
Die Pfändungsverfügung soll ferner enthalten:
g) die Aufforderung an den Drittschuldner, binnen zwei Wochen die in § 45 Abs. 1 VwVG NRW vorgesehene Erklärung abzugeben (§ 45 Abs. 2 VwVG NRW);
h) die Aufforderung an den Drittschuldner, die von ihm geschuldete Geldsumme bis zur Höhe der beizutreibenden Beträge bei Eintritt der Fälligkeit unmittelbar an die Vollstreckungsbehörde (genaue Bezeichnung der Vollstreckungsbehörde und vollständige Kontoverbindung angeben) oder den Gläubiger  zu bezahlen (beachte jedoch Nr. 40.2.4);
i) die Aufforderung, das erforderlichenfalls angegebene Buchungszeichen oder ein entsprechendes Merkmal, unter dem die beizutreibende Forderung in den Büchern des Gläubigers offen steht, bei der Zahlung anzugeben.
j) Die an den Drittschuldner zuzustellende Pfändungsverfügung soll weiterhin den beizutreibenden Geldbetrag in einer Summe ohne Angabe des Schuldgrundes bezeichnen (§ 40 Abs. 1 Satz 5 VwVG NRW). Diese Sollvorschrift erlaubt, in atypischen Fällen von der Verwirklichung der gesetzlichen Rechtsfolge abzusehen. So ist es der Vollstreckungsbehörde erlaubt, die Vorrechte bestimmter Ansprüche des Gläubigers, z. B. bei einer öffentlichen Grundstückslast nach dem Gesetz über die Pfändung von Miet- und Pachtzinsforderungen wegen Ansprüchen aus öffentlichen Grundstückslasten (MietPfG) auch in der dem Drittschuldner zuzustellenden Pfändungsverfügung spezifiziert anzugeben.

40.2.4
Die vorstehend unter Buchstabe h vorgesehene Zahlungsaufforderung ist nicht in die Pfändungsverfügung aufzunehmen, wenn der Drittschuldner nur gegen Aushändigung oder Vorlage einer über die Forderung ausgestellten Urkunde, z.B. eines Sparkassenbuches, zur Zahlung verpflichtet ist. In diesem Falle hat sich vielmehr der Gläubiger oder in seinem Auftrage die Vollstreckungsbehörde erst in den Besitz der Urkunde zu bringen, um dann auf Grund der Einziehungsermächtigung (Nr. 40.2.2 Buchstabe f) unter Vorlage der Urkunde die Zahlung zu verlangen (vgl. Nr. 40.4.2 und Nr. 40.4.3). Die Aufforderung zur Herausgabe der Urkunde kann in die Verfügung aufgenommen werden.

40.2.5
Die Wirksamkeit der Pfändung hängt nur von der förmlichen Zustellung der Verfügung an den Drittschuldner ab. Sind mehrere Drittschuldner vorhanden, so ist die Verfügung an jeden einzeln zuzustellen. Zu beachten ist in diesem Falle, dass die Pfändung, wenn mehrere Drittschuldner gemeinschaftlich zur gesamten Hand zur Leistung verpflichtet sind (z. B. Miterben, Gesellschafter nach § 707 BGB), erst mit der Zustellung an den letzten wirksam wird. Haben dagegen mehrere Drittschuldner die Forderung als Gesamtschuldner zu erfüllen, so wird die Pfändung jedem einzelnen gegenüber mit der Zustellung an ihn wirksam.
Die Zustellung an den Drittschuldner soll nicht durch Einschreiben geschehen, da sonst die Gefahr besteht, dass der Drittschuldner innerhalb der Dreitagefrist nach Landeszustellungsgesetz durch sofortige Zahlung an den Vollstreckungsschuldner die Pfändung vereitelt.

40.2.6
Die Zustellung oder anderweitige Bekanntgabe an den Vollstreckungsschuldner ist zwar nicht Voraussetzung für das Wirksamwerden der Pfändung. Sie ist aber unerlässlich, weil die Pfändungsverfügung auch das an den Vollstreckungsschuldner gerichtete Gebot, sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten, enthält. Dieser Verwaltungsakt muss ihm bekannt gegeben werden. Die Bekanntgabe wird nicht ersetzt durch die in § 40 Abs. 1 letzter Satz VwVG NRW vorgeschriebene Mitteilung über die Zustellung an den Drittschuldner, sie kann aber mit ihr verbunden werden.
Auf keinen Fall sollte die Pfändungsverfügung dem Vollstreckungsschuldner vor dem Drittschuldner bekannt gegeben werden. Der Vollstreckungsschuldner kann sonst durch Abtretung, der Drittschuldner durch - noch zulässige - Zahlung an den Vollstreckungsschuldner den Erfolg der Pfändung vereiteln.

40.2.7
Die in Nr. 40.2.2 unter Buchstabe f erwähnte Erklärung
„der vorstehend bezeichnete Gläubiger kann die Forderung, soweit sie gepfändet ist, bis zum angegebenen Gesamtbetrag zuzüglich monatlich ...... v. H. weitere Säumniszuschläge einziehen“
berücksichtigt in ihrem Wortlaut den Umstand, dass im Verwaltungszwangsverfahren die Vollstreckungsbehörde meistens ein Organ oder eine Dienststelle des Gläubigers ist und als solche nicht sich selbst eine Forderung überweisen kann. Die Erklärung hat aber dieselbe Wirkung wie die sonst übliche „Überweisung zur Einziehung“ (vgl. § 44 Abs. 1 VwVG NRW).

40.3
Wirkungen der Pfändungsverfügung

40.3.1
Der Vollstreckungsgläubiger ist auf Grund des Ausspruches, dass er die Forderung auch einziehen kann (§ 40 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW) befugt, die Gläubigerrechte des Vollstreckungsschuldners gegen den Drittschuldner im eigenen Namen und für eigene Rechnung geltend zu machen. Er hat aber keine größeren Rechte, als sie dem Vollstreckungsschuldner zustehen. Insbesondere kann er die Forderung nicht im Verwaltungszwangsverfahren beitreiben. Er muss sie vielmehr notfalls vor demselben Gericht einklagen, vor dem auch der Vollstreckungsschuldner klagen müsste - u. U. also auch vor dem Arbeitsgericht - und dabei nach § 841 ZPO dem Vollstreckungsschuldner den Streit verkünden. Im Übrigen darf er, um die Leistung des Drittschuldners herbeizuführen, die Forderung kündigen, gegen eigene Verbindlichkeiten aufrechnen, vereinbarte Gegenleistungen bewirken, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen, bei zivilrechtlichen Forderungen etwa vorhandene Vollstreckungstitel auf sich umschreiben lassen, einen hinterlegten Betrag erheben, die Leistung in Empfang nehmen und darüber quittieren.
Der Vollstreckungsgläubiger ist nicht befugt zu Maßnahmen, welche die Gläubigerrechte des Vollstreckungsschuldners beeinträchtigen, ohne der Tilgung der beizutreibenden Forderung zu dienen. Er darf also weder Stundung noch sonstige Zahlungserleichterungen ohne Einwilligung des Vollstreckungsschuldners gewähren noch Vergleiche abschließen noch durch Abtretung oder Erlass über die Forderung verfügen, es sei denn, dass er die Forderung auf seine Forderung gegen den Vollstreckungsschuldner anrechnen lässt.
Der Vollstreckungsgläubiger oder die von ihm mit der Einziehung beauftragte Vollstreckungsbehörde ist verpflichtet, die gepfändete Forderung ohne Verzögerung beizutreiben und zu diesem Zweck sich einen vollstreckbaren Titel zu verschaffen. Er haftet dem Vollstreckungsschuldner für jeden aus einer Verzögerung sich etwa ergebenden Ausfall.

40.3.2
Der Vollstreckungsschuldner ist verpflichtet, seine Gläubigerrechte nicht zum Nachteil des Vollstreckungsgläubigers auszuüben. Trotz dem weitergehenden Wortlaut des Gesetzes (Satz 1: „jeder Verfügung“) ist er berechtigt, Maßnahmen zu treffen, die der Erhaltung der Forderung und damit seinen und des Gläubigers Interessen in gleicher Weise dienen. Er kann also vom Gläubiger und der Vollstreckungsbehörde nicht gehindert werden, eine gepfändete noch nicht fällige Forderung zu kündigen, den Arrest gegen den Drittschuldner zu beantragen und die Forderung im Insolvenz- oder Zwangsversteigerungsverfahren anzumelden.

40.3.3
Der Drittschuldner kann, sobald die Pfändung und das Recht des Gläubigers zur Einziehung ihm durch Zustellung bekannt gegeben worden sind, mit befreiender Wirkung nur noch an den Gläubiger leisten. Eine Zahlung an den Vollstreckungsschuldner ist ausnahmsweise jedoch dann wirksam, wenn der Drittschuldner nachweisbar von dem Zahlungsverbot keine Kenntnis hatte, z.B. bei Ersatzzustellung (§§ 407, 1275 BGB). Die Vollstreckungsbehörde hat deshalb besonderen Wert darauf zu legen, dass die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner persönlich zugestellt wird. Der Drittschuldner kann gegenüber der Forderung mit eigenen Forderungen gegen den Gläubiger aufrechnen, sich jedoch nicht mehr durch Hinterlegung befreien, es sei denn, dass mehrfache Pfändung vorliegt (§ 49 VwVG NRW).

40.4
Pfändung in besonderen Fällen

40.4.1
Auch Forderungen des Vollstreckungsschuldners gegen den Gläubiger selbst können durch diesen gepfändet werden. Das empfiehlt sich besonders dann, wenn Aufrechnung im Einzelfall (noch) nicht möglich oder unzweckmäßig ist und anders die Forderung nicht dem Zugriff anderer Gläubiger entzogen werden kann. (Beispiel: Die vollstreckende Gemeinde hat Räume im Hause des Vollstreckungsschuldners gemietet und könnte gegenüber seinen Mietzinsansprüchen nicht mehr aufrechnen, wenn andere Gläubiger die Forderung auf künftig fällig werdende Miete pfänden.)

40.4.2
Nach § 40 Abs. 2 VwVG NRW i. V. m. § 835 Abs. 3 Satz 2 ZPO darf ein Geldinstitut aus einem gepfändeten Guthaben eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, erst zwei Wochen nach der Zustellung des Überweisungsbeschlusses an den Gläubiger leisten oder den Betrag hinterlegen. Damit ist dem Vollstreckungsschuldner Gelegenheit gegeben, einen Antrag auf Pfändungsschutz im Sinne des § 850 k ZPO zu stellen.

40.4.3
§ 54 SGB I lässt sowohl die Pfändung von einmaligen als auch von laufenden Sozialleistungen zu. Ansprüche auf einmalige Sozialleistungen können jedoch nur gepfändet werden, wenn eine Abwägung aller Umstände des Falles ergibt, dass die Pfändung der Billigkeit entspricht (§ 54 Abs. 2 SGB I). Unpfändbar sind nach § 54 Abs. 3 SGB I Ansprüche auf
a) Erziehungsgeld und vergleichbare Leistungen der Länder,
b) Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs.1 des Mutterschutzgesetzes bis zur Höhe des Erziehungsgeldes, soweit das Mutterschaftsgeld nicht aus einer Teilzeitbeschäftigung herrührt oder anstelle von Arbeitslosenhilfe gewährt wird,
c) Geldleistungen, die einen durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand ausgleichen sollen.

Ein Anspruch auf Geldleistungen für Kinder kann nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines Kindes, das bei der Festsetzung der Geldleistungen berücksichtigt wird, gepfändet werden.
Angesichts dieser Vorschrift muss der Gläubiger der Vollstreckungsbehörde darlegen, dass die Voraussetzungen für die Beitreibung erfüllt sind (vgl. Nr
. 48.2.2 Buchstabe c).

41
Pfändung einer Hypothekenforderung (zu § 41)

41.1
Eine hypothekarisch gesicherte Forderung kann nicht ohne die Hypothek, die Hypothek nicht ohne die Forderung gepfändet werden. Die Pfändung wird deshalb - abweichend von der Regel des § 40 VwVG NRW - erst wirksam mit der Aushändigung des Hypothekenbriefes, bei Buchhypotheken mit der Eintragung im Grundbuch (vgl. jedoch Nr. 41.5.1).

41.2
Pfändungsverfügung

41.2.1
Die Pfändungsverfügung soll in diesen Fällen regelmäßig auch dem Vollstreckungsschuldner zugestellt werden. Sie muss außer den in Nr.
40.2.3 genannten Erfordernissen noch Angaben über die Art der Hypothek (Brief- oder Buchhypothek) und die Bezeichnung des belasteten Grundstücks unter Angabe des Grundbuchblattes enthalten.

41.2.2
Handelt es sich um eine Briefhypothek, werden in die Pfändungsverfügung zweckmäßigerweise noch aufgenommen:
a) die Aufforderung an den Vollstreckungsschuldner, den Hypothekenbrief an die Vollstreckungsbehörde herauszugeben oder über seinen Verbleib Auskunft zu geben,
b) die Ermächtigung an den mit der Zustellung an den Vollstreckungsschuldner betrauten Vollziehungsbeamten, den Hypothekenbrief in Empfang zu nehmen,
c) der Auftrag an den Vollziehungsbeamten, dem Vollstreckungsschuldner im Weigerungsfalle den Hypothekenbrief wegzunehmen (§ 44 Abs. 2 Satz 5 VwVG NRW).

41.2.3
Die Herausgabe des Hypothekenbriefes an die Vollstreckungsbehörde kann auch durch Androhung und Festsetzung eines angemessenen Zwangsgeldes oder durch unmittelbaren Zwang erzwungen werden (§ 41 Abs. 1 Satz 2, § 44 Abs. 2 Satz 5, § 68 Abs. 1 Nr. 1 VwVG NRW).

41.3
Pfändung einer Buchhypothek

41.3.1
Soll eine Forderung gepfändet werden, für die eine Buchhypothek besteht (§§ 1116 Abs. 2, 1185 BGB), so leitet die Vollstreckungsbehörde, sobald sie die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt hat, dem Amtsgericht (Grundbuchamt) einen Antrag auf Eintragung der Pfändung in das Grundbuch zu (§ 29 GBO). Den Formerfordernissen der §§ 29 ff. GBO ist Rechnung zu tragen.

41.3.2
Ist der Vollstreckungsschuldner im Grundbuch nicht als Hypothekengläubiger eingetragen, so muss die Vollstreckungsbehörde zunächst die Berichtigung des Grundbuchs bewirken, indem sie sich gemäß § 792 ZPO an Stelle des Vollstreckungsschuldners die zum Nachweis der Unrichtigkeit erforderlichen öffentlichen Urkunden, z.B. einen Erbschein, beschafft und dem Grundbuchamt vorlegt oder auf solche etwa bei den Gerichtsakten befindlichen Urkunden Bezug nimmt. Ist der Nachweis durch öffentliche Urkunden nicht zu führen, so kann die Vollstreckungsbehörde den Anspruch des Vollstreckungsschuldners gegen den im Grundbuch Eingetragenen auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung pfänden (§ 50 Abs. 1 VwVG NRW) und aussprechen, dass der Gläubiger diesen Anspruch durchsetzen kann. Der Anspruch muss notfalls im Klageweg durchgesetzt und die Berichtigung dann unter Vorlage des erstrittenen Urteils (öffentliche Urkunde) beim Grundbuchamt veranlasst werden. Der Tag, an dem der Antrag beim Grundbuchamt eingeht, ist maßgebend für den Rang der Pfändung (§ 17 GBO).

41.3.3
Dem Vollstreckungsschuldner bleibt es nach der Tilgung seiner Schuld überlassen, die Berichtigung des Grundbuchs, in dem die Pfändung der Forderung eingetragen war, zu veranlassen. Auf Verlangen hat ihm die Vollstreckungsbehörde eine löschungsfähige Quittung (§ 29 GBO) zu erteilen. Es ist nicht Sache der Vollstreckungsbehörde, die Hypothek löschen zu lassen.

41.4
Pfändung einer Briefhypothek

41.4.1
Bei Pfändung einer Forderung, für die eine Briefhypothek (§ 1116 Abs. 1 BGB) bestellt ist, entsteht das Pfändungspfandrecht erst in dem Zeitpunkt, in dem die Vollstreckungsbehörde den unmittelbaren Besitz an dem Brief erlangt, sei es dadurch, dass der Vollstreckungsschuldner ihr den Brief freiwillig übergibt, oder dadurch, dass der Vollziehungsbeamte ihn wegnimmt. Die Eintragung der Pfändung im Grundbuch ist nicht nötig, aber zulässig.

41.4.2
Der Vollstreckungsschuldner ist zur sofortigen Herausgabe des Briefes verpflichtet (§ 44 Abs. 2 Satz 5 VwVG NRW). Hat ein Dritter den Brief in Gewahrsam (z.B. ein Kreditinstitut), kann die Vollstreckungsbehörde den Herausgabeanspruch des Vollstreckungsschuldners gegen ihn gemäß § 44 Abs. 4 i. V. m. § 2 Abs. 3 VwVG NRW unmittelbar geltend machen. Auch ein Herausgabeanspruch des Vollstreckungsschuldners gegen das Grundbuchamt, z.B. im Falle des § 1117 Abs. 2 BGB, ist nach diesen Vorschriften zu behandeln.

41.4.3
Ist der Hypothekenbrief verloren gegangen oder vernichtet, so muss die Vollstreckungsbehörde zunächst den Anspruch auf Kraftloserklärung des alten (§ 1162 BGB) und Ausstellung eines neuen Briefes nach Vorschrift des § 50 VwVG NRW pfänden und durchsetzen. Erst dann kann sie auch die Hypothekenforderung pfänden. Die Eintragung im Grundbuch (vgl. Nr. 41.4.1 Satz 2) kann die Inbesitznahme des Briefes nicht ersetzen. Über den Verbleib des Briefes kann vom Vollstreckungsschuldner die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangt werden (§ 44 Abs. 3 VwVG NRW).

41.5
Wirksamwerden gegenüber Drittschuldnern

41.5.1
Die Zustellung des Pfändungsbeschlusses mit dem Zahlungsverbot beschränkt den Drittschuldner zunächst in der Weise, dass er nur noch an den Vollstreckungsgläubiger zahlen oder hinterlegen darf. Das Pfandrecht selbst entsteht erst mit der Briefübergabe bzw. Eintragung in das Grundbuch, dann aber dem Drittschuldner gegenüber rückwirkend zum Zeitpunkt der Zustellung (§ 41Abs. 2 VwVG NRW).

41.5.2
Drittschuldner ist sowohl der Vollstreckungsschuldner der gepfändeten persönlichen Forderung als auch der Eigentümer des belasteten Grundstücks, wenn er mit dem Vollstreckungsschuldner nicht personengleich ist. Beiden muss daher zugestellt werden. Auch sonst entsteht bei einer Mehrheit von Drittschuldnern das Pfandrecht gemäß § 41 Abs. 2 VwVG NRW rückwirkend nur im Verhältnis zu denjenigen, denen der Pfändungsbeschluss zugestellt worden ist.

41.6
Ausnahmevorschriften nach Absatz 3

41.6.1
Nicht nach den Vorschriften des § 41 VwVG NRW, sondern wie allgemeine Forderungen gemäß § 40 VwVG NRW sind zu pfänden:
a) Ansprüche auf rückständige Zinsen und rückständige andere Nebenleistungen einer hypothekarisch gesicherten Hauptforderung (§ 1159 Abs. 1 BGB),
b) Ansprüche auf Erstattung von Kosten der Kündigung und der die Befriedigung aus dem
Grundstück bezweckenden Rechtsverfolgung (§§ 1118, 1159 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Diese Ansprüche können sowohl mit der Hauptforderung als auch selbständig gepfändet werden. Der Übergabe des Hypothekenbriefes bedarf es insoweit nicht. Die Zustellung der Pfändungsverfügung an den Drittschuldner ist auch dann notwendig und ausreichend, wenn gleichzeitig die Hauptforderung gemäß § 41 VwVG NRW durch Wegnahme des Briefes gepfändet wird. Noch nicht fällige Zinsen sind dagegen nach § 41 VwVG NRW zu pfänden.

41.6.2
Forderungen aus einer Schuldverschreibung auf den Inhaber, aus einem Wechsel oder aus einem anderen indossablen Papier, die gemäß § 1187 BGB durch eine Sicherungshypothek brieflos gesichert sind, werden nicht durch Eintragung im Grundbuch, sondern nach § 42 VwVG NRW nur durch Wegnahme der Papiere gepfändet. Einer Pfändungsverfügung bedarf es nicht.

42
Pfändung einer Wechselforderung (zu § 42)

42.1
Der Vollziehungsbeamte soll Wechsel und andere indossable Wertpapiere, bei denen die Zahlungsfähigkeit des Verpflichteten und damit die Verwertbarkeit des Papiers meist nicht ohne weiteres zu beurteilen ist, nur auf Grund eines ausdrücklichen Auftrages der Vollstreckungsbehörde und nicht im Rahmen seines allgemeinen Auftrages zur Pfändung beweglicher Sachen wegnehmen. Mit der Wegnahme ist die Pfändung der in dem Papier verbrieften Forderung vollzogen; eine Pfändungsverfügung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW wäre unzulässig. Der Vollziehungsbeamte muss sich überzeugen, dass der Vollstreckungsschuldner der legitimierte Inhaber des Papiers ist.

42.2
Die Vollstreckungsbehörde muss, wenn nicht ausnahmsweise eine andere Form der Verwertung als die Einziehung in Frage kommt, nach der Wegnahme des Papiers durch eine zuzustellende Verfügung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW aussprechen, dass der Gläubiger die Forderung einziehen kann. Zum Zwecke der Einziehung muss dann der Gläubiger dem Drittschuldner das Papier zusammen mit der Einziehungsverfügung vorlegen (
Nr. 44.1.3).
Bei Wechseln ist auf rechtzeitige Vorlage und gegebenenfalls Protesterhebung zu achten, um Schadensersatzforderungen des Vollstreckungsschuldners zu vermeiden. Der Wechselprotest muss von einem Gerichtsvollzieher oder von einem Notar aufgenommen werden (Art. 79 WG). Der Vollziehungsbeamte ist dazu nicht befugt.

43
Pfändung fortlaufender Bezüge (zu § 43)

43.1
Der Begriff „Gehalts- und ähnliche Forderungen“ deckt sich zunächst mit dem Begriff „Arbeitseinkommen“ in § 850 ZPO. Darunter fallen aber auch Bezüge aus Reallasten, Leibrenten (§ 759 BGB), Provisionsforderungen auf Grund eines dauernden Anstellungsverhältnisses, Honoraransprüche der Ärzte (Zahnärzte) gegen die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung, ihre Bezüge auf Grund eines ständigen Vertragsverhältnisses mit einer Krankenkasse, etwa als Vertrauensarzt (nicht dagegen Forderungen, die sie durch ihre Tätigkeit von Fall zu Fall erwerben), und der Anspruch des Kellners gegen den Gastwirt auf Herausgabe oder Überlassung des Bedienungsgeldes (nicht dagegen das darüber hinaus eingenommene persönliche Trinkgeld).

43.2
Die Pfändung einer derartigen Forderung auf fortlaufende Bezüge, die als Entgelt für geleistete Dienste gewährt werden, ergreift grundsätzlich auch die künftig fällig werdenden Raten und neu entstehenden Ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis. Die Vollstreckungsbehörde muss, wenn sie diese Wirkung ausschließen will, die Pfändung in ihrer Verfügung gemäß § 40 VwVG NRW ausdrücklich auf einen oder mehrere Teilbeträge beschränken.

43.3
Zu beachten sind die erheblichen Pfändungsbeschränkungen, denen derartige Forderungen regelmäßig unterworfen sind. Für bestimmte Forderungen ist aber eine Absenkung der Pfändungsgrenzen möglich (siehe § 48 VwVG NRW).

43.4
Dauerpfändung (Vorauspfändung)
Der durch Gesetz vom 18. Dezember 2002 eingefügte § 43 Abs. 3 VwVG NRW schafft die Möglichkeit der Dauerpfändung. Die Möglichkeit der Dauerpfändung - auch Vorauspfändung genannt - begründet eine Ausnahme von § 6 Abs. 1 Nr. 2 VwVG NRW, wonach Voraussetzung für die Vollstreckung die Fälligkeit der Leistung ist.
Die Dauerpfändung nach Absatz 3 setzt voraus, dass bei Erlass des Pfändungsbeschlusses mindestens eine Rate fällig und noch nicht beglichen ist; denn dies stellt ein Indiz für künftigen Zahlungsverzug dar. Außerdem muss wegen mindestens einer rückständigen Rate gleichzeitig gepfändet werden.
Zugriffsgegenstand muss das Arbeitseinkommen des Vollstreckungsschuldners sein. Pfändbare Sozialversicherungs- und Versorgungsrenten stehen dem gleich. Nicht erfasst werden von der Dauerpfändung andere Einkünfte des Vollstreckungsschuldners wie solche aus Vermietung oder Leibrente.
Die Wirkung der Dauerpfändung besteht darin, dass die Leistungspflicht des Vollstreckungsschuldners zwar erst mit der Fälligkeit des Teilbetrages entsteht, die Pfändung aber bereits im Voraus für die künftig fällig werdenden Teilbeträge erfolgen kann. Es müssen nicht wegen jedem fälligen Teilbetrag erneut die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen, um die Pfändung betreiben zu können. Gemäß Absatz 3 Satz 2 wird die Pfändung der weiteren fälligen Leistungen jeweils am Tage nach der Fälligkeit der Leistung kraft Gesetzes wirksam.

43.5
Erstreckung der Pfändung auf neues Arbeitseinkommen
Durch den zugleich mit § 43 Abs. 3 eingefügten § 43 Abs. 4 VwVG NRW erstreckt sich die Pfändung von Dienst- oder Arbeitseinkommen auch auf Bezüge aus einem nach Beendigung des Arbeits- oder Dienstverhältnisses zwischen Vollstreckungsschuldner und Drittschuldner innerhalb von neun Monaten neu begründeten Arbeitsverhältnis. Dies entspricht § 833 Abs. 2 ZPO.
Unerheblich ist, aus welchem Grund das Arbeitsverhältnis unterbrochen worden ist. Die Regelung gilt somit nicht nur für saisonbedingte Unterbrechungen (vorübergehende Entlassung wie im Baugewerbe, in Gaststätten-, Fremdenverkehrs- und Ferienbetrieben, Einzelhandel), sondern auch für Unterbrechungen aus anderen Gründen wie Arbeitsmangel, zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe oder Unterbrechungen mit dem Ziel, die Pfändung zu lösen.

44
Einziehung der Forderung - Herausgabe der Urkunden (zu § 44)

44.1
Einziehung der Forderung

44.1.1
Wenn die in § 40 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW vorgesehene Erklärung, dass der Gläubiger die Forderung einziehen kann, nicht schon in die Pfändungsverfügung aufgenommen wird (vgl. Nr
. 40.2.2 Ziff. 6, Nr. 40.2.7), kann sie auch gesondert ausgesprochen werden. Sie muss jedoch auch in diesem Falle dem Drittschuldner zugestellt werden.

44.1.2
Bei Pfändung einer Briefhypothek ersetzen Pfändung und Erklärung der Einziehungsbefugnis die in § 1154 BGB vorgesehene Abtretungserklärung. Sie berechtigen zur Einziehung der Forderung jedoch erst dann, wenn die Pfändung durch Aushändigung oder Wegnahme des Hypothekenbriefes wirksam geworden ist.

44.1.3
Bei Wechseln und anderen indossablen Papieren (§ 42 VwVG NRW) ersetzt die Erklärung der Einziehungsbefugnis nicht das Indossament des Vollstreckungsschuldners gemäß Art. 11 WG, sondern nur ein so genanntes Vollmachtsindossament i. S. d. Art. 18 WG. Der Gläubiger kann das Papier nicht weiter indossieren. Er muss vielmehr die Forderung einziehen und das Papier zu diesem Zweck dem Drittschuldner zusammen mit der Einziehungsverfügung vorlegen; diese kann auf das Papier gesetzt werden. Auf rechtzeitige Vorlage der Wechsel und ggf. Protesterhebung ist zu achten (vgl. Nr. 42.2 Abs. 2).

44.1.4
Die Rechte und Pflichten des Gläubigers auf Grund der Erklärung über die Einziehungsbefugnis ergeben sich im Übrigen aus den Ausführungen unter Nr. 40.3.1.

44.2
Hilfspflichten des Vollstreckungsschuldners

44.2.1
Nach § 44 Abs. 2 VwVG NRW ist der Vollstreckungsschuldner verpflichtet, die zur Geltendmachung der gepfändeten Forderung nötige Auskunft zu erteilen und die über die Forderung vorhandenen Urkunden an die Vollstreckungsbehörde herauszugeben. Hierzu gehören nicht nur die über eine Forderung ausgestellten Schuldscheine, die ohnehin im Eigentum des Vollstreckungsschuldners stehen (§ 952 Abs. 1 Satz1 BGB) und an denen mit wirksamer Pfändung der Geldforderung zugleich ein Pfandrecht entstanden ist (§ 952 Abs. 2 Satz 1 BGB),
Beispiele:
- GmbH-Anteilsscheine,
- Schuldscheine,
- Sparkassenbücher,
- Grundpfandrechtsbriefe,
- Versicherungsscheine,
sondern auch alle anderen Urkunden, die die Vollstreckungsbehörde benötigt, um die Forderung gegen den Drittschuldner geltend zu machen.
Beispiele:
- Notarielle Urkunden,
- Pfandscheine,
- Schriftwechsel etc.

Unumgänglich ist es, den Vollstreckungsschuldner zur Herausgabe der erforderlichen Urkunden aufzufordern. Diese Aufforderung ergeht entweder bereits im Rahmen der Übersendung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung oder – hiervon getrennt – in einem eigenen Anschreiben. Die Vollstreckungsbehörde kann die Herausgabe nach § 60 VwVG NRW durch Zwangsgeld und schließlich nach § 61 VwVG NRW durch Ersatzzwangshaft erzwingen oder die Urkunden durch den Vollziehungsbeamten oder Gerichtsvollzieher wegnehmen lassen.
Regelmäßig ist dem Vollziehungsbeamten oder Gerichtsvollzieher ein Wegnahmeauftrag zu erteilen, weil dies die sicherste und einfachste Handhabe ist, in den Besitz der Urkunden zu gelangen.
Werden die zur Geltendmachung der Forderung erforderlichen Urkunden bei dem Vollstreckungsschuldner nicht vorgefunden, ist das Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 5 a VwVG NRW zu betreiben.
Nimmt die Vollstreckungsbehörde die eidesstattliche Versicherung ab, regelt Absatz 2 ferner, dass die Vollstreckungsbehörde die eidesstattliche Versicherung nach Lage der Sache entsprechend ergänzen kann. Damit ist gemeint, dass die Vollstreckungsbehörde den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung einer geänderten Sachlage anpassen kann.

44.2.2
Behauptet der Vollstreckungsschuldner, ein Dritter sei im Besitz der Urkunden, sollte der Herausgabeanspruch zunächst gepfändet werden. Ist der Dritte nicht zur Herausgabe bereit, kann die Vollstreckungsbehörde die Herausgabeklage vor dem ordentlichen Gericht erheben (§ 44 Abs. 4 VwVG NRW).

45
Erklärungspflicht des Drittschuldners (zu § 45)

45.1
Allgemeines zur Drittschuldnererklärung
Der Drittschuldner hat auf Verlangen der Vollstreckungsbehörde die Drittschuldnererklärung binnen zwei Wochen (§ 45 Abs. 1 VwVG NRW) ab Zustellung der Aufforderung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung abzugeben. Der Drittschuldner kann, je nachdem, ob die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung (§ 45 Abs. 2 Satz 1 VwVG NRW) ihm mit der Pfändungsverfügung zugegangen oder gesondert zugestellt worden ist, seine Erklärung abgeben
a) mündlich zu Protokoll gegenüber dem Vollziehungsbeamten, wenn dieser ihm die Aufforderung persönlich zustellt,
b) schriftlich oder mündlich zu Protokoll gegenüber der Vollstreckungsbehörde,
c) gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger unmittelbar.

45.1.1
Erkennt der Drittschuldner die Forderung nicht an, so muss er keinen Grund dafür angeben. Zu Auskünften hierüber ist der Vollstreckungsschuldner verpflichtet.
Ist die Forderung bereits für andere Personen gepfändet, so muss der Drittschuldner die anderen Personen benennen und ihre Ansprüche nach Grund und Höhe angeben.
Mit diesen Auskünften verstößt der Drittschuldner nicht gegen Verschwiegenheitspflichten i. S. d. § 203 StGB. Die Auskunftspflicht geht auch dem Bankgeheimnis vor.

45.1.2
Erklärungen des Drittschuldners auf die Frage, ob und inwieweit er die Forderung des Vollstreckungsschuldners gegen ihn als begründet anerkennt und bereit sei zu zahlen, sind weder Anerkenntnis i. S. v. § 787 BGB noch deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Es sind Wissenserklärungen, die der Drittschuldner ohne Rechtsnachteil auch berichtigen kann.

45.2
Wird die Drittschuldnererklärung nicht fristgerecht abgegeben, so kann neben der bislang üblichen Drittschuldnerklage nun die Abgabe der Drittschuldnererklärung durch ein Zwangsgeld erzwungen werden (vgl. auch § 316 Abs. 2 Satz 3 AO). 
Bereits die Androhung eines Zwangsgeldes gegenüber dem Drittschuldner ist ein taugliches Druckmittel, um diesen zu bewegen, die notwendigen Angaben im Sinne des § 45 VwVG NRW zu machen. Wenn dieses Druckmittel Erfolg hat, entfallen für die Vollstreckungsbehörde die Drittschuldnerklage und die damit verbundene schwierige Aufgabe, beweiskräftige Unterlagen zu sammeln. Auf diese Weise kann das Vollstreckungsverfahren beschleunigt und effektiver gestaltet werden.
Das Zwangsgeldverfahren kommt nicht nur bei der Nichtabgabe der Drittschuldnererklärung in Betracht. Es kann auch zur Anwendung kommen, wenn der Drittschuldner unter Fristsetzung aufgefordert wird, die unvollständige Drittschuldnererklärung zu ergänzen und er dieser Aufforderung nicht fristgerecht nachkommt.

45.3
Einwendungen des Drittschuldners
Erkennt der Drittschuldner die Forderung nicht an, weil die Forderung des Vollstreckungsschuldners an den Gläubiger gezahlt, ausgesetzt, gestundet oder aus sonstigen Gründen nicht vollstreckbar sei, so ist er darauf hinzuweisen, dass sich seine Auskunftspflicht lediglich auf die Forderung des Vollstreckungsschuldners gegen ihn beziehe und er mit Einwendungen gegen den Bestand und die Höhe der öffentlich-rechtlichen Forderung nicht gehört werden könne. Der Drittschuldner kann also nur geltend machen, der Anspruch des Vollstreckungsschuldners gegen ihn sei nicht entstanden, bereits durch Erfüllung erloschen o. ä. oder stehe auf Grund einer Abtretung einem Dritten zu.
Unberührt bleibt das Recht des Drittschuldners, Einwendungen im Wege des Einspruchs zu verfolgen, soweit er selbst von der Pfändung betroffen ist. Er kann auch einwenden, der Anspruch des Vollstreckungsschuldners gegen ihn sei unpfändbar oder nach §§ 850 a, 850 c, 850 e ZPO nur eingeschränkt pfändbar.
Wird in der Drittschuldnererklärung eines Kreditinstituts eingewandt, es bestehe kein pfändbares Guthaben, die Pfändung werde aber für den nächsten Rechnungsabschluss vorgemerkt oder es seien eigene Ansprüche wegen eines vertraglich bestehenden Pfandrechts vorrangig zu berücksichtigen, so sollte geprüft werden, ob diese Erklärung auf einer zutreffenden Rechtsauffassung beruht. Zur Prüfung kann die Vollstreckungsbehörde nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 93 AO vom Vollstreckungsschuldner – bei Erfolglosigkeit vom Drittschuldner – die Kopie des Kontoauszuges vom Tage des Zugangs der Pfändungsverfügung sowie die die Geschäftsbeziehung betreffenden Unterlagen (Kreditverträge, Vereinbarungen über die Gestellung von Sicherheiten) anfordern. Dass § 45 VwVG NRW vom Drittschuldner nur die Erklärung verlangt, nicht aber den Nachweis, steht dem nicht entgegen.
Behauptet das Kreditinstitut vorrangig bestehende Ansprüche, so hat es sie auf Verlangen der Vollstreckungsbehörde näher darzulegen. Macht es Kreditrückzahlungsansprüche geltend, so ist dies zu beanstanden, wenn sie bei Zugang der Pfändungsverfügung nicht fällig waren. Fälligkeit setzt in der Regel voraus, dass der Kredit gekündigt ist (§ 609 BGB). Verweigert das Kreditinstitut unter Hinweis auf das Bankgeheimnis seine Mitwirkung, kann die Mitwirkung nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 93 AO i. V. m. §§ 55 ff. VwVG NRW erzwungen werden.

45.4
Haftung des Drittschuldners
Erklärt sich der Drittschuldner nicht i. S. d. § 45 Abs. 1 VwVG NRW, so kann dies nicht als stillschweigende Erklärung über den Bestand der Forderung gedeutet werden.

- Der Drittschuldner haftet der Vollstreckungsbehörde bei unrichtiger, verspäteter oder unvollständiger Drittschuldnererklärung gemäß § 45 Abs. 2 VwVG NRW auch ohne Verschulden auf Schadenersatz.
- Der Drittschuldner haftet nur, wenn die Unrichtigkeit, Verspätung oder Unvollständigkeit der Erklärung der Grund für einen Schaden ist. Der Schaden besteht zunächst in den Kosten eines unnütz geführten Prozesses gegen den Drittschuldner. Er kann sich zudem daraus ergeben, dass die Vollstreckungsbehörde von einer tatsächlich aussichtsreichen weiteren Verfolgung seiner durch die Pfändungsverfügung erlangten Ansprüche und Rechte abgesehen hat, nur weil es sie – durch das Verhalten des Drittschuldners irregeführt – für aussichtslos hielt. Letztlich kann der Schaden darauf beruhen, dass sie im Hinblick auf die Forderungspfändung von anderen Erfolg versprechenden Vollstreckungsmaßnahmen wegen § 21 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW abgesehen hat.

45.5
Durch § 45 Abs. 3 VwVG NRW wird für alle Fälle der Forderungspfändung klargestellt, dass der Gläubiger
a) dem Vollstreckungsschuldner den Streit verkünden muss, wenn er die Forderung gegen den Drittschuldner einklagt, es sei denn, dass eine Zustellung im Ausland oder eine öffentliche Zustellung notwendig wäre (§ 841 ZPO);
b) dem Vollstreckungsschuldner für den entstehenden Schaden haftet, wenn er mit der Beitreibung einer ihm zur Einziehung überwiesenen Forderung schuldhaft zögert (§ 842 ZPO);
c) auf die durch Pfändung und Einziehungsbefugnis erworbenen Rechte unbeschadet seines Anspruches gegenüber dem Vollstreckungsschuldner durch eine diesem und dem Drittschuldner zuzustellende Erklärung verzichten kann (§ 843 ZPO).

45.6
Kostenerstattung für die Abgabe der Drittschuldnererklärung
Die mit der Erstellung und Abgabe einer Drittschuldnererklärung entstehenden Kosten (z.B. Rechtsanwaltskosten) sind nicht erstattungsfähig (Urteil BVerwG v. 8.12.1993 – 8 C 43/91). Der Drittschuldner kann die Erstattung der Kosten durch die Vollstreckungsbehörde nicht verlangen.

46
Andere Arten der Verwertung (zu § 46)

46.1
Die Anordnung steht im freien Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Die Beteiligten haben keinen Anspruch darauf, können aber zweckdienliche Anregungen geben.

46.2
Als anderweitige Verwertung von Forderungen - anstelle der üblichen Einziehung - kommt namentlich der freihändige Verkauf, bei Wechseln auch Diskontierung, kaum einmal die Versteigerung in Frage. Für den freihändigen Verkauf von Hypothekenforderungen gelten die §§ 873, 1154 BGB mit der Maßgabe, dass die schriftliche Abtretungserklärung des Vollstreckungsschuldners durch die Anordnung der Vollstreckungsbehörde ersetzt wird (§ 46 Satz 2 VwVG NRW). Dadurch wird der gutgläubige Erwerb nach §§ 892, 1138 BGB möglich.

47
Ansprüche auf Herausgabe oder Leistung von Sachen (zu § 47)

47.1
Soll ein dinglicher oder persönlicher Anspruch des Vollstreckungsschuldners auf Herausgabe bestimmter - auch unbeweglicher - oder auf Leistung vertretbarer Sachen gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde in der Pfändungsverfügung anzuordnen, das der Drittschuldner nach Eintritt der Fälligkeit
a) bewegliche Sachen an den beauftragten Vollziehungsbeamten,
b) unbewegliche Sachen an einen vom Amtsgericht zu bestellenden Treuhänder

herauszugeben (aufzulassen) hat.

Gleichzeitig hat die Vollstreckungsbehörde
- im Falle des Buchstaben a den Vollziehungsbeamten mit der Empfangnahme der Sache zu beauftragen;
- im Falle des Buchstaben b bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk das Grundstück gelegen ist, unter Beifügung einer Ausfertigung der vorbereiteten Pfändungsverfügung die Bestellung eines Treuhänders zu beantragen. Hierfür kann sie geeignete Personen selbst vorschlagen. Den Beschluss, durch den das Amtsgericht den Treuhänder bestellt, lässt die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner und dem Vollstreckungsschuldner zustellen, zweckmäßigerweise gemeinsam mit der Pfändungsverfügung.

47.2
Der Vollziehungsbeamte ist nicht befugt, im Weigerungsfalle dem Drittschuldner die Sache wegzunehmen. Er hat die Weigerung des Drittschuldners lediglich zu beurkunden und der Vollstreckungsbehörde anzuzeigen. Den Herausgabeanspruch muss der Gläubiger dann außerhalb des Verwaltungszwangsverfahrens durchsetzen.

47.3
Mit der Herausgabe der Sache an den Vollziehungsbeamten erwirbt der Gläubiger kraft Gesetzes ohne weitere Pfändung an Stelle des bisherigen Pfandrechts am Herausgabeanspruch ein Pfandrecht an der Sache selbst, das ihn zur Verwertung berechtigt (§ 47 Abs. 2 Satz 2).

47.4
Verweigert im Falle des § 47 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW der Drittschuldner die Auflassung, muss die Vollstreckungsbehörde aus dem Recht des Vollstreckungsschuldners dessen Anspruch auf Auflassung an den Treuhänder als seinen Vertreter gerichtlich geltend machen.

48
Pfändungsschutz (zu § 48)

48.1
Pfändungsschutz für Dienst- und Arbeitseinkommen
Die Vollstreckungsbehörde hat vor der Pfändung laufender Einkünfte (§ 43 VwVG NRW), vor allem der Gehälter und Ruhegehälter der Beamten, der Angestelltenbezüge und der Lohnbezüge der Arbeiter, der Krankengeldzuschüsse des Arbeitgebers, der Renten und der sonstigen Vergütungen im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis stets zu prüfen, ob und wieweit diese Bezüge gemäß §§ 850 bis 850 k ZPO überhaupt gepfändet werden dürfen.

48.2
Beschränkung in besonderen Fällen
Während § 850 i Abs. 4 ZPO die Bestimmungen der Versicherungs-, Versorgungs- und sonstigen gesetzlichen Vorschriften über die Pfändung von Ansprüchen bestimmter Art ausdrücklich unberührt lässt, verbietet § 851 ZPO grundsätzlich die Pfändung nicht übertragbarer Forderungen.

48.2.1
Dem
gemäß sind u. a. ganz oder teilweise unpfändbar:
a) die unübertragbaren Ansprüche der Gesellschafter aus dem Gesellschaftsverhältnis gegeneinander nach § 717 BGB,
b) der Anspruch aus der Versicherung gemäß § 15 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag,
c) die Entgeltansprüche der Heimarbeiter gemäß § 27 HAG i. V. m. § 851 i Abs. 3 ZPO,
d) Sozialleistungsansprüche nach den §§ 53 bis 55 SGB I (vgl. auch Nr. 40.4.4),
e) Kapitalabfindung nach § 78 BVG,
f) Ausgleichsleistungen, d.h. Hauptentschädigung, Kriegsschadenrente und Hausratsentschädigung, nach §§ 244, 262, 294 Abs. 4 LAG,
g) folgende Wiedergutmachungsansprüche nach dem BEG:
aa) vor und nach Festsetzung oder rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung der Anspruch auf laufende Rente (§§ 26 Abs. 1, 39 Abs. 1, 41, 140 Abs. 2, 151, 158, 159, 161, 163 Abs. 2 BEG), der Anspruch der Witwe oder des Witwers auf Abfindung (§ 26 Abs. 1 BEG), die Ansprüche auf Darlehen und Ausbildungsbeihilfe (§ 140 Abs. 5 i. V. m. §§ 69 ff.,
90, 117 und 116, 119 BEG), der Anspruch auf Heilverfahren (§ 30 BEG), der Anspruch auf Umschulungsbeihilfe (§ 40 BEG),
bb) vor Festsetzung oder rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung der Anspruch auf Entschädigung für Schaden an Freiheit (§§ 46 Abs. 1, 50, 152, 162 BEG), der Anspruch auf Ersatz für die fehlende Ausbildung (§§ 118 Abs. 1, 140 Abs. 4 BEG), der Anspruch auf rückständige Rentenbeträge und Kapitalentschädigung des Hinterbliebenen eines Staatenlosen oder eines politischen Flüchtlings (§ 163 Abs. 2 BEG), der Anspruch auf Soforthilfe (§ 141 Abs. 3 BEG),
h) Ansprüche auf Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz - § 4 Abs. 1 BSHG.

48.2.2
Bei der Pfändung von Miet- und Pachtzinsforderungen hat die Vollstreckungsbehörde außer den §§ 1123 Abs. 2 Satz 2 und 1124 BGB besonders die Schutzvorschrift des § 851 b ZPO und die Bestimmungen des MietPfG - eingeschränkt durch § 115 LAG - zu berücksichtigen. Welche Ansprüche im Falle der Zwangsvollstreckung in das Grundstück dem Anspruch des Gläubigers vorgehen würden (§ 851 b Abs.
1 ZPO aE), hängt davon ab, in welcher Rangklasse gemäß § 10 ZVG die Gläubigerforderung zu berücksichtigen sein würde.

48.3
Absenkung der Pfändungsgrenzen
§ 48 Abs. 1 Satz 3 sieht vor, dass die Vollstreckungsbehörde bei der Vollstreckung wegen eines Zwangsgeldes, Bußgeldes, Ordnungsgeldes oder wegen einer Nutzungsentschädigung wegen Obdachlosigkeit über eine Absenkung des nach § 850 c ZPO unpfändbaren Betrages (Pfändungsgrenze) entscheidet. Die Entscheidung, ob in den vorgenannten Fällen abgesenkt wird und welcher Betrag dem Vollstreckungsschuldner zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes und der Unterhaltspflichten verbleiben muss, liegt ausschließlich in der Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde (vgl. Urteil BFH VII R 113/94 zur Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde). Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung und sind bei der Absenkung der Pfändungsfreigrenzen entsprechend zu berücksichtigen. Die Absenkung der Pfändungsfreigrenze erfolgt mit der Pfändungsverfügung oder, falls zunächst eine Pfändungsverfügung ohne Absenkung der Pfändungsfreigrenze ergangen ist, durch Abänderung der Pfändungsverfügung. In jedem Fall ist die Absenkung der Pfändungsfreigrenzen dem Vollstreckungsschuldner bekannt zu geben. Von einer vorherigen Anhörung nach § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW kann abgesehen werden.
Dem Vollstreckungsschuldner ist soviel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen bedarf.
Eine Zugrundelegung der Sozialhilfesätze ist zulässig. Bei der Berechnung ist darauf zu achten, dass durch die Absenkung der Pfändungsfreigrenzen kein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen entsteht.
Für den Mietbedarf wird auf die Sätze des Wohngeldgesetzes oder des ortsüblichen Mietspiegels abgestellt. Dabei kann zunächst eine durchschnittliche ortsübliche Miete für eine angemessene Wohnung berücksichtigt werden. Stets sind daneben die Besonderheiten des Einzelfalles zu beachten, die auch zur Berücksichtigung weiterer Aufwendungen, etwa außergewöhnlicher Krankheitskosten, führen können. Entsprechende Einwendungen des Vollstreckungsschuldners sind insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn zuvor auf eine Anhörung verzichtet wurde.
Als Vollstreckungsmaßnahme ist die Entscheidung über die Absenkung nach deren Bekanntgabe an den Vollstreckungsschuldner sofort vollziehbar. Einem Widerspruch des Vollstreckungsschuldners kommt keine aufschiebende Wirkung zu. Derartige Pfändungen können auch mit der Dauerpfändung nach § 43 Abs. 1 VwVG NRW verbunden werden.

49
Mehrfache Pfändung (zu § 49)

Die entsprechend anzuwendenden Bestimmungen der ZPO sehen grundsätzlich vor, dass der Drittschuldner im Falle mehrfacher Pfändung einer gegen ihn gerichteten Forderung berechtigt und auf Verlangen eines beteiligten Gläubigers verpflichtet ist, mit befreiender Wirkung
a) einen geschuldeten Geldbetrag bei einem bestimmten Amtsgericht zu hinterlegen,
b) eine herauszugebende bewegliche Sache einem ermächtigten Vollziehungsbeamten auszuhändigen,
c) eine herauszugebende unbewegliche Sache einem Treuhänder (Sequester) zu übergeben.

Die Kosten der Hinterlegung und die Entschädigung des Treuhänders (Sequesters) gehören zu den Vollstreckungskosten.

50
Vollstreckung in andere Vermögensrechte (zu § 50)

50.1
Rechte, die weder als grundstücksgleiche Rechte nach § 51 VwVG NRW, noch als Geldforderungen nach den §§ 40 - 46 VwVG NRW oder als Sachforderungen nach § 47 VwVG NRW gepfändet und verwertet werden können, sind nach § 50 VwVG NRW zu pfänden.

50.2
Pfändbare Rechte im Sinne des § 50 sind u. a.:
a) Anteilsrechte, z.B. Gesellschafts- und Gewinnanteile an einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (§§ 718, 725 BGB), einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft und einer stillen Gesellschaft (§ 105 Abs. 2 i. V. m. §§ 135, 161 Abs. 2, 339 HGB), Anteile am Vermögen eines nicht rechtsfähigen Vereins (§ 54 BGB), Geschäftsanteile bei einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft (§ 66 GenG), Geschäftsanteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, auch wenn die Veräußerung nur mit Genehmigung der Gesellschaft zulässig ist (§ 15 Abs. 5 GmbHG), ferner der Anteil des Miterben am Nachlass insgesamt (§ 2033 BGB, § 859 Abs. 2 ZPO). Drittschuldner ist jeweils die Gesellschaft, Genossenschaft usw. selbst, oder es sind die übrigen Gesellschafter (vgl. § 730 BGB);
b) gewerbliche Urheberrechte, z.B. Patente und Gebrauchsmuster.
Dagegen kann in künstlerische Urheberrechte nur mit Einwilligung des Urhebers vollstreckt werden;
c) das Nacherbenrecht (§§ 2100 ff. BGB) vor Eintritt der Nacherbfolge als Recht auf den Nachlass als Ganzes oder, bei einer Mehrheit von Nacherben, auf den Anteil. Zustellung an den Nacherben als Vollstreckungsschuldner genügt (§ 50 Abs. 2 VwVG NRW);
d) der Nießbrauch (§ 1059 BGB) und andere Nutzungsrechte gemäß § 50 Abs. 3 und 4 VwVG NRW;
e) Eigentümergrundschulden. Hier fehlt ein Drittschuldner, es genügt das Gebot an den Vollstreckungsschuldner, sich jeder Verfügung über die Grundschuld zu enthalten;
f) Reallasten, Grund- und Rentenschulden, die nach § 50 Abs. 6 VwVG NRW wie Hypotheken zu pfänden sind;
g) Rechte auf Leistungen aus Werkverträgen.

50.3
Die Vollstreckungsbehörde hat in diesen Fällen den Wortlaut der Pfändungsverfügung der jeweiligen Rechts- und Sachlage anzupassen, insbesondere wenn es an einem Drittschuldner fehlt. In Zweifelsfällen empfiehlt sich die Zustellung an jeden, der als Drittschuldner in Betracht kommen könnte. Neben dem Ausspruch der Einziehungsbefugnis kann auch die Anordnung einer Verpachtung oder Verwaltung oder sonstigen Nutzung des Rechts oder seine Veräußerung in Frage kommen. Die Vollstreckungsbehörde hat die besonderen Pfändungsbeschränkungen der §§ 858 bis 860 und 863 ZPO zu beachten.

Dritter Unterabschnitt:
Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen

51
Verfahren (zu § 51)

51.1
Unbewegliches Vermögen
Der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen nicht nur Grundstücke mit ihren wesentlichen Bestandteilen, sondern auch grundstücksgleiche Rechte, z.B. das Erbbaurecht, Erbpachtrecht, Bergwerkseigentum, Wohnungseigentum, Realgewerbeberechtigungen und andere Miteigentumsanteile nach Bruchteilen, registrierte Schiffe, unter gewissen Voraussetzungen auch die Gegenstände, auf die sich die Hypothek erstreckt (§§ 1147, 1192, 1199 BGB, § 865 ZPO).

51.2
Anträge der Vollstreckungsbehörde

51.2.1
Die Vollstreckungsbehörde prüft, ggf. nach Rücksprache mit dem Gläubiger, ob Veranlassung besteht, die beizutreibende Forderung durch Eintragung einer Zwangshypothek zu sichern, oder ob, nachdem feststeht, dass die einzuziehende Geldforderung durch Pfändung nicht beizutreiben ist, Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung beantragt werden soll.
Maßgebend wird die Erwägung sein, welche dieser Maßnahmen unter angemessener Schonung des Vollstreckungsschuldners am raschesten zur Befriedigung führen wird. Vor allem ist darauf abzustellen, ob die Zwangsverwaltung und die Zwangsversteigerung, wirtschaftlich gesehen, Erfolg versprechen. Dies hängt u. a. davon ab, welchen Rang die beizutreibende Forderung innehat (Rangklassen des ZVG), welcher Wert dem Grundstück zukommt, welche Nutzung noch möglich ist und in welchem baulichen Zustand sich das Pfandobjekt befindet. Maßnahmen, die lediglich zu einem Verlust des Eigentums eines Vollstreckungsschuldners an seinem Grundbesitz oder zu hohen Zwangsverwaltungskosten führen, ohne dass die Forderungen der öffentlichen Hand beglichen werden, sind zu vermeiden. Denn die Zwangsvollstreckung würde in diesen Fällen wie eine unzulässige Strafmaßnahme wirken. Wirtschaftlicher ist es, derartige Verluste des Vollstreckungsschuldners nicht herbeizuführen, sondern ihn in die Lage zu versetzen, seine Verpflichtungen zu einem späteren Zeitpunkt zu erfüllen.
Betreibt schon ein anderer Gläubiger die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung des Grundstückes, so hat die Vollstreckungsbehörde zu prüfen, ob die Anmeldung der Forderung, insbesondere bei öffentlichen Lasten, geboten (vgl. §§ 37 Nr. 4, 110 ZVG) oder ob der Beitritt zum Verfahren zu beantragen ist (§§ 27, 146 ZVG).

51.2.2
Die notwendigen Anträge beim Vollstreckungsgericht oder beim Grundbuchamt stellt nicht der Gläubiger selbst, sondern die für ihn zuständige Vollstreckungsbehörde. Es ist nicht nötig, wohl aber manchmal zweckmäßig, die entsprechende Behörde am Sitz des Amtsgerichts oder Grundbuchamts darum zu ersuchen.

51.2.3
Hinsichtlich der Vollstreckbarkeit der Forderung genügt die Versicherung der Vollstreckungsbehörde. Die Zulässigkeit der Vollstreckung nach § 51 Abs. 2 und 3 VwVG NRW ist nachprüfbar und dem Gericht oder Grundbuchamt deshalb nachzuweisen (vgl. auch Nr. 51.3.3).

51.3
Zwangshypothek

51.3.1
Der Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek muss jedes einzelne zu belastende Grundstück übereinstimmend mit dem Grundbuch bezeichnen (§ 28 Satz 1 GBO) und den zu vollstreckenden Anspruch nach Rechtsgrund und Höhe genau angeben. Zur vollständigen Angabe des Rechtsgrundes gehört bei laufenden Abgaben auch die Angabe der Zeit, für welche die Abgabe gefordert wird, so dass ein etwaiges Vorrecht nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG aus dem Antrag ohne weiteres ersichtlich ist. Wegen der Abgrenzung der laufenden von den rückständigen Beträgen wiederkehrender Leistungen siehe § 13 ZVG.

51.3.2
Wird bei Zwangsvollstreckung gegen einen Erben, einen Nachlasspfleger, Nachlassverwalter oder Testamentsvollstrecker die Eintragung einer Sicherungshypothek auf ein Grundstück beantragt, das im Grundbuch auf den Namen des Erblassers eingetragen ist, so ist die Erbfolge und ggf. die Bestellung zum Nachlasspfleger (Nachlassverwalter) oder die Befugnis des Testamentsvollstreckers, über das Grundstück zu verfügen, durch öffentliche Urkunden nachzuweisen (§§ 29 Abs. 1, 35 GBO). Auf Urkunden, die bereits bei den Akten des Amtsgerichts (Grundbuchamts) sind, kann im Vollstreckungsantrag Bezug genommen werden. Im Übrigen hat die Vollstreckungsbehörde die Urkunden zu beschaffen und mit dem Antrag vorzulegen.
Wie weit die Belastung eines auf den Namen des Erblassers eingetragenen Grundstückes möglich ist, ohne dass noch gegen diesen zu Lebzeiten ein Leistungsbescheid ergangen ist, und wie weit es in Fällen, in denen ein anderer als der Vollstreckungsschuldner oder sein Erblasser als Eigentümer eingetragen ist, zunächst einer Grundbuchberichtigung, evtl. einer Pfändung des Berichtigungsanspruchs bedarf, richtet sich nach der Natur des zu sichernden Anspruchs und nach den Vorschriften des § 894 BGB und der §§ 14, 22 Abs. 2, 29 Abs. 1 S. 2, 40 GBO (beachte auch § 147 Abs. 1 ZVG).

51.3.3
Der Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek setzt nicht, wie die beiden anderen Anträge nach § 50 Abs. 2 VwVG NRW, voraus, dass die Geldforderung durch Pfändung nicht beizutreiben ist. Er ist aber nur zulässig, wenn die Forderung ohne Zinsen den Mindestbetrag von 750,00 Euro übersteigt (§ 866 Absatz 3 ZPO).

51.3.4
Eine aufschiebend bedingte Sicherungshypothek kann nach § 51 Abs. 1 Satz 3 VwVG NRW für eine Forderung eingetragen werden, die als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht (Nr
. 4.3.3.1) und noch zur dritten Rangklasse i. S. d. § 10 ZVG gehört. Es muss sich also um rückständige Beträge aus den letzten vier bzw. bei wiederkehrenden Leistungen aus den letzten zwei Jahren handeln. In diesen Fällen hat die Vollstreckungsbehörde beim Grundbuchamt zu beantragen, dass die Sicherungshypothek mit folgendem Zusatz in das Grundbuch eingetragen wird:
„Die Hypothek ist dadurch aufschiebend bedingt, dass das der Forderung nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 des ZVG zustehende Vorrecht wegfällt.“
Die Hypothek entsteht dann in dem Maße, in dem die einzelnen zu sichernden Beträge länger als vier bzw. zwei Jahre rückständig werden, also jeweils mit Wegfall des Vorrechts aus der dritten Rangklasse. Sie wird durch Tilgung in jedem Zeitpunkt zur Eigentümergrundschuld.

51.4
Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung

51.4.1
Dem Antrag auf Zwangsversteigerung eines Grundstückes oder auf Zwangsverwaltung (§§ 16 Abs. 1, 146 Abs. 1 ZVG) ist die nach § 17 ZVG erforderliche Bescheinigung des Grundbuchamtes beizufügen, dass der Vollstreckungsschuldner als Eigentümer eingetragen ist. Es genügt jedoch eine Bezugnahme auf das Grundbuch, wenn das Vollstreckungsgericht zugleich Grundbuchamt ist.

51.4.2
Ist der Vollstreckungsschuldner Erbe des eingetragenen Eigentümers, so ist die Erbfolge, sofern sie nicht bei dem Vollstreckungsgericht offenkundig ist, durch Urkunden glaubhaft zu machen (§§ 17 Abs. 3, 146 Abs. 1 ZVG). Öffentlicher Urkunden bedarf es in diesem Falle nicht; es genügt z.B. ein Privattestament. Im Übrigen gelten die Bestimmungen in Nr. 51.3.2 entsprechend.

51.4.3
Die Subsidiarität von Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung nach dem neuen § 51 Abs. 2 VwVG NRW ist nunmehr als Sollbestimmung gefasst. Damit kann Fällen Rechnung getragen werden, in denen die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen den Vollstreckungsschuldner härter trifft als die Zwangsversteigerung. Der Antrag auf Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung kann ohne vorherigen Versuch der Vollstreckung in das bewegliche Vermögen erfolgen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dieser Versuch erfolglos verlaufen oder zu einer unbilligen Härte führen wird. Es kommt nicht darauf an, dass die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen durchgeführt wurde. Die Vollstreckungsbehörde entscheidet über die Vorgehensweise im Rahmen ihres Ermessens.
Auch wenn diese Vorschrift der Vollstreckungsbehörde einen größeren Entscheidungsspielraum bei der Frage gewährt, ob alle Möglichkeiten der Mobiliarvollstreckung ausgeschöpft sind oder bereits eine Zwangsversteigerung oder -verwaltung beantragt werden kann, hat die Vollstreckungsbehörde auch weiterhin den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

51.5
Sonderrechte für Kreditverbände
Durch § 51 Abs. 4 VwVG NRW wird sichergestellt, dass die Westdeutsche Landesbank (Girozentrale) für gewisse Forderungen auch ohne vollstreckbaren Titel die Zwangsversteigerung der von ihr beliehenen Grundstücke betreiben oder dieselben in eigene Zwangsverwaltungen nehmen kann. Dieses Recht beruht auf dem Gesetz betreffend die Zwangsvollstreckung aus Forderungen landwirtschaftlicher Kreditanstalten vom 3. August 1897 (SGV. NRW. 760) i. V. m. der Satzung dieses Kreditinstituts; es wird durch die Schutzbestimmung in Absatz 3 (Nr. 51.5) nicht berührt.

Der Vorbehalt gilt auch zugunsten anderer Kreditinstitute, denen gleiche Rechte auf Grund des genannten Gesetzes von 1897 in Zukunft verliehen werden.

52
Zwangsvollstreckung gegen Rechtsnachfolger (zu § 52)

In Fällen, in denen eine Sicherungshypothek im Zwangsverfahren gemäß § 51 VwVG NRW (vgl. Nr. 51.3) eingetragen und das Grundstück dann veräußert worden ist, kann der Gläubiger die Zwangsvollstreckung in das Grundstück unmittelbar gegen den Rechtsnachfolger betreiben; dieser muss jedoch vorher in entsprechender Anwendung des § 10 VwVG NRW gehört werden.

Vierter Unterabschnitt:
Sicherungsverfahren

53
Arrestverfahren (zu § 53)

53.1
Zuständigkeit
Nach § 53 Abs. 1 und 2 VwVG NRW kann sowohl das zuständige Amtsgericht als auch die Vollstreckungsbehörde den Arrest anordnen. Die Entscheidung über die Zuständigkeit trifft die Vollstreckungsbehörde.

53.2
Arrestschuldner
Arrestschuldner kann jeder künftige Vollstreckungsschuldner i. S. d. § 4 VwVG NRW sein, also außer dem Vollstreckungsschuldner auch die Personen, die für die Forderung haften oder verpflichtet sind, die Vollstreckung zu dulden. Unerheblich ist dabei, ob der Vollstreckungsschuldner seinen Wohnsitz innerhalb oder außerhalb der Bundesrepublik hat und ob es sich um eine natürliche oder juristische Person handelt.
Falls die Vollstreckungsbehörde bei der Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern ihr Auswahlermessen zutreffend ausübt, ist ein Arrest gegen einen der Gesamtschuldner auch dann möglich, wenn daneben Schuldner vorhanden sind, bei denen eine Gefährdung des Anspruchs nicht vorliegt. Ergehen Arrestanordnungen gegen Gesamtschuldner, so ist jeweils auf das Arrestverfahren gegen den anderen Schuldner und auf die dort bezeichnete Arrestsumme hinzuweisen. Dabei ist auch anzugeben, dass Zahlungen und Hinterlegungen des anderen Arrestschuldners im vorliegenden Verfahren berücksichtigt werden.

53.3
Voraussetzungen des Arrestes
Die Anordnung des Arrestes ist zulässig, wenn ein Arrestanspruch (Nr. 53.3.1) und ein Arrestgrund (Nr. 53.3.2) vorliegen. Die Anordnung oder Beantragung des Arrestes liegt im Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Nach Eintritt der Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen ist die Anordnung des Arrestes unzulässig, denn der Arrest gilt der Sicherung der künftigen Vollstreckung eines Anspruchs, der zwar schon entstanden sein muss, aber wegen Fehlens unerlässlicher Voraussetzungen (§ 6 VwVG NRW) noch nicht vollstreckt werden kann.
Falls ein Duldungsbescheid oder ein Haftungsbescheid gegen einen Anfechtungsschuldner ergangen und eine im Bescheid gesetzte Frist noch nicht abgelaufen oder wenn die Vollstreckung gemäß § 10 AnfG noch nicht zulässig ist (vorläufiger Leistungsbescheid), kann gegen den Anfechtungsschuldner ein Arrest angeordnet oder beantragt werden.

53.3.1
Arrestanspruch
Der Anspruch muss im Zwangsverfahren beitreibbar sein (§ 53 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW). Hierzu gehören neben Hauptforderungen und Nebenforderungen (vgl. auch § 324 i. V. m. § 3 AO) auch Ansprüche aus einem Haftungsbescheid.
In der Arrestanordnung oder im Antrag auf Erlass einer Arrestanordnung hat die Vollstreckungsbehörde glaubhaft darzulegen, dass ein Anspruch i. S. d. § 53 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW gegen den Schuldner zustehen wird. Für den Erlass einer Arrestanordnung genügt bezüglich der zu sichernden Forderung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ihrer Entstehung.
Der Anspruch braucht zahlenmäßig noch nicht festzustehen (§ 53 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW). Unzulässig ist, einen Arrest zur Sicherung eines künftig möglicherweise einmal entstehenden Anspruchs anzuordnen oder zu beantragen.
Der Arrest kann demnach hinsichtlich solcher Ansprüche angeordnet werden, bei denen der den Anspruch auslösende Tatbestand bereits erfüllt ist, für das Entstehen des Anspruchs allerdings noch der Ablauf eines Zeitraums abzuwarten ist. Hierzu zählen:
- Leistungen die noch nicht fällig sind oder
- Leistungen bei denen die Schonfrist noch läuft oder
- Ansprüche, die zahlenmäßig noch nicht feststehen, sondern nur geschätzt werden können.

53.3.2
Arrestgrund
Ein Arrestgrund besteht, wenn bei ruhiger und vernünftiger (objektiver) Abwägung aller Umstände nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu befürchten ist, dass ohne sofortige Sicherung des Anspruchs dessen Vollstreckung vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 53 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW). Eine auf die Vereitelung oder Erschwerung gerichtete Absicht des Arrestschuldners ist nicht erforderlich, es kommt nur auf den objektiven Sachverhalt an. Ausreichend und genügend für die Annahme eines Arrestgrundes ist demnach – wie beim Arrestanspruch – eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Arrestschuldner die Vollstreckung vereiteln oder erschweren wird.
Als Arrestgründe können in Betracht kommen, und zwar je nach Lage des Einzelfalles für sich allein oder mit anderen zusammen:
- Verbringung des wesentlichen Vermögens ins Ausland,
- Verschieben von Vermögen auf fremde Dritte,
- Verschleuderung von Vermögenswerten oder Übertragung auf nahe Angehörige (beachte: Möglichkeiten nach dem Anfechtungsgesetz),
- beabsichtigte Belastung des einzigen noch zur Verfügung stehenden Wertgegenstandes (z. B. Grundstück) bis zur Belastungsgrenze,
- ein späteres Leistungsgebot müsste im Ausland vollstreckt werden.

Folgende Umstände bilden nach der Rechtsprechung für sich allein keinen Arrestgrund:
- Ausländische Staatsangehörigkeit
- Konkurrenz anderer Gläubiger
- Wahrung des besseren Ranges eines Pfändungsanspruchs.

53.3.3
Arrestgegenstand
Arrestgegenstand kann das bewegliche oder unbewegliche Vermögen des Arrestschuldners sein. Regelmäßig ist der Arrest in das gesamte Vermögen des Arrestschuldners anzuordnen, ohne dass einzelne Gegenstände bezeichnet werden.

53.3.4
Arrestanordnung; Antrag auf Arrestanordnung
Wird die Arrestanordnung von der Vollstreckungsbehörde erlassen, so gilt Folgendes:
Die Arrestanordnung ist ein schriftlich zu erlassender Verwaltungsakt, der berichtigt oder zurückgenommen werden kann. Die Anordnung ist nach § 53 Abs. 5 VwVG NRW aufzuheben, sobald nach ihrem Erlass Umstände bekannt werden, die sie nicht mehr gerechtfertigt erscheinen lassen (Nr. 53.6). Dies ist beispielsweise immer der Fall, wenn der Arrestanspruch entfällt oder der Arrestgrund nicht mehr besteht. Obwohl die Vollstreckung nach erfolgreichem Vollzug der Arrestanordnung oder nach Leistung der Hinterlegungssumme nicht mehr gefährdet ist, darf die Arrestanordnung nicht aufgehoben werden, da sonst die Rechtsgrundlage entfallen würde und die Vollstreckungsbehörde verpflichtet wäre, die vollzogene Maßnahme aufzuheben oder die Hinterlegungssumme zurückzuzahlen. Hat die Vollstreckungsbehörde die Arrestanordnung nicht innerhalb der in § 53 Abs. 4 VwVG NRW bezeichneten Frist vollzogen, ist dem Arrestschuldner mitzuteilen, dass die Arrestanordnung nicht mehr vollzogen wird.
Für den Antrag beim Amtsgericht ist Folgendes zu beachten:
Sofern der Arrest durch das Amtsgericht angeordnet werden soll, hat der Gläubiger (die Vollstreckungsbehörde) im Antrag an das Amtsgericht ausreichend glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO), dass ein Anspruch entstanden ist, der im Zwangsverfahren beitreibbar ist und dass in der Person des Arrestschuldners ein ausreichender Arrestgrund vorliegt. Hierfür sind Tatsachen anzugeben; die allgemeine Behauptung, dass eine Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung zu befürchten sei, genügt nicht.

53.3.4.1
Inhalt der Arrestanordnung durch die Vollstreckungsbehörde
Die Arrestanordnung muss enthalten:
- Familienname, Vorname und Anschrift des Arrestschuldners,
- die Tatsachen, aus denen sich das Bestehen und die Höhe des Arrestanspruchs ergeben (Angabe des Sachverhalts, eventuelle Berechnungen). Umfasst eine Arrestanordnung mehrere Ansprüche, sind die Beträge einzeln anzugeben,
- die Tatsachen aus denen sich der Arrestgrund ergibt,
- den Ausspruch, dass zur Sicherung des Anspruchs der Arrest in das Vermögen des Arrestsschuldners angeordnet wird. Die Arrestanordnung muss einen bestimmten Geldbetrag (Arrestsumme) bezeichnen, bis zu dessen Höhe der Arrest vollzogen werden kann. Ein Leistungsgebot darf in der Arrestanordnung nicht aufgenommen werden,
- die Höhe des Geldbetrages, bei dessen Hinterlegung die Vollziehung des Arrestes gehemmt und der vollzogene Arrest aufzuheben ist (Hinterlegungssumme). Die Hinterlegungssumme ist (ebenso wie die Arrestsumme) so zu bemessen, dass Hauptanspruch und Nebenleistungen gedeckt sind,
- eine Rechtsbehelfsbelehrung.

53.3.4.2
Bekanntgabe der Arrestanordnung
Die Arrestanordnung ist dem Arrestschuldner zuzustellen (§ 53 Abs. 3 VwVG NRW). Die Zustellung vor Vollziehung des Arrestes kommt grundsätzlich nicht in Betracht, weil dann dem Arrestschuldner die Möglichkeit eröffnet wird, die Vollziehung zu vereiteln. In der Regel ist die Arrestanordnung bei Beginn der Vollziehung durch den Vollziehungsbeamten oder Gerichtsvollzieher gegen Empfangsbekenntnis zuzustellen. Der mögliche Einwand des Arrestschuldners, es sei ihm kein rechtliches Gehör gewährt worden, ist unbegründet. Rechtliches Gehör ist erst im Rechtsbehelfsverfahren einzuräumen, weil andernfalls der Vollstreckungserfolg gefährdet ist.

53.3.5
Rechtsbehelfe
Gegen die Anordnung des Arrestes kann der Arrestschuldner Widerspruch nach den §§ 68 ff. VwGO einlegen, wenn die Arrestanordnung durch die Vollstreckungsbehörde ergangen ist. Ist die Arrestanordnung durch das Amtsgericht ergangen, so ist der Widerspruch nach § 924 ZPO zulässig.
Der Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung, kann jedoch vom Arrestschuldner mit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung verbunden werden. Im Widerspruchsverfahren können nachträglich weitere Arrestgründe berücksichtigt werden, falls sie bei Erlass der Arrestanordnung bereits bestanden haben. Die Arrestanordnung kann bei Minderung oder Wegfall der angeführten Ansprüche nicht durch andere, ursprünglich nicht angegebene Arrestforderungen ersetzt werden (vgl. Urteil BFH v. 10.03.1983).

53.4
Vollziehung des Arrestes
Auf die Vollziehung des Arrestes finden die Vorschriften über die Vollstreckung in das bewegliche und/oder unbewegliche Vermögen mit Ausnahme der Vorschriften über die Verwertung entsprechende Anwendung. Dies schließt auch die Vorschriften über den Vollstreckungsschutz ein.

53.4.1
Zuständigkeit
Die Vollziehung der Arrestanordnung obliegt der Vollstreckungsbehörde.

53.4.2
Vollziehungsfrist
Die Vollziehungsfrist beträgt einen Monat und beginnt mit dem Tag, an dem die Anordnung dem Arrestschuldner zugestellt worden ist. Eine Vollziehung nach Ablauf dieser Frist ist unzulässig.
Zur Wahrung der Monatsfrist ist es ausreichend, dass die Vollstreckung innerhalb der Monatsfrist begonnen hat. Bei Vollstreckungshandlungen des Vollziehungsbeamten oder Gerichtsvollziehers beginnt die Vollstreckung z. B. mit der Öffnung verschlossener Türen oder der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume. Bei der Pfändung von Forderungen und anderer Vermögensrechte beginnt die Vollstreckung mit der Anordnung der Pfändung (Zeichnung der Pfändungsverfügung), nicht erst mit der Zustellung an den Drittschuldner.
Soll der Arrest in ein Grundstück oder in ein grundstücksgleiches Recht vollzogen werden, genügt der Eingang des Eintragungsantrages beim Grundbuchamt (§ 932 Abs. 3 ZPO), während der Vollzug der Eintragung auch noch nach Ablauf der Monatsfrist möglich ist.
Hat die Vollstreckungsbehörde eine fehlerhafte (nicht nichtige) Pfändung innerhalb der Monatsfrist ausgebracht, so kann die Pfändung wegen des wirksam erworbenen Pfandrechts auch noch nach Ablauf der Monatsfrist geheilt werden.

53.4.3
Durchführung der Vollziehung
Das Arrestverfahren dient ausschließlich der Sicherung des Anspruchs. Aus diesem Grund kann die Vollstreckungsbehörde alle Pfändungsmaßnahmen ergreifen, ohne zugleich zur Befriedigung durch Verwertung des gepfändeten Gegenstandes berechtigt zu sein. Vollstreckungsmaßnahmen, die den Gläubiger unmittelbar befriedigen, sind nur bei Gefahr einer erheblichen Wertminderung (z. B. leicht verderbliche Ware) oder bei erheblichen Aufbewahrungskosten zulässig (§ 930 Abs. 3 ZPO).
Gepfändete Wechsel und Schecks sind, sofern Verfall droht, zu verwerten. Die ausgezahlten Beträge sind gleichfalls zu hinterlegen.
Bei Forderungspfändungen kann nur eine Pfändungsverfügung, keine Pfändungs- und Einziehungsverfügung, ergehen. Jeder Hinweis auf die Einziehung der gepfändeten Forderung hat zu unterbleiben.
Die Vollziehung der Arrestanordnung in das unbewegliche Vermögen erfolgt durch Eintragung einer Arresthypothek (§ 932 Abs. 3 ZPO). Diese gewährt nur eine vorläufige Sicherung und wahrt den Rang. Die Arresthypothek ist eine Höchstbetragshypothek im Sinne des § 1190 BGB, wobei bei der Eintragung der endgültige Betrag der Forderung mit Nebenansprüchen in einer Summer anzugeben ist. Die Hinterlegungssumme entspricht dem Höchstbetrag, für den das Grundstück haftet (§§ 932, 923 ZPO). Auch bei der Arresthypothek ist die Betragsgrenze nach § 866 Abs. 3 ZPO (750,00 Euro) zu beachten. Im Antrag auf Eintragung einer Arresthypothek ist zum Ausdruck zu bringen, dass es sich um eine solche handelt. Der Tag der Zustellung der Arrestanordnung ist dem Grundbuchamt mitzuteilen. Der Antrag darf nicht den Zusatz enthalten, die Forderung sei vollstreckbar.
Die Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach den §§ 5 a oder 44 VwVG NRW gilt nicht als Beginn der Vollstreckung. Insoweit kann die Vollstreckungsbehörde in die ihr durch das Vermögensverzeichnis bekannt gewordenen Vermögenswerte nicht mehr vollstrecken, wenn der Arrestschuldner zwar vor Ablauf der Monatsfrist geladen wurde, die eidesstattliche Versicherung aber erst nach Ablauf der Monatsfrist abgegeben hat. Die Ladung zum Termin wäre daher rechtsmissbräuchlich. Etwas anderes gilt nur dann, wenn alsbald nach dem Erlass der Arrestanordnung mit der Bekanntgabe des Leistungsbescheides gerechnet werden darf, weil nur dann durch die Auswertung des Vermögensverzeichnisses zeitnah auf bisher nicht bekannte Vermögenswerte zugegriffen werden kann. Das Recht der Vollstreckungsbehörde, die eidesstattliche Versicherung nach § 44 VwVG NRW zu verlangen bleibt unberührt, sofern die Vollstreckungsmaßnahme, die die Urkunden betrifft, vor Ablauf der Monatsfrist begonnen hat.

53.4.4
Abwenden der Arrestvollziehung
Die Einzahlung der Hinterlegungssumme bei der Vollstreckungsbehörde berührt nicht die Wirksamkeit der Arrestanordnung, sondern führt zur Abwendung der Vollziehung oder zur Aufhebung bereits durchgeführter Vollstreckungsmaßnahmen. Gleiches gilt, wenn mit dem Einverständnis der Vollstreckungsbehörde in anderer Weise als durch Hinterlegung von Geld Sicherheit für den Betrag der Hinterlegungssumme geleistet wird (z. B. durch Bankbürgschaft).

53.4.5
Rechtsbehelfe gegen Vollstreckungsmaßnahmen
Gegen die im Rahmen der Arrestvollziehung durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen ist der Widerspruch zulässig.

53.5
Überleitung des Arrestverfahrens in das Vollstreckungsverfahren
Die Überleitung des Arrestverfahrens in das Vollstreckungsverfahren erfolgt, sobald die dem Arrestanspruch zugrunde liegende Geldforderung vollstreckbar geworden ist. Einer Aufhebung der Arrestanordnung und einer erneuten Pfändung bedarf es nicht. Erforderlich ist jedoch ein die Verwertung anordnender Verwaltungsakt der Vollstreckungsbehörde, der dem Vollstreckungsschuldner bekannt zu geben ist. Mit der Verwertung darf erst eine Woche nach der Bekanntgabe der Verwertungsabsicht begonnen werden (§ 54 VwVG NRW).
Die Verwertung erfolgt wie bei Pfändungspfandrechten, die im Vollstreckungsverfahren erlangt worden sind. Bei Forderungspfändungen tritt die Einziehung der gepfändeten Forderung an die Stelle des Verwaltungsaktes über die Anordnung der Verwertung. Die Einziehungsverfügung ist dem Drittschuldner zuzustellen, die Zustellung ist dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen.
Zur Umschreibung der Arresthypothek in eine gewöhnliche Sicherungshypothek ist an das Grundbuchamt ein entsprechendes Ersuchen zu richten. Vor der Umschreibung muss ein die Verwertung anordnender, dem Vollstreckungsschuldner bekannt zu gebender Verwaltungsakt der Vollstreckungsbehörde ergehen. Der Aufhebung der Arrestanordnung bedarf es nicht. In dem Ersuchen an das Grundbuchamt ist darauf hinzuweisen, dass die Forderungen vollstreckbar sind.
Nach der Überleitung des Arrestverfahrens in das Vollstreckungsverfahren ist ein zulässiger Widerspruch gegen die Arrestanordnung mangels Rechtsschutzbedürfnis erledigt.

53.6
Aufhebung des Arrestes
Die Arrestanordnung ist nach § 53 Abs. 5 VwVG NRW aufzuheben, wenn nach ihrem Erlass Umstände bekannt werden, die sie nicht mehr gerechtfertigt erscheinen lassen. Eine Aufhebung setzt einen Antrag des Arrestschuldners nicht voraus.
Umstände i. S. d. § 53 Abs. 5 VwVG NRW können sich gleichermaßen auf den Arrestanspruch und den Arrestgrund beziehen. Die Vollziehung des Arrestes oder die Gestellung der Hinterlegungssumme führt hingegen nicht zur Aufhebung der Arrestanordnung, da sonst die Rechtsgrundlage für die Vollziehung oder Hinterlegung entfallen würde und die Vollstreckungsbehörde verpflichtet wäre, bereits ergriffene Vollstreckungsmaßnahmen zurückzunehmen oder den hinterlegten Betrag zurückzuzahlen.
Die Stelle, die die Arrestanordnung erlassen hat, ist auch zuständig für ihre Aufhebung.

Fünfter Unterabschnitt
Befriedigung durch Verwertung von Sicherheiten

54
Verwertung von Sicherheiten (zu § 54)

54.1
Im Arrestverfahren erlangte Sicherheiten, auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung bestellte Sicherheiten oder Sicherheiten, die der Vollstreckungsschuldner freiwillig geleistet hat, werden nach § 54 VwVG NRW verwertet.

54.2
Als Sicherheitsleistung kommen insbesondere in Frage (vgl. § 241 AO):
a) Hinterlegung von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten,
b) Verpfändung von Sparguthaben bei Kreditinstituten und Schuldbuchforderungen,
c) Verpfändung von hypothekarisch gesicherten Ansprüchen, von Grund- und Rentenschulden,
d) Bestellung von Hypotheken, Grund- oder Rentenschulden an inländischen Grundstücken,
e) Bürgschaften, Garantieversprechen.

54.3
Bei Fälligkeit der zugrunde liegenden Ansprüche können Sicherheiten unmittelbar verwertet werden. Die Vollstreckungsbehörde hat hierzu dem Vollstreckungsschuldner die Verwertungsabsicht bekannt zu geben (auch dann, wenn sie z. B. hinterlegtes Geld bei der Hinterlegungsstelle anfordern will). Frühestens nach Ablauf einer Woche seit der Bekanntgabe (Zustellung wird wegen der Fristbestimmung zweckmäßig sein) darf mit der Verwertung nach den Vorschriften der §§ 30 ff. und 40 ff. VwVG NRW sowie ggf. der §§ 51 und 52 VwVG NRW begonnen werden.

- MBl. NRW. 2004 S. 890