Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2006 Nr. 15 vom 17.5.2006 Seite 271 bis 286

Wahllichtbildvorlage im Strafverfahren RdErl. d. Innenministeriums v. 12.3.2006 - 42 - 62.09.08 (6407) -
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Wahllichtbildvorlage im Strafverfahren RdErl. d. Innenministeriums v. 12.3.2006 - 42 - 62.09.08 (6407) -

Wahllichtbildvorlage im Strafverfahren

RdErl. d. Innenministeriums v. 12.3.2006
- 42 - 62.09.08 (6407) -

1
Vorbemerkung

1.1
Die Wahllichtbildvorlage dient der Identifizierung von namentlich bekannten Personen als Tatverdächtige durch Zeugen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Sie hat einen hohen forensischen Beweiswert.

1.2
Die beweiskräftige Verwertung der Ergebnisse von Wahllichtbildvorlagen setzt insbesondere voraus, dass den Zeugen eine unbeeinflusste Entscheidung zwischen mehreren Alternativen darüber möglich war, ob der Tatverdächtige auf den vorgelegten Lichtbildern abgebildet war.

1.3
Bei simultanen Wahllichtbildvorlagen werden die Vergleichsbilder gleichzeitig vorgelegt; die Zeugen entscheiden sich unter gleichzeitiger Wahrnehmung aller vorgelegten Bilder.

1.4
Bei sequenziellen Wahllichtbildvorlagen werden die Vergleichsbilder nacheinander einzeln vorgelegt. Die Zeugen entscheiden bei Vorlage jedes einzelnen und vor Präsentation des nächsten Lichtbildes unmittelbar, ob dies die von ihnen zu identifizierende Person abbildet. Sequenziellen Wahllichtbildvorlagen kommt höherer forensischer Beweiswert zu, da ein unmittelbares Wiedererkennen möglich ist und der Verzicht auf Vergleich mit den anderen präsentierten Bildern nicht zu einer nur relativen Ähnlichkeitsbewertung führt. Daher ist die sequenzielle  Wahllichtbildvorlage zu beenden, sobald der Tatverdächtige auf einem Lichtbild sicher wiedererkannt ist.

2
Datenschutz

2.1
In polizeilichen personenbezogenen Sammlungen vorhandene digitale Lichtbilder sind zur Erstellung von Vergleichsbildern so zu verfremden, dass die ursprünglich

abgebildete Person auf dem Vergleichsbild zweifelsfrei nicht mehr zu erkennen ist.

2.2
Bei der Nutzung von DV-Anwendungen zur Bildbearbeitung hat zum Schutz der Persönlichkeitsrechte jegliche Dokumentation zu unterbleiben, welche Lichtbilder zur Erstellung des Vergleichsbildes genutzt wurden.

2.3
Sollten im Ausnahmefall Vergleichsbilder real existierende Personen abbilden, so dürfen solche Lichtbilder nur verwendet werden, wenn die darauf abgebildeten Personen dieser Verwendung der Bilder ausdrücklich zugestimmt haben. Die Zustimmung ist für jedes Ermittlungsverfahren schriftlich zu dokumentieren.

2.4
Sofern lizenzrechtliche Bestimmungen dem nicht entgegenstehen, dürfen als Vergleichsbilder bzw. zu ihrer Herstellung auch solche Bilder bzw. Teile davon genutzt werden, die in so genannten Personenbibliotheken gewerblicher DV-Anwendungen frei verfügbar sind.

2.5
Vergleichsbilder dürfen in einer speziellen Datenbank recherchierfähig nach bestimmten Suchkriterien gespeichert werden (Datenpool). Da allein fiktive Personen abgebildet werden, sind dazu keine datenschutzrechtlichen Regelungen erforderlich.
Vergleichsbilder gemäß Nr. 2.3 werden im Datenpool nicht gespeichert.

2.6
Die Zentralen Polizeitechnischen Dienste NRW gewährleisten die technische Verfügbarkeit dieser Datenbank.

2.7
Das Landeskriminalamt NRW definiert unter Einbeziehung der Erfahrungen von Polizeibehörden und -einrichtungen die fachlichen Standards von Vergleichsbildern. Ihm obliegt die Qualitätskontrolle für die im Datenpool gespeicherten Vergleichsbilder. Es kann die hierzu erforderlichen Regelungen treffen.

3
Bildbearbeitung

3.1
Für die Bildbearbeitung zum Zwecke der Wahllichtbildvorlage sind ausschließlich die für diese Zwecke mit dem IT-Standard der Polizei des Landes NRW definierten DV-Anwendungen zu nutzen.

3.2
Die Erstellung von Vergleichsbildern ist allein durch hierfür speziell fortgebildete Bedienstete der Polizeibehörden zulässig. Im Interesse der Anwendungssicherheit sollte diese Aufgabe insbesondere Bediensteten des Erkennungsdienstes vorbehalten sein.

3.3
Für Wahllichtbildvorlagen sind grundsätzlich Frontalaufnahmen zu verwenden. Soweit nicht im Ausnahmefall unvermeidlich, ist die Erstellung von Vergleichsbildern mit anderen Aufnahmewinkeln auf Grund der dabei besonderen Anforderungen an die Bildbearbeitung zu vermeiden.

4
Vorbereiten und Durchführen von Wahllichtbildvorlagen

4.1
Die Art der Wahllichtbildvorlage bemisst sich nach den Anforderungen des Einzelfalls. Vorrangig sollte eine sequenzielle Wahllichtbildvorlage erfolgen.

4.2
Soll durch die Wahllichtbildvorlage geklärt werden, ob eine namentlich bekannte Person tatverdächtig oder tatbeteiligt ist, so ist den Zeugen ein Lichtbild dieser Person sowie von sieben weiteren Personen gleichen Geschlechts, ähnlichen Alters und ähnlicher Erscheinung vorzulegen. Dies hat so zu erfolgen, dass die Zeugen dabei nicht bereits aus der Art und Weise der Vorlage Hinweise ableiten können, gegen welche der abgebildeten Personen sich der Tatverdacht richtet. Die freie Auswahlentscheidung von Zeugen darf auch nicht durch äußerliche Abweichungen des Lichtbildes des Tatverdächtigen von den Vergleichslichtbildern beeinflusst sein. Alle vorgelegten Bilder müssen im Hinblick auf Gestaltung, Format, Schärfe und Farbe sowie andere Merkmale möglichst gleichartig sein. Hierzu sind ggf. auch Form und Layout des Lichtbildes des Tatverdächtigen den entsprechenden Merkmalen der Vergleichsbilder anzupassen, ohne jedoch das Aussehen der abgebildeten Person zu verändern.

4.3
Die Einzelheiten der Lichtbildvorlage sind aktenkundig zu machen. Ein Farbausdruck der vorgelegten Bilder ist zur Ermittlungsakte zu nehmen. Hat ein Zeuge den Tatverdächtigen im Tatzusammenhang nur kurz wahrgenommen, sind die objektiven Kriterien aktenkundig zu machen, mit denen der Zeuge das Wiedererkennen begründet.

4.4
Die Wahllichtbildvorlage findet grundsätzlich am Computermonitor mittels bereits vorbereiteter oder im Datenpool (vgl. z. Nr. 2.5) gespeicherter Vergleichsbilder statt. Sie kann auch durch Polizeivollzugsbeamte erfolgen, die zum lesenden Zugriff auf diese Anwendung berechtigt sind.

5
Fortbildung

Das Institut für Aus- und Fortbildung der Polizei NRW gewährleistet ein bedarfsgerechtes Fortbildungsangebot.

- MBl. NRW. 2006 S. 283