Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2010 Nr. 6 vom 16.2.2010 Seite 115 bis 130

 

Gesetz zur Abrechnung der Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände an den finanziellen Belastungen des Landes Nordrhein-Westfalen in Folge der Deutschen Einheit (Einheitslastenabrechnungsgesetz NRW)

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Gesetz
zur Abrechnung der Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden
und Gemeindeverbände an den finanziellen Belastungen des Landes
Nordrhein-Westfalen in Folge der Deutschen Einheit
(Einheitslastenabrechnungsgesetz NRW)

 

Vom 9. Februar 2010

 

Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

 

Gesetz
zur Abrechnung der Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden
und Gemeindeverbände an den finanziellen Belastungen des Landes
Nordrhein-Westfalen in Folge der Deutschen Einheit
(Einheitslastenabrechnungsgesetz NRW)

 

Teil 1

Grundlagen

 

§ 1
Kommunale Beteiligung

(1) Die Gemeinden und Gemeindeverbände beteiligen sich an den fortwirkenden finanziellen Lasten des Landes Nordrhein-Westfalen (Land) in Folge der Deutschen Einheit auf Grund

 

1. der Einbeziehung der neuen Länder in den Länderfinanzausgleich seit 1995 und

2. der Kompensationsleistungen, die das Land im Zusammenhang mit der Neuregelung der Finanzierung des Fonds „Deutsche Einheit“ seit 2005 erbringt.

 

(2) Das Land führt in den Jahren 2006 bis 2019 für jedes Haushaltsjahr (Abrechnungsjahr) eine Feinabstimmung und Abrechnung der Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände nach Maßgabe dieses Gesetzes durch.

 

(3) Die Abrechnung erfolgt innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf des Abrechnungsjahres. Abweichend von Satz 1 erfolgt die Feinabstimmung und Abrechnung der Jahre 2006, 2007 und 2008 nach Inkrafttreten dieses Gesetzes.

 

Teil 2

Ermittlung des vertikalen Belastungsanteils der Gemeinden und Gemeindeverbände

 

§ 2
Ermittlung des einheitsbedingten Gesamtbelastungsbetrages für das Land

(1) Die jährliche einheitsbedingte Belastung im Sinne von § 1 Absatz 1 Nummer 1 für das Land errechnet sich wie folgt:

 

1. Ein Betrag von 103 Euro wird vervielfältigt mit der Anzahl der Einwohner des Landes im jeweiligen Abrechnungsjahr vermindert um 440 000 000 Euro.

2. Der Betrag nach Nummer 1 wird vervielfältigt mit dem prozentualen Anteil des in Artikel 3 Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889) genannten Gebietes am Volumen des Länderfinanzausgleichs. Zur Ermittlung des Anteils des in Artikel 3 Einigungsvertrag genannten Teils des Landes Berlin wird der Betrag des Landes Berlin im Verhältnis der Einwohnerzahl aufgeteilt.

 

Abweichend davon beträgt die einheitsbedingte Belastung im Sinne von § 1 Absatz 1 Nummer 1 für das Jahr 2006 315 479 694 Euro.

 

(2) Die einheitsbedingte Belastung im Sinne von § 1 Absatz 1 Nummer 2 beträgt jährlich 685 544 488 Euro.

 

(3) Die Summe der Beträge gemäß Absatz 1 und 2 ergibt den einheitsbedingten Gesamtbelastungsbetrag des Landes.

 

§ 3
Ermittlung des kommunalen Finanzierungsanteils

(1) Die Gemeinden und Gemeindeverbände beteiligen sich an dem einheitsbedingten Gesamtbelastungsbetrag gemäß § 2 Absatz 3 entsprechend ihrem Anteil am Gesamtsteueraufkommen von Land sowie Gemeinden und Gemeindeverbänden im Abrechnungsjahr (kommunaler Finanzierungsanteil).

 

(2) Das Steueraufkommen des Landes wird errechnet aus den von ihm im Abrechnungsjahr kassenwirksam vereinnahmten Steuern sowie der Gewerbesteuerumlage einschließlich der Erhöhungen der Gewerbesteuerumlage gemäß § 6 Absatz 3 und 5 Gemeindefinanzreformgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 2009 (BGBl. I S. 502)

 

1. vermindert um die im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs für das Abrechnungsjahr zur Verfügung gestellte verteilbare Finanzausgleichsmasse ohne Abzug von Kreditierungen und Verrechnungen,

2. vermindert um die an die Gemeinden im Abrechnungsjahr als Kompensationsleistung für die Verluste aus der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs gezahlten Beträge sowie

3. erhöht um die Beträge, die das Land aus dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund vom 29. Mai 2009 (BGBl. I S. 1170) im Abrechnungsjahr erhalten hat.

 

(3) Das gemeindliche Steueraufkommen wird errechnet aus den von den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Abrechnungsjahr kassenwirksam vereinnahmten Steuern und steuerähnlichen Einzahlungen

 

1. vermindert um die Gewerbesteuerumlage einschließlich der Erhöhungen der Gewerbesteuerumlage gemäß § 6 Absatz 3 und 5 Gemeindefinanzreformgesetz sowie

2. erhöht um die in Absatz 2 Nummer 1 und 2 genannten Beträge.

 

(4) Abweichend von den Absätzen 2 und 3 wird für das Jahr 2006 das Steueraufkommen des Landes zusätzlich um die vereinnahmte erhöhte Gewerbesteuerumlage nach § 6 Absatz 3 und 5 Gemeindefinanzreformgesetz vermindert und das Steueraufkommen der Gemeinden und Gemeindeverbände entsprechend erhöht.

 

§ 4
Kommunale Finanzierungsbeteiligungen

Die Gemeinden und Gemeindeverbände leisten Finanzierungsbeteiligungen durch

 

1. die im Abrechnungsjahr erbrachten erhöhten Gewerbesteuerumlagen gemäß § 6 Absatz 3 und 5 Gemeindefinanzreformgesetz und

2. die Auswirkungen des einheitsbedingten Gesamtbelastungsbetrages gemäß § 2 Absatz 3 auf den Steuerverbund im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs in Höhe des um die Verbundsatzpunkte für den pauschalen Belastungsausgleich gemäß § 5 verminderten Verbundsatzes im Abrechnungsjahr. Für das Jahr 2006 beträgt die Auswirkung des einheitsbedingten Gesamtbelastungsbetrages 157 675 232 Euro, für das Jahr 2007 334 246 279 Euro und für das Jahr 2008 327 870 508 Euro.

 

§ 5
Belastungsausgleich

Die kommunale Finanzierungsbeteiligung gemäß § 4 Nummer 2 ist um den Betrag zu vermindern, den das Land für das Abrechnungsjahr im Steuerverbund im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs als pauschalen Belastungsausgleich von Ausgleichsansprüchen aus der Beteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände an den finanziellen Belastungen des Landes in Folge der Deutschen Einheit über Verbundsatzpunkte zur Verfügung stellt (saldierter Belastungsausgleich). Für das Jahr 2006 beträgt der pauschale Belastungsausgleich 196 373 807 Euro, für das Jahr 2007 349 755 670 Euro und für das Jahr 2008 393 815 612 Euro.

 

§ 6
Vertikale Feinabstimmung

(1) Die Höhe der Über- oder Unterzahlung des Anteils der Gemeinden und Gemeindeverbände am einheitsbedingten Gesamtbelastungsbetrag des Landes gemäß § 2 Absatz 3 ergibt sich aus dem zu erbringenden kommunalen Finanzierungsanteil gemäß § 3 Absatz 1

 

1. vermindert um die geleistete kommunale Finanzierungsbeteiligung gemäß § 4 Nummer 1 sowie

2. vermindert um den saldierten Belastungsausgleich nach § 5.

 

(2) Nach Maßgabe des § 7 Absatz 2 rechnet das Land mit den Gemeinden und Gemeindeverbänden zunächst den saldierten Belastungsausgleich ab. Mit den Gemeinden rechnet es danach die geleistete kommunale Finanzierungsbeteiligung gemäß § 4 Nummer 1 vermindert um den kommunalen Finanzierungsanteil gemäß § 3 Absatz 1 nach Maßgabe des § 7 Absatz 3 ab.

 

Teil 3

Interkommunale Verteilung

 

§ 7
Ermittlung der endgültigen Abrechnungsbeträge für
jede Gemeinde und jeden Gemeindeverband

(1) Die Abrechnung für jede Gemeinde erfolgt in zwei Verfahrensstufen gemäß Absatz 2 und 3 und für jeden Gemeindeverband gemäß Absatz 2.

 

(2) Der Abrechnungsbetrag gleicht die einheitsbedingten Belastungen jeder Gemeinde und jedes Gemeindeverbandes im kommunalen Steuerverbund vollständig aus. Er errechnet sich aus den im Abrechnungsjahr festgesetzten Zuwendungen auf Grund des kommunalen Steuerverbundes vermindert um die sich bei Berücksichtigung des saldierten Belastungsausgleichs des Abrechnungsjahrs ergebenden Zuwendungen auf Grund des kommunalen Steuerverbundes. Dieser Abrechnungsbetrag ist bei Gemeinden in der zweiten Verfahrensstufe gemäß Absatz 3 für den endgültigen Abrechnungsbetrag zu berücksichtigen. Bei Gemeindeverbänden ist der Betrag gemäß Satz 1 der endgültige Abrechnungsbetrag.

 

(3) Zur Berechnung des endgültigen Abrechnungsbetrags für jede Gemeinde wird der Betrag gemäß § 6 Absatz 2 Satz 2 im Verhältnis des Anteils jeder Gemeinde im Abrechnungsjahr am landesweiten Aufkommen der erhöhten Gewerbesteuerumlagen gemäß § 6 Absatz 3 und 5 Gemeindefinanzreformgesetz verteilt. Der auf die jeweilige Gemeinde entfallende Betrag wird vermindert

 

1. um den Betrag gemäß Absatz 2 Satz 1 sowie

2. um die der Gemeinde für das Abrechnungsjahr gewährten Abschläge nach dem Gesetz über die Leistung von Abschlägen im Rahmen der Feinabstimmung der Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden an den finanziellen Belastungen des Landes Nordrhein-Westfalen aufgrund der Deutschen Einheit vom 13. März 2008 (GV. NRW. S. 195) oder anderer Gesetze.

 

Teil 4

Verfahren

 

§ 8
Grundlagen für die Erhebung und die Anwendung von Daten

 

Die zur Abrechnung erforderlichen Daten werden den folgenden Quellen entnommen,

 

1. die Anzahl der Einwohner des Landes (§ 2 Absatz 1 Nummer 1) der Bevölkerungsfortschreibung des Statistischen Bundesamtes zum 30. Juni des Abrechnungsjahres,

2. der Anteil am Länderfinanzausgleich (§ 2 Absatz 1 Nummer 2) den Beiträgen und Zuweisungen im Länderfinanzausgleich im entsprechenden Ausgleichsjahr nach der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Finanzausgleichgesetzes. Soweit diese Verordnung zum Zeitpunkt der Abrechnung noch nicht in Kraft getreten ist, ist die vorläufige Abrechnung der Umsatzsteuerverteilung und des Finanzausgleichs unter den Ländern zu Grunde zu legen,

3. die Einwohnerzahlen des Landes Berlin (§ 2 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2) der Bevölkerungsfortschreibung, die das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg zum 30. Juni des Abrechnungsjahrs ermittelt hat,

4. das Steueraufkommen des Landes (§ 3 Absatz 2) der Haushaltsrechnung des Landes für das Abrechnungsjahr,

5. das gemeindliche Steueraufkommen (§ 3 Absatz 3) der amtlichen Kassenstatistik des Landesbetriebs Information und Technik Nordrhein-Westfalen für das Abrechnungsjahr,

6. die verteilbare Finanzausgleichsmasse dem für das Abrechnungsjahr geltenden Gemeindefinanzierungsgesetz,

7. die von jeder Gemeinde im Abrechnungsjahr geleisteten erhöhten Gewerbesteuerumlagen gemäß § 6 Absatz 3 und 5 Gemeindefinanzreformgesetz den Festsetzungen auf Grund der Verordnung über die Aufteilung und Auszahlung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer und die Abführung der Gewerbesteuerumlage in der zum Zeitpunkt der Festsetzung gültigen Fassung.

 

§ 9
Festsetzungen

(1) Für jedes Abrechnungsjahr errechnen Innenministerium und Finanzministerium den einheitsbedingten Gesamtbelastungsbetrag gemäß § 2 Absatz 3, den kommunalen Finanzierungsanteil gemäß § 3 Absatz 1, den Betrag gemäß § 4 Nummer 2, den saldierten Belastungsausgleich gemäß § 5 und die Höhe der Über- oder Unterzahlung gemäß § 6 Absatz 1 und setzen diese Beträge fest, soweit sie nicht bereits durch dieses Gesetz bestimmt sind.

 

(2) Die Abrechnungsbeträge gemäß § 7 Absatz 2 und 3 werden für das jeweilige Abrechnungsjahr für jede Gemeinde und für jeden Kreis vom Innenministerium und Finanzministerium errechnet und festgesetzt und durch die Bezirksregierungen beschieden. Das Innenministerium und das Finanzministerium können bestimmen, dass die Bescheide der Bezirksregierungen den Gemeinden und Kreisen unmittelbar durch den Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen zuzuleiten sind. Die auf die Landschaftsverbände entfallenden Abrechnungsbeträge werden für das jeweilige Abrechnungsjahr vom Innenministerium und Finanzministerium errechnet und durch Erlass festgesetzt.

 

§ 10
Auszahlung der Abrechnungsbeträge

(1) Soweit sich aus den festgesetzten Abrechnungsbeträgen gemäß § 9 Absatz 2 Ansprüche einzelner Gemeinden oder Gemeindeverbände gegenüber dem Land ergeben, werden die Beträge zum nächsten Auszahlungstermin nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz ausgezahlt. Für die Jahre 2006, 2007 und 2008 erfolgt die Auszahlung nach Inkrafttreten dieses Gesetzes.

 

(2) Ansprüche des Landes auf Grund dieses Gesetzes werden zum nächsten Termin, zu dem Zuweisungen nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz ausgezahlt werden, verrechnet. Übersteigt ein Anspruch die Höhe des Auszahlungsbetrages, fordert das Land den übersteigenden Betrag von der Gemeinde oder dem Gemeindeverband zurück.

 

(3) Abweichend von Absatz 2 macht das Land für die Abrechnungsjahre 2006, 2007 und 2008 keine Ansprüche geltend.

 

§ 11
Berichtigungen

Stellen sich innerhalb von zwei Jahren nach Festsetzung der Abrechnungsbeträge Unrichtigkeiten heraus, die nicht auf Daten aus amtlichen Statistiken zurückzuführen sind, so können diese auf Antrag berichtigt werden, wenn die Summe der beantragten Berichtigungen eines Jahres 10 000 Euro übersteigt. Berichtigungen können mit allen Leistungen aus dem Steuerverbund nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz verrechnet werden.

 

Teil 5

Durchführungsvorschriften

 

§ 12
Inkrafttreten/Außerkrafttreten

Das Gesetz tritt mit Wirkung vom 18. November 2009 in Kraft. Es tritt am 31. Dezember 2021 außer Kraft.

 

Düsseldorf, den 9. Februar 2010

 

 

Die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen

 

Der Stellvertreter
des Ministerpräsidenten

Prof. Dr. Andreas  P i n k w a r t

(L. S.)

Der Finanzminister

Dr. Helmut  L i n s s e n

 

Der Innenminister

Dr. Ingo  W o l f

 

GV. NRW. 2010 S. 127