Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2001 Nr. 43 vom 27.12.2001 Seite 865 bis 874

 

Gesetz über die Rechtsstellung der Fraktionen im Landtag von Nordrhein-Westfalen (Fraktionsgesetz - FraktG NRW) sowie zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Landtages Nordrhein-Westfalen (Abgeordnetengesetz - AbgG NRW)

1101

Gesetz
über die Rechtsstellung der Fraktionen
im Landtag von Nordrhein-Westfalen
(Fraktionsgesetz - FraktG NRW)
sowie
zur Änderung des Gesetzes
über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder
des Landtages Nordrhein-Westfalen
(Abgeordnetengesetz - AbgG NRW)

Vom 18. Dezember 2001

Artikel 1

Gesetz über die Rechtsstellung der
Fraktionen im Landtag von Nordrhein-Westfalen
(Fraktionsgesetz - FraktG NRW)

Abschnitt 1
Status und Organisation

§ 1
Bildung, Rechtsstellung und Aufgaben der Fraktionen

(1) Fraktionen sind mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestattete Vereinigungen im Landtag, zu denen sich Mitglieder des Landtags nach Maßgabe seiner Geschäftsordnung zusammengeschlossen haben. Sie dienen der politischen Willensbildung im Landtag und helfen den Mitgliedern, ihre parlamentarische Tätigkeit auszuüben und zur Verfolgung gemeinsamer Ziele aufeinander abzustimmen. Die Fraktionen haben das Recht, mit Fraktionen anderer Parlamente zusammenzuarbeiten und die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit, auch mittels eigener Publikationen, zu unterrichten.

(2) Fraktionen nehmen am allgemeinen Rechtsverkehr teil und können unter ihrem Namen klagen und verklagt werden. Sie sind nicht Teil der öffentlichen Verwaltung und üben keine öffentliche Gewalt aus.

(3) Das Nähere über die Bildung einer Fraktion sowie über ihre Rechte und Pflichten bestimmt die Geschäftsordnung des Landtags.

§ 2
Organisation

(1) Die Fraktionen sind verpflichtet, ihre Organisation und Arbeitsweise auf den Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie aufzubauen und an diesen auszurichten.

(2) Jede Fraktion gibt sich eine schriftliche Geschäftsordnung, die als notwendige Fraktionsorgane die Fraktionsversammlung und den Fraktionsvorstand vorsieht.

(3) Die Geschäftsordnung soll Hinweise enthalten, die die angemessene Beteiligung beider Geschlechter in den Fraktionsorganen sowie bei der Entsendung in Gremien und Ausschüsse berücksichtigen.

(4) Die Präsidentin bzw. der Präsident des Landtags veröffentlicht die Geschäftsordnung im Handbuch des Landtags.

Abschnitt 2
Leistungen und Zuschüsse an Fraktionen

§ 3
Leistungen an Fraktionen

(1) Die Fraktionen erhalten zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben Zuschüsse gemäß § 4. Den Fraktionen werden vom Landtag die zu ihrer Aufgabenerledigung notwendigen Räume sowie die dazu notwendigen Sach- und Dienstleistungen einschließlich der durch den Landtag zur Verfügung gestellten Informations- und Kommunikationseinrichtungen nach Maßgabe des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen unentgeltlich überlassen.

(2) Darüber hinaus erhalten die Fraktionen sonstige Zuschüsse für bestimmte Zwecke, soweit dies gesetzlich bestimmt ist oder vom Landtag beschlossen wird.

(3) Die Fraktionen dürfen die ihnen nach Absatz 1 und 2 gewährten Zuschüsse nur für eigene Zwecke verwenden. Finanzielle Zuwendungen Dritter dürfen nicht angenommen werden.

§ 4
Fraktionszuschüsse

(1) Zur Deckung ihres allgemeinen Bedarfs erhalten die Fraktionen monatlich im Voraus Zuschüsse, deren Höhe im Haushaltsplan festgesetzt wird. Der Zuschuss besteht aus einem gleichhohen Grundbetrag für jede Fraktion und aus einem Betrag für jedes Fraktionsmitglied. Fraktionen, die nicht die Landesregierung tragen, erhalten eine Zulage (Oppositionszuschlag).

(2) Eine Fraktion erhält den Zuschuss ab der konstituierenden Sitzung des Landtags bis zum Ende der Wahlperiode. Eine neu hinzukommende Fraktion erhält den Zuschuss ab dem auf die Wahl folgenden Tag, wenn sie sich innerhalb eines Monats bildet. Der für den Zeitraum zwischen dem auf die Wahl folgenden Tag und der konstituierenden Sitzung des Landtags an eine neu hinzukommende Fraktion gezahlte Zuschuss wird innerhalb der folgenden sechs Monate mit den der Fraktion zustehenden Zuschüssen verrechnet. Im Übrigen wird der Zuschuss nur für den Zeitraum gewährt, in dem die Fraktion die Voraussetzungen dieses Gesetzes und der Geschäftsordnung des Landtags erfüllt.

(3) Die Fraktionen dürfen aus den Zuschüssen nach Absatz 1 Rücklagen bilden, soweit dies unter Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung für Ausgaben, die aus den Einnahmen des laufenden Haushaltsjahres nicht getätigt werden können, erforderlich ist. Die gesamte Rücklage darf 60 v.H. des Jahresetats nicht überschreiten. Die Fraktionen sind verpflichtet, zum Ende der Wahlperiode Rücklagen zu bilden, um eingegangene Verpflichtungen im personellen und sächlichen Bereich erfüllen zu können. Die Fraktionen dürfen keine Kredite aufnehmen. Leasingverträge sind zulässig.

§ 5
Rückgewähr

(1) Zweckwidrig verwendete Zuschüsse sind spätestens einen Monat nach Rechnungslegung gemäß § 7, im Falle einer Prüfung durch den Landesrechnungshof nach Vorlage des endgültigen Prüfungsberichts spätestens einen Monat nach Entscheidung der Präsidentin bzw. des Präsidenten des Landtags an den Landtag Nordrhein-Westfalen zurückzuzahlen.

(2) Rücklagen, die die nach § 4 Abs. 3 Satz 2 bestehende Grenze überschreiten, sind spätestens einen Monat nach Vorlage der Rechnung an den Landtag Nordrhein-Westfalen zurückzuzahlen.

§ 6
Buchführung

Die Fraktionen haben über ihre Einnahmen und Ausgaben nach Maßgabe des § 7 gesondert Buch zu führen. Aus diesen Mitteln beschaffte Gegenstände oder vom Landtag überlassene Sachen sind zu kennzeichnen und, soweit sie einen Wert von 410,00 Euro übersteigen, in einem besonderen Nachweis aufzuführen.

§ 7
Rechnungslegung

(1) Die Fraktionen legen über ihre Einnahmen und Ausgaben Rechnung. Die Rechnung umfasst jeweils ein Kalenderjahr. Sie ist spätestens zum Ende des 6. Monats des auf das Haushaltsjahr folgenden Jahres oder des Monats vorzulegen, in dem die Zuschüsse nach § 4 letztmals gezahlt wurden. Endet die Wahlperiode oder verliert eine Fraktion ihre Rechtsstellung, so ist die Rechnung binnen einer Frist von 6 Monaten zu legen.

(2) Die Rechnung ist von der Fraktionsvorsitzenden bzw. dem Fraktionsvorsitzenden und der nach der Geschäftsordnung der Fraktion zuständigen Person zu unterzeichnen.

(3) Die Rechnung ist wie folgt nach Einnahmen und Ausgaben zu gliedern:

1. Einnahmen

a) Zuschüsse und Leistungen nach §§ 3 und 4,

b) sonstige Einnahmen

2. Ausgaben

a) Entschädigungen an Fraktionsmitglieder mit besonderen Funktionen (Gesamtbetrag).

b) Personalausgaben für Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter (Gesamtbetrag; Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eine der Besoldungsgruppe A 13 entsprechende oder höhere Vergütung erhalten haben; Zahl der übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter).

c) Sachausgaben

aa) Ausgaben des laufenden Geschäftsbetriebs,

bb) Ausgaben für Veranstaltungen oder für die Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen,

cc) Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit,

dd) Ausgaben für Beratungen und Gutachten Dritter,

ee) Ausgaben für dienstliche Reisen.

d) Sonstige Ausgaben.

(4) Die Rechnung muss außerdem die Höhe der gesamten Rücklage zu Beginn und Ende des Kalenderjahres nachweisen.

(5) Die Rechnung muss den Prüfungsvermerk einer Wirtschaftsprüferin bzw. eines Wirtschaftsprüfers oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aufweisen, dass die Rechnung den Vorschriften der Absätze 2 bis 4 entspricht.

(6) Solange die Fraktion mit der Rechnungslegung im Verzug ist, sind die Zuschüsse nach §§ 3 und 4 zurückzuhalten.

§ 8
Veröffentlichung

Die Präsidentin bzw. der Präsident des Landtags veröffentlicht jährlich die geprüften Einnahme- und Ausgabepositionen der Fraktionen sowie den Vermögensnachweis gemäß § 6 Satz 2 als Drucksache.

§ 9
Rechnungsprüfung

(1) Der Landesrechnungshof ist berechtigt, die bestimmungsgemäße und wirtschaftliche Verwendung der Zuschüsse nach §§ 3 und 4 durch die Fraktionen auf der Grundlage der von den Fraktionen gemäß § 7 gelegten Rechnungen zu prüfen. Bei der Prüfung sind die besondere Rechtsstellung und die Aufgaben der Fraktionen gemäß § 1 zu beachten. Der Landesrechnungshof prüft nicht die Zweckmäßigkeit von Maßnahmen der Fraktionen im Rahmen ihrer Aufgaben.

(2) Der Landesrechnungshof fasst seine Prüfungsergebnisse nach Anhörung der betroffenen Fraktionen in einem schriftlichen Bericht an die Präsidentin bzw. den Präsidenten des Landtags zusammen.

(3) Die Präsidentin bzw. der Präsident des Landtags gibt den Fraktionen mit einer Frist von 3 Monaten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Präsidentin bzw. der Präsident des Landtags entscheidet abschließend.

§ 10
Leistungen an fraktionslose Abgeordnete

Fraktionslose Abgeordnete oder ihre Zusammenschlüsse erhalten einen Zuschuss entsprechend § 4 in Höhe des um ein Viertel erhöhten Betrages je Fraktionsmitglied. Die Bestimmungen dieses Gesetzes zur Zweckbindung, Verwendung, Rechnungslegung und Überprüfung der Mittel sowie zur Veröffentlichung gelten sinngemäß.

§ 11
Verschwiegenheitspflicht der Fraktionsangestellten

(1) Angestellte der Fraktionen sind auch nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses verpflichtet, über die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.

(2) Angestellte der Fraktionen dürfen auch nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses ohne Genehmigung über solche Angelegenheiten weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben. Die Genehmigung erteilen die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden.

Abschnitt 3
Schlussbestimmungen

§ 12
Beendigung der Rechtsstellung, Liquidation einer Fraktion

(1) Die Rechtsstellung als Fraktion endet

1. mit dem Wegfall der Voraussetzungen, die von der Geschäftsordnung des Landtags gefordert werden,

2. bei Selbstauflösung der Fraktion,

3. mit dem Ende der Wahlperiode oder der Auflösung des Landtags.

(2) Im Fall des Absatzes 1 Ziffer 3 endet die Rechtsstellung der Fraktion nicht, wenn sie sich innerhalb eines Monats nach Beginn der neuen Wahlperiode nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung des Landtags neu bildet oder ihre Mitglieder sich in diesem Zeitraum zur Nachfolgefraktion erklären. In diesem Fall ist die neu konstituierte Fraktion die Rechtsnachfolgerin der bisherigen Fraktion. Eine Liquidation findet in diesem Fall nicht statt. Das Vermögen einschließlich der Forderungen und Verbindlichkeiten aus Geschäftstätigkeiten der früheren Fraktion, die Rücklagen nach § 4 Abs. 3 sowie Leistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 gehen auf sie über.

(3) In den übrigen Fällen findet eine Liquidation statt. Die Fraktion gilt bis zur Beendigung der Liquidation als fortbestehend, soweit der Zweck der Liquidation dies erfordert. Die Liquidation erfolgt durch den Vorstand, soweit die Geschäftsordnung der Fraktion nichts anderes bestimmt.

(4) Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beenden, die Forderungen einzuziehen und die Gläubiger zu befriedigen. Sie sind berechtigt, zu diesem Zweck neue Geschäfte einzugehen und das Vermögen in Geld umzusetzen. Die Veräußerung des Vermögens und das Eingehen neuer Verbindlichkeiten erfolgt im Einvernehmen mit der Präsidentin bzw. dem Präsidenten des Landtags. Die Zweckbindung nach § 3 Abs. 2 ist zu beachten. Trifft die Liquidatoren bei der Durchführung der Liquidation ein Verschulden, haften sie für den daraus entstehenden Schaden gegenüber den Gläubigern als Gesamtschuldner.

(5) Soweit nach Beendigung der Liquidation nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 gewährte Geldleistungen verbleiben, sind diese an den Landtag zurückzuführen. Das gleiche gilt für Vermögenswerte, die mit diesen Geldern angeschafft worden sind. Die Sachleistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 sind an den Landtag zurückzugeben.

(6) Das verbleibende Vermögen der Fraktion ist der oder dem Anfallsberechtigten zu überlassen. Anfallsberechtigt sind die in der Geschäftsordnung der Fraktion bestimmten Personen oder Stellen.

(7) Die Absätze 5 und 6 gelten erst, wenn seit dem Ereignis, das zum Verlust der Rechtsstellung nach § 1 geführt hat, sechs Monate verstrichen sind. Für die Sicherung der Gläubiger gilt § 52 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Artikel 2
Änderung des Gesetzes
über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder
des Landtages Nordrhein-Westfalen
(Abgeordnetengesetz - AbgG NRW)

Das Abgeordnetengesetz wird wie folgt geändert:

1. Der 6. Abschnitt des Dritten Teils (§ 30) wird aufgehoben.

2. Dem Fünften Teil wird folgender Teil vorangestellt:

„Fünfter Teil

Fraktionen

§ 38
Fraktionen

Fraktionen sind Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert der Mitglieder des Landtags. Einzelheiten über die Rechtsstellung und Finanzierung der Fraktionen werden in einem Fraktionsgesetz geregelt.“

3. Der bisherige Fünfte Teil wird Sechster Teil.

Artikel 3

In-Kraft-Treten

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2002 in Kraft.

Düsseldorf, den 18. Dezember 2001

Die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen

Der Ministerpräsident

Wolfgang  C l e m e n t

(L. S.)

Der Innenminister

Dr. Fritz  B e h r e n s

GV. NRW. 2001 S. 866