Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2012 Nr. 20 vom 6.9.2012 Seite 383 bis 396

 

Verordnung zur Übertragung von Befugnissen nach § 123 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen

20320

Verordnung
zur Übertragung von Befugnissen
nach § 123 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen

 

Vom 24. August 2012

 

Auf Grund des § 123 Absatz 4 Satz 2 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 26. Januar 2010 (GV. NRW. S. 30), geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 5. April 2011 (GV. NRW. S. 199), wird verordnet:

 

§ 1
Stundung und Niederschlagung

(1) Zuständig für die Stundung und die Niederschlagung von Gerichtskosten mit Ausnahme von Gerichtskosten in Insolvenzverfahren und von sonstigen Ansprüchen der in § 123 Absatz 1 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen genannten Art, die bei Gerichten oder Staatsanwaltschaften entstanden sind, ist die Leiterin oder der Leiter der mit Vollstreckungsaufgaben betrauten Gerichtskasse. Die Zuständigkeit besteht unabhängig davon, ob die Ansprüche der Gerichtskasse zur Einziehung überwiesen worden sind.

 

(2) Für die Stundung und die Niederschlagung der in Absatz 1 Satz 1 genannten Ansprüche, die nach der Strafvollstreckungsordnung und der Einforderungs- und Beitreibungsanordnung (AV d. JM vom 1. August 2011 - 4300 - III. 21 -, JMBl. NRW S. 154) beizutreiben sind, ist die dort bestimmte Vollstreckungsbehörde zuständig. Die Behandlung von Gerichtskosten in Insolvenzverfahren richtet sich nach §§ 4a und 4b der Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866), zuletzt geändert durch Artikel 19 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854).

 

(3) Bei Anträgen auf Erlass von Ansprüchen im Sinne von Absatz 1 sind auch die Leitungen der Behörden nach §§ 2 und 3 im Rahmen ihrer Zuständigkeit zur Stundung und zur Niederschlagung befugt.

 

(4) Zuständig für die Stundung und die Niederschlagung von Ansprüchen im Sinne von Absatz 1 aus dem Bereich des Justizvollzugs (insbesondere Haftkostenbeiträge) ist die Leiterin oder der Leiter der Landeskasse Düsseldorf.

 

§ 2
Erlass

(1) Zuständig für den Erlass von Ansprüchen nach § 1 aus dem Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit von Beträgen bis zu 15.000 Euro ist die Präsidentin oder der Präsident des Landgerichts oder Amtsgerichts. Zuständig für den Erlass von Ansprüchen nach § 1 aus dem Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit von Beträgen bis zu 30.000 Euro ist die Präsidentin oder der Präsident des Oberlandesgerichts, darüber hinaus das Justizministerium. Zuständig für den Erlass von Ansprüchen nach § 1 aus dem Bereich des Justizvollzugs von Beträgen bis zu 30.000 Euro ist die Leitung der Justizvollzugsanstalt, darüber hinaus das Justizministerium.

 

(2) Über Beschwerden gegen die Entscheidung der Präsidentin oder des Präsidenten des Landgerichts (Amtsgerichts) entscheidet die Präsidentin oder der Präsident des Oberlandesgerichts, über Beschwerden gegen deren oder dessen Entscheidung das Justizministerium. Über Beschwerden gegen die Entscheidung der Leitung der Justizvollzugsanstalt entscheidet das Justizministerium.

 

§ 3
Besondere Zuständigkeiten

(1) Die vorstehenden Bestimmungen gelten für die Bereiche der Verwaltungs- und der Sozialgerichtsbarkeit entsprechend.

An die Stelle der Präsidentin oder des Präsidenten des Landgerichts (Amtsgerichts) treten die Präsidentin oder der Präsident des Verwaltungsgerichts und die Präsidentin oder der Präsident des Sozialgerichts. An die Stelle der Präsidentin oder des Präsidenten des Oberlandesgerichts treten die Präsidentin oder der Präsident des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und die Präsidentin oder der Präsident des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen.

Die vorstehenden Bestimmungen gelten für die Arbeits- und die Finanzgerichtsbarkeit mit der Maßgabe entsprechend, dass an die Stelle der Präsidentin oder des Präsidenten des Landgerichts (Amtsgerichts) sowie der Präsidentin oder des Präsidenten des Oberlandesgerichts die Präsidentin oder der Präsident des Landesarbeitsgerichts und die Präsidentin oder der Präsident des Finanzgerichts treten.

 

(2) Die Leitung der mit Vollstreckungsaufgaben betrauten Gerichtskasse ist hinsichtlich der in § 1 bezeichneten Ansprüche auch für die Stellung von Anträgen und die Abgabe von Erklärungen in Insolvenz- und Schuldenbereinigungsverfahren zuständig, soweit die Landeskasse beteiligt ist. Die Zuständigkeit besteht unabhängig davon, ob die Ansprüche der Gerichtskasse zur Einziehung überwiesen worden sind.

 

§ 4
Erlass bei bestimmten Arten von Fällen

(1) Die Amtsgerichte werden ermächtigt, bei Umschreibung eines Grundbuchblatts oder bei der Neufassung eines Teils eines Grundbuchblatts wegen Raummangels, Unübersichtlichkeit oder aus Vereinfachungsgründen für Eintragungen (Löschungen) in den Abteilungen I bis III des Grundbuchs, die nicht nach § 82 der Grundbuchordnung erzwungen werden können, die bei der einzelnen Eintragung entstehenden Gebühren bis zur Höhe von 25 Euro ganz und darüber hinaus bis zur Hälfte zu erlassen, wenn

1. die Eintragung zur Berichtigung, Vereinfachung oder übersichtlichen Gestaltung des Grundbuchs angezeigt erscheint,

2. die Eintragung auf Antrag vorzunehmen ist und

3. das Grundbuchamt den Antrag schriftlich angeregt oder vor Antragstellung in sonstiger Weise als der Grundbuchbereinigung dienlich bezeichnet hat.

Wird durch Eintragungen oder Löschungen ein Amtslöschungsverfahren (§ 84 ff. der Grundbuchordnung) erspart, kann die Eintragungsgebühr in voller Höhe erlassen werden.

 

(2) Für die Gebühr des § 72 des Gesetzes über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Kostenordnung) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 361-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 11. Juli 2011 (BGBl. I S. 1338), gelten die vorstehenden Regelungen entsprechend.

 

(3) Die Ermächtigung zum Erlass von Gebühren in den vorstehenden Fällen [§§ 23, 28 und 33 der Verordnung zur Durchführung der Grundbuchordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Januar 1995 (BGBl. I S. 114), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 11. August 2009 (BGBl. I S. 2713)], kann ihren Zweck, einen Anreiz zur Grundbuchbereinigung zu schaffen, nur dann erfüllen, wenn die Beteiligten und Kostenschuldner frühzeitig von der beabsichtigten Blattumschreibung unterrichtet werden. Die Beteiligten sind daher in den Fällen, in denen ein Gebührennachlass oder -erlass in Aussicht genommen ist, frühzeitig vor dem Beginn der Umschreibungsarbeiten schriftlich auf die möglichen Vergünstigungen hinzuweisen. Im Anschluss an diesen Hinweis soll den Beteiligten ein ausreichender Zeitraum für die Beschaffung der erforderlichen Unterlagen belassen werden. Ist den Beteiligten in dieser Weise ein Gebührennachlass oder -erlass in Aussicht gestellt und eine bestimmte Frist bewilligt worden, können die Gebühren aus Gründen der Billigkeit auch dann nach vollzogener Umschreibung erlassen werden, wenn das Grundbuchamt gehalten war, vor dem Ablauf dieser Frist umzuschreiben.

 

(4) Die Amtsgerichte werden ermächtigt, in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die der Durchführung der nachstehend aufgeführten förderungswürdigen Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur dienen, die Gerichtsgebühren mit Ausnahme der Beurkundungs- und Beglaubigungsgebühren in demselben Umfang zu erlassen, in dem Kosten im Falle der gesetzlichen Gebührenbefreiung nicht erhoben würden.

Die förderungswürdigen Maßnahmen sind:

Aussiedlung, Teilaussiedlung, Betriebszweigaussiedlung, bauliche Maßnahmen in Altgehöften, Aufstockungen und freiwilliger Landtausch im Rahmen der Richtlinien des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen.

Der Nachweis über die Förderungswürdigkeit der Maßnahme wird durch Vorlage einer Bescheinigung der Bewilligungsbehörde geführt, dass der Antragstellerin oder dem Antragsteller auf Grund der Richtlinien des Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen Förderungsmittel (Darlehen, Zinsverbilligung, Zuschüsse, Vorschüsse) bewilligt worden sind.

Bewilligungsbehörden sind

1. bei der Aussiedlung, Teilaussiedlung, Betriebszweigaussiedlung, baulichen Maßnahmen im Altgehöft und der Aufstockung:
die Direktorinnen oder Direktoren der Landwirtschaftskammern Rheinland und Westfalen-Lippe als Landesbeauftragte und

2. beim freiwilligen Landtausch:
die zuständige Bezirksregierung (ehemals: Amt für Agrarordnung).

 

(5) Die Amtsgerichte werden ermächtigt, die Gerichtskosten, die bei Eintragungen im Grundbuch oder in öffentlichen Registern allein aus Anlass der kommunalen Neugliederung entstehen, zu erlassen. Dasselbe gilt für zusätzliche Gerichtskosten aus Anlass der Eröffnung letztwilliger Verfügungen bei verschiedenen Gerichten [§ 344 Absatz 6, § 350 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1577)]. Eintragungen aus Anlass der kommunalen Neugliederung, die gemeinsam mit anderen Eintragungen vorgenommen werden, sind bei der Gebührenberechnung unberücksichtigt zu lassen.

 

(6) Die Amtsgerichte werden ermächtigt, die Gebühr für die Beurkundung einer eidesstattlichen Versicherung zur Erlangung von Erbscheinen für Zwecke des Lastenausgleichs nur nach dem Wert des Ausgleichsanspruchs zu berechnen.

 

(7) Die Amtsgerichte werden ermächtigt, die gerichtliche Auslagen in Grundbuchsachen zu erlassen, soweit sie in landwirtschaftlichen Siedlungsverfahren nach dem Reichssiedlungsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2331-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 8 Absatz 2 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2355, 2386) oder dem Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. August 2007 (BGBl. I S. 1902), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 4. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2426), entstehen und die betreffenden gerichtlichen Geschäfte nach § 29 des Reichssiedlungsgesetzes gebührenfrei sind.

 

(8) Die Amtsgerichte werden ermächtigt, die Gerichtskosten zu erlassen, die bei der Erteilung von Abschriften (Abdrucken) oder Auszügen aus den bei den Amtsgerichten geführten Registern und Akten an die nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S. 1842), zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 22. November 2011 (BGBl. I S. 2258), zuständigen Behörden entstehen.

 

(9) Die Amtsgerichte werden ermächtigt, die Gerichtskosten zu erlassen, die für Grundbuchgeschäfte zur Sicherung von Sanierungsdarlehen im Rahmen der Wohnungseigentumssicherungshilfe entstehen. Der Nachweis der Zusage von Wohnungseigentumssicherungshilfe und der zur Sanierung erforderlichen Grundbuchgeschäfte wird durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung der NRW.BANK geführt.

 

(10) In den Fällen, in denen die Amtsgerichte ermächtigt sind, die Gerichtskosten zu erlassen, ist die oder der mit der Sachbearbeitung befasste Richterin oder Richter oder Rechtspflegerin oder Rechtspfleger für die Entscheidung über den Erlass oder die Erstattung der Kosten zuständig. In diesen Fällen ist nur zu prüfen, ob die in der Ermächtigung genannten Voraussetzungen gegeben sind. Die Entscheidung ist eine Angelegenheit der Justizverwaltung.

 

§ 5
Inkrafttreten, Berichtspflicht

(1) Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Mit Inkrafttreten dieser Verordnung tritt die Verordnung zur Übertragung von Befugnissen nach § 2 des Gerichtsgebührenbefreiungsgesetzes vom 6. Dezember 1982 (GV. NRW. 1983 S. 2) außer Kraft.

 

(2) Das Justizministerium berichtet der Landesregierung bis zum 31. Dezember 2017 und anschließend alle fünf Jahre über die Notwendigkeit des Fortbestehens dieser Verordnung.

 

Düsseldorf, den 24. August 2012

 

 

Der Justizminister
des Landes Nordrhein-Westfalen

Thomas  K u t s c h a t y

 

GV. NRW. 2012 S. 384