Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2002 Nr. 22 vom 9.8.2002 Seite 371 bis 386

 

Verordnung zur Errichtung eines zentralen Schuldnerverzeichnisses (Schuldnerverzeichnis-VO)

301

Verordnung
zur Errichtung eines zentralen
Schuldnerverzeichnisses
(Schuldnerverzeichnis-VO)

Vom 17. Juli 2002

Auf Grund des § 915h Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 der Zivilprozessordnung, der durch Gesetz vom 15. Juli 1994 (BGBl. I S.1566) eingefügt worden ist, sowie § 10 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung über das Schuldnerverzeichnis (Schuldnerverzeichnisverordnung SchuVVO) vom 15. Dezember 1994 (BGBl. I S. 3822) in Verbindung mit §§ 1 und 2 der Verordnung über die Ermächtigung des Justizministeriums zum Erlass von Rechtsverordnungen nach § 915h Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung vom 8. Januar 2002 (GV. NRW. S. 22) wird verordnet:

§ 1
Errichtung eines zentralen Schuldnerverzeichnisses
zur Erteilung von Auskünften

Neben den Schuldnerverzeichnissen bei den einzelnen Amtsgerichten wird ein zentrales Schuldnerverzeichnis für die Bezirke aller Amtsgerichte in Nordrhein-Westfalen bei dem Amtsgericht Hagen (§ 915h Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung) geführt. Die Vollstreckungsgerichte teilen dem Amtsgericht Hagen die erforderlichen Daten mit.

§ 2
Einrichtung automatisierter Abrufverfahren

Zentrale Abrufverfahren und Auskünfte (§ 915h Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung) werden aus dem zentralen Schuldnerverzeichnis bei dem Amtsgericht Hagen zugelassen.

§ 3
Datenverarbeitung im Auftrag

Die Datenverarbeitung wird im Auftrag für das nach § 1 dieser Verordnung zuständige Amtsgericht bei dem Gemeinsamen Gebietsrechenzentrum Hagen vorgenommen (§ 11 Abs. 1 BDSG).

§ 4
Lesende Zugriffe für
Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen

Zur pflichtgemäßen Erfüllung hoheitlicher Aufgaben wird den Vollstreckungs- und Erhebungsstellen der Finanzämter, den Vollstreckungsbehörden des Landes nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen sowie den Staatsanwaltschaften ein lesender Zugriff auf die Daten des zentralen Schuldnerverzeichnisses eingeräumt, deren Kenntnis für die Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Die lesenden Zugriffe werden bei dem Gemeinsamen Gebietsrechenzentrum Hagen mit Behörden- und Nutzerkennung sowie Uhrzeit und Datum protokolliert. Die Behördenleitungen haben in geeigneter Weise organisatorisch sicherzustellen, dass nur Bedienstete mit unmittelbarem dienstlichen Bezug Zugang zu dem zentralen Schuldnerverzeichnis erhalten.

§ 5
Datenübertragungsregeln

Für das Land Nordrhein-Westfalen gelten folgende Datenübertragungsregeln für Datenübermittlung aus den bei den Amtsgerichten geführten Schuldnerverzeichnissen (gemäß § 915d ZPO):

1. Begriffsbestimmung und Zielsetzung

Datenübertragung im Sinne dieser Regeln ist die Übertragung von Daten zwischen einer abgebenden Stelle und einer empfangenden Stelle in einer nur maschinell lesbaren Form durch Datenübermittlung oder Datenträgeraustausch im Rahmen der technischen Möglichkeiten der abgebenden Stelle. Gegenstand der Datenübertragung ist der laufende Bezug von Abdrucken aus dem Schuldnerverzeichnis.

Diese Datenübertragungsregeln sollen eine praktikable und kostengünstige Erteilung von Abdrucken aus dem Schuldnerverzeichnis gewährleisten.

2. Rechtliche Grundlage

Rechtsgrundlage für diese Datenübertragungsregeln ist § 915d Abs. 1 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 10 Abs. 4 der Schuldnerverzeichnisverordnung (SchuVVO).

3. Empfänger laufender Abdrucke

Die Berechtigung zum Empfang laufender Abdrucke nach § 915d ZPO ist in § 915e ZPO abschließend festgelegt. Die Zulassung zum Bezug laufender Abdrucke setzt eine Bewilligung nach Maßgabe der §§ 2 ff. SchuVVO voraus.

4. Technische Anforderungen für die Datenübertragung

4.1 Zeichensatz
Für die Übertragung ist der Zeichensatz gemäß DIN 66303-ARV 8 1 zugrunde zu legen. Dies gilt auch bei Verwendung reduzierter Zeichenvorräte.

1 Der Zeichensatz gemäß DIN 66303-ARV 8 stimmt mit ISO 8859-1 überein. Er enthält die Ziffern, die Groß- und Kleinbuchstaben und weitere Schriftzeichen (Sonderzeichen) sowie nationale Buchstaben und Buchstaben mit diakritischen Zeichen oder Akzenten, die in verschiedenen westeuropäischen Sprachen verwendet werden, und ermöglicht damit die Verwendung der Umlaute und des ß für eine korrekte deutschsprachige Namensschreibung.

4.2 Datenelemente
Es sind darzustellen:

- das Geschlecht von Menschen nach ISO 5218
- Datum und Uhrzeit nach DIN EN 28601
- Ländernamen und Gerichtsbezeichnungen nach dem Schlüssel des Statistischen Bundesamtes

4.3 Datenformat
Es werden ausschließlich strukturierte Daten übertragen. Der Satzaufbau ergibt sich aus den Anlagen 1 und 2.

4.4 Hinweis nach § 9 Abs. 2 SchuVVO
Bei der Datenübertragung ist der Hinweis nach § 9 Abs. 2 SchuVVO in Form einer Datei beizufügen.

4.5 Datenkomprimierung
Soweit es den Beteiligten technisch möglich ist, kann die Übertragung der Daten aus wirtschaftlichen Gründen in komprimierter Form erfolgen. Dabei sollen nur marktgängige Softwareprodukte eingesetzt werden.

4.6 Datenschutz
Die Vertraulichkeit und die Integrität der zu übermittelnden Daten sind durch Verschlüsselung sicherzustellen. Die Verschlüsselung kann in der Regel in Software erfolgen. Beim Datenträgeraustausch können Vertraulichkeit und Integrität auch auf andere Weise gewährleistet werden.

Die Daten und der verwendete Schlüssel dürfen nur der abgebenden und der empfangenden Stelle bekannt werden. Ist für das Entschlüsseln der Daten bei der empfangenden Stelle die Weitergabe des von der abgebenden Stelle verwendeten Schlüssels erforderlich, so darf dieser nicht zusammen mit dem Datenbestand übermittelt werden. Die empfangende Stelle hat der abgebenden Stelle die Namen der Personen, die zur Kenntnis des Schlüssels berechtigt sind, sowie - bei Datenübermittlung - die elektronische Adresse schriftlich mitzuteilen.

5. Datenübermittlung

5. 1 Übermittlungsdienst
Für die Datenübermittlung ist ein genormter Kommunikationsdienst zu verwenden und eine Entscheidung über das zu benutzende Netz zu treffen. Werden die übermittelnden Daten der empfangenden Stelle nicht durch Übermittlung sondern zum Abruf - etwa in einer Mailbox - bereitgestellt, sind die Grundsätze des § 18 SchuVVO entsprechend anzuwenden.

5. 2 Datenschutz bei der Datenübermittlung
Die Vollständigkeit und Richtigkeit der Datenübermittlung ist sowohl vom Absender als auch von der empfangenden Stelle zu überprüfen und zu dokumentieren. Zu diesem Zweck teilt die absendende Stelle der empfangenden Stelle im Rahmen der Übertragung Folgendes mit:

- die Namen der übermittelten Dateien

- den Zeitraum der Übermittlung

- die Anzahl der übermittelten Sätze

- die Erstellungsdaten der Dateien

Eine fehlerhafte Datenübertragung ist vollständig zu wiederholen.

Unmittelbar vor einer Datenübermittlung sind die Dateien auf Schadfunktionen (z. B. Computerviren) zu überprüfen. Das Ergebnis ist zu dokumentieren.

6. Datenträgeraustausch

6. 1 Art der Datenträger
Für die Datenübertragung mittels Datenträger kommen optische, magnetooptische oder magnetische Datenträger in Betracht.

6.2 Verwendung neuer oder gelöschter Datenträger
Zum Beschreiben sind nur neue oder physikalisch gelöschte Datenträger zu verwenden.

6.3 Test der Datenträger zum Schutz vor Software mit Schadfunktion
(z. B. Computerviren)

Alle ein- und ausgehenden Datenträger müssen auf Software mit Schadfunktion (z.B. Computerviren) getestet werden. Das Verfahren ist von einer festgelegten Stelle durchzuführen; das Ergebnis ist zu dokumentieren.

6.4 Kennzeichnung der Datenträger
Alle Datenträger sind digital eindeutig zu kennzeichnen (Datenträgerkennzeichen). Es sind das Bundesland und das Gericht anzugeben und eine eindeutige laufende Nummer des Datenträgers zu vergeben. Dabei ist der Schlüssel des Statistischen Bundesamtes zu verwenden.

Darüber hinaus sind Datenträger mittels Klebeetikett eindeutig zu bezeichnen. Dabei sind der Bearbeiter, der Empfänger, das Datenträgerkennzeichen und das Erstellungsdatum anzugeben.

Eine äußerliche Kennzeichnung über den Inhalt des Datenträgers ist ebenso unzulässig wie ein Hinweis auf die Sensitivität der Daten.

6.5 Transportschutz für beschriebene Datenträger
Die Datenträger werden dem Bezieher in einem verschlossenen Umschlag gegen Empfangsnachweis übersandt oder auf Antrag ausgehändigt. Beim Transport von Datenträgern dürfen Daten nicht unbefugt gelesen, kopiert, verändert oder gelöscht werden können. Die Verpackung soll größtmöglichen Schutz gegen mechanische Beanspruchung bieten.

6.6 Begleitschreiben
Als Begleitschreiben beim Übersenden oder bei der Aushändigung von Datenträgern ist der als Anlage 3 beigefügte Vordruck ,,Austausch von Datenträgern" zu verwenden.

6.7 Transportkontrolle und Organisation
Der Empfang eingehender und die Absendung abgehender Datenträger sind zu dokumentieren. Ein- und ausgehende Datenträger sind dabei auf das Vorhandensein des Begleitschreibens sowie dessen ordnungsgemäße Ausfüllung und inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen.

6.8 Löschung nach Verarbeitung, Rücksendung
Die empfangende Stelle sendet die Datenträger an die abgebende Stelle zurück. Die auf den Datenträgern vorhandenen Informationen müssen vor der Rücksendung des Datenträgers physikalisch gelöscht werden, soweit dies technisch möglich ist.

6.9 Rücksendung von Datenträgern im Fehlerfall
Fehlerhafte Datenträger sind an die abgebende Stelle unverändert zurückzugeben.

§ 6
In-Kraft-Treten

Diese Verordnung tritt am 1. September 2002 in Kraft.

Düsseldorf, den 17. Juli 2002

Der Justizminister
des Landes Nordrhein-Westfalen

Jochen  D i e c k m a n n

GV. NRW. 2002 S. 372