Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2009 Nr. 13 vom 15.5.2009 Seite 215 bis 224

 

Anforderungen an die Sachkunde für die Durchführung der Dichtheitsprüfung von privaten Abwasserleitungen gem. § 61 a LWG in Nordrhein-Westfalen

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Anforderungen an die Sachkunde für die Durchführung der
Dichtheitsprüfung von privaten Abwasserleitungen gem. § 61 a LWG
in Nordrhein-Westfalen

RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz - IV-7- 031 002 0407 -
v. 31.3.2009

1
Allgemeines

Eigentümer eines Grundstückes haben Abwasserleitungen nach § 61 a Abs. 3 und 4 LWG von einem Sachkundigen auf Dichtheit prüfen zu lassen.

2
Anforderungen

Aufgrund der Komplexität der Randbedingungen bei der Durchführung der Dichtheitsprüfung von privaten Abwasserleitungen sind an Sachkundige hohe fachliche, technische und rechtliche Anforderungen zu stellen.

2.1
Ausbildung

Sachkundige für die Dichtheitsprüfung können nur sein:
a). Ingenieure einer entsprechenden technischen Fachrichtung mit einer mehrjährigen Berufspraxis,
b) von den Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern oder einer Ingenieurkammer öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige entsprechender Fachrichtungen, oder
c) Personen mit abgeschlossener handwerklicher Ausbildung oder mit gleichwertiger Ausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung in der Fachrichtung, in der sie tätig werden, insbesondere
- Meister für Rohr-, Kanal- und Industrieservice,
- Geprüfte Abwassermeister,
- Staatlich geprüfte Techniker der Fachrichtung Bautechnik mit dem Schwerpunkt Tiefbau oder Kanalmeister oder geprüfte Poliere / Straßenbauermeister (Schwerpunkt Tief- / Kanalbau),
- Installateur und Heizungsbauermeister,

2.2
Kenntnisse (Schulung / Fortbildung)

Die Sachkundigen müssen durch Teilnahme an einer Schulung die Erlangung der besonderen Kenntnisse für die Durchführung von Dichtheitsprüfungen nachweisen, insbesondere die Kenntnisse von Gesetzen, Regelwerken mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik in gültiger Fassung und deren sachgerechte Anwendung. Die Schulung muss den Sachkundigen Mindestkenntnisse vermitteln, die der Anlage 1 entsprechen.

Darüber hinaus müssen Sachkundige mindestens alle 3 Jahre an einer geeigneten, mindestens eintägigen Fortbildungsveranstaltung teilnehmen.

2.3
Durchführung der Dichtheitsprüfung

Die Sachkundigen müssen durch praktische Prüfung nachweisen, dass sie eine Dichtheitsprüfung nach den einschlägigen Normen und Regelwerken und den dort vorgesehenen Anwendungsbereichen an Referenzobjekten mit einem Rohrdurchmesser DN 80 bis 200 erfolgreich durchführen können. Der praktische Nachweis ist an einer Kanalisation durchzuführen, die mindestens der Anlage 2 entspricht. Die praktischen Kenntnisse sind mit den vom Sachkundigen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenständen durchzuführen. Hierbei müssen sie auch nachweisen, dass sie in die Bedienung der Geräte erfolgreich eingewiesen wurden und - eine richtige Interpretation und Auswertung der Ergebnisse vornehmen und die Dokumentation der Dichtheitsprüfung sach- und fachgerecht vornehmen und Maßnahmen zur Qualitätssicherung durchführen.

2.4
Nachweis der Sachkunde

Die Sachkunde ist gegenüber einer Institution nachzuweisen, die praxisgerechte Kenntnisse und Erfahrungen über qualifizierte Prüf-, Untersuchungs- und Sanierungsverfahren durch entsprechendes Personal aufweist. Die Sachkunde muss vom Sachkundigen durch die erfolgreiche Ablegung einer Prüfung über
- die theoretischen Kenntnisse (Pkt. 2.2) und
- die praktischen Kenntnisse (Pkt. 2.3) durch
1. Kamerabefahrung
2. Druckprüfung mit Wasser oder Luft
3. Nachweis der Schadensbewertung anhand eines Zustandserfassungskataloges
geführt werden. Dabei ist für die Prüfung ein einheitlicher, abgestimmter Fragenkatalog zu verwenden.

2.5
Technische Ausrüstung

Sachkundige müssen nachweisen, dass ihnen für die Durchführung der verschiedenen Prüfungen und Tätigkeiten mindestens die nachfolgend aufgeführten Materialien und Geräte zur Reinigung, Inspektion sowie Dichtheitsprüfung von Abwasserleitungen bei Bedarf zur Verfügung stehen.

Kanalreinigung

- Hochdruckreinigungsgerät für den Einsatz in Abwasserleitungen DN 80 - DN 200
- Spül- bzw. Reinigungsdüsen für den Einsatz in Leitungen DN 80 - DN 200
- Spezialdüsen (z.B. Rotationsdüsen)
- Weitere Reinigungsgeräte bzw. -werkzeuge (Kettenschleuder, Wurzelschneider etc.)

Inspektion

- Kamerasystem mit Dreh- / Schwenkkopf als navigierbares / abbiegefähiges Kamerasystem zur Inspektion kompletter Abwasserleitungen im Einsatzbereich DN 80 – 200. Die Kamera muss mindestens die Anforderungen nach DWA M 143-2 erfüllen.
- Einrichtung zur Bildaufzeichnung einschl. Datenarchivierung (z.B. Video, CD-ROM, DVD)
- Archivierung der Inspektionsergebnisse

Dichtheitsprüfung

- Prüfgeräte für den Nachweis der Dichtheit nach DIN 1986-30, DIN EN 1610, DWA A 139 und DWA M 143-6
- Unterschiedliche Abdichtblasen für Durchmesser DN 80 – 200
- Hilfsmittel zum Betrieb der Prüfsysteme (Kompressor, Schläuche, Adapter, Verlängerungen, Freispiegelbehälter)
- Einrichtung zur Messung des Prüfdrucks und Messwerterfassung über den Prüfzeitraum
- Gerät / Behälter zur Messung der Wasserzugabemenge
- Einrichtung zur Protokollierung und Archivierung der Messdaten und Erstellung einer Messgrafik

Weitere Hilfsmittel

- Sicherheitsausrüstung zum Einstieg in abwassertechnische Anlagen
- Pumpen für die Wasserhaltung
- Umweltverträgliche Wasserfärbemittel
- Ortungsgerät

Sachkundige müssen auch nachweisen, dass die eingesetzten Geräte entsprechend den Vorgaben der Hersteller gewartet und kalibriert werden.

3
Feststellung der Sachkunde

Auf der Basis eines Sachkundenachweises nach Nummer 2.4 stellen nachfolgende unabhängige Stellen die Sachkunde fest:
- Industrie- und Handelskammern in NRW,
- die Handwerkskammern des Westdeutschen Handwerkskammertags,
- Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen.

Die Sachkunde kann von der unabhängigen Stelle aberkannt werden, sofern ihr, z.B. durch Information einer Gemeinde, berechtigte Bedenken hinsichtlich einer sachkundigen Durchführung der Dichtheitsprüfung entstehen.

Die unabhängigen Stellen führen selbständig Listen über Sachkundige, die zu einer landesweiten Liste zusammengeführt und den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden.

4
Bestehende Anerkennungen

Bezüglich bestehender Anerkennungen einer Sachkunde gem. § 61 a Abs. 6 LWG werden die Gemeinden gebeten, diese Sachkundigen den unabhängigen Stellen bis zum 31.12.2009 zu melden. Die von den Gemeinden mit dem Stichtag 15.3.2009 bestehenden Anerkennungen können ohne weiteren Sachkundenachweis nach Punkt 2.4 von den unabhängigen Stellen für einen Zeitraum von 3 Jahren anerkannt werden.

5
Inkrafttreten und Außerkrafttreten

Dieser RdErl. tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft und mit Ablauf des 31.12.2014 außer Kraft.

-MBl. NRW. 2009 S. 217