Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2011 Nr. 18 vom 29.7.2011 Seite 245 bis 254

 

Personaleinsätze nordrhein-westfälischer Landesbediensteter in europäischen und internationalen Institutionen – Europa- und Internationales Personalentwicklungskonzept - EURI-PEK Bek. d. Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien v. 24.5.2011

II.

Personaleinsätze nordrhein-westfälischer Landesbediensteter in europäischen und internationalen Institutionen
– Europa- und Internationales Personalentwicklungskonzept - EURI-PEK

Bek. d. Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien v. 24.5.2011

I.
Rahmenbedingungen

1.
Zielsetzung

Die Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene sind für Nordrhein-Westfalen von großer Bedeutung. Rechtsakte der Europäischen Union (EU) wirken maßgeblich auf das Verwaltungshandeln und die Entscheidungspraxis der öffentlichen Verwal­tung der Länder ein und beeinflussen zu einem sehr großen Teil direkt oder indirekt landespolitische Entscheidungen.

Daher setzt sich das Land zum Ziel:

a) die effektive Interessenwahrnehmung Nordrhein-Westfalens gegenüber den Dienststellen der EU zu stärken,

b) europäische und internationale Expertennetzwerke aufzubauen, zu pflegen und in die Landespolitik und -verwaltung einzubinden,

c) die Europakompetenz als relevante Querschnittskompetenz von Beschäftigten des Landes zu fördern,

d) die Präsenz nordrhein-westfälischer Beschäftigter in Europa (und international) weiterhin sicherzustellen und ggf. zu erhöhen und deren Auswahl und Einsatz am Landesinteresse auszurichten,

e)  eine zielgerichtete Wiederverwendung der rückkehrenden Landesbediensteten unter Nutzung der erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten sicherzustellen.

Mit EURI-PEK wird das Landesinteresse von Personaleinsätzen nordrhein-westfälischer Landesbediensteter in europäischen und internationalen Institutionen hervorgehoben.

Das Landesinteresse wird nunmehr insbesondere definiert durch:

- europapolitische, internationale und bilaterale Schwerpunkte, z.B. die europapolitischen Prioritäten der Landesregierung,

-  Themen/Bereiche von hoher politischer, wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Bedeutung.

2.
Einsatzmöglichkeiten

Der Einsatz der Landesbediensteten ist in unterschiedlichen europäischen und internationalen Organisationen und Institutionen möglich, insbesondere als Nationale Expertinnen und Experten (ANS/END), Zeitbedienstete, Austauschbedienstete, Wahlbeobachter/innen und Ländervertreter/innen. Weitere europäische und internationale Einsatzmöglichkeiten ergeben sich aus den Bestimmungen der Entsendungsrichtlinien und des EG-Personalaustausches oder über spezielle Personalangebote der EU-Kommission z.B. Nationale Sachverständige zur beruflichen Weiterbildung (NSBW), ERASMUS for Officials (Kurzzeitpraktikum) und anderer Institutionen.

Die im Folgenden beschriebenen Verfahren gelten für den Einsatz als ANS/END, analog auch für andere Entsendungsmöglichkeiten.

3.
Haushalt und Finanzen

Im Einzelplan 02 steht ein Stellenpool mit 18 Planstellen/Stellen der Wertigkeiten R 1 sowie A 13 bis A 16 Bundesbesoldungsgesetz für den zeitlich befristeten Einsatz für Nationale Expertinnen und Experten aus Nordrhein-Westfalen zur Verfügung. Der Stellenpool wird durch das Personalreferat der Staatskanzlei bewirtschaftet. Die/der für Europa zuständige Ministerin/Minister entscheidet im Einvernehmen mit dem zuständigen Fachressort, ob eine Bewerbung im Landesinteresse im Sinne der Ziffer I.1 liegt.

Die entsendenden Ressorts können für den Zeitraum der Entsendung eine befristete Nachbesetzung der frei werdenden Stelle vornehmen. Die Ressorts haben zusätzlich die Möglichkeit, in eigener Verantwortung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter außerhalb des Stellenpools zu entsenden bzw. für einen Einsatz nach Ziffer I.2 zu beurlauben.

II.
Verfahren zur Personalentsendung

1.
Zielgruppe

Für eine Abordnung/Entsendung nach den unter Ziffer I.2 aufgeführten/genannten Einsatzmöglichkeiten kommen grundsätzlich Landesbedienstete des höheren Dienstes oder vergleichbare Tarifbeschäftigte in Frage, die für einen Einsatz in europäischen und internationalen Arbeitsfeldern vorbereitet werden sollen. Eine mehrjährige Berufserfahrung und ausreichende Sprachkenntnisse sind erforderlich.

2.
Informationsphase

Die Stellenausschreibungen der EU-Institutionen werden von der Vertretung des Landes bei der Europäischen Union (LV-EU) gesichtet. Die Stellenausschreibungen, die von Landesinteresse sind, werden an das Personalreferat der Staatskanzlei weitergeleitet. Dieses leitet die Ausschreibungen an die Fachressorts zur Veröffentlichung in ihrem jeweiligen Geschäftsbereich weiter. Parallel veranlasst es die Bekanntmachung der Ausschreibungen beim Landesamt für Personaleinsatzmanagement.

Daneben können weitere Stellenausschreibungen europäischer und internationaler Institutionen für eine Besetzung im Landesinteresse in Betracht kommen.

Die LV-EU bietet regelmäßig Informationsveranstaltungen in Brüssel für nordrhein-westfälische Landesbedienstete zum Einsatz in europäischen/internationalen Organisationen an.

3.
Bewerbungsphase

Bewerbungen sind zunächst dem Personalbereich des jeweils zuständigen Ressorts zuzuleiten. Soweit das Ressort die Bewerbung unterstützt, leitet es diese an das Personalreferat der Staatskanzlei weiter. Dieses prüft die Verfügbarkeit einer Poolstelle und beteiligt das Büro des Staatssekretärs für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien.

Für ANS/END gilt bei positivem Votum: das Personalreferat der Staatskanzlei übermittelt die Bewerbung zusammen mit einer Kostenzusage für die Inlandsdienstbezüge an die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union zur Weiterleitung an die Europäische Kommission. Gleichzeitig wird eine entsprechende Poolstelle reserviert.

4.
Einsatzphase

Bei erfolgreicher Bewerbung werden die Landesbediensteten an die Staatskanzlei abgeordnet und auf einer Planstelle im Stellenpool geführt. Von dort aus erfolgt die Entsendung zur jeweiligen Institution für den vereinbarten Zeitraum (i.d.R. zwei Jahre mit der Option der Verlängerung um bis zu zwei Jahre, wenn das Landesinteresse fort besteht). Personalführende Stelle bleibt die Stammdienststelle bzw. das Stammressort – je nach Zuständigkeitsverordnung. Soweit Landesbedienstete in besonders begründeten Einzelfällen durch die Entsendung einen Anspruch auf Auslandsbesoldung gemäß § 58 Abs. 1 BBesG[1] erhalten, treffen die Stammdienststelle bzw. das Stammressort und die Staatskanzlei jeweils eine Vereinbarung über die Erledigung sich daraus ergebender Verwaltungsgeschäfte, z.B. Auslandstrennungsentschädigung.

Der Kontakt und die Betreuung während der Abordnungszeit erfolgt für an EU-Institutionen entsandte ANS/END durch die LV-EU. Die Entsandten berichten jährlich über ihre Tätigkeit ihren Ressorts und dem Staatssekretär für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien.

5.
Rückkehrphase

Den abgeordneten Landesbediensteten soll die Möglichkeit gegeben werden, ihre hinzugewonnenen Fähigkeiten entweder in ihren ursprünglichen Dienststellen bzw. Stammressort oder an einer Schnittstelle zwischen europäischer/internationaler und Landesebene einzusetzen. Verantwortlich für den Einsatz nach Ende der Abordnung ist die jeweilige Stammdienststelle bzw. das Stammressort.

Zusätzlich erfolgt in der Regel zwölf Monate vor dem terminierten Ende der Abordnung eine erste Kontaktaufnahme des Personalreferates der Staatskanzlei mit den Personalstellen der Stammdienststelle zur Verwendung nach Rückkehr. In Abstimmung mit der jeweiligen Personalstelle erfolgt auch ein Gespräch mit der jeweiligen entsandten Person. Weitere Gespräche des Personalreferates der Staatskanzlei – ggf. mit Vertreter/innen des Staatssekretärs für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und der Ressorts (sog. trilaterale Gespräche) – zu vereinbarten regelmäßigen Abständen folgen mit dem Ziel eines adäquaten  Einsatzes der abgeordneten Landesbediensteten nach Rückkehr.

Falls eine adäquate, zielgerichtete Wiederverwendung nach Ablauf der Entsendung nicht nahtlos im Geschäftsbereich des entsendenden Ressorts möglich ist, bietet sich – nach Abstimmung mit der Stammdienststelle bzw. dem Stammressort – als weitere Einsatzmöglichkeit auch eine Tätigkeit in ausgewählten Bereichen der Staatskanzlei an. Hier können zusätzliche übergreifende, koordinierende Fähigkeiten europäischer/internationaler Zusammenhänge erworben, vertieft und weitere/neue Aspekte und Arbeitsweisen vermittelt werden, die zu einer zusätzlichen Kompetenzerweiterung führen.

Dieser vorübergehende Einsatz (Abordnung) für eine Tätigkeit in der Staatskanzlei auf einer Stelle des Stellenpools wird auf ein Jahr begrenzt. Die Abordnungszeit verlängert sich um diesen Zeitraum.

III.
Qualifizierungselemente/ Personalentwicklung

Zur Förderung der Europakompetenz bietet die Fortbildungsakademie des Ministeriums für Inneres und Kommunales regelmäßig ressortübergreifend offene Fortbildungsangebote an.

Zur Vorbereitung des Einsatzes in Institutionen nach Ziffer I.2 ist darüber hinaus in Abstimmung mit dem zuständigen Ministerium und der Staatskanzlei über den Stellenpool eine Abordnung (sog. Hospitation) für die Dauer bis zu einem Jahr zur LV-EU in Brüssel möglich.

Die erfolgreiche Tätigkeit in europäischen/internationalen Einrichtungen ist unter Be­achtung des Einzelfalls bei Beurteilungen angemessen zu berücksichtigen. Ein Be­urteilungsbeitrag ist von der abordnenden Behörde (Stammressort) bei der aufnehmenden Institution anzufordern. Eine Beförderung/Höhergruppierung kann in Abstimmung mit der Staatskanzlei (wegen der Stellenführung im Stellenpool) auch schon während der Tätigkeit bei der Institution nach Ziffer I.2 vollzogen werden, soweit dem das Dienstrecht nicht entgegensteht.

Die Tätigkeit bei Institutionen nach Ziffer I.2 ist eine besondere Verwendungserfahrung in einem übergreifenden Kontext, die die Voraussetzungen des § 41 a LVO erfüllt.

IV.
Schlussbestimmungen

EURI-PEK wird alle fünf Jahre, beginnend mit dem Jahr 2016, auf seine Wirksamkeit hin überprüft.

Mit Inkrafttreten dieses Erlasses wird der Erlass vom 29. Januar 2002 aufgehoben.

Für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens laufende Abordnungsverfahren gilt dieser Erlass (EURI-PEK).


[1] Die Staatskanzlei wird im Rahmen der aufgabenkritischen Überlegungen die Verlagerung dieser Aufgabe an das LBV anregen.

- MBl. NRW. 2011 S. 251