Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2015 Nr. 16 vom 11.6.2015 Seite 361 bis 390

 

Beschleunigte Bearbeitung von Privatklagedelikten Gem. RdErl. d. Ministeriums für Inneres und Kommunales - 422 - 62.18.05 u. d. Justizministeriums - 4130 - III. 4 - v. 22.5.2015

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Beschleunigte Bearbeitung von Privatklagedelikten

Gem. RdErl. d. Ministeriums für Inneres und Kommunales - 422 - 62.18.05
u. d. Justizministeriums - 4130 - III. 4 -
v. 22.5.2015

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Allgemeines

1.1
Die in § 374 Absatz 1 Strafprozessordnung (StPO) aufgeführten Vergehen (Privatklagedelikte) können von Verletzten im Wege der Privatklage verfolgt werden, ohne dass es einer vorherigen Anrufung der Staatsanwaltschaft bedarf.

§ 380 Absatz 1 Satz 1 und 2 StPO regelt zu den Privatklagedelikten Hausfriedensbruch, Beleidigung, Verletzung des Briefgeheimnisses, Körperverletzung (§§ 223 und 229 Strafgesetzbuch), Bedrohung und Sachbeschädigung, dass die Erhebung der Privatklage erst zulässig ist, nachdem vor dem zuständigen Schiedsamt erfolglos ein Sühneverfahren durchgeführt worden ist. Das gilt auch dann, wenn diese Taten im Rausch begangen worden sind (§ 323a Strafgesetzbuch).

Gemäß § 376 StPO wird öffentliche Klage wegen der in § 374 Absatz 1 StPO aufgeführten Privatklagedelikte von der Staatsanwaltschaft nur dann erhoben, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Ergänzend wird auf Nummer 87 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) hingewiesen.

1.2
Ungeachtet der Regelung gem. § 376 StPO ist die Polizei bei der Anzeige von Privatklagedelikten verpflichtet, eine Strafanzeige aufzunehmen und der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Kenntnis zu bringen.

1.3
Durch ein Privatklagedelikt Verletzte messen den angezeigten Taten regelmäßig eine hohe Bedeutung zu, da meist höchstpersönliche Rechtsgüter betroffen sind. Im Hinblick darauf gewährleisten die Polizeibehörden eine rechts- und lageangemessene sowie schnelle Bearbeitung dieser Anzeigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es den Polizeibehörden auch obliegt, das Schiedsamt aufgrund seiner besonderen Bedeutung für eine außergerichtliche Streitschlichtung zu unterstützen und zu stärken.

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Anzeigenaufnahme und polizeiliche Sachbearbeitung

Bei der Anzeigenaufnahme und folgenden polizeilichen Sachbearbeitung sind die nachstehenden Verfahrensvorgaben zu beachten, soweit im Einzelfall Tatverdächtige mindestens 21 Jahre alt sind, ihre Persönlichkeit oder sonstige Umstände einer vereinfachten Bearbeitung nicht entgegenstehen und nach polizeilicher Einschätzung kein öffentliches Interesse gemäß § 376 StPO anzunehmen sein dürfte.

2.1
Bei Privatklagedelikten nach § 380 Absatz 1 Satz 1 und 2 StPO ist den Anzeigenden das Informationsblatt "Informationen zur Anzeige von Privatklagedelikten" auszuhändigen und der spezifisch vorgesehene Rechtsweg zu erläutern.

2.2
Soweit gem. § 380 Absatz 1 StPO ein Sühneverfahren vorgesehen ist oder auf deren Verlangen, ist den Anzeigenden das zuständige Schiedsamt mitzuteilen.

2.3
Den Anzeigenden ist ferner mitzuteilen, dass die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt prüfen und entscheiden wird, ob öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Weiter ist ihnen zu erläutern, dass sie von der Staatsanwaltschaft über deren Entscheidung unterrichtet werden, sofern das Verfahren mangels öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung unter Verweisung auf den Privatklageweg eingestellt wird. Soweit seitens der Anzeigenerstatter auf die Erteilung eines solchen Bescheides verzichtet wird, ist dies in der Strafanzeige zu vermerken.

2.4
Ist nach polizeilicher Einschätzung kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung im Sinne des § 376 StPO anzunehmen, sind die Strafanzeigen nach kriminalstatistischer Erfassung gemäß Nummer 87 Absatz 1 Satz 2 RiStBV ohne weitere Ermittlungen der zuständigen Staatsanwaltschaft zu übersenden.

3
Staatsanwaltschaftliche Sachbehandlung

3.1
Nach Eingang von Strafanzeigen oder Vorlage von Anzeigevorgängen, die Privatklagedelikte zum Gegenstand haben, entscheidet die Staatsanwaltschaft möglichst zeitnah, ob öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht oder nicht.

3.2
Wird festgestellt, dass kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und liegen die Voraussetzungen eines auf den Privatklageweg verweisenden Einstellungsbescheides vor, übersenden die Staatsanwaltschaften den Anzeigenden zusammen mit dem Einstellungsbescheid das Informationsblatt "Ergänzender Hinweis zur Verweisung auf den Privatklageweg" (Anlage 1), soweit seitens der Anzeigenden auf die Erteilung eines solchen nicht verzichtet worden ist.

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Inkrafttreten

Dieser Runderlass tritt am Tag nach Veröffentlichung in Kraft.

- MBl. NRW. 2015 S. 362