Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2018 Nr. 5 vom 6.3.2018 Seite 81 bis 110

 

Richtlinie über die Gewährung von Soforthilfen bei durch Naturkatastrophen hervorgerufenen Notständen (Soforthilferichtlinie – SHR) Runderlass des Ministeriums der Finanzen - IC2-0044-1.1.6 - Vom 30. Januar 2018

631

Richtlinie über die Gewährung von Soforthilfen bei durch
Naturkatastrophen hervorgerufenen Notständen
(Soforthilferichtlinie – SHR)

Runderlass des Ministeriums der Finanzen - IC2-0044-1.1.6 -
Vom 30. Januar 2018

Inhaltsverzeichnis

Erster Abschnitt – Zweck und Voraussetzungen der Soforthilfe

1 Zweck der Soforthilfe

1.1 Gegenstand der Soforthilfe

1.2 Grundsatz der Subsidiarität - Hilfe zur Selbsthilfe

2 Einleitung des Verfahrens zur Gewährung einer Soforthilfe

2.1 Meldung des Schadensereignisses und Ermittlung der Schäden

2.2 Einleitung der Soforthilfe

2.3 Statistiken

Zweiter Abschnitt – Empfänger und Voraussetzungen der Soforthilfe

3 Empfänger der Soforthilfe

3.1 Soforthilfeberechtigte Empfänger

3.2 Mitwirkungspflichten

3.3 Personenbezogene Soforthilfevoraussetzungen

4 Soforthilfevoraussetzungen

4.1 Schadensfeststellung

4.2 Soforthilfefähige Schäden

4.3 Nicht soforthilfefähige Schäden – versicherbare Schäden

Dritter Abschnitt – Art und Umfang der Soforthilfe

5 Art und Umfang der Soforthilfe

5.1 Soforthilfe „Haushalt/Hausrat“ für Privatpersonen

5.2 Soforthilfe „Gebäude und Räume“ für Privatpersonen

5.3 Soforthilfe „Kleingewerbebetreibende und Landwirte“

5.4 Nachweis über fehlenden Versicherungsschutz

5.5 Umfang der Soforthilfe

Vierter Abschnitt – Verfahrensbestimmungen, sonstige Bestimmungen

6 Antrags- und Bewilligungsverfahren

6.1 Antragstellung

6.2 „De-minimis“-Eigenerklärung

6.3 Bewilligung

6.4 Auszahlung und Verwendungsnachweis

6.5 Mitteilungspflichten des Empfängers

7 Mehrfachleistungen

8 Nebenbestimmungen zum Bewilligungsbescheid

9 Muster

10 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Anlagen

Muster 1:      Schadensmeldung
Muster 2       Sachstandsbericht
Muster 3a:    Antrag auf Soforthilfe "Haushalt beziehungsweise Hausrat" für Privatpersonen
Muster 3b:    Antrag auf Soforthilfe „Gebäude und Räume“ für Privatpersonen
Muster 3c:    Antrag auf Soforthilfe „Kleingewerbetreibende und landwirtschaftliche Betriebe“
Muster 4a:    „De-minimis“-Eigenerklärung (Gewerbebetrieb)
Muster 4b:    „De-minimis“-Eigenerklärung (Landwirte)
Muster 4c:    „De-minimis“-Bescheinigung
Muster 5:      Bewilligungsbescheid

Das Land Nordrhein-Westfalen gewährt nach Maßgabe des § 53 Landeshaushaltsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. April 1999 (GV. NRW. S. 1999), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 17. Oktober 2017 (GV. NRW. S. 528) geändert worden ist und dieser Richtlinie Soforthilfen als finanzielle Hilfen bei durch Naturkatastrophen hervorgerufenen Notständen. Ein Anspruch der Antragstellerin oder des Antragstellers auf Gewährung der Soforthilfe besteht nicht, vielmehr entscheidet die Bewilligungsbehörde aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.

Erster Abschnitt – Zweck und Voraussetzungen der Soforthilfe

1 
Zweck der Soforthilfe

Zur Milderung von Notständen durch Naturkatastrophen, insbesondere aufgrund von Erdbeben, Erdrutschen, Hochwasser, Starkregenereignissen, Eisregen, Starkfrost, Wirbelstürmen, Orkanen und Waldbränden (im Folgenden: Ereignis), gegen die kein oder kein wirtschaftlich vertretbarer Versicherungsschutz möglich gewesen wäre, kann den Betroffenen grundsätzlich im Rahmen einer Soforthilfe finanzielle Hilfe gewährt werden.

1.1
Gegenstand der Soforthilfe

Gegenstand der Soforthilfe sind finanzielle Hilfen zur Beseitigung der durch das Ereignis entstandenen Schäden.

1.2
Grundsatz der Subsidiarität - Hilfe zur Selbsthilfe

1.2.1
Die Soforthilfen des Landes sind gegenüber Leistungen Dritter, insbesondere Versicherungen, nur subsidiär. Sofern Ersatz- oder Entschädigungsansprüche gegenüber Dritten bestehen, die zusammen mit der Soforthilfe die Höhe des Schadens übersteigen, werden diese mit der Soforthilfe verrechnet.

1.2.2
Die Soforthilfe soll eine erste Hilfe zur Selbsthilfe bei akuten Notlagen sein. Sie ist keine Schadensersatzleistung. Ein voller finanzieller Ausgleich des erlittenen Schadens ist grundsätzlich nicht möglich. 

2
Einleitung des Verfahrens zur Gewährung einer Soforthilfe

2.1 
Meldung des Schadensereignisses und Ermittlung der Schäden

Bestehen Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ereignisses, durch das schwere Schäden in größerer Zahl entstanden sein könnten, fordert das für Inneres zuständige Ministerium im Benehmen mit dem durch das Ereignis in seiner Zuständigkeit überwiegend betroffenen Fachressort die Bezirksregierungen auf, Art und Umfang der Schäden zu melden und eine Beurteilung der Lage vorzunehmen.

Die Schadensmeldung erfolgt nach den Vorgaben des für Inneres zuständigen Ministeriums für Meldungen an die Aufsichts- und Ordnungsbehörden über außergewöhnliche Ereignisse im Bereich der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr und kann insbesondere auf Grundlage von Berichten der betroffenen Gebietskörperschaften sowie aufgrund von Schätzungen erfolgen; soweit möglich, ist das Muster 1 zu verwenden.

Das für Inneres zuständige Ministerium leitet die Lageberichte der Bezirksregierungen den fachlich betroffenen obersten Landesbehörden zu, die ihrerseits eine Bewertung vornehmen, insbesondere

a) ob und ab welcher Grenze die Kriterien für das Vorliegen eines Ereignisses erfüllt sind; zu den Kriterien zählen insbesondere Niederschlagsmenge, Windstärke, Stärke eines Erdbebens und Umfang eines Erdrutsches,

b) ob und welche der Kriterien kumulativ vorliegen müssen, damit eine Soforthilfe in Betracht kommt und

c) in welchen Gebietskörperschaften auf Grundlage der kommunalen Verwaltungsgrenzen eine Soforthilfe gewährt werden kann.

2.2 
Einleitung der Soforthilfe

Anhand der Bewertung der obersten Landesbehörden stellt das Kabinett fest, ob es das eingetretene Ereignis förmlich als Ereignis im Sinne der Nummer 1 anerkennt und bestimmt bei Vorliegen eines Ereignisses die federführende oberste Landesbehörde zur Durchführung des weiteren Verfahrens; eine Soforthilfeaktion setzt voraus, dass schwere Schäden in größerer Zahl entstanden sind. Die federführende oberste Landesbehörde bestimmt eine oder mehrere Bezirksregierungen zur Auszahlungs- und Bewilligungsbehörde und weist ihr die erforderlichen Haushaltsmittel zweckgebunden zur Bewirtschaftung zu.

2.3 
Statistiken

2.3.1
Das federführende Ministerium bestimmt gesondert Termine für die Berichte der Bezirksregierung über den Stand der Soforthilfe (Muster 2). Die Bezirksregierung kann – im Fall der Übertragung nach Nummer 6.1 Satz 2 - von den Kreisen und kreisfreien Städten die Vorlage der Antrags- und Bewilligungslisten verlangen. 

2.3.2
Nach Abschluss des Verfahrens berichten die Bezirksregierungen, in deren Bezirk Soforthilfen gewährt wurden, der federführenden obersten Landesbehörde unter Beteiligung des für Inneres zuständigen Ministeriums

a) über die Anzahl der genehmigten und abgelehnten Anträge sowie die Höhe der bewilligten und ausgezahlten Mittel,

b) ob und in welcher Weise eingetretene Schäden hätten verhindert werden können oder durch welche Planungen und Maßnahmen sie künftig verhindert werden können und

c) ob und welche Auffälligkeiten, insbesondere Probleme, es bei der Gewährung der Soforthilfen gegeben hat.

Zweiter Abschnitt – Empfänger und Voraussetzungen der Soforthilfe

3
Empfänger

3.1

Soforthilfeberechtigte Empfänger

Soforthilfen können nur natürlichen Personen, auch für deren Kleingewerbebetrieb oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, gewährt werden.

3.2
Mitwirkungspflichten

Der Antragsteller ist verpflichtet, der Bewilligungsbehörde die zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Bearbeitung seines Antrags erforderlichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung zu stellen.

3.3
Personenbezogene Soforthilfevoraussetzungen

Ist bei Gebäudeschäden der unmittelbar Geschädigte nicht Alleineigentümer, ist Soforthilfe nur zu gewähren, wenn die Mitberechtigten der Auszahlung schriftlich zustimmen. 

4
Soforthilfevoraussetzungen

4.1
Feststellung des Ereignisses und des betroffenen Gebietes

Die Tatsache, dass ein Ereignis im Sinne der Nummer 1 vorliegt, ist amtlich festzuhalten. Dies kann auch durch die Bestimmung eines generell von dem Ereignis betroffenen Gebietes erfolgen. Ergibt sich der Kreis der Geschädigten aus anderen Unterlagen, wie zum Beispiel Einsatzprotokollen der Feuerwehr oder der Polizei, können diese Dokumente herangezogen werden.

Die zuständigen Behörden können zur amtlichen Feststellung entsprechende Kommissionen bilden, die auch aus Bediensteten der Kreise und kreisfreien Städten sowie aus anderen fachkundigen Personen bestehen können, soweit diese zur ehrenamtlichen Mitarbeit bereit sind. Die zuständigen Kreisstellen der Landwirtschaftskammer NRW sollen bei Schäden in landwirtschaftlichen Betrieben beigezogen werden. Falls erforderlich, sind auch andere Behörden (zum Beispiel Bauaufsichtsämter, Wasserverbände, Bezirksregierungen, Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW, Landesbetrieb Wald und Holz NRW, Finanzämter usw.) um Amtshilfe zu ersuchen.

4.2
Soforthilfefähige Schäden

4.2.1
Allgemeine Bestimmungen

4.2.1.1
Soforthilfefähig sind nur Ausgaben zur Beseitigung unmittelbarer Schäden

a) im Bereich Haushalt beziehungsweise Hausrat,

b) an Gebäuden oder Räumen und

c) an land- und forstwirtschaftlichen Eigenerzeugnissen sowie

d) an Produktionsmitteln und Infrastruktureinrichtungen,

bei denen durch direkte Einwirkung der Schadensursache Gegenstände beschädigt oder zerstört wurden oder verloren gegangen sind.

4.2.1.2
Bei der Ermittlung der soforthilfefähigen Ausgaben im Sinne der Nummer 4.2.1.1 sind in der Regel nur die notwendigen Wiederbeschaffungs- oder Reparaturkosten des vernichteten oder beschädigten Wirtschaftsguts einzubeziehen, soweit die vernichteten oder beschädigten Vermögensgegenstände zur Fortführung des Betriebs, einer sonstigen auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit oder des privaten Haushalts unentbehrlich sind.

4.2.1.3 
Der Wert der eigenen Arbeitsleistung ist bei allen Schadensarten grundsätzlich kein soforthilfefähiger Schaden.

4.2.1.4
Eine in Rechnungen ausgewiesene oder enthaltene Umsatzsteuer ist nicht soforthilfefähig, soweit sie als Vorsteuer abgezogen werden kann.

4.2.1.5
Bei Verlusten von zum Verkauf bestimmten Eigenerzeugnissen sind die Herstellungskosten, nicht die erzielbaren Verkaufspreise maßgebend.

4.2.1.6
Eine Werterhöhung gegenüber dem Zustand vor Schadenseintritt, zum Beispiel beim Ersatz von gebrauchten Gegenständen durch neue, ist durch einen pauschalen Abschlag von 10 vom Hundert zu berücksichtigen. 

4.2.2
Schäden am Haushalt/Hausrat

4.2.2.1
Im Fall von vernichtetem Hausrat sind die für eine Grundausstattung erforderlichen Ausgaben zum Beispiel für Möbel, Bekleidungs- und Wäschestücke und für hauswirtschaftliche Geräte und Geräte der Unterhaltungs- und Gebrauchselektronik soforthilfefähig.

Nicht hilfefähig sind dagegen Ausgaben für Nahrungsmittel, die Wiederbeschaffung von Luxusgegenständen, Bargeld, Wertpapieren, Sammlungen und Ähnliches sowie aufschiebbare Beschaffungen (zum Beispiel von Sport- oder sonstigen Freizeitartikeln).

Für die Erneuerung eines vollständigen Hausstands können folgende Beträge im Sinne einer pauschalierten Schadenshöhe als angemessen erachtet werden:

a) Bei Ein-Personen-Haushalten: 13 000 Euro.

b) Bei Mehr-Personen-Haushalten:

     aa) für eine Person 13 000 Euro;

     bb) für den Ehegatten oder Lebenspartner 8 500 Euro;

     cc) für jede weitere zum Haushalt gehörige und dort mit Hauptwohnung gemeldete Person 3 500 Euro.

c) Bei Wohngemeinschaften (zum Beispiel Studentenwohngemeinschaft): 3 500 Euro für jede zum Haushalt gehörige und dort mit Hauptwohnung gemeldete Person.

4.2.2.2
Sind nur Teile des Hausrats zerstört worden, ist von den oben angegebenen Beträgen ein entsprechender Abschlag vorzunehmen. Auch können die zuständigen Behörden, sofern dies zweckdienlicher erscheint, im Interesse einer einheitlichen Handhabung in ihrem Zuständigkeitsbereich für einzelne vernichtete Hausratsgegenstände, soweit sie als Grundausstattung erforderlich sind, entsprechende Beträge festlegen, die als angemessen anerkannt werden.

4.2.3
Schäden an Gebäuden und Räumen

Bei Schäden an Gebäuden und Räumen, insbesondere an Wänden und Fußböden, sind nur die Ausgaben soforthilfefähig, die erforderlich sind, um die Gebäude oder Räume wieder benutzbar zu machen. Die zuständigen Behörden legen in ihrem Zuständigkeitsbereich für die einzelnen Schäden (Bodenbeläge, Estrich, Anstrich, Wandputz et cetera) sowie für Gegenstände wie Heizungen, Öltanks, Elektroinstallationen, Fenster und Türen et cetera pauschalierte Durchschnittspreise oder Wiederbeschaffungspreise fest, die als angemessene Beträge anerkannt werden können.

4.2.4
Schäden an land- und forstwirtschaftlichen Eigenerzeugnissen und Produktionsmitteln

Bei Produktionsmitteln handelt es sich um die Gesamtheit der Hilfsmittel, die für den Produktionsprozess notwendig sind. Dazu gehören zum Beispiel Gebäude, Verkehrs- und Nutzflächen, technische Anlagen, Maschinen, Geräte, Werkzeuge, Futtermittel, Vermehrungsgut, Dünge- und Pflanzenschutzmittel, die damit verbundenen produktionstechnischen Verfahren sowie die Betriebs- und Geschäftsausstattung.

Von den landwirtschaftlichen Eigenerzeugnissen sind die Zukaufprodukte zu unterscheiden, die nicht in den eigenen Erzeugungsprozess des Landwirts einfließen.

Bei forstwirtlichen Eigenerzeugnissen handelt es sich um auf eigenen Waldflächen wachsende bzw. erzeugte forstwirtschaftliche Produkte.

4.3
Nicht soforthilfefähige Schäden – versicherbare Schäden

4.3.1
Nicht soforthilfefähig sind

a) mittelbare Schäden (zum Beispiel entgangener Gewinn, Produktions- und Verdienstausfall, Wertminderungen des Betriebs- oder Privatvermögens),

b) Schäden an Außenanlagen von Gebäuden (Bäume, Sträucher, Rasen, Terrassen et cetera) und

c) Hochwasserschäden an Gewässern und Wasserbauten.

4.3.2
Schäden, die wirtschaftlich vertretbar versichert werden können, sind grundsätzlich nicht soforthilfefähig. Zu den Schäden, die in diesem Sinne versicherbar sind, gehören insbesondere

a) Feuer-, Sturm-, Hagel- und Glasbruchschäden,

b) weitere Schäden, verursacht beispielsweise durch Überschwemmungen, Rückstau, Erdbeben, Erdfall, Eisregen, Starkfrost, Schneedruck et cetera sowie

c) kaskoversicherungsfähige Schäden an Kraftfahrzeugen und Campinganhängern.

Dritter Abschnitt – Art und Umfang der Soforthilfe

5
Art und Umfang der Soforthilfe

Die Soforthilfen erfolgen als Geldleistung. Als Soforthilfe können einzeln oder kumulativ (unter Beachtung von Nummer 6.2 und Nummer 6.4.2) gewährt werden:

a) Soforthilfe „Haushalt beziehungsweise Hausrat“ für Privatpersonen,

b) Soforthilfe „Gebäude und Räume“ für Privatpersonen,

c) Soforthilfe „Kleingewerbetreibende und Landwirte“.

5.1
Soforthilfe „Haushalt beziehungsweise Hausrat“ für Privatpersonen

5.1.1
Bemessungsgrundlage für die Höhe der Soforthilfe sind die Ausgaben zur Beseitigung der nach Nummer 4.2.2 soforthilfefähigen Schäden.

5.1.2
Private Haushalte,

a) die durch ein Ereignis einen Gesamtschaden von mindestens 5 000 Euro erlitten haben und

b) für den kein oder kein wirtschaftlich vertretbarer Versicherungsschutz möglich war,

können – wenn die Mittel für die Schadensbeseitigung verwendet werden – eine Soforthilfe in Höhe von 500 Euro je Person, mindestens aber 1 000 Euro und höchstens 2 500 Euro je Haushalt erhalten.

Bei der Zahl der Haushaltsangehörigen (Ehegatten, Kinder et cetera) ist maßgeblich, dass die betreffenden Personen zum Zeitpunkt des Schadensereignisses ihre Hauptwohnung im Sinn des Melderechts am Ort des Schadensereignisses hatten. Als Begünstigte können sowohl Mieter als auch selbstnutzende Eigentümer des Anwesens in Frage kommen.

5.2
Soforthilfe „Gebäude und Räume“
für Privatpersonen

5.2.1
Bemessungsgrundlage für die Höhe der Soforthilfe sind die Ausgaben zur Beseitigung der nach Nummer 4.2.3 soforthilfefähigen Schäden.

5.2.2
Für Gebäude oder Räume,

a) die ausschließlich dem Wohnen oder Aufenthalt von Menschen dienen, die einen Gesamtschaden von mindestens 10 000 Euro je Gebäude oder Raum erlitten haben und

b) für die kein oder kein wirtschaftlich vertretbarer Versicherungsschutz möglich war,

kann der Eigentümer oder dinglich Nutzungsberechtigte – wenn die Mittel für die Schadensbeseitigung verwendet werden - eine Soforthilfe in Höhe von 5 000 Euro erhalten. Dies gilt ausschließlich für eigengenutzte Gebäude oder Räume des Berechtigten.

5.3
Soforthilfe „Kleingewerbebetreibende und Landwirte“

5.3.1
Bemessungsgrundlage für die Höhe der Soforthilfe sind die Ausgaben zur Beseitigung der nach Nummer 4.2.3 und Nummer 4.2.4 soforthilfefähigen Schäden.

5.3.2
Kleingewerbetreibende und Landwirte mit bis zu zehn Beschäftigten,

a) die durch ein Ereignis einen Gesamtschaden von mindestens 10 000 Euro erlitten haben und

b) für die kein oder kein wirtschaftlich vertretbarer Versicherungsschutz möglich war

können – wenn die Mittel für die Schadensbeseitigung verwendet werden – eine Soforthilfe in Höhe von 5 000 Euro erhalten.

5.4
Nachweis über fehlenden Versicherungsschutz

Den Nachweis, dass gegen die entstandenen Schäden kein Versicherungsschutz (objektiv) oder kein wirtschaftlich vertretbarer Versicherungsschutz (subjektiv) möglich war (zum Beispiel durch eine Elementarschadens-, Hausrat- oder Wohngebäudeversicherung), hat die Antragstellerin  oder der Antragsteller zu führen.

5.4.1
Die Bestätigung eines Versicherungsunternehmens oder des Versicherungsunternehmens, bei dem bereits andere, zum Beispiel Hausrat-, Gebäude-  oder Pflanzenversicherungen abgeschlossen wurden, ist für den Nachweis in objektiver Hinsicht ausreichend. Dies gilt auch für eine bestätigte Auskunft eines Versicherungsunternehmens, dass es keine entsprechenden Versicherungsleistungen anbiete.

5.4.2
In subjektiver Hinsicht ist ausreichend:

a) Der Nachweis eines Leistungsbezugs nach den Vorschriften     des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende) oder des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe) oder des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Dem Nachweis über den Leistungsbezug steht der Nachweis über eine Antragstellung auf Bewilligung einer Leistung nach den genannten Vorschriften, die noch nicht endgültig beschieden worden ist, gleich.

b) Die Darlegung von Umständen, die den Voraussetzungen eines Leistungsbezugs nach den Vorschriften unter 5.4.2. vergleichbar sind und eine entsprechende Gesamtbeurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin oder des Antragstellers rechtfertigen.

Dies liegt insbesondere vor, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller über kein oder nur ein geringes Vermögen verfügt und im Übrigen die Einkünfte der Antragstellerin oder des Antragstellers insgesamt den steuerfreien Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (BGBl. I S. 3366, 3862) in der jeweils geltenden Fassung (EStG), einschließlich eventuell zusätzlich hinzuzurechnender Kinderfreibeträge nach § 32 Absatz 6 EStG (Gesamtfreibetrag) nicht übersteigen.

Der hier zugrunde zu legende Gesamtfreibetrag ermittelt sich nach einem vereinfachten und schematisierten Verfahren. Basis sind die Beträge, die sich aus verfassungsrechtlichen Gründen zum Schutz des Existenzminimums als Grund- und Kinderfreibeträge im Besteuerungsverfahren finden. Für jeden dem Haushalt angehörigen Erwachsenen ist der Betrag nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG, für jedes dem Haushalt angehörige Kind der Betrag nach § 32 Absatz 6 EStG anzusetzen. Dies gilt unabhängig von den konkreten Verwandtschafts- und Kindschaftsverhältnissen.

Die Antragstellerin oder der Antragsteller hat mit geeigneten Unterlagen (zum Beispiel Steuerbescheid, Nichtveranlagungsbescheinigung, Rentenbescheid, Verdienstbescheinigung) glaubhaft zu machen, dass ihre oder seine Einkünfte im Kalenderjahr einschließlich der Einkünfte der übrigen Haushaltsangehörigen den Gesamtfreibetrag nicht überschreiten. Die Prüfung der Angaben erfolgt hierbei vor dem Hintergrund der Zielrichtung der SHR überschlägig, unter Vermeidung strenger Form- und Nachweiserfordernisse und im Zweifel zugunsten der Antragstellerin oder des Antragstellers.

5.5
Umfang der Soforthilfe

Die verfügbaren Soforthilfemittel dürfen nicht schematisch verteilt, sondern müssen gezielt für akute Notfälle eingesetzt werden.

5.5.1
Ermessensentscheidung

Die Bewilligungsbehörde entscheidet über die Höhe der Soforthilfe nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei sind die zur Verfügung stehenden Mittel und die Gesamtverhältnisse des Antragstellers und seiner im Haushalt lebenden Angehörigen (Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Höhe des Schadens, Bedürftigkeit) zu berücksichtigen.

5.5.2
Ermessensausübung bei kleinen Schadensfällen

Bei kleinen Schadensfällen bis zu 5 000 Euro für Schäden im Sinne der Nummer 5.1 und 10 000 Euro für Schäden im Sinne der Nummer 5.2 und der Nummer 5.3 soll die Soforthilfe in der Regel 35 vom Hundert der zur Schadensbeseitigung notwendigen Ausgaben nicht überschreiten. In begründeten Einzelfällen sind höhere Bewilligungssätze möglich.

5.5.3
Ausschluss einer Überfinanzierung

Die Soforthilfen und weiteren Hilfen Dritter dürfen die für die Schadensbehebung erforderlichen Ausgaben nicht übersteigen. Nicht angerechnet werden Spenden, die jedoch zu keiner Überfinanzierung über die Höhe der entstandenen Schäden hinaus führen dürfen. 

Vierter Abschnitt – Verfahrensbestimmungen, sonstige Bestimmungen

6
Antrags- und Bewilligungsverfahren

6.1
Antragstellung

Anträge auf Soforthilfen sind schriftlich oder zur Niederschrift bei der Bezirksregierung einzureichen. Sie kann die Zuständigkeit für die Entgegennahme der Anträge mit Einverständnis der Kreise und kreisfreien Städte auf diese übertragen. Die Antragsfrist wird von der federführenden obersten Landesbehörde für jede Soforthilfe gesondert bestimmt. Verspätet eingehende Anträge werden grundsätzlich nicht berücksichtigt. Die zuständige Behörde kann in begründeten Fällen eine Nachfrist gewähren.

Der Soforthilfeantrag ist in einfacher Ausfertigung auf dem Formblatt Muster 3 a, b und c (Soforthilfen) einzureichen.

Erstreckt sich geschädigtes Betriebs- oder Grundvermögen auf mehrere Kreise, kreisfreie Städte oder Regierungsbezirke, richtet sich die Zuständigkeit nach dem Betriebssitz.

Die zuständige Behörde ist den Geschädigten bei der Antragstellung behilflich. Sind weitere nicht im Antragsformblatt vorgesehene Angaben erforderlich oder ist der Antrag unvollständig ausgefüllt, wirkt sie gegebenenfalls auf eine Ergänzung hin.

Die Formblätter für die Soforthilfe werden von der federführenden obersten Landesbehörde oder von der zuständigen Bewilligungsbehörde zum Download bereitgestellt oder den potenziellen Antragstellern als Vordruck zur Verfügung gestellt.

6.2
„De-minimis“-Eigenerklärung

Die Soforthilfe „Kleingewerbetreibende und Landwirte“ stellt eine „De-minimis“-Beihilfe dar. Die Gesamtsumme der gewährten Beihilfen darf in einem Zeitraum von drei Steuerjahren für ein Unternehmen 200 000 Euro nicht überschreiten (Verordnung (EU) Nr. 1407/2013).

Für Beihilfen an Unternehmen, die in der Primärerzeugung landwirtschaftlicher Erzeugnisse tätig sind, gilt die Verordnung (EU) Nr. 1408/2013 (Agrarsektor), so dass die Gesamtsumme der gewährten Beihilfen in einem Zeitraum von drei Steuerjahren 15 000 Euro nicht übersteigen darf.

Für Beihilfen an Unternehmen des Fischerei- und Aquakultursektors gilt die Verordnung (EU) Nr. 717/2014 (Fischereisektor), so dass die Gesamtsumme der gewährten Beihilfen in einem Zeitraum von drei Steuerjahren 30.000 Euro nicht übersteigen darf.

Eine Kumulierung der nach dieser Richtlinie gewährten „De-minimis“-Beihilfen mit anderen öffentlichen Mitteln ist innerhalb des jeweiligen maximalen Gesamtbetrags unter Beachtung der Kumulierungsvorschriften in Art. 5 der Verordnung (EU) Nr. 1407/2013, Art. 5 der Verordnung (EU) Nr. 1408/2013 und Art. 5 der Verordnung (EU) Nr. 717/2014 zulässig.

Die Soforthilfe wird erst nach Abgabe der entsprechenden „De-minimis“-Eigenerklärung (Muster 4a bzw. 4b) gewährt.

Beabsichtigt die Behörde eine „De-minimis“-Beihilfe zu bewilligen, so teilt sie dem Antragssteller schriftlich die voraussichtliche Höhe der Beihilfe mit und weist darauf hin, dass es sich um eine „De-minimis“-Beihilfe handelt („De-minimis“-Bescheinigung, Muster 4c).

6.3
Bewilligung

Die Bezirksregierung bewilligt die Soforthilfe. Sie kann die Zuständigkeit für die Bewilligung mit Einverständnis der Kreise und kreisfreien Städte auf diese übertragen.

Mit der Behebung der Schäden kann auch vor Antragstellung begonnen werden.

6.3.1
Grundsatz der schnellen Abwicklung

Die Anträge sind bei allen beteiligten Stellen als Sofortsache zu behandeln. Die Behördenleitung hat geeignete Kräfte in ausreichender Zahl einzusetzen. Nach Weisung der beteiligten Fachministerien oder der zuständigen Bezirksregierung oder aufgrund Vereinbarung der Kreise und kreisfreien Städten können zusätzliche Dienstkräfte im Wege der Amtshilfe abgestellt werden.

6.3.2
Vorläufige Bewilligung

Steht in akuten Notfällen oder zeitaufwendigen Fällen die Soforthilfefähigkeit nur dem Grunde nach fest, kann vorläufig bewilligt oder spätere Soforthilfe schriftlich in Aussicht gestellt werden.

6.3.3
Bescheid

Über die Anträge auf Soforthilfe wird schriftlich entschieden. Für den Bescheid kann das Formblatt Muster 5 verwendet werden.

Im Fall der Bewilligung durch die Bezirksregierung (Nummer 6.3 Satz 1) übersendet diese dem zuständigen Kreis oder der kreisfreien Stadt einen Abdruck ihres Bescheides.

6.4
Auszahlung und Verwendungsnachweis

6.4.1
Die Soforthilfe darf nur unmittelbar zu der im Bewilligungsbescheid bestimmten Schadensbehebung (Leistungszweck) verwendet werden. Die Soforthilfe ist wirtschaftlich und sparsam zu verwenden. 

6.4.2
Über die Art und Weise der Auszahlung entscheidet die Bewilligungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen.

6.4.3
Für die Soforthilfe „Haushalt beziehungsweise Hausrat“ nach Nummer 5.1 ist ein Verwendungsnachweis grundsätzlich nicht zu führen; es reicht die im Antrag vorgesehene Versicherung, dass Schäden in dieser Höhe entstanden sind und die Mittel zur Schadensbeseitigung verwendet werden.

Die Empfänger der Soforthilfen nach Nummer 5.2 und Nummer 5.3 haben die Nachweise über die Verwendung der Mittel zur Schadensbeseitigung drei Jahre nach Verwendung aufzubewahren. Der Nachweis besteht aus einem Sachbericht und einem zahlenmäßigen Nachweis (Ausgaben in zeitlicher Reihenfolge) ohne Vorlage von Belegen. Dem Nachweis ist eine tabellarische Belegübersicht beizufügen (Belegliste).

6.4.4
Die Bewilligungsbehörde kann im Fall von Soforthilfen nach Nummer 5.2 und Nummer 5.3 bestimmen, dass mit dem Nachweis oder anstelle des Nachweises die Originalbelege vorzulegen sind. Die gegebenenfalls vorzulegenden Originalbelege müssen die im Geschäftsverkehr üblichen Angaben und Anlagen enthalten, die Ausgabebelege insbesondere den Zahlungsempfänger, Grund und Tag der Zahlung, den Zahlungsbeweis und den Verwendungszweck. Die Belege sind drei Jahre nach Vorlage des Verwendungsnachweises aufzubewahren. Werden „De-minimis“-Beihilfen gewährt, sind die besonderen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten zu beachten.

Der Verwendungsnachweis kann innerhalb eines von der Bewilligungsbehörde festzulegenden Zeitraums nachgereicht werden.

6.5
Mitteilungspflichten der Empfängerin oder des Empfängers

Die Empfängerin oder der Empfänger von Soforthilfe ist verpflichtet, unverzüglich der Bewilligungsbehörde anzuzeigen, wenn

a) er nach Antragstellung oder Bekanntgabe des Bewilligungsbescheids weitere Leistungen für denselben Zweck bei anderen öffentlichen Stellen beantragt oder von ihnen erhält oder wenn sich sonstige Änderungen der Finanzierung ergeben,

b)der Verwendungszweck oder sonstige für die Bewilligung der Soforthilfe maßgebliche Umstände sich ändern oder wegfallen,

c) sich herausstellt, dass der Verwendungszweck (Schadensbehebung) überhaupt nicht oder mit der bewilligten Soforthilfe nicht zu erreichen ist,

d) die abgerufenen oder ausgezahlten Beträge nicht innerhalb von zwei Monaten nach Auszahlung verbraucht werden können,

e) ein Insolvenz-, Vergleichs- oder Zwangsvollstreckungsverfahren gegen ihn beantragt oder eröffnet wird.

7
Mehrfachleistungen

Die Inanspruchnahme von Soforthilfe gleichzeitig mit Zuwendungen aus anderen staatlichen Hilfen und Förderprogrammen ist nicht ausgeschlossen. Die gesamten Zuwendungen und Leistungen Dritter dürfen die Höhe der entstandenen Schäden nicht überschreiten. Zudem ist Nummer 6.2 zu beachten.

Im Fall der Bewilligung von Soforthilfe an Personen, die Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII oder dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, ist die Entscheidung mit dem zuständigen Leistungsträger abzustimmen.

8
Nebenbestimmungen zum Bewilligungsbescheid

Nebenbestimmungen im Sinne des § 36 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 1999 (GV. NRW. S. 602), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 15. November 2016 (GV. NRW. S. 934), für die Gewährung der Soforthilfe ergeben sich aus den Regelungen der Nummern 6.4.1, 6.4.2 Satz 2, 6.4.3 und 6.5. Sie sind unter Beachtung des § 37 VwVfG NRW grundsätzlich unverändert zum Bestandteil des Bescheides zu machen.

9
Muster

Die als Anlagen beigefügten Muster sind Teil dieser Bekanntmachung.

10
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Richtlinien treten mit Wirkung vom 1. Januar 2018 in Kraft. Sie gelten für ab diesem Zeitpunkt eingeleitete Soforthilfen und treten am 31. Dezember 2022 außer Kraft.

- MBl. NRW. 2018 S. 86