Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2019 Nr. 24 vom 19.11.2019 Seite 647 bis 660

 

Zusammenarbeit zwischen den Umweltschutzbehörden/Fachdienststellen und den Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Verstößen gegen die Umwelt Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums der Justiz (4062 - III A. 4), des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (I-4 - 40 10) und des Ministeriums des Innern (422 - 62.18.04)

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Zusammenarbeit zwischen den
Umweltschutzbehörden/Fachdienststellen und den
Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung
von Verstößen gegen die Umwelt

Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums der Justiz (4062 - III A. 4),
des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (I-4 - 40 10)
und des Ministeriums des Innern (422 - 62.18.04)

Vom 23. Juli 2019

Gemäß Artikel 20a GG schützt der Staat auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. Die starke Belastung der Umwelt verbietet unkontrollierte Eingriffe des Menschen in den Naturhaushalt. Es sind daher alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um dem Menschen eine Umwelt zu sichern, die ihm Gesundheit und ein menschenwürdiges Dasein gewährleistet, um Boden, Luft und Wasser, Pflanzen- und Tierwelt vor nachteiligen Wirkungen menschlicher Eingriffe zu schützen und um Schäden oder Nachteile aus menschlichen Eingriffen zu beseitigen. Zu diesen Maßnahmen gehört auch die Bekämpfung von Verstößen gegen die Umwelt mit Mitteln des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts. Die wirksame Verfolgung der besonders gemein- und sozialschädlichen Verstöße gegen die Umwelt setzt eine enge, verständnis- und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den für den Umweltschutz verantwortlichen Behörden und Dienststellen einerseits und den Strafverfolgungsbehörden andererseits voraus. Um diese Zusammenarbeit noch effektiver zu gestalten, sind folgende Maßnahmen geboten:

1.

Regelmäßige gemeinsame Besprechungen zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Staatsanwaltschaften, der Polizeibehörden und der Umweltschutzbehörden/Fachdienststellen

Die Bezirksregierungen sowie die Generalstaatsanwältinnen bzw. Generalstaatsanwälte werden gebeten, im Zweijahresrhythmus alternierend mindestens eine Besprechung für ihre Bezirke oder Teile davon durchzuführen. Dabei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Bezirke der Bezirksregierungen einerseits und die der Generalstaatsanwältinnen bzw. Generalstaatsanwälte andererseits nicht in jedem Falle deckungsgleich sind. Die beteiligten Stellen führen darüber hinaus, soweit erforderlich, bedarfsbezogene Besprechungen durch. Die Bezirksregierungen und die Generalstaatsanwältinnen bzw. Generalstaatsanwälte veranlassen das Weitere in eigener Zuständigkeit. Die Veranstalterin bzw. der Veranstalter unterrichtet ihre bzw. seine oberste Dienstbehörde über die wesentlichen Ergebnisse der Besprechung.

Die Besprechungen sollen insbesondere einem umfassenden Erfahrungsaustausch, der Koordinierung von Ermittlungen und der Erörterung sonstiger Fragen mit Umweltschutzbezug dienen. Fragen des präventiven Umweltschutzes sollen dabei nicht ausgeklammert werden. Daneben sollen insbesondere den Umweltschutz betreffende wichtige Gesetze, ihre Änderungen sowie Verwaltungsanordnungen, die sich für die Verfolgung von Verstößen gegen die Umwelt auswirken können, erörtert werden. Es empfiehlt sich, auch mit Umweltschutzstrafsachen befassten Richterinnen und Richtern sowie Vertreterinnen und Vertretern des Landeskriminalamts NRW die Teilnahme an den Besprechungen zu ermöglichen.


Die beteiligten Dienststellen führen im Rahmen ihrer Möglichkeiten Fortbildungsveranstaltungen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch und sehen die Teilnahme von Angehörigen anderer Behörden (ggf. auch als Referentinnen und Referenten) vor.

2.
Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden über den Verdacht einer Straftat gegen die Umwelt

Die Umweltschutzbehörden/Fachdienststellen unterrichten die Strafverfolgungsbehörden über den Verdacht einer Straftat gegen die Umwelt, wenn dies wegen der Bedeutung der Tat oder aus anderen Gründen im öffentlichen Interesse geboten ist.


Die Unterrichtungspflicht besteht insbesondere, wenn

a) die Straftat zu einer Verletzung oder unmittelbaren Gefährdung von Leib oder Leben oder von Sachen von bedeutendem Wert geführt hat,

b) die Straftat aus Gründen der Kostenersparnis oder aus Gleichgültigkeit gegenüber den Erfordernissen des Umweltschutzes begangen worden ist oder

c) die bzw. der Tatverdächtige wiederholt umweltrelevante behördliche Anweisungen oder Auflagen nicht erfüllt hat.

3.
Beteiligung der Umweltschutzbehörden/Fachdienststellen durch die Staatsanwaltschaft

Die in dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) und den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) enthaltenen Vorschriften über die Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Verwaltungsbehörde in Straf- und Bußgeldsachen sind zu beachten. Dies gilt insbesondere für die Beteiligung der Umweltschutzbehörden/Fachdienststellen vor einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 bzw. §§ 153, 153a StPO (Nr. 90 Abs. 1 RiStBV), vor einer Einstellung des Verfahrens wegen einer Ordnungswidrigkeit (§§ 40, 42 Abs. 1, 63 Abs. 3 OWiG; Nrn. 275 Abs. 1 und 3, 282 Abs. 3 Satz 1 RiStBV) und für die Beteiligung der Umwelt­schutz­be­hörde/Fachdienststelle an der Hauptverhandlung (Nr. 288 Abs. 2 RiStBV i. V. m. § 76 Abs. 1 OWiG).

4.
Leitstelle „Umwelt“ bei den Generalstaatsanwaltschaften

Die Generalstaatsanwältinnen bzw. Generalstaatsanwälte bestimmen für den jeweiligen Geschäftsbereich eine Ansprechpartnerin bzw. einen Ansprechpartner, die bzw. der als Leitstelle eingeschaltet werden und die erforderlichen Maßnahmen veranlassen kann, wenn Probleme im Zusammenwirken der vor Ort beteiligten Behörden auftreten.

5.
Beauftragte für Umweltkriminalität bei den Kreispolizeibehörden

Die Kreispolizeibehörden benennen jeweils eine Kriminalbeamtin bzw. einen Kriminalbeamten als „Beauftragte/n für Umweltkriminalität", die bzw. der Verbindung zu den Umweltschutzbehörden hält und als Ansprechpartnerin bzw. Ansprechpartner auf dem Gebiet der Umweltkriminalität und der Bekämpfungsmaßnahmen der Polizei zur Verfügung steht.

Dieser Gemeinsame Runderlass tritt am Tage nach seiner Veröffentlichung in Kraft. Er ersetzt den Gemeinsamen Runderlass des Justizministers (4062 - III A. 4), des Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft (I A 5 - 6 - 111/79) und des Innenministers (IV A 2 - 274) vom 20. Juni 1985 (MBl. NRW. S. 1232).

- MBl. NRW. 2019 S. 652