Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2021 Nr. 38 vom 30.12.2021 Seite 1095 bis 1120

 

Durchführungshinweise zur Bewertung von Pensionsverpflichtungen und Beihilfeverpflichtungen

653

Durchführungshinweise
zur Bewertung von Pensionsverpflichtungen und Beihilfeverpflichtungen

Runderlass
des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung
– 304-48.01.02/30 - 244/21 –

Vom 13. Dezember 2021

1
Das Neue Kommunale Finanzmanagement in den Kommunen erfordert die Erfassung, Bewertung und Bilanzierung aller Verpflichtungen der Kommune. Dazu gehören die Versorgungsanwartschaften der Beamtinnen und Beamten einer Kommune als Verpflichtungen des Dienstherrn, die in voller Höhe als Pensionsrückstellungen in der kommunalen Bilanz anzusetzen sind. Die Bewertung der Pensionsrückstellungen ist von den Kommunen unter Beachtung des § 37 Absatz 1 und 2 der Kommunalhaushaltsverordnung Nordrhein-Westfalen vom 12. Dezember 2018 (GV. NRW. S. 708) in der jeweils geltenden Fassung, im Folgenden KomHVO NRW genannt, und den folgenden Maßgaben vorzunehmen:

2
Als Beginn des Dienstverhältnisses ist der Zeitpunkt der erstmaligen Berufung in das Beamtenverhältnis zu Grunde zu legen. Ein unmittelbar vorangegangener Wehr- oder Zivildienst ist dabei einem Beamtenverhältnis gleichzusetzen. Für Beamtinnen und Beamte der Laufbahngruppe 1, zweites Einstiegsamt und der Laufbahngruppe 2, erstes Einstiegsamt kann allgemein auch das vollendete 19. Lebensjahr, für Beamtinnen und Beamte der Laufbahngruppe 2, zweites Einstiegsamt allgemein das vollendete 25. Lebensjahr als Beginn der Dienstzeit angesetzt werden. Für Beamtinnen und Beamte auf Zeit kann ausnahmsweise das vollendete 25. Lebensjahr als Beginn der Dienstzeit angesetzt werden.

3
Als Eintritt in den Ruhestand (Pensionierungsalter) gilt für Laufbahnbeamtinnen und -beamte die jeweilige gesetzliche Altersgrenze. Für Beamtinnen und Beamte auf Zeit kann unabhängig vom Einzelfall allgemein das 65. Lebensjahr als Zeitpunkt für den Eintritt in den Ruhestand angesetzt werden.

4
Mögliche Ansprüche der Beamtinnen und Beamten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind nicht in die Bewertung einzubeziehen.

5
Bei einer Teilzeitbeschäftigung von Beamtinnen und Beamten soll für die Zukunft der aktuelle Teilzeitgrad und für die Vergangenheit der bisherige durchschnittliche Beschäftigungsgrad herangezogen werden. Sind diese Daten nicht verfügbar, so kann der Bewertung hilfsweise eine Vollzeitbeschäftigung zu Grunde gelegt werden. Bei einer Freistellung vom Dienst ist fiktiv ein Beschäftigungsgrad von 50 Prozent anzusetzen.

6
Sofern an den Versorgungslasten der Kommune auch andere Dienstherren aufgrund eines erfolgten Dienstherrenwechsels beteiligt sind, gilt Nachfolgendes:

6.1
Wenn der Dienstherrenwechsel und der Eintritt der Versorgung vor dem 1. Juli 2016 erfolgt ist, ist wie nachstehend zu verfahren:

6.1.1
Bei dem abgebenden Dienstherrn ist die Erstattungsverpflichtung mit dem Barwert anzusetzen. Zur Ermittlung des zu erstattenden Anteils ist die Höhe der Versorgung auf Basis der beim abgebenden Dienstherrn maßgeblichen Besoldungsgruppe zu ermitteln und altersabhängig im Verhältnis der beim abgebenden Dienstherrn zurückgelegten zur, bis zum jeweiligen Versorgungsfall, möglichen Dienstzeit zu gewichten. Die Erstattungsverpflichtung ist in der Bilanz unter dem Bilanzposten „Sonstige Rückstellungen“ zu passivieren.

6.1.2
Bei dem aufnehmenden Dienstherrn ist die gesamte Pensionsverpflichtung zu bilanzieren. Ein anteiliger Erstattungsanspruch gegenüber dem abgebenden Dienstherrn ist mit dem Barwert nach Nummer 6.1.1 anzusetzen und in der Bilanz unter dem Bilanzposten „Öffentlich-rechtliche Forderungen“ zu aktivieren.

6.2
Sofern der Dienstherrenwechsel vor dem 1. Juli 2016 erfolgt und der Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, sind die dadurch entstehenden Ansprüche und Verpflichtungen aus dem Dienstherrenwechsel weiterhin bilanziell auszuweisen. Für die Barwertermittlung der Abfindungszahlung ist auf den Eintritt des Versorgungsfalles abzustellen.

In diesen Fällen ist wie folgt zu verfahren:

6.2.1
Bei dem abgebenden Dienstherrn ist, soweit keine Zahlungsmitteilung von der Versorgungskasse vorliegt, zum Abschlussstichtag für die bestehende Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindungszahlung eine sonstige Rückstellung zu bilden. Zur Barwertermittlung dieser Abfindungszahlung ist auf den Eintritt des Versorgungsfalles abzustellen. Die Berechnung der Abfindungszahlung erfolgt unter Beachtung von § 101 Absatz 2 des Landesbeamtenversorgungsgesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310, ber. S. 642) in der jeweils geltenden Fassung.

6.2.2
Bei dem aufnehmenden Dienstherrn ist die gesamte Pensionsverpflichtung zu bilanzieren. Der Abfindungszahlungsanspruch gegenüber den abgebenden Dienstherren ist mit dem Barwert nach Nummer 6.2.1 zu aktivieren und in der Bilanz unter dem Bilanzposten „Öffentlich-rechtliche Forderung“ zu aktivieren.

6.3
Sofern ein Dienstherrenwechsel vor dem 1. Juli 2016 erfolgt ist und ein weiterer Wechsel nach dem 1. Juli 2016 erfolgte, müssen der abgebende und die früheren Dienstherren innerhalb von sechs Monaten nach der Unterrichtung über den erneuten Wechsel durch den aufnehmenden Dienstherrn eine Abfindung an diesen leisten. Wenn ein Dienstherrenwechsel nach dem 1. Juli 2016 erfolgt ist oder erfolgt, ist im Regelfall die Abfindung innerhalb von sechs Monaten nach Aufnahme bei dem neuen Dienstherrn zu leisten, § 99 Absatz 2 des Landesbeamtenversorgungsgesetzes. Wenn in einem dieser Fälle der Wechsel vor dem Jahresabschlussstichtag erfolgt ist und die Abfindungszahlung erst nach dem Abschlussstichtag geleistet wird und noch keine konkrete Mitteilung über die Höhe der Abfindungszahlung vorliegt, sind bei dem abgebenden Dienstherrn Rückstellungen zu passivieren und bei dem aufnehmenden Dienstherrn entsprechende Forderungen zu aktivieren.

7

7.1
Die Verpflichtungen der Kommune zur Bewertung von Beihilfeverpflichtungen können als prozentualer Anteil an den Pensionsrückstellungen gemäß § 37 Absatz 1 Satz 5 KomHVO NRW oder auf der Grundlage des Leistungsdurchschnitts gemäß § 37 Absatz 1 Satz 9 KomHVO NRW angesetzt werden.

7.2
Alternativ kann die Bewertung von Beihilfeverpflichtungen zur Berücksichtigung der mit zunehmendem Alter steigenden Krankheitskosten auf Basis von Kopfschadenprofilen erfolgen.

7.3
Wird der Barwert nach § 37 Absatz 1 Satz 9 KomHVO NRW ermittelt, ist Nachfolgendes zu beachten:

Es ist der Durchschnitt der Leistungen im vorgenannten Zeitraum zu ermitteln. Der vorgenannte Zeitraum ist der nach § 37 Absatz 1 Satz 7 KomHVO NRW benannte Zeitraum, welcher die vorangehenden drei Haushaltsjahre vor dem Jahresabschluss umfasst. Der Durchschnitt der Leistungen ist jedes Jahr neu zu ermitteln. Hierbei ist es nicht zu beanstanden, wenn nicht zwischen Leistungen an Ruhegehaltsempfängerinnen und Ruhegehaltsempfänger und Leistungen an Hinterbliebene differenziert wird und beide Leistungen gleichermaßen in die Ermittlungen eingehen.

Die Pflicht zur Bildung von Rückstellungen in angemessener Höhe nach § 88 Absatz 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 (GV. NRW. S. 666) in der jeweils geltenden Fassung gilt auch unter Berücksichtigung dieser alternativen Berechnungsmethode unverändert fort. Die zur Rückstellungsbildung gewählte Ermittlungsart muss ein zutreffendes Bild der voraussichtlichen Inanspruchnahme vermitteln.

7.4
Im Falle eines Dienstherrenwechsels ist zu beachten, dass die Beihilfeleistungen von dem aufnehmenden Dienstherrn vollständig zu tragen sind. Der abgebende Dienstherr muss daher die bestehenden Beihilferückstellungen auflösen und der aufnehmende Dienstherr muss für die übergegangene Beihilfeverpflichtung eine Rückstellung bilden.

8
Dieser Runderlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft und am 31. Dezember 2028 außer Kraft.

MBl. NRW. 2021 S. 1106