Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 1999 Nr. 19 vom 13.4.1999 Seite 335 bis 348

 

Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Anwendung des Gewerberechts auf Ausländer (AuslGewVwV)

I.

7100

Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Anwendung
des Gewerberechts auf Ausländer
(AuslGewVwV)

RdErl. d. Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr - 134- 51 - 3 –v.26.2.1999

Inhaltsübersicht

1 Gewerberechtliche Vorschriften

2 Europarechtliche Vorschriften

3 NATO-Truppenstatut

4 Zusammenarbeit der Gewerbebehörden mit den Ausländerbehörden

5 Schlussbestimmungen

1
Gewerberechtliche Vorschriften

1.1
Allgemeine gewerbliche Vorschriften

Für die Ausübung eines Gewerbes durch Ausländer oder ausländische juristische Personen gelten grundsätzlich die allgemeinen gewerberechtlichen Vorschriften, insbesondere die Vorschriften der Gewerbeordnung, des Gaststättengesetzes sowie der Handwerksordnung. Ausländer unterliegen daher hinsichtlich Zuverlässigkeit und Sachkunde den gleichen Anforderungen wie Deutsche i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG. Zu den Erleichterungen für Staatsangehörige der Europäischen Union – EU – oder eines anderen Vertragsstaates 1) des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum - EWR - siehe Nummer 2.

Ob ein Ausländer eine selbständige gewerbliche Tätigkeit ausüben darf, hängt grundsätzlich (siehe aber Nummern 1.2.1.3 und 1.2.1.4) allein von der Aufenthaltsgenehmigung bzw. von der Aufenthaltserlaubnis-EG (siehe Nummer 4) ab.

1.1.1
Zuverlässigkeit und sonstige persönliche Verhältnisse

Sofern für ein gewerberechtliches Erlaubnisverfahren oder in den Fällen des § 38 GewO die Prüfung der Zuverlässigkeit oder der Vermögensverhältnisse vorgeschrieben ist und die persönlichen Verhältnisse des Ausländers nicht zweifelsfrei bekannt sind (z.B. aus den Akten der Ausländerbehörde, vgl. dazu Nummer 4.1.2), ist von dem Ausländer grundsätzlich

- die Vorlage eines amtlichen Führungs- oder Leumundszeugnisses oder eines Auszugs aus derStrafliste (Strafregister) seines Heimatstaates oder einer gleichwertigen Urkunde

- ggf. eine Bescheinigung über die Konkursfreiheit sowie zusätzlich

- ein Führungszeugnis für Behörden (§ 30 Abs. 5 BZRG) und eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister (§ 150 GewO) und

- ggf. auch, sofern es auf eine Prüfung der Vermögensverhältnisse (z.B. nach § 34c Abs. 2 Nr. 2 GewO) ankommt, eine Auskunft über Einträge gem. § 915 ZPO und § 107 Abs. 2 KO2) im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts, in dessen Bezirk er in den letzten drei Jahren einen Wohnsitz oder eine gewerbliche Niederlassung hatte,

zu verlangen.

Wenn aufgrund des bisherigen Aufenthalts des Ausländers anzunehmen ist, dass in den genannten Zeugnissen und Nachweisen gewerberechtlich bedeutsame Tatsachen nicht mehr bzw. noch nicht enthalten sind, kann auf Vorlage der ausländischen bzw. der deutschen Zeugnisse verzichtet werden.

1.1.2
Sachkundenachweis, Unterrichtung

Ein für die Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit erforderlicher Sachkunde- oder Unterrichtungsnachweis ist auch von Ausländern zu erbringen; zum Nachweis für Staatsangehörige von EU- oder EWR-Mitgliedstaaten siehe Nummern 2.3 und 2.5.

1.2
Besondere gewerberechtliche Vorschriften für auslän-
dische Rechtspersonen

1.2.1
Stehendes Gewerbe

Im Bereich des stehenden Gewerbes gelten besondere gewerberechtliche Vorschriften für

1.2.1.1
die Tätigkeit ausländischer juristischer Personen, deren Rechtsfähigkeit im Inland nicht anerkannt wird (§ 15 Abs. 2 Satz 2 GewO).
Ausländische juristische Personen im Sinne der Gewerbeordnung sind Unternehmen, die kraft ausländischen Rechts eine eigene Rechtspersönlichkeit auch im Inland besitzen können, wie z.B. die britische "private company limited by shares" (Ltd.). Nach der im deutschen internationalen Gesellschaftsrecht von der h. M. vertretenen sog. Sitztheorie entscheidet über die Anerkennung einer Gesellschaft das Recht des Landes, in dem sich ihr tatsächlicher Sitz, d.h. der Sitz der Hauptverwaltung, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden, befindet. Deshalb wird die Rechtsfähigkeit einer ausländischen juristischen Person in Deutschland dann nicht anerkannt, wenn sie ihren tatsächlichen (effektiven) Verwaltungssitz in der Bundesrepublik hat, auch wenn in der Satzung ein formeller Sitz im Ausland angegeben ist; so z.B. bei einer britischen Ltd., die zwar nach ihrem Statut ihren Sitz in London, dort aber praktisch nur einen "Briefkasten", ihren tatsächlichen Verwaltungssitz aber in Deutschland hat. Für eine ausländische juristische Person kann daher nach § 14 GewO nur eine Zweigniederlassung oder eine unselbständige Zweigstelle angemeldet werden.
Bei der Gewerbeanmeldung ausländischer juristischer Personen ist grundsätzlich (wie auch bei der GmbH oder AG deutschen Rechts) auf die Angabe der Personalien (Name, Anschrift etc.) des oder der gesetzlichen Vertreter der ausländischen juristischen Person (Angaben zum Be-triebsinhaber) und der Anschrift der Hauptniederlassung der juristischen Person im Ausland (Angaben zum Betrieb, jeweils Ziffer 13 der Anlagen zu § 14 Abs. 4 GewO) sowie ggf. auf eine entsprechende Vollmacht des die Anzeige erstattenden Bevollmächtigten zu achten. Ferner soll die Vorlage eines Registerauszuges zur Überprüfung dieser Angaben gefordert werden (vgl. Nr. 5.3 Abs. 2
GewAnzVwV), bei fremdsprachigen Texten ggf. auch eine entsprechende Übersetzung (vgl. dazu § 23 VwVfG NRW). Die meisten Staaten haben ein Handelsregister oder zumindest eine registerähnliche Einrichtung. Großbritannien und die USA kennen dagegen eine dem deutschen Handelsregister vergleichbare Einrichtung nicht. Die Gründungsurkunde einer britischen Company oder einer amerikanischen Corporation ist jedoch einer staatlichen Behörde (Registrar of Companies) einzureichen, die darüber ein Certificate of Incorporation ausstellt. Soweit aus dem Certificate of Incorporation die o.g. Angaben (z.B. über die gesetzliche Vertretung) nicht ersichtlich sind, sollte die Vorlage eines diesbezüglichen Auszuges aus den Statuten der betreffenden Gesellschaft (=Articles of Association, By-Laws usw.) gefordert werden. Da die Zweigniederlassung einer ausländischen juristischen Person aufgrund von § 13e Abs. 2 HGB zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist, soll auch ein Nachweis der Eintragung in das Handelsregister verlangt werden.
Ergeben sich z.B. bei der Gewerbeanmeldung Anhaltspunkte dafür, dass ein Gewerbe für eine ausländische juristische Person angemeldet wurde, deren Rechtsfähigkeit nach der Sitztheorie fraglich ist (z.B. wenn ihre Gesellschafter oder ihre gesetzlichen Vertreter ihren Wohnsitz am Ort der Zweigniederlassung haben oder wenn kein Nachweis der Eintragung in das Handelsregister erfolgt), hat die zuständige Gewerbebehörde zu prüfen, ob eine Maßnahme nach § 15 Abs. 2 Satz 2 GewO in Frage kommt.

- Ist für die ausländische juristische Person eine Hauptniederlassung angemeldet, ergibt sich bereits hieraus, dass die Rechtsfähigkeit der ausländischen juristischen Personen nicht anerkannt werden kann.

- Ist eine Zweigniederlassung angemeldet, ist zu prüfen, ob es sich hierbei in Wirklichkeit nicht um eine Hauptniederlassung der ausländischen juristischen Person handelt (Sitztheorie!). Insoweit empfiehlt es sich, Auskünfte beim Registergericht (Eintragung in das Handelsregister) und ggf. auch bei der Industrie- und Handelskammer (über dort evtl. vorliegende Erkenntnisse) einzuholen. Auskünfte über die Tätigkeit der ausländischen juristischen Personen im Ausland erteilt auch das Bundesamt für Finanzen, Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen (IZA), 53221 Bonn, im Rahmen der Amtshilfe. Insbesondere sammelt und erteilt die IZA Informationen über Briefkastengesellschaften in Steueroasenländern, die im Ausland von ortsansässigen Treuhändern gegründet und in der Regel von diesen nach Instruktionen der tatsächlichen Anteilseigner verwaltet werden.
Hat das Registergericht die Eintragung der Zweigniederlassung in das Handelsregister mangels Nachweis eines effektiven Verwaltungssitzes der ausländischen juristischen Person im Ausland abgelehnt oder wurde für die ausländische juristische Person innerhalb einer angemessenen Frist keine Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister vorgenommen, kann von einer Nichtanerkennung der Rechtsfähigkeit der ausländischen juristischen Personen im Inland ausgegangen werden. Die Gewerbebehörde kann dann die Fortsetzung des Gewerbebetriebes unter der Firma der nichtanerkannten ausländischen juristischen Person verhindern. Adressaten der Maßnahme nach § 15 Abs. 2 Satz 2 GewO sind dann die als Vertreter der ausländischen juristischen Person auftretenden Personen, die wegen des Fehlens der Rechtsfähigkeit der ausländischen juristischen Person im Inland als Gewerbetreibende anzusehen sind. Vor einer entsprechenden Ermessensentscheidung soll eine Anhörung gem. § 23 VwVfG NRW durchgeführt werden. Schließlich kommt auch ein Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 146 Abs. 2 Nr. 1 GewO in Betracht, wenn die Gewerbeanzeige hinsichtlich der Person des Gewerbetreibenden und der Angabe "Zweigniederlassung" unrichtig ist.

- Ist eine unselbständige Zweigstelle angemeldet und bestehen Zweifel an der Rechtsfähigkeit der ausländischen juristischen Person, ist zu prüfen, ob es sich tatsächlich um eine unselbständige Zweigstelle handelt. Ergibt die Überprüfung, dass es sich aufgrund des Umfangs und der Art der Geschäftstätigkeit nicht nur um eine unselbständige Zweigstelle handeln kann, ist wie bei der Zweigniederlassung zu verfahren.

1.2.1.2
die Tätigkeit ausländischer juristischer Personen nach § 15b Abs. 2 GewO

Erforderlich sind besondere Angaben auf Geschäftsbriefen, nicht jedoch bei EU- oder EWR-Unternehmen i.S.d. § 15b Abs. 3 GewO.

1.2.1.3
die Herstellung, Bearbeitung und Instandsetzung von Schusswaffen und Munition sowie den Handel mit Schusswaffen und Munition nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 WaffG (Erlaubnis kann Ausländern versagt werden, jedoch für EU- oder EWR-Staatsangehörige Liberalisierung nach § 1 Abs. 1 der 2. WaffV);

die Herstellung, das Inverkehrbringen und Befördern von Kriegswaffen nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 KWKG (Genehmigung kann Ausländern versagt werden; dies gilt im Hinblick auf Art. 296 Abs. 1 Buchstabe b EGV auch für EU- oder EWR-Staatsangehörige);

den Umgang mit, den Verkehr und die Beförderung von explosionsgefährlichen Stoffen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SprengG (Erlaubnis kann Ausländern versagt werden; jedoch für EU- oder EWR-Staatsangehörige Liberalisierung nach § 38 der 1. SprengV);

1.2.1.4
Bezirksschornsteinfegermeister nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 SchfG i.V.m. § 1 Nr. 3 SchfV
Zum Bezirksschornsteinfegermeister können nur Deutsche und EU- oder EWR-Staatsangehörige bestellt werden.

1.2.2
Reisegewerbe

Für die Ausübung des Reisegewerbes durch Ausländer gelten die Vorschriften des Titels III der Gewerbeordnung.

1.2.3
Marktgewerbe

Für die Teilnahme von Ausländern an festgesetzten Messen, Ausstellungen oder Märkten gelten die Vorschriften des Titels IV der Gewerbeordnung. Die sog. Marktprivilegien (z.B. Freistellung von der Reisegewerbekartenpflicht) gelten auch für Ausländer.

2
Europarechtliche Vorschriften

2.1
Geltungsbereich

Aufgrund des EG-Vertrages und des EWR-Abkommens unterliegt die freie Niederlassung von Staatsangehörigen eines EU- oder EWR-Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten nur den nach dem EG-Vertrag oder dem EWR-Abkommen zulässigen Beschränkungen (Art. 43 ff. EGV, Art. 31 EWR-Abkommen). Gleiches gilt für den freien Dienstleistungsverkehr (Art. 49 ff. EGV, Art. 36 EWR-Abkommen). Vgl. dazu Nummer 2.2.

Dies gilt jedoch nicht für die Staaten Andorra, Grönland, Monaco, San Marino, Schweiz, den Vatikanstaat, die Faröer Inseln, die britischen Kanalinseln und die Insel Man, ferner nicht für die mit der EU assoziierten Länder und Gebiete (daher findet beispielsweise § 15b Abs. 3 GewO auf Unternehmen oder Personen aus assoziierten Ländern und Gebieten keine Anwendung); die französischen überseeischen Departements (Französisch-Guayana sowie die Inseln Guadeloupe, Martinique und La Réunion) gelten jedoch als Gemeinschaftsgebiet (Art. 299 EGV i.V.m. dem Beschluß des Rates vom 25.2.1964, ABl. EG S. 1484).

Auf Gibraltar finden die Bestimmungen des EG-Vertrages über die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit Anwendung (Art. 299 Abs. 4 EGV). Die genannten Bestimmungen finden auch Anwendung auf Ceuta und Melilla (Art. 25 der Beitrittsakte von 1985), und zwar in demselben Umfang, in dem diese Bestimmungen für die europäischen Gebiete des Königreichs Spanien gelten (vgl. ABl. EG Nr. C 54/31 vom 2.3.1987).

2.2
Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr

Die Niederlassungsfreiheit ist durch die Möglichkeit der Begründung einer Haupt- oder Zweigniederlassung, Agentur oder Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat gekennzeichnet (vgl. Art. 43 EGV, Art. 31 EWR-Abkommen), von wo aus eine auf Dauer gerichtete, selbständige Tätigkeit ausgeübt wird. Die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs bedeutet demgegenüber die Möglichkeit der Erbringung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen von einem anderen Mitgliedstaat aus, ohne dass damit die Errichtung einer Niederlassung verbunden ist.

Das Recht auf die Begründung einer Niederlassung oder auf einen freien (grenzüberschreitenden) Dienstleistungsverkehr ist zunächst durch das Diskriminierungsverbot gekennzeichnet. Mit dem Verbot aller Diskriminierungen sind nicht sämtliche Hindernisse bei der Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat oder bei der Erbringung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen beseitigt. Besondere Berufszugangsvoraussetzungen (z.B. Zuverlässigkeit, finanzielle Leistungsfähigkeit, Fachkunde) sind dadurch nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Zur Erleichterung des Niederlassungs- und Dienstleistungsrechts wurden für verschiedene Gewerbe EG-Richtlinien (sog. Übergangs- und Liberalisierungsrichtlinien) erlassen, wonach Angehörige eines Mitgliedstaates bei Aufnahme bzw. Ausführung einer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat eine - dort geforderte - Zuverlässigkeit und Ausbildung, Befähigung etc. durch entsprechende Bescheinigungen, z.B. auch über die Dauer der Berufsausübung, nachweisen können (vgl. Nummer 2.3). Dies gilt auch für deutsche Staatsangehörige, die in einem anderen EU- oder EWR-Staat entsprechende Tätigkeiten nach dortigem Recht ausgeübt haben.

Von besonderer Bedeutung sind die Bescheinigungen vor allem im Bereich des Handwerks für die Erteilung von Ausnahmebewilligungen zur Eintragung in die Handwerksrolle (§ 7 Abs. 3, §§ 9, 8 HwO i.V. mit der EWG/EWR-HwV) sowie für den Nachweis der Fachkunde gem. § 2 der 2. WaffV, §§ 39, 40 der 1. SprengV und § 2 Milch-Sachkundeverordnung für die dort genannten Tätigkeiten.

Für das Verkehrsgewerbe wurde aufgrund von Art. 61, 74 ff. EGV eine Harmonisierungs-Richtlinie erlassen, die die Voraussetzungen für den Berufszugang umfassend regelt (Richtlinie 96/26/EG des Rates vom 29.4.1996 über den Zugang zum Beruf des Güter- und Personenkraftverkehrsunternehmers im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr sowie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise für die Beförderung von Gütern und die Beförderung von Personen im Straßenverkehr und über Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit der betreffenden Verkehrsunternehmer, ABl. EG Nr. L 124/1).

Soweit für gewerbliche Tätigkeiten bereits durch EG-Richtlinien und das deutsche Umsetzungsgesetz die Anerkennung von entsprechenden Erlaubnissen anderer EU- oder EWR-Mitgliedstaaten vorgesehen ist ("Europäischer Paß"), berechtigt diese Erlaubnis automatisch zur Aufnahme einer entsprechenden gewerblichen Tätigkeit auch im Inland. Dies gilt z.B. aufgrund des § 53b Abs. 1 KWG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22.10.1997 (BGBl. I, S. 2518 ) für Einlagenkreditinstitute und Wertpapierhandelsunternehmen im Sinne des § 1 Abs. 3d KWG mit Sitz in einem anderen Staat des EWR. Dementsprechend findet § 34c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b aufgrund Art. 7 des Begleitgesetzes zum Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22.10.1997 (BGBl. I S. 2567) auf Finanzdienstleistungsinstitute (die von dem Begriff Wertpapierhandelsunternehmen erfaßt werden, § 1 Abs. 3d KWG) in Bezug auf Vermittlungstätigkeiten, für die sie eine Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 KWG benötigen oder für die § 53b Abs. 1 KWG gilt, keine Anwendung mehr.

Für Reiseveranstalter mit Hauptniederlassung in einem anderen EU- oder EWR-Staat genügen aufgrund des Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates vom 13.6.1990 über Pauschalreisen (BGBl. I 1994, S. 1322) nach Maßgabe des § 651k Abs. 4 und 5 BGB die in ihrem Herkunftsstaat vorgeschriebenen Sicherheitsleistungen (vgl. § 147b Satz 1 Nr. 2 GewO).

Für die in der Gewerbeordnung und dem Gaststättengesetz geregelten erlaubnispflichtigen Gewerbe ist im Hinblick auf den allgemeinen Grundsatz der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit folgendes zu beachten:

2.2.1
Niederlassungsfreiheit

Grundsätzlich schließt das Niederlassungsrecht nicht aus, dass von Gewerbetreibenden aus einem anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaat in der Bundesrepublik Deutschland eine deutsche gewerberechtliche Erlaubnis verlangt wird, es sei denn, es bestehen in Bezug auf das Gewerbe besondere europarechtliche Bestimmungen (vgl. oben).

2.2.2
Freier Dienstleistungsverkehr

Das Recht auf freien Dienstleistungsverkehr lässt gewerberechtliche Doppelzulassungen nur dann zu, wenn dies durch zwingende Gründe des allgemeinen Interesses gerechtfertigt ist. Für die Praxis ergibt sich daraus, sofern für ein Gewerbe nicht schon besondere europarechtliche Bestimmungen gelten, (vgl. oben), folgendes :

- Sofern das Herkunftsland überhaupt keine vergleichbare Erlaubnis vorsieht, ist das Aufnahmeland grundsätzlich nicht gehindert, das nationale Erlaubnisverfahren in nicht-diskriminierender Form durchzuführen.

- Sofern für die in Frage stehende Tätigkeit auch im Herkunftsland eine gewerberechtliche Erlaubnis gefordert wird, gilt im Aufnahmeland grundsätzlich das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung. Das Aufnahmeland ist aber zur Prüfung berechtigt, ob das Schutzniveau beider Erlaubnisse vergleichbar ist. Ist dies nicht der Fall, so ist das Aufnahmeland berechtigt, den Nachweis der in der Erlaubnis des Herkunftslandes nicht abgedeckten Erfordernisse zu verlangen (z.B. ist es deshalb zulässig, auch von EU- oder EWR-Staatsangehörigen unter den Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GewO und der Bewachungsverordnung einen Unterrichtungsnachweis zu verlangen, da es hierbei vor allem um die Vermittlung von Kenntnissen deutschen Rechts geht, die von einer eventuellen Bewachungserlaubnis des Herkunftsstaates nicht umfasst wird).

Über die gewerberechtlichen Erfordernisse in anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaaten und über die den deutschen Erlaubnissen entsprechenden ausländischen Zulassungen liegen noch keine verbindlichen Informationen vor.

2.3
Ausstellung von Bescheinigungen

Die EG-Kommission hat die in einzelnen Mitgliedstaaten der EU für die Ausstellung von Bescheinigungen betreffend die Zuverlässigkeit, die Konkursfreiheit sowie die Art und Dauer der in den Herkunftsstaaten ausgeübten Berufstätigkeiten zuständigen Behörden und Stellen in ABl. EG vom 13.7.1974 Nr. C 81/1 bekanntgemacht. Diese Bekanntmachung ist grundsätzlich - soweit keine besonderen europarechtlichen Bestimmungen bestehen - für alle, also auch für die nicht durch die o.g. Übergangs- und Liberalisierungsrichtlinien erfaßten Gewerbe,anzuwenden.

2.4
Zuverlässigkeit und sonstige persönliche Verhältnisse

Zu den zur Prüfung der Zuverlässigkeit und der sonstigen persönlichen Verhältnisse auch von EU- oder EWR-Staatsangehörigen vorzulegenden Nachweise siehe Nummer 1.1.1 und die unter Nummer 2.3 genannte Bekanntmachung der EG-Kommission.

Bei Vorlage der in der Bekanntmachung genannten Nachweise bzw. Zeugnisse hat sich die Prüfung der persönlichen Verhältnisse eines EU-/EWR-Staatsangehörigen (in Bezug auf seine Tätigkeit in seinem Heimat- oder Herkunftsstaat) auf die sich aus diesen Urkunden ergebenden Tatsachen zu beschränken. Weitere Nachweise können für die vorstehend behandelten Zeiträume nicht verlangt werden.

2.5
Sachkundenachweis, Unterrichtung

Besondere europäische Regelungen bestehen hier z.B. für Güter- und Personenkraftverkehrsunternehmen sowie für das Handwerk (vgl. Nummer 2.2). In den nicht besonders geregelten Fällen müssen dagegen die deutschen Befähigungsvoraussetzungen erfüllt werden, so sind z.B. die Unterrichtungsnachweise nach § 34a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GewO (vgl. Nummer 2.2.2) und nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 GastG auch von EU- oder EWR-Staatsangehörigen zu erbringen, sofern nicht eine Ausnahmeregelung nach Nummer 3.4 GastUVwV besteht. Siehe hierzu die nicht amtliche Zusammenstellung der Ausnahmeregelungen nach Nummer 3.4 GastUVwV in Landmann/Rohmer, GewO II, Nr. 522, Anlage 3.

3
NATO-Truppenstatut

Mitglieder der Stationierungsstreitkräfte, deren ziviles Gefolge und die Angehörigen beider sind nach Art. 6 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (NTS-ZA, BGBl. 1961 II S. 1190, zuletzt geändert durch Abkommen vom 18.3.1993, BGBl. 1994 II S. 2598) auch dann vom Erfordernis einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsgenehmigung befreit, wenn sie eine gewerbliche Tätigkeit ausüben. Sie unterliegen jedoch den gewerberechtlichen Bestimmungen und zwar auch dann, wenn sie die gewerbliche Tätigkeit nur bei Mitgliedern der Stationierungsstreitkräfte, dem zivilen Gefolge oder den Angehörigen beider ausüben. Auch die (gewerbliche) Nutzung der einer Truppe zur ausschließlichen Benutzung überlassenen Liegenschaften erfolgt nach dem Änderungsabkommen vom 18.3.1993 grundsätzlich nur noch nach Maßgabe deutschen Rechts (Art. 53 Abs. 1 Satz 2 NTS-ZA). Die zuständigen deutschen Behörden und die Behörden einer Truppe konsultieren einander und arbeiten zusammen, um auftretende Meinungsverschiedenheiten beizulegen (Art. 53 Abs. 1 Satz 3 NTS-ZA).

Soweit deutsches Recht im Zusammenhang mit der Benutzung von Liegenschaften im Sinne des Art. 53 NTS-ZA Anwendung findet und vorschreibt, dass eine besondere Erlaubnis, Zulassung oder sonstige öffentlich-rechtliche Genehmigung einzuholen ist, stellen die deutschen Behörden in Zusammenarbeit und im Benehmen mit den Behörden einer Truppe die erforderlichen Anträge und betreiben die diesbezüglichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren für die Truppe (Art. 53 A NTS-ZA).

Anlagen und Einrichtungen, die am Tage des Inkrafttretens des Änderungsabkommens auf den einer Truppe oder einem zivilen Gefolge zur ausschließlichen Benutzung überlassenen Liegenschaften errichtet sind, dürfen auch nach diesem Zeitpunkt ohne die nach deutschem Recht erforderlichen Genehmigungen, Erlaubnisse, Zulassungen oder Anzeigen im bisherigen Umfang nach Maßgabe bestehender Festlegung oder tatsächlicher Übung weiterbetrieben werden (Art. 21b Abs. 1 Satz 1 Gesetz zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen vom
18. August 1961, BGBl. II S. 1183, zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. September 1994, BGBl. II S. 2594).

4
Zusammenarbeit der Gewerbebehörden mit den Ausländerbehörden

4.1
Aufenthaltsgenehmigung und Auflagen

Ausländer, die selbständig gewerblich tätig werden und sich zu diesem Zweck im Inland aufhalten wollen, benötigen zunächst grundsätzlich eine ausländerrechtliche Aufenthaltsgenehmigung, in der die Ausübung einer solchen gewerblichen Tätigkeit nicht ausgeschlossen worden ist.

Sofern die Ausländerbehörde die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit ausschließt, vermerkt sie in der Aufenthaltsgenehmigung "Selbständige Erwerbstätigkeit oder vergleichbare unselbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet". Unter "vergleichbaren unselbständigen Erwerbstätigkeiten" sind ausländerrechtlich z.B. die Tätigkeiten als gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person (z.B. als Geschäftsführer einer GmbH), als leitender Angestellter mit Generalvollmacht oder Prokura, als unselbständiger Reisegewerbetreibender (z.B. als unselbständiger Handelsvertreter) oder als Stellvertreter (z.B. nach § 45 GewO oder § 9 GastG) zu verstehen. Wird der Ausschluss auf Erwerbstätigkeiten bestimmter Art beschränkt, so wird dies besonders vermerkt. Soweit einem Ausländer ausnahmsweise nur eine selbständige Erwerbstätigkeit gestattet wird, lautet der Vermerk "unselbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet".

Angehörigen von EU- und EWR-Mitgliedstaaten wird nach Maßgabe des Aufenthaltsgesetzes/EWG bzw. der Freizügigkeitsverordnung/EG vom 17.7.1997 (BGBl. I S. 1810) Freizügigkeit gewährt und damit grundsätzlich auf Antrag eine Aufenthaltserlaubnis-EG erteilt (vgl. §§ 1, 4, 5, 15, 15c AufenthG/EWG), die auch eine selbständige Erwerbstätigkeit beinhaltet.

4.1.1
Unterrichtung der Ausländerbehörde durch die Gewerbebehörde

Gibt ein Ausländer zu erkennen, dass er im Inland ein Gewerbe auszuüben beabsichtigt (z.B. durch eine Gewerbeanmeldung oder einen Antrag auf Erteilung einer Gewerbeerlaubnis, einer Reisegewerbekarte oder einer Ausnahmebewilligung nach §§ 8, 9 HwO zur Eintragung in die Handwerksrolle usw.), hat sich die für den Vollzug der betreffenden Vorschrift zuständige Gewerbebehörde seine Aufenthaltsgenehmigung vorweisen zu lassen und anhand dieser zu prüfen, ob dem Ausländer die Ausübung des betreffenden Gewerbes ausländerrechtlich gestattet ist. (vgl. hierzu Nr. 5.5 Abs. 1 GewAnzVwV). Ohne die Aufenthaltsgenehmigung darf grundsätzlich nicht mit der Ausübung des Gewerbes begonnen werden. Über eine gewerberechtliche Erlaubnis etc. ist daher erst nach Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung der Ausländerbehörde zu entscheiden, dies gilt jedoch nicht für EU- oder EWR-Staatsangehörige (vgl. Nr. 4.1 Abs. 3).

Die Gewerbebehörde hat die Ausländerbehörde unverzüglich über Gewerbeanzeigen, die Erteilung einer gewerberechtlichen Erlaubnis, die Rücknahme und den Widerruf einer gewerberechtlichen Erlaubnis, die Untersagung der Ausübung eines Gewerbes sowie die Untersagung der Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person zu unterrichten (vgl. § 76 Abs. 5 Nr. 8 AuslG, i.V.m. § 6 Ausländerdatenübermittlungsverordnung/AuslDÜV, Nr. 6.3.5 GewAnzVwV).

4.1.2
Unterrichtung der Gewerbebehörde durch die Ausländerbehörde

Teilt die Ausländerbehörde mit, dass sie einen gewerbetreibenden Ausländer ausgewiesen oder seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt hat, soll die Gewerbebehörde prüfen, ob Maßnahmen zur Gewerbeuntersagung, Rücknahme oder Widerruf der Gewerbeerlaubnis, Verhinderung der Fortsetzung des Betriebes und dgl. zu treffen sind. Die Gewerbebehörde kann hierzu über den betreffenden Ausländer bei der Ausländerbehörde Auskünfte einholen oder die dort geführten Ausländerakten beiziehen.

4.2
Stellungnahmen gegenüber der Ausländerbehörde

Wenn die Ausländerbehörde vor ihrer Entscheidung über die Erteilung oder über eine Änderung einer Beschränkung der Aufenthaltsgenehmigung (vgl. Nummer 4.1) die Gewerbebehörde beteiligt, hat diese unter Berücksichtigung der von der Ausländerbehörde eingeholten Stellungnahmen der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer oder sonstiger öffentlich-rechtlicher Berufsvertretungen eine Stellungnahme gegenüber der Ausländerbehörde abzugeben. Dabei ist mitzuteilen, ob

- eine gewerberechtliche Erlaubnis erforderlich ist,

- gewerberechtliche Gründe gegen die geplante Tätigkeit sprechen,

(Soweit dies aufgrund von den Ausländerbehörden übermittelten oder der Gewebebehörde bereits vorliegenden Unterlagen möglich ist, sollen dabei auch etwaige Bedenken gegen die gewerberechtliche Zuverlässigkeit des betreffenden Ausländers mitgeteilt werden.)

- wirtschaftspolitische Bedenken der beabsichtigten Tätigkeit entgegenstehen,

- ein örtliches Bedürfnis oder ein übergeordnetes wirtschaftliches Interesse die Zulassung der beabsichtigten Tätigkeit rechtfertigen (Feststellung des öffentlichen Interesses); dies ist nicht erforderlich bei Angehörigen des EWR und von mit der EU assoziierten Staaten (ausgenommen Türkei).

5
Schlussbestimmungen

Der RdErl.d. Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr v. 30.3.1983, zuletzt geändert durch RdErl. v. 19.2.1985 (SMBl. NRW. 7100) wird aufgehoben.

1) Republik Island, Fürstentum Liechtenstein, Königreich Norwegen

2) ab 1.1.1999: § 26 Abs. 2 Insolvenzordnung vom 5.10.1994 (BGBl. I S. 2866)

MBl. NRW. 1999 S. 336