Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2006 Nr. 34 vom 12.12.2006 Seite 739 bis 758

 

Tarifvertrag zur Zukunftssicherung der Krankenhäuser der Länder (TV-ZUSI-L) vom 12. Oktober 2006 Gem. RdErl. d. Finanzministeriums – B 4405 – 1 – IV 1 – u. d. Innenministeriums – 25 – 42.06.02 - 21.11.5 8. November 2006

20310

Tarifvertrag
zur Zukunftssicherung
der Krankenhäuser der Länder
(TV-ZUSI-L)
vom 12. Oktober 2006

Gem. RdErl. d. Finanzministeriums –
B 4405 – 1 – IV 1 – u. d. Innenministeriums –
25 – 42.06.02 - 21.11.5
 8. November 2006

Den nachstehenden Tarifvertrag zur Zukunftssicherung der Krankenhäuser der Länder (TV-ZUSI-L) geben wir bekannt:

Tarifvertrag
zur Zukunftssicherung
der Krankenhäuser der Länder
(TV-ZUSI-L)
vom 12. Oktober 2006

Zwischen

der Tarifgemeinschaft deutscher Länder,

vertreten durch den Vorsitzenden des Vorstandes,

einerseits

und*)

andererseits

wird Folgendes vereinbart:

_______________

*)     Gleichlautende Tarifverträge sind abgeschlossen worden mit

a)

ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

-        Bundesvorstand -,

diese zugleich handelnd für

-        Gewerkschaft der Polizei,

-        Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt,

-        Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft,

und
b)     mit der dbb tarifunion.


Präambel

1Die Umstrukturierung des Gesundheitswesens erfordert von den Krankenhäusern, dass sie sich in der Konvergenzphase bis 2009 an die neuen Bedingungen anpassen, um ihre wirtschaftliche Handlungsfähigkeit zu erhalten bzw. zu verbessern. 2Durch die Änderung der Finanzierung und die erforderliche Umstrukturierung können sich wirtschaftliche Probleme für Krankenhäuser ergeben, die dazu führen können, dass die Krankenhäuser die erforderlichen Investitionen nicht vornehmen können. 3Es besteht dadurch die Gefahr, dass die Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft ihre Aufgabe bei der Versorgung der Bevölkerung nicht mehr erfüllen können. 4Öffentliche Krankenhäuser müssen auch künftig eine wichtige Rolle im Gesundheitswesen spielen. 5Zur Sicherung und zum Erhalt öffentlicher Krankenhäuser und ihrer Tarifbindung im TV-L sollen im Einzelfall abweichende Regelungen vom TV-L auf der Grundlage eines Zukunftskonzepts möglich sein.

Abschnitt I
Geltungsbereich/Anwendungsbereich

§ 1
Geltungsbereich

1Dieser Tarifvertrag gilt für Beschäftigte, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, auf das der TV-L und die den TV-L ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge Anwendung finden und die in einem Krankenhaus beschäftigt sind, das in seinen Einrichtungen oder Tochtergesellschaften Leistungen nach dem SGB V erbringt.

2Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitgeber, die Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) oder eines Mitgliedverbandes der TdL sind.

3Ausgenommen sind Auszubildende, Schülerinnen und Schüler nach dem Krankenpflege-, Hebammen- oder Altenpflegegesetz sowie befristet Beschäftigte, die erstmalig in einem befristeten Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund mit einer Gesamtdauer bis zu zwei Jahren bei demselben Arbeitgeber stehen.

4Psychiatrische Fachkrankenhäuser, ihre Einrichtungen und Tochtergesellschaften sind von diesem Tarifvertrag ausgenommen, solange sie nicht unter die Regelungen des 2. Fallpauschalenänderungsgesetzes oder einer entsprechenden Regelung fallen.

§ 2
Anwendungsvereinbarung

1Für die Zeit der Konvergenzphase nach dem 2. Fallpauschalenänderungsgesetz kann zur wirtschaftlichen Zukunftssicherung eines Krankenhauses im Interesse der Träger und zur Sicherung von Arbeitsplätzen für die Beschäftigten von den Regelungen des TV-L und den diesen ergänzenden Tarifverträgen durch landesbezirkliche Anwendungsvereinbarung (AWV) zeitlich befristet im Rahmen dieses Tarifvertrages abgewichen werden. 2Die Anwendungsvereinbarung wird wirksam, wenn sie von den Tarifvertragsparteien und dem Arbeitgeber unterschrieben ist.

3Die Tarifvertragsparteien erwarten,

- dass sich auch das Land als Träger für die Dauer der Laufzeit der Anwendungsvereinbarung zu seinem Krankenhaus bekennt und

- die Bindung zum Tarifrecht der TdL sicherstellt, sowie

- die Beiträge der Beschäftigten nicht zum Anlass für eine Kürzung von geleisteten Eigenanteilen und/oder Betriebskostenzuschüssen nimmt und

-  ferner sicherstellt, dass eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung möglich ist.

Abschnitt II
Besondere Regelungen

§ 3
Voraussetzungen

1In einer Anwendungsvereinbarung kann zur Sicherung der wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit des Krankenhauses ein Beitrag der Beschäftigten im Interesse des Krankenhauses vereinbart werden. 2Voraussetzung ist, dass

a) die Geschäfts- und Vermögensverhältnisse durch testierte Jahresabschlüsse offen gelegt werden und

b) ein nachvollziehbares Konzept zur wirtschaftlichen Entwicklung des Betriebes vorliegt, das auch Möglichkeiten nach dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz zu einer umfassenden Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in der Region vorsieht.

§ 4
Maßnahmen zur wirtschaftlichen Stärkung des Krankenhauses
 und zur Sicherung von Beschäftigung

1Der Beitrag der Beschäftigten kann darin bestehen, dass

a) künftige tarifliche Ansprüche in Genussrechte im Interesse des Krankenhauses umgewandelt werden,

b) eine Reduzierung tariflicher Ansprüche vereinbart wird.

2Eine Kombination der Maßnahmen nach den Buchstaben a und b ist zulässig.

§ 5
Höhe des Beschäftigtenbeitrags und des Arbeitgeberzuschusses

1Die Summe der Beiträge der Beschäftigten kann bis zu 10 v.H. des Jahresbruttoeinkommens betragen. 2Aus welchen Bestandteilen nach § 4 sich der Beschäftigtenbeitrag zusammensetzt, wird in der Anwendungsvereinbarung festgelegt. 3Er kann z. B. aus der Jahressonderzahlung, den leistungsbezogenen Entgeltbestandteilen oder dem monatlichen Entgelt erbracht werden.

4Beschäftigtenbeiträge nach § 4 Satz 1 Buchstabe b können bis zu 6 v.H. des Jahresbruttoeinkommens betragen.

5Sind abweichende landesbezirkliche Regelungen zur Höhe des Entgelts bei Beschäftigten der Entgeltgruppen 1 bis 4 des TV-L getroffen worden, dürfen die davon betroffenen Beschäftigten nur zu einem Beitrag nach § 4 herangezogen werden, wenn die in Satz 1 und 4 vorgesehenen Grenzen nicht bereits mit einer solchen landesbezirklichen Regelung erreicht sind. 6Das im TV-L für die landesbezirklichen Öffnungen vorgesehene Mindestentgelt darf nicht unterschritten werden.

7Bei Beiträgen nach § 4 Satz 1 Buchstabe a kann in der Anwendungsvereinbarung ein Zuschuss des Arbeitgebers in den Grenzen des § 19a Einkommensteuergesetz vereinbart werden.

8In der Anwendungsvereinbarung werden die Einzelheiten zum Beitrag der Beschäftigten einschließlich etwaiger Bedingungen und Ansprüche geregelt. 9In der Anwendungsvereinbarung werden Regelungen zur Information der Beschäftigten über die wirtschaftliche Entwicklung des Krankenhauses und gegebenenfalls über Beteiligungsformen
(z. B. Gemeinsamer Ausschuss für die Aufgaben der Zukunftssicherung) getroffen.

§ 6
Ausgestaltung des Genussrechts nach § 4 Satz 1 Buchstabe a
in der Anwendungsvereinbarung

Die Genussrechte der Beschäftigten sind in der Anwendungsvereinbarung unter Berücksichtigung der folgenden Mindestvorgaben auszugestalten:

1.     Begründung der Genussrechte.

2.     Inhalt der Genussrechte.

3.     Ausgestaltung der ausgegebenen Genussrechte als Eigenkapital im Sinne des HGB, indem sie auf unbegrenzte Zeit ausgegeben werden. Sowohl das die Genussrechte ausgebende Krankenhaus als auch die Genussrechtsinhaber sind frühestens sechs Jahre nach Ausgabe der Genussrechte berechtigt, die Genussrechte zu kündigen.

4.     Festlegung einer Sperrfrist von sechs Jahren. Für die Sperrfrist soll ein grundsätzliches Verfügungsverbot der Beschäftigten über die Genussrechte bestehen.

5.     Vergütung für die Kapitalüberlassung.

6.     Informationsrechte und Beteiligungsformen.

7.     Ein Rückzahlungsanspruch in der Insolvenz oder im Liquidationsfall ist nachrangig.

8.     Beschäftigte mit befristeten Arbeitsverhältnissen, deren Restlaufzeit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens weniger als ein Jahr beträgt, sind von den Regelungen der Genussrechte auszunehmen.

§ 7
Ausgestaltung der Reduzierung tariflicher Ansprüche
nach § 4 Satz 1 Buchstabe b

1Die Reduzierung tarifvertraglicher Ansprüche ist im Einzelnen in der Anwendungsvereinbarung auszugestalten. 2Sie kann auch in einer Veränderung der Fälligkeit von Ansprüchen bestehen.

§ 8
Beschäftigungssicherung

1Soweit ein Beitrag der Beschäftigten nach § 4 Satz 1 Buchstabe b vereinbart wird, sind betriebsbedingte Beendigungskündigungen für die Dauer der Laufzeit der Anwendungsvereinbarung auszuschließen.

2Soweit ausschließlich ein Beitrag der Beschäftigten nach § 4 Satz 1 Buchstabe a vereinbart wird, können in der Anwendungsvereinbarung Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung für die Dauer der Laufzeit der Anwendungsvereinbarung festgelegt werden.

3Während der Laufzeit der Anwendungsvereinbarung dürfen keine Neu-, Um- oder Ausgründungen mit dem Ziel der Anwendung eines anderen als des in § 1 genannten Tarifrechts vorgenommen werden, es sei denn, sie sind Bestandteil der Vereinbarung in der Anwendungsvereinbarung oder die neue Gesellschaft wird tarifgebundenes Mitglied in einem Mitgliedverband der TdL.

4Dies beinhaltet während der Laufzeit der Anwendungsvereinbarung auch den Verzicht auf Einstellung zu Lasten des tarifgebundenen Personalbestandes bei einer nicht an das Tarifrecht der TdL gebundenen Einrichtung oder Tochtergesellschaft des Krankenhauses, sofern nicht zum 1. Mai 2006 bereits eine vertragliche Verpflichtung gegenüber einem Dritten zur Einstellung bei einer Tochtergesellschaft bestand.

Abschnitt III
In-Kraft-Treten, Laufzeit und Nachwirkung

§ 9
In-Kraft-Treten

Dieser Tarifvertrag tritt am 1. November 2006 in Kraft.

§ 10
Kündigung und Nachwirkung

1Dieser Tarifvertrag endet am 31. Dezember 2009. 2Er kann frühestens zum 31. Dezember 2007 mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende schriftlich gekündigt werden. 3Die Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 Tarifvertragsgesetz ist ausgeschlossen. 4Bestehende Anwendungsvereinbarungen gelten für den vereinbarten Zeitraum weiter; längstens jedoch bis 31. Dezember 2015.

5Die Tarifvertragsparteien verpflichten sich zur Verhandlungsaufnahme ab Juni 2009, wenn eine der vertragsschließenden Parteien dies zuvor schriftlich verlangt. 6Die Verhandlungen sind spätestens sechs Wochen nach Eingang der schriftlichen Aufforderung aufzunehmen.

- MBl. NRW. 2006 S. 740