Geltende Gesetze und Verordnungen (SGV. NRW.) mit Stand vom 29.6.2024
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§ 30 (Fn
2)
Zwangsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
(1) Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind gegen den
natürlichen Willen der Untersuchungsgefangenen nur bei gegenwärtiger
Lebensgefahr sowie gegenwärtiger schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit der
Untersuchungsgefangenen oder anderer Personen zulässig, wenn die oder der
Untersuchungsgefangene zur Einsicht in die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum
Handeln nach dieser Einsicht krankheitsbedingt nicht in der Lage ist. Maßnahmen
nach Satz 1 dürfen nur angeordnet werden, wenn
1. erfolglos versucht worden ist, die Zustimmung der Untersuchungsgefangenen zu
der Maßnahme zu erwirken,
2. die Anordnung der Maßnahme den Untersuchungsgefangenen angekündigt wurde und
sie über Art, Umfang und Dauer der Maßnahme informiert wurden,
3. die Maßnahme zur Abwendung der Gefahr geeignet, in Art, Umfang und Dauer
erforderlich und für die Beteiligten zumutbar ist,
4. der von der Maßnahme zu erwartende Nutzen die mit der Maßnahme verbundenen
Belastungen deutlich überwiegt und
5. die Maßnahme nicht mit einer erheblichen Gefahr für das Leben der
Untersuchungsgefangenen verbunden ist.
(2) Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 werden ärztlich angeordnet, geleitet und überwacht. Die Anordnung erfolgt im Einvernehmen mit der Anstaltsleitung und bedarf der Einwilligung des nach § 126 der Strafprozessordnung zuständigen Gerichts, es sei denn, diese kann nicht mehr rechtzeitig eingeholt werden. In diesem Fall ist die gerichtliche Zustimmung unverzüglich nachzuholen. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 1 sowie die ergriffenen Maßnahmen, einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise und der Wirkungsüberwachung, sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu dokumentieren.
(3) Erfordert die Beurteilung der Gefahrenlage und die Abschätzung der
Notwendigkeit einer Behandlung psychischer Erkrankungen eine angemessene Zeit
der Beobachtung der Untersuchungsgefangenen oder droht der oder dem
Untersuchungsgefangenen aufgrund einer anderen Erkrankung eine schwerwiegende
Gesundheitsbeeinträchtigung, darf die Behandlung zwangsweise unter den weiteren
Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 nur begonnen werden, wenn
1. die Maßnahme der oder dem Untersuchungsgefangenen mindestens eine Woche vor
ihrer Umsetzung schriftlich und mündlich unter Angabe der Gründe sowie Art,
Umfang und Dauer in einer dem Gesundheitszustand entsprechenden Weise
angekündigt worden ist,
2. vor dem Eingriff durch ein von der behandelnden Einrichtung unabhängiges
fachpsychiatrisches oder fachärztliches Votum bestätigt wird, dass
a) die oder der zu behandelnde Untersuchungsgefangene einsichtsunfähig ist,
b) die Vorteile des medizinischen Eingriffs gegenüber den damit verbundenen
Nachteilen und Risiken deutlich überwiegen,
c) die Maßnahme nicht mit einer erheblichen Gefahr für das Leben der oder des
Untersuchungsgefangenen verbunden ist,
d) eine schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit der oder des
Untersuchungsgefangenen droht, und
3. die Fachaufsichtsbehörde oder eine von ihr beauftragte Anstaltsärztin oder
ein von ihr beauftragter Anstaltsarzt, die oder der an der Anordnung und
Durchführung der Maßnahme nicht beteiligt ist, in die Maßnahme einwilligt.
Die Anordnung gilt höchstens für die Dauer von drei Monaten. Nach Ablauf dieser
Zeit ist eine neue Anordnung zu treffen.
(4) Über Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 3 sind Personensorgeberechtigte der Untersuchungsgefangenen unverzüglich zu unterrichten. Bei minderjährigen Untersuchungsgefangenen muss vor der Durchführung von Zwangsmaßnahmen erfolglos versucht worden sein, die Einwilligung der Personensorgeberechtigten einzuholen. Kann diese nicht rechtzeitig eingeholt werden, sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches anzuwenden.
(5) Zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes und der Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung der Untersuchungsgefangenen über Absatz 1 hinaus zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. Duldungspflichten der Untersuchungsgefangenen nach Vorschriften anderer Gesetze bleiben unberührt.
Abschnitt 8 (Fn 2)
Disziplinarmaßnahmen