Geltende Gesetze und Verordnungen (SGV. NRW.)  mit Stand vom 3.5.2024

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§ 4
Maß der Freiheitsentziehung

(1) Das Maß der Freiheitsentziehung richtet sich nach der von der untergebrachten Person ausgehenden prognostizierten Gefahr. Art und Weise sowie Intensität der Freiheitsentziehung sind auf die zu erwartenden erheblichen rechtswidrigen Taten zu beziehen und an ihr auszurichten. Das Maß der Freiheitsentziehung ist im Hinblick auf dieses Ziel fortlaufend zu überprüfen.

(2) Die therapeutische Leitung der Einrichtung bestimmt das Maß der Freiheitsentziehung nach Maßgabe folgender Grade:

Grad 0: Die untergebrachte Person ist berechtigt, außerhalb der Einrichtung in einer externen Einrichtung oder der eigenen Wohnung zu wohnen.

Grad 1: Der grundsätzliche Aufenthaltsort der untergebrachten Person ist die Einrichtung. Auf Anordnung der Einrichtung ist sie berechtigt, über eine Nacht oder über mehrere Nächte der Einrichtung fernzubleiben, ohne außerhalb zu wohnen.

Grad 2: Der grundsätzliche Aufenthaltsort der untergebrachten Person ist die Einrichtung. Auf Anordnung der Einrichtung ist sie berechtigt, die Einrichtung ohne Begleitung von Beschäftigten zu verlassen (unbegleiteter Ausgang).

Grad 3: Der grundsätzliche Aufenthaltsort der untergebrachten Person ist die Einrichtung. Auf Anordnung der Einrichtung ist sie berechtigt, diese in Begleitung von Beschäftigten der Einrichtung zu verlassen (Ausführung).

Grad 4: Der grundsätzliche Aufenthaltsort der untergebrachten Person ist die Einrichtung. Sie ist nicht berechtigt, diese zu verlassen.

Die Einrichtung kann innerhalb dieser Grade weitere Differenzierungen vornehmen.

(3) Aus besonderen Gründen oder Anlässen kann eine Ausführung angeordnet werden. Daneben sollen Ausführungen zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit bei langjährig untergebrachten Personen, grundsätzlich spätestens nach drei Jahren, angeordnet werden.

(4) Die Einrichtung kann zur Vorbereitung einer Entscheidung nach Absatz 2, die besondere Schwierigkeiten aufweist, das Gutachten einer oder eines externen Sachverständigen einholen. Das zu erstellende Sachverständigengutachten soll sich zu Maß, Art und Weise des Sicherungsbedarfs äußern und Vorschläge für das weitere Vorgehen zur Erreichung des individuellen Unterbringungsziels unterbreiten. Wenn sich die Einschätzung der Einrichtung und die des oder der externen Sachverständigen widersprechen, entscheidet die zuständige Strafvollstreckungsbehörde.

(5) Vor der Festsetzung des Maßes der Freiheitsentziehung der Grade 0 bis 3 ist die Vollstreckungsbehörde zu hören, soweit sie es im Aufnahmeersuchen angeordnet hat. Bei untergebrachten Personen, die hinsichtlich ihrer Anlasstat, insbesondere bei Tötungs-, schweren Gewalt- und Sexualdelikten, ihrer Störung und ihres Behandlungsverlaufs besondere Schwierigkeiten bei der Beurteilung der von ihnen ausgehenden Gefahr bieten, ist vor ersten Rücknahmen von Freiheitsbeschränkungen, bei denen eine Aufsicht durch Beschäftigte der Einrichtung nicht gewährleistet ist, das Benehmen mit der Vollstreckungsbehörde herzustellen. Bei einem berechtigten Aufenthalt in einer externen Einrichtung oder der eigenen Wohnung bei einer Dauer von mehr als 21 Tagen sind die Aufsichtsbehörde und die Vollstreckungsbehörde zu unterrichten. Näheres zur Beteiligung der Vollstreckungsbehörde kann das für den die Durchführung strafrechtsbezogener Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt zuständige Ministerium im Einvernehmen mit dem für Rechtspflege zuständigen Ministerium regeln.

(6) Entscheidungen über das Maß der Freiheitsentziehung können mit Auflagen und Weisungen verbunden werden. Dazu können insbesondere gehören,

1. sich der Aufsicht einer namentlich bestimmten Person zu unterstellen,

2. die Anlasserkrankung, die zur Unterbringung geführt hat, mit Einwilligung der untergebrachten Person außerhalb der Einrichtung behandeln zu lassen,

3. Anordnungen zum Aufenthaltsort und zu Verhaltensweisen außerhalb der Einrichtung zu befolgen und

4 sich zu bestimmten Zeiten an festgelegten Orten persönlich einzufinden.

(7) Entscheidungen nach Absatz 2 einschließlich der mit ihnen verbundenen Auflagen und Weisungen können aufgehoben oder geändert werden, wenn

1. Umstände eintreten oder nachträglich bekannt werden, die ihre Anordnung nicht gerechtfertigt erscheinen lassen,

2.  die untergebrachte Person ihre Freiheitsrechte missbraucht oder

3. die untergebrachte Person den ihr erteilten Auflagen oder Weisungen nicht nachkommt.

Fußnoten:

Fn 1

In Kraft getreten am 31. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1494); geändert durch Gesetz vom 18. Oktober 2022 (GV. NRW. S. 962), in Kraft getreten am 1. Januar 2023.

Fn 2

§ 3 Absatz 4 geändert durch Gesetz vom 18. Oktober 2022 (GV. NRW. S. 962), in Kraft getreten am 1. Januar 2023.

Fn 3

§ 9 Absatz 4 und 5 geändert durch Gesetz vom 18. Oktober 2022 (GV. NRW. S. 962), in Kraft getreten am 1. Januar 2023.

Fn 4

§ 11 Absatz 2 geändert durch Gesetz vom 18. Oktober 2022 (GV. NRW. S. 962), in Kraft getreten am 1. Januar 2023.

Fn 5

§ 12 Absatz 3 geändert durch Gesetz vom 18. Oktober 2022 (GV. NRW. S. 962), in Kraft getreten am 1. Januar 2023.

Fn 6

§ 38 Absatz 2 geändert durch Gesetz vom 18. Oktober 2022 (GV. NRW. S. 962), in Kraft getreten am 1. Januar 2023.

Fn 7

§ 10 Absatz 2 und 10 geändert durch Gesetz vom 18. Oktober 2022 (GV. NRW. S. 962), in Kraft getreten am 1. Januar 2023.