Geltende Erlasse (SMBl. NRW.) mit Stand vom 17.4.2024
Rahmen-Leitbild für die Landesverwaltung Gem. RdErl. d. Ministeriums für Inneres und Justiz - AG VR -, d. Ministerpräsidenten und aller Landesministerien v. 8.10.1998
Rahmen-Leitbild für die Landesverwaltung Gem. RdErl. d. Ministeriums für Inneres und Justiz - AG VR -, d. Ministerpräsidenten und aller Landesministerien v. 8.10.1998
Rahmen-Leitbild für die
Landesverwaltung
Gem. RdErl. d. Ministeriums für Inneres und Justiz - AG VR -,
d. Ministerpräsidenten und aller Landesministerien
v. 8.10.1998
Die Landesregierung hat am 26.8.1997 den Entwurf eines Rahmen-Leitbildes für die Landesverwaltung beschlossen und dem Landtag zugeleitet.
Der Landtag hat im Zusammenhang mit seiner Beschlussfassung am 28.5.1998
über den Antrag LT-Drs. 12/3066 "Verwaltungsstrukturreform voranbringen -
Rahmen-Leitbild für die Landesverwaltung" begrüßt, dass das von der
Landesregierung vorgelegte Rahmen-Leitbild die Vorgaben des Landtages aus
seiner politischen Diskussion zu diesem Thema aufgegriffen hat.
Der Landtag erwartet, dass das in der Anlage abgedruckte Rahmen-Leitbild
Grundlage für die Erarbeitung der unterschiedlichen Behörden-Leitbilder der
Ressorts bzw. für eine Prüfung bereits bestehender Behörden-Leitbilder sein
wird. Dabei sollen die Personalvertretungen und die Arbeitnehmerorganisationen
beteiligt werden. Hinsichtlich der Umsetzung werden besondere Erlasse der
Ressorts ergehen.
Anlage
Rahmen-Leitbild für die
Landesverwaltung
1.
Vorwort
Die Entwicklung von Leitbildern ist in jüngster Zeit nicht mehr nur auf die
private Wirtschaft beschränkt, sondern wird zunehmend auch von einzelnen Dienststellen
oder für bestimmte Bereiche der Landesverwaltung erwogen. Der
nordrhein-westfälische Landtag hat gegen Ende der vergangenen Legislaturperiode
einen Grundsatzbeschluss zur Entwicklung eines verwaltungspolitischen
Leitbildes gefasst. Die Landesregierung will in der laufenden Legislaturperiode
eine Leitbilddiskussion in den Dienststellen der Landesverwaltung in Gang
setzen, die deren Selbstverständnis als Dienstleistungsinstitutionen stärkt.
Grundlage hierfür ist die Überlegung, dass Leitbilderein Instrument der
Organisationsentwicklung und damit ein dynamisches Element für die
Modernisierung der öffentlichen Verwaltung sein können, die eine
entscheidende politische Gestaltungsaufgabe der neunziger Jahre ist. Einmal
formulierte Leitbilder müssen dann allerdings von den Beschäftigten akzeptiert
und in der täglichen Praxis mit Leben erfüllt werden.
Dementsprechend wird ein solches Leitbild im Regelfall unter maßgeblicher
Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickelt. Bei einem
Rahmen-Leitbild für die gesamte Landesverwaltung mit ihren über 400.000
Beschäftigten ist dies jedoch nicht möglich, aber auch nicht erforderlich.
Vielmehr liegt der Zweck eines Rahmen-Leitbildes darin, Orientierungspunkte zu
setzen und dem laufenden Reformprozess in der Landesverwaltung zusätzliche
Impulse zu verleihen. Das Rahmen-Leitbild richtet sich an die einzelnen
Institutionen der Landesverwaltung und soll diesen Anstöße für dezentrale
Organisationsentwicklungsprozesse vermitteln. Die Dienststellen vor Ort sollen aus
dem Rahmen-Leitbild - unter Berücksichtigung der aufgezeigten Rahmenbedingungen
und ihrer jeweils spezifischen Aufgabenstellung - unter Beteiligung der
Beschäftigten konkrete Vorstellungen ableiten und eigene Behörden-Leitbilder
entwickeln können.
2.
Rechtsstaatlichkeit und Wohl der Allgemeinheit
Das Handeln der Landesverwaltung wird von Gesetz und Recht bestimmt, dient dem
Wohl der Allgemeinheit und ist der gerichtlichen Kontrolle unterworfen. Allen
Versuchen sachfremder Einflussnahme auf eine neutrale und unparteiische
Amtsführung ist unverzüglich und mit Entschiedenheit entgegenzuwirken.
3.
Sozialstaatsprinzip
Die Landesverwaltung sieht sich gerade vor dem Hintergrund des fortdauernden
Strukturwandels in Nordrhein-Westfalen in besonderer Weise dem Sozialstaatsprinzip
verpflichtet. Im Rahmen ihrer Zuständigkeit gewährt sie gesetzlich garantierte
Leistungen und trägt zur Abmilderung von Krisen und Störungen bei, die sich aus
der wirtschaftlichen Entwicklung und Marktversagen ergeben können. Die Landesverwaltung
trägt durch entsprechende Ausführung der Landesgesetze dazu bei, soziale
Gerechtigkeit und gleichartige Lebensverhältnisse im gesamten Land zu sichern.
Dies betrifft insbesondere gleiche Lebens- und Erwerbschancen für Frauen und
Männer.
4.
Dreiteilung der Gewalten
Die Landesverwaltung hat aufgrund der Dreiteilung der Gewalten die Aufgabe des
Gesetzesvollzuges. Am politischen Willensbildungsprozess beteiligt sich die
Landesverwaltung beratend, indem sie ihren Sachverstand gemäß ihrer jeweiligen
Aufgabenstellung frühzeitig den politischen Entscheidungsträgern zur Verfügung
stellt, um den Praxisbezug politischer Entscheidungen zu fördern und noch
weiter zu verbessern.
5.
Lernende Verwaltung und Aufgabenkritik
Die Landesverwaltung versteht sich als eine sich kontinuierlich
fortentwickelnde, lernende Verwaltung von hoher fachlicher und sozialer
Kompetenz. Sie unterzieht deshalb ihren Aufgabenbestand einer regelmäßigen
Aufgabenkritik, die mit einer Überprüfung der Arbeitsabläufe und Strukturen
einhergeht. Sich zunehmend schneller verändernden Rahmenbedingungen in Staat,
Wirtschaft und Gesellschaft begegnet die Landesverwaltung flexibel. Auf diese
Weise trägt die Landesverwaltung zu einer schlanken, zeitgemäßen Administration
in Nordrhein-Westfalen bei.
6.
Nachhaltige Entwicklung
Die Landesverwaltung leistet ihren Beitrag zu einer langfristig angelegten
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, die von der Begrenztheit natürlicher
Ressourcen ausgeht und die Regenerationsfähigkeit unserer Umwelt nicht überfordert.
Eine auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtete Landesverwaltung macht auch
neuartige Formen des Verwaltungshandelns notwendig, die gleichermaßen
ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen Rechnung tragen.
Die Landesverwaltung ist sich dabei ihrer Vorbildfunktion und
Vorbildverpflichtung bewusst. Das gilt sowohl für das Handeln des Staates
gegenüber Dritten als auch für die Nachfrage von Gütern und Dienstleistungen,
die die Landesverwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben braucht.
7.
Kooperationsorientierung
Die Landesverwaltung arbeitet bewusst und gezielt mit Bürgerinnen und Bürgern,
Kommunen, Unternehmen, Gewerkschaften, Verbänden, Dienststellen des Bundes,
Kirchen, Stiftungen, Kammern, Bürgerinitiativen, sonstigen Organisationen und
gesellschaftlichen Gruppierungen zusammen, um ihre Leistungen bedarfsgerecht
anbieten zu können und vermeidbare Reibungsverluste durch unabgestimmte
Maßnahmen zu minimieren. Auch dem aktiven Zusammenwirken der unterschiedlichen
Verwaltungseinheiten auf horizontaler und vertikaler Ebene kommt erhebliche
Bedeutung zu.
Die dadurch erzielbaren Synergieeffekte verbessern die Effizienz und
Effektivität staatlichen Handelns.
8.
Bürgerorientierung
Mit der gezielten Strategie der Kooperation verbindet sich eine konsequente
Bürgerorientierung der Landesverwaltung. Auch wenn dieser Begriff bei der
Eingriffsverwaltung differenzierter Handhabung bedarf, orientiert die
Landesverwaltung ihre Leistungen an den sich wandelnden Bedürfnissen der
Bürgerinnen und Bürger, anderer Verwaltungseinheiten und der übrigen oben
genannten Institutionen und Gruppierungen. Die Bürgerinnen und Bürger haben
Anspruch darauf, dass die Landesverwaltung Dienstleistungen von hoher Qualität
wirtschaftlich erbringt, ihre Interessen ernstnimmt, sie kompetent und umfassend
berät, ihre Anliegen zügig bearbeitet und sie im Rahmen eines
partnerschaftlichen Zusammenwirkens freundlich und zuvorkommend behandelt.
Ergebnis kann nicht die Befriedigung jeglicher Einzelinteressen sein; vielmehr
sind die unterschiedlichen Interessen im Rahmen der einschlägigen Bestimmungen
gegeneinander abzuwägen und nach Möglichkeit auszugleichen, wobei das
Gemeinwohl im Vordergrund steht.
9.
Mitarbeiterorientierung
Als wichtigster Ressource der Landesverwaltung kommt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
die zentrale Rolle auf dem Weg zu einer modernen, lernenden Verwaltung zu. Ihre
Kenntnisse und Erfahrungen und ihre Kreativität gilt es für die kontinuierliche
Erneuerung der Landesverwaltung zu nutzen. Wichtige organisatorische
Veränderungen sollen deshalb in partizipativ angelegten
Organisationsentwicklungsprozessen vorbereitet werden.
Mitgestaltungsmöglichkeiten bedeuten zusätzliche Motivation und erhöhen damit
die Leistungsfähigkeit einer Verwaltung. Die offene und konstruktive Zusammenarbeit
mit Personalräten, Schwerbehinderten-Vertrauensleuten und
Gleichstellungsbeauftragten bleibt als wesentliches Element einer transparenten
Organisations- und Personalentwicklung unverzichtbar.
Flache Hierarchien mit möglichst dezentralisierter Verantwortung am Ort der
Leistungserbringung, kooperativer Führungsstil mit klar definierten Zielen und
ein leistungsorientiertes Bezahlungs- und Beförderungssystem sollen die
Potentiale von qualifizierten, aktiven und motivierten Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern zur Entfaltung kommen lassen. Dabei fühlt sich die
Landesverwaltung der beruflichen Förderung und Entwicklung von Frauen besonders
verpflichtet. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen bei ihrer
Tätigkeit durch eine aufgabenadäquate Fort- und Weiterbildung, durch zeitgemäße
Organisationsstrukturen mit der Möglichkeit von Projekt- und Teamarbeit und
durch eine benutzerfreundliche Technikausstattung unterstützt werden.
10.
Ergebnisbezogene Steuerung mit neuen Instrumenten
Die Landesverwaltung steht der Erprobung neuer, ergebnisbezogener
Steuerungsinstrumente aufgeschlossen gegenüber und wird diese bei
entsprechender Eignung in ihre Strukturen integrieren.
Ausgehend von der Vereinbarung klarer, messbarer Ziele mit eindeutiger
Prioritätensetzung sollen den für ihre Erreichung zuständigen Stellen die
erforderlichen Ressourcen zu möglichst eigenverantwortlicher Bewirtschaftung
zur Verfügung gestellt werden. Diese dezentrale Ressourcenverantwortung oder
Budgetierung muss von einem flexiblen Haushaltsvollzug begleitet werden.
Hieraus kann sich eine neue Verantwortungsabgrenzung zwischen Politik und
Verwaltung ergeben.
Um den Ressourcenverbrauch zu ermitteln und damit Kostentransparenz und
-bewusstsein herzustellen, bedarf es der Einführung angepasster Kosten- und Leistungsrechungen
in dafür geeigneten Bereichen der Landesverwaltung. Mit der Einführung eines
Verwaltungscontrollings sollen die aus einem optimierten Berichtswesen, der
Kosten- und Leistungsrechnung und anderen Quellen gewonnenen Daten zu
aussagekräftigen Informationen für die administrative und politische
Steuerungsebene aufbereitet werden. Dadurch wird die Steuerungsebene in die
Lage versetzt, den aktuellen Verlauf der Dienstgeschäfte zu beurteilen,
Abweichungen von den vereinbarten Leistungs- und Finanzzielen zu erkennen und
rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
11.
Qualität, Effektivität und Effizienz
Aufgabenkritik und eine ergebnisbezogenere Steuerung mit den genannten
Instrumenten, aber auch eine fortschreitende Kooperations-, Bürger- und Mitarbeiterorientierung
sollen die Qualität und Wirksamkeit staatlichen Handelns verbessern und nicht
zuletzt auch die Wirtschaftlichkeit der Landesverwaltung deutlich steigern. Dem
Wirtschaftlichkeitsaspekt kommt angesichts weiter steigender Anforderungen an Staat
und Verwaltung einerseits und dauerhaft knapper Haushaltsmittel andererseits
herausragende Bedeutung zu. Dieses Spannungsverhältnis kann nur durch eine
schlanke, sich kontinuierlich modernisierende Landesverwaltung aufgelöst
werden. Zu ihr gehören auch wettbewerbsersetzende Leistungsvergleiche zwischen
gleichartigen Organisationseinheiten mit erweiterter Fach- und
Ressourcenverantwortung, die Innovationen zur Optimierung der Verfahrensabläufe
freisetzen.
MBl. NRW. 1998 S. 1148