Geltende Erlasse (SMBl. NRW.) mit Stand vom 3.5.2024
Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Polizeibeamte auf Anordnung des Staatsanwalts Gem. RdErl. d. Justizministers - 2372 - III A. 5 - u. d. Innenministers - IV A 2 - 2021 - v. 15.12.1973
Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Polizeibeamte auf Anordnung des Staatsanwalts Gem. RdErl. d. Justizministers - 2372 - III A. 5 - u. d. Innenministers - IV A 2 - 2021 - v. 15.12.1973
Anwendung unmittelbaren Zwanges durch
Polizeibeamte auf Anordnung des Staatsanwalts
Gem. RdErl. d. Justizministers -
2372 - III A. 5 - u. d.
Innenministers - IV A 2 - 2021 - v. 15.12.1973
A.
Im Hinblick auf die Verantwortung der Staatsanwaltschaft für das
Ermittlungsverfahren und damit auch für die Vollständigkeit der Ermittlungen
und ihre Rechtmäßigkeit umfasst die Leitungs- und Weisungsbefugnis des
Staatsanwalts gegenüber der Polizei auch Anordnungen zur Anwendung
unmittelbaren Zwanges.
Die Gefahrenabwehr ist Aufgabe der Polizei. In diesem Bereich besteht kein Raum
für Anordnungen des Staatsanwalts.
B.
Für die Ausübung des Weisungsrechts zur Anwendung
unmittelbaren Zwanges ergehen - unbeschadet der Vorschriften der §§ 161 StPO,
152 GVG - folgende Richtlinien:
I.
Der Staatsanwalt richtet, solange nicht ein bestimmter Beamter mit der
Bearbeitung des konkreten Falles befasst ist, Weisungen grundsätzlich an die
zuständige Polizeidienststelle.
Sind in einem konkreten Fall mehrere Polizeibeamte unter einem weisungsbefugten
Beamten eingesetzt (z. B. Einsatzleitung, Sonderkommission), richtet der
Staatsanwalt Weisungen grundsätzlich an den weisungsbefugten Beamten. Dieser
gibt - unabhängig davon, ob er selbst zu dem Kreis der nach § 152 GVG
bezeichneten Beamten gehört - die Weisung an die ihm unterstellten Bediensteten
weiter und veranlasst ihre Durchführung.
Ist eine polizeiliche Einsatzleitung gebildet, begibt sich der Staatsanwalt,
der aufdie Anwendung unmittelbaren Zwangs Einfluss nehmen will, grundsätzlich
zur Einsatzleitung. Seine Weisungen soll er an den mit der Gesamtverantwortung
betrauten Einsatzleiter richten. Besteht eine mehrstufige Einsatzleitung, hält
sich der Staatsanwalt grundsätzlich bei der Gesamtleitung auf. Befindet er sich
bei einem nachgeordneten Einsatzleiter, so wird er Weisungen nur im Rahmen der
Befehlsgebung der übergeordneten Einsatzleitung und des Ermessensspielraums
geben, der dem nachgeordneten Einsatzleiter eingeräumt ist.
II.
Zur Art und Weise der Ausübung des unmittelbaren Zwanges soll der Staatsanwalt
nur allgemeine Weisungen erteilen und deren Ausführung der Polizei überlassen.
Konkrete Einzelweisungen zur Art und Weise der Ausübung unmittelbaren Zwanges
soll der Staatsanwalt nur erteilen, wenn
1. die Polizei darum nachsucht,
2. es aus Rechtsgründen unerlässlich ist oder
3. die Ausübung des unmittelbaren Zwanges Auswirkungen auf das weitere
Ermittlungsverfahren hat.
Ob die Voraussetzungen zu Ziff. 2 oder 3 gegeben sind, entscheidet der
Staatsanwalt.
Die Erteilung konkreter Einzelweisungen setzt die genaue Kenntnis der
jeweiligen Situation und der bestehenden Möglichkeiten für die Ausübung
unmittelbaren Zwanges voraus. Dies bedingt in der Regel die Anwesenheit am Ort
des Einsatzes oder der Einsatzleitung. Für konkrete Einzelweisungen zum
Gebrauch von Schusswaffen ist die Anwesenheit am Ort des Einsatzes
unerlässlich. Bei konkreten Einzelweisungen soll der Staatsanwalt die besondere
Sachkunde der Polizei berücksichtigen.
III.
Ergeben sich bei einem einheitlichen Lebenssachverhalt gleichzeitig und
unmittelbar Aufgaben der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr, so sind die
Staatsanwaltschaft und die Polizei zuständig, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben
notwendigen Maßnahmen zu treffen.
In einem solchen Falle ist eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit
zwischen Staatsanwalt und Polizei in ganz besonderem Maße erforderlich. Die
partnerschaftliche Zusammenarbeit gebietet es, dass jede Stelle bei der
Wahrnehmung ihrer Aufgaben auch die Belange der übrigen sich aus dem
Lebenssachverhalt stellenden Aufgaben berücksichtigt. Schaltet sich die
Staatsanwaltschaft ein, so werden der Staatsanwalt und die Polizei möglichst im
Einvernehmen handeln.
Das gilt auch dann, wenn die Situation die gleichzeitige angemessene
Wahrnehmung beider Aufgaben nicht zulässt. In diesem Falle ist nach dem
Grundsatz der Güter- und Pflichtenabwägung jeweils für die konkrete Lage zu
entscheiden, ob die Strafverfolgung oder die Gefahrenabwehr das höherwertige
Rechtsgut ist.
Erfordert die Lage unverzüglich eine Entscheidung über die Anwendung
unmittelbarenZwanges und ist ein Einvernehmen darüber, welche Aufgabe in der
konkreten Lage vorrangig vorzunehmen ist, - ggf. auch nach Einschaltung der
vorgesetzten Dienststellen - nicht herzustellen, so entscheidet hierüber die
Polizei.
MBl. NRW. 1974 S. 150