Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Aufgehoben durch RdErl. v. 5.8.2002 - MBL.NRW. 2002 S. 1020.

 


Historisch: Verfahren in Gnadensachen bei Verkehrsordnungswidrigkeiten RdErl. d. Innenministers v. 15. 6.1990 -IV A 2 - 277 ¹)

 

Historisch:

Verfahren in Gnadensachen bei Verkehrsordnungswidrigkeiten RdErl. d. Innenministers v. 15. 6.1990 -IV A 2 - 277 ¹)

' 15. 6. 90 (1)

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198.Ergänzung-SMBl. NW.- (Standl5.8.1990 = MB1. NW. Nr. 60 einschl.)


Verfahren in Gnadensachen bei Verkehrsordnungswidrigkeiten

RdErl. d. Innenministers v. 15. 6.1990 -IV A 2 - 277 ¹)

l Gnadenbehörden

1.1 Aufgrund der mir mit Erlaß des Ministerpräsidenten über die Ausübung des Rechts der Begnadigung vom 12. November 1951 (GV. NW. S. 569), zuletzt geändert durch Erlaß vom 18. Mai 1990 (GV. NW. S. 293), -SGV. NW. 321 - in Artikel 2 Nn 3 erteilten Ermächtigung übertrage ich die Ausübung des Begnadigungsrechts für Geldbußen bis zur Höhe von 1000,- DM, die von den Kreisordnungsbehörden wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten festgesetzt worden sind, auf die Regierungspräsidenten.

1.2 Soweit ein Gericht im Einspruchsverfahren gegen einen Bußgeldbescheid über die Festsetzung der Geldbuße entschieden hat, sind die Gnadenbehörden der Justiz für die Erteilung oder Ablehnung eines Gnadenerweises zuständig.

2 Inhalt des Begnadigungsrechts

Das Begnadigungsrecht umfaßt die Befugnis, Geldbußen zu erlassen, zu ermäßigen oder ihre Vollstrek-kung auszusetzen. Das gilt auch für Nebenfolgen (z. B. Fahrverbot) und Kosten (Gebühren und Auslagen).

Das Begnadigungsrecht umfaßt nicht die Befugnis, im Gnadenweg selbständige Entscheidungen über die vorzeitige Tilgung von Eintragungen im Verkehrszentralregister zu treffen. Derartige Anträge sind nach § 13 a Abs. 4 Nr. 2 StVZO zu behandeln. Die Zuständigkeit der Regierungspräsidenten hierfür ergibt sich aus §3 Nr. l der Verordnung über die Bestimmung der zuständigen Behörden nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) vom 18. November 1975 (GV. NW. S. 667), zuletzt geändert . durch Verordnung vom 20. Februar 1989 (GV. NW. S. 84), - SGV. NW. 92 -.

3 Gnadenverfahren

3.1 Das Gnadenverfahren setzt grundsätzlich die Rechtskraft der verwaltungsbehördlichen Bußgeldentscheidung voraus.

3.2 Die Erteilung eines Gnadenerweises wird auf Antrag (Gesuch) oder von Amts wegen geprüft. Gnadengesuche sollen im Regelfall bei den Kreisordnungsbehörden gestellt werden. Dieses kann schriftlich oder mündlich geschehen. Im letzteren Fall ist eine Niederschrift aufzunehmen und vom Gesuchsteller zu unterzeichnen.

3.3 Gnadengesuche hemmen die Vollstreckung an sich nicht. Sobald das Gnadengesuch gestellt wird, soll die Kreisordnungsbehörde jedoch von der Beitreibung einer Geldbuße bis zur Entscheidung über das Gesuch absehen.

3.4 Die bei den Kreisordnungsbehörden eingehenden Gesuche sind mit einer Stellungnahme nebst Vorschlag unter Beifügung der Verwaltungsvorgänge den Regierungspräsidenten zuzuleiten.

3.5 Gnadengesuche, die Fahrverbote betreffen, sind Eilsachen. Nach Eintritt der Rechtskraft ist der Führerschein in jedem Falle in Verwahrung zu nehmen. Der Betroffene ist darauf hinzuweisen, daß er trotz seines Gnadengesuchs eine Straftat nach §21 StVG begeht, wenn er verbotswidrig ein Kraftfahrzeug führt.

3.6 Das Gnadenverfahren ist vertraulich. Gnadenvorgänge unterliegen nicht der Akteneinsicht.

4 Gnadenentscheidung

4.1 Bei der Entscheidung über die Gnadenfrage sind die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen und der Zweck der Geldbuße und etwaiger Nebenfolgen zu berücksichtigen.

4.1.1 Im Rahmen der persönlichen Verhältnisse sind die finanziellen Belastungen des Betroffenen sowie der etwa drohende Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund eines Fahrverbots besonders zu bewerten.

4.1.2 Die Vollstreckung eines Fahrverbots kann durch den Gnadenbescheid in Ausnahmefällen bis zur Dauer von 6 Monaten ausgesetzt werden; eine Aufteilung der Vollstreckung in mehr als 2 Abschnitte sollte unterbleiben, da sie dem Zweck des Fahrverbotes nicht gerecht wird.

Wird die Aufhebung eines Fahrverbotes erwogen, weil dem Betroffenen der Verlust seines Arbeitsplatzes droht, ist zu prüfen, ob in Anbetracht des Zwecks des Fahrverbotes eine Aufhebung nur auf solche Fahrzeugarten zu beschränken ist, die für die Berufsausübung benötigt werden. Die Benutzung des Kraftfahrzeugs für Privatfahrten ist zu untersagen. Der Führerschein bleibt in Verwahrung. Dem Betroffenen ist durch die Kreisordnungsbehörde (Straßenverkehrsbehörde) eine entsprechende Bescheinigung zu erteilen.

4.2 Angestrebte Zahlungserleichterungen sind nicht im Wege einer Gnadenentscheidung, sondern nach Maßgabe des § 93 OWiG durch die Kreisordnungsbehörde zu behandeln.

4.3 Wird das Gnadengesuch gestellt, weil nach Angaben des Betroffenen aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse eine Zahlung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, sind von der Kreisordnungsbehörde zunächst die Voraussetzungen des § 95 Abs. 2 OWiG zu prüfen.

4.4 Von einer Gnadenentscheidung soll ebenfalls Abstand genommen werden, wenn die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 85 OWiG vorliegen.

4.5 Die Gnadenbehörde (Regierungspräsident) kann anordnen, daß die Vollstreckung einer Geldbuße vorübergehend bis zur Gnadenentscheidung ausgesetzt wird,

207.Ergänzung-SMBl. NW.- (Stand 1.2.1992 = MBl. NW.Nr.Seinschl.)

15. 6. 90 (2) /

a) wenn das Gnadengesuch unmittelbar bei ihr gestellt wird,

b) wenn Einwendungen gegen die Gnadenentscheidung geltend 'gemacht werden und mir der Vorgang zur Entscheidung vorgelegt wird,

c) unter der Bedingung, daß der Betroffene innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nicht wegen eines einschlägigen Verkehrsdelikts erneut in Erscheinung tritt,

d) wenn sie zu ihrer Entscheidung die Vorlage wei-'- terer Unterlagen (Urkunden, Bescheinigungen usw.) benötigt, die der Gesuchsteller innerhalb einer angemessenen Frist vorzulegen hat,

e) in besonders gelagerten Einzelfällen, denen die Nummern 4.2 bis 4.4 nicht gerecht werden.

4.6 Die für die Entscheidung maßgeblichen Erwägungen sind in einem Vermerk zum Gnadenvorgang niederzulegen. Die Entscheidung bedarf keiner Begründung. In Ausnahmefällen kann ein kurzer Hinweis gegeben werden, warum dem Gesuch nicht entsprochen wurde.

4.7 Gnadenentscheidungen sind dem Betroffenen durch die Kreisordnungsbehörden mitzuteilen, es sei denn, daß das Gnadengesuch unmittelbar an den Regierungspräsidenten gerichtet wurde. Bei einem unmittelbaren Bescheid durch den Regierungspräsidenten ist der Kreisordnungsbehörde eine Durchschrift der Entscheidung zuzuleiten.

4.8 Bei positiven Gnadenerweisen, die ein Fahrverbot betreffen, soll die Entscheidung den Kreisordnungsbehörden zur Vermeidung von Verzögerungen fernschriftlich vorab mitgeteilt werden (Telex oder Telefax).

5 Weiterleitung von Gnadengesuchen

5.1 Bei Einwendungen gegen ablehnende Gnadenentscheidungen der Regierungspräsidenten sind mir diese zur Entscheidung vorzulegen, sofern der Regierungspräsident aufgrund der Einwendungen nicht abhilft. Ich entscheide auch bei Geldbußen über 1000,- DM, beim dritten Fahrverbot oder in Einzelfällen, zu denen ich mir die Entscheidung vorbehalte.

5.2 Sieht die Kreisordnungsbehörde keine Abhilfemöglichkeit bei Gnadengesuchen, die zunächst nach Maßgabe der Nummern 4.2 und 4.3 zu prüfen sind, leitet sie das Gnadengesuch gemäß Nummer 3.4 an die Gnadenbehörde weiter.

5.3 Wird das Gnadengesuch direkt beim Regierungspräsidenten gestellt, soll dieser beim offensichtlichen Vorliegen der Voraussetzungen der Nummern 4.2 bis 4.4 die Angelegenheit an die Kreisordnungsbehörde abgeben.

5.4 Soweit ich entscheide, sind mir die Vorgänge unter Beachtung der Nummer 3.4 auf dem Dienstweg vorzulegen.

6 Mitteilung an das Kraftfahrt-Bundesamt

Ergeht ein Gnadenerweis zu einer im Verkehrszentralregister eingetragenen Entscheidung, hat die Kreisordnungsbehörde dies zum Verkehrszentralregister mitzuteilen (§ 13 Abs. l Nr. 3, § 13 b StVZO).

7 örtliche Ordnungsbehörden

Dieser RdErl. gilt entsprechend für die örtlichen Ordnungsbehörden, soweit sie in Verkehrsangelegenheiten einen Bußgeldbescheid erlassen haben.

8 Der RdErl. ergeht im Einvernehmen mit dem Justizminister und dem Minister für Stadtentwicklung und Verkehr.

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') MBl. NW. 19991 S. 1160.