Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Obsolet durch Fristablauf.

 


Historisch: Landesanordnung zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge Geltungsdauer von Verpflichtungserklärungen RdErl. des Ministeriums für Inneres und Kommunales - 122-39.12.03-1-13-346(2603) vom 24.4.2015

 

Historisch:

Landesanordnung zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge Geltungsdauer von Verpflichtungserklärungen RdErl. des Ministeriums für Inneres und Kommunales - 122-39.12.03-1-13-346(2603) vom 24.4.2015

Landesanordnung zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge
Geltungsdauer von Verpflichtungserklärungen

RdErl. des Ministeriums für Inneres und Kommunales - 122-39.12.03-1-13-346(2603)
vom 24.4.2015

Erlass vom 26. September 2013 - 15-39.12.03-1-13-100 - (und Folgeerlasse)

I.

Voraussetzung für eine Berücksichtigung im Rahmen der Landesanordnung zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge ist die Bereitschaft der in Nordrhein-Westfalen lebenden Verwandten (oder Dritter), für den Lebensunterhalt der aufzunehmenden Personen aufzukommen.

Die Geltungsdauer einer entsprechenden Verpflichtungserklärung endet bei Beendigung des Aufenthalts oder mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck.

Für welchen Aufenthaltszweck eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG gelten soll, ist im Wege der Auslegung anhand objektiver Umstände in entsprechender Anwendung von § 133 und 157 BGB konkret zu bestimmen. Die Verpflichtung aus einer solchen Erklärung endet, wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt und dies aufenthaltsrechtlich anerkannt worden ist. Aufenthaltsrechtlich anerkannt ist ein Zweckwechsel, wenn für den neuen Aufenthaltszweck eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist.

vgl. BVerwG, U. v. 24. November 1998 - 1C 33.97 - juris Rn. 29 und 34 zu Verpflichtungserklärungen nach der gleichlautenden Regelung des § 84 AuslG

Nach § 51 Abs. 1 Nr. 8 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erlischt eine auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis, wenn ein Asylantrag gestellt wird. Durch diese am 01.01.2005 in Kraft getretene Regelung sollte  laut Gesetzesbegründung der Wechsel von der Aufnahme aus humanitären Gründen in das Asylverfahren erschwert werden (vgl. BT-Drs. 15/420).

Der Gesetzgeber hat damit deutlich gemacht, dass er mit der Asylantragstellung den Wegfall der aufenthaltsrechtlichen Grundlage  für den bisherigen nach Maßgabe der Aufnahmeanordnung definierten Aufenthaltszweck verbindet.

Mit der Titelerteilung nach erfolgreichem  Asylverfahren wird der neue Aufenthaltszweck aufenthaltsrechtlich anerkannt, so dass die Geltung einer im Zusammenhang mit der Landesaufnahmeanordnung abgegebenen Verpflichtungserklärung endet.

Soweit sich die auf diese Weise aus ihrer Haftungsverpflichtung entlassenen Personen bereit erklären wollen, für weitere im Rahmen des Interessenbekundungsverfahrens registrierte Flüchtlinge eine Verpflichtungserklärung abzugeben, erfolgt eine erneute Bonitätsprüfung entsprechend den Vorgaben der Landesaufnahmeanordnung.

II.

Das Bundesministerium des Innern (BMI) vertritt die Auffassung, dass bei syrischen Flüchtlingen sowohl der Titelerteilung nach § 23 Abs. 1 AufenthG als auch der Titelerteilung nach § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG der gleiche Aufenthaltszweck zugrunde liegt, nämlich der „Schutz vor den Folgen des syrischen Bürgerkrieges“. Mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG sei bei Personen, die aufgrund der Aufnahmeprogramme von Bund und Ländern eingereist sind, kein Wechsel des Aufenthaltszwecks verbunden. Somit gelte auch die Haftung aus der Verpflichtungserklärung - trotz Anerkennung im Asylverfahren - fort (vgl. meine E-Mail vom 16. 09.2014 sowie Anlage 27 zum BT-Plenarprotokoll 18/72 der Sitzung vom 03.12.2014).

Dieser Auffassung stehen neben den bereits dargelegten Gründen die folgenden Erwägungen entgegen:

Zwischen der Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG und derjenigen nach § 25 Abs. 1 oder Absatz 2 AufenthG bestehen maßgebliche Unterschiede.

Die Aufenthaltserlaubnis aufgrund der Landesaufnahmeanordnung wird  ohne individuelle Prüfung der Schutzbedürftigkeit erteilt, während der Anspruch auf Titelerteilung nach § 25 Abs. 1 oder 2 AufenthG eine individuelle positive Prüfung des Anspruches auf Asyl- oder Flüchtlingsschutz voraussetzt.

Auch die jeweiligen Rechtsfolgen weichen in ihrer aufenthaltsrechtlichen Qualität erheblich voneinander ab. Zwischen der Aufenthaltserlaubnis, die aufgrund der Landesaufnahmeanordnung für syrische Flüchtlinge erteilt wird und der Aufenthaltserlaubnis, die aufgrund der Anerkennung der Asylberechtigung  oder der Flüchtlingsanerkennung erteilt wird, bestehen gravierende statusrechtliche Unterschiede.

Die unmittelbare Verknüpfung von Aufenthaltszweck und Rechtsfolgen ergibt sich auch aus den AVwV-AufenthG zu § 7 (Nr. 7.1.1, S. 3ff):

„Je nach dem verfolgten Aufenthaltszweck ergeben sich aus der Aufenthaltserlaubnis unterschiedliche Rechtsfolgen, etwa hinsichtlich der Möglichkeiten der Verfestigung, des Familiennachzuges, der Erwerbstätigkeit oder dem Zugang zu sozialen Leistungen.“

Schließlich finden die unterschiedlichen Aufenthaltszwecke auch in der Befristung der Aufenthaltserlaubnis ihren Niederschlag.

vgl. § 7 Abs. 2 S. 1 AufenthG:
„Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen.“

Während die Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. der Landesaufnahmeanordnung für zwei Jahre erteilt wird, erhalten anerkannte Asylberechtigte oder Flüchtlinge eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre (§ 26 Abs. 1 S. 2 AufenthG).

Für denjenigen, der eine Verpflichtungserklärung abgibt, kommt es vor allem auf die Überschaubarkeit des Umfangs und der Dauer der potentiell auf ihn zukommenden finanziellen Belastungen an.

Im Falle der Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung entwickelt sich der Aufenthalt der aufgenommenen Verwandten wesentlich schneller als ursprünglich erwartet von einem längerfristigen zu einem regelmäßig dauerhaften Aufenthaltszweck. In dieser nachhaltigen Statusverbesserung liegt eine relevante Zäsur, die ungeachtet der Gemeinsamkeit des „humanitären Aufenthaltes“ einen Wechsel des Aufenthaltszwecks im Verhältnis der Titel nach § 23 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG begründet.

Mit einer Fortdauer der Gültigkeit der übernommenen finanziellen Erstattungsverpflichtung über den Zeitpunkt der Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung hinaus muss der Erklärende im Übrigen nicht rechnen, ist doch der hiernach bestehende  Anspruch auf Titelerteilung gerade  nicht an die Sicherung des Lebensunterhalts gebunden.

vgl. auch OVG SH, U. v. 07. August 2013 - 4 LB 14/12 -, juris Rn 37ff, zur Fortgeltung einer zum Familiennachzug abgegebenen Verpflichtungserklärung nach Einbürgerung des Ehemannes - verneinend -

Soweit zur Begründung der Fortgeltung der Verpflichtungserklärung auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 13. Februar 2014 - 1 C 4/13 -, juris,  verwiesen wird, ist hierzu Folgendes festzustellen:

Das BVerwG hat in diesem Urteil entschieden, dass die Erstattungspflicht aus einer Verpflichtungserklärung auch Leistungen nach den AsylbLG umfasst, die der Ausländer während des Asylverfahrens bezogen hat. Das gelte auch dann, wenn das Asylverfahren mit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft endet. Die Auffassung, dass eine Verpflichtung aus § 68 AufenthG ende, wenn der weitere Aufenthalt des Ausländers nicht mehr von der Lebensunterhaltssicherung abhänge, erweise sich mit der Regelung des § 8 AsylbLG als unvereinbar.

Der mit der Stellung des Asylantrages eingeleitete Zweckwechsel bringt schon deshalb zunächst noch keine Beendigung der Haftungsverpflichtung mit sich, weil es während der Dauer des Asylverfahrens an einer aufenthaltsrechtlichen Bestätigung fehlt (Aufenthaltserlaubnis für den neuen Aufenthaltszweck). Denn bei der Aufenthaltsgestattung handelt es sich nicht um einen Aufenthaltstitel. Ein solcher wird auch nach Anerkennung im Asylverfahren nur für die Zukunft, aber nicht rückwirkend erteilt. Die in § 8 AsylbLG angelegte Subsidiarität von Leistungen führt im Übrigen dazu, dass auch der während des Asylverfahrens ohne Lebensunterhaltssicherung gestattete Aufenthalt (noch) nicht zum Entfallen der Haftung des Verpflichtungsgebers führt.

Das BVerwG macht in seiner Entscheidung im Übrigen keinerlei Ausführungen dazu, wie sich die Situation nach erfolgreichem Abschluss des Verfahrens (für die Zukunft) darstellt.

III.

Die Verpflichtungserklärung verschafft den aufgenommenen Personen keinen Rechtsanspruch gegenüber den Erklärenden. Sie entfaltet Rechtswirkung ausschließlich gegenüber der Behörde. Der in § 8 Abs. 1 S. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) angelegte Subsidiaritätsgrundsatz greift nur dann, wenn die Leistungsverpflichtungen aus einer Erklärung nach § 68 Abs. 1 S. 1 AufenthG tatsächlich erbracht werden. Ist dies nicht der Fall, haben die Betroffenen unmittelbaren Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG.

Über die eventuelle Geltendmachung von Erstattungsansprüchen gegenüber der Person, die eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat, entscheidet nicht die Ausländer-, sondern die jeweils zuständige Leistungsbehörde. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich die Bundesagentur für Arbeit in einer Weisung an die Regionaldirektionen vom 13.03.2015 der Rechtsauffassung des BMI zur Fortgeltung von Verpflichtungserklärungen angeschlossen hat.

Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass es auch noch nach erfolgter Anerkennung im Asylverfahren zu Erstattungsforderungen auf Grundlage abgegebener Verpflichtungserklärungen kommt. Hierüber sollten die Betroffenen informiert werden. Dies gilt insbesondere, wenn sie die Aufnahme weiterer im Landesverfahren registrierter Flüchtlinge erwägen.

Herr Minister Jäger setzt sich nachhaltig dafür ein, dass die zuständigen Bundesbehörden ihre Haltung in dieser Frage unter Berücksichtigung der dargelegten rechtlichen Argumentation nochmals überdenken und hat sich deswegen mit Schreiben vom heutigen Tage auch persönlich an Herrn Bundesminister Dr. de Maizière gewandt.

Auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des BMI wirkt die Geltungsdauer der Verpflichtungserklärung nicht unbegrenzt fort, sondern endet spätestens mit der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 oder 4 AufenthG. Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge können den Anspruch  nach § 26 Abs. 3 AufenthG geltend machen, wenn sie seit drei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 oder Abs. 2 AufenthG besitzen.