Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Obsolet.

 


Historisch: Ausreisepflichtige Ausländer in Nordrhein-Westfalen Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales - 121-39.13.01-1-16-132(2604) vom 21. Juni 2016

 

Historisch:

Ausreisepflichtige Ausländer in Nordrhein-Westfalen Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales - 121-39.13.01-1-16-132(2604) vom 21. Juni 2016

Ausreisepflichtige Ausländer in Nordrhein-Westfalen

Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales
- 121-39.13.01-1-16-132(2604) vom 21. Juni 2016

Nach der Statistik zum Ausländerzentralregister (AZR) des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zum Stichtag 29.02.2016 gibt es in Nordrhein-Westfalen 55.874 Ausreisepflichtige, davon 43.985 Geduldete, also Personen, deren Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen vorübergehend ausgesetzt ist.

1. Überprüfung unplausibler Duldungsfälle gem. AZR bezogen auf sichere Herkunftsländer des Westbalkans:

23.554 von 43.985 Geduldeten in Nordrhein-Westfalen stammen aus den nunmehr sicheren Herkunftsländern des Westbalkans. Im Einzelnen:

- Serbien                                                  8.256

- Mazedonien                                          4.668

- Kosovo                                                  4.301

- Albanien                                                2.720

- Bosnien-Herzegowina                          1.882

- ehem. Jugoslawien                                864

- ehem. Serbien und Montenegro          415

- Montenegro                                           309

- ehem. Serbien                                       139

Im Hinblick auf die im AZR insoweit hinterlegten Duldungsgründe fällt zunächst auf, dass für

- 3.963 Personen eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen fehlender Reisedokumente und für

- 2.234 Personen eine Duldung wegen eines Abschiebungsstopps nach § 60a Abs. 1 AufenthG

gespeichert ist.

Beide Duldungsgründe erscheinen mit Blick auf die aktuelle Situation offenkundig unplausibel: Eine gültige Anordnung im Sinne des § 60a Abs. 1 AufenthG, dass die Abschiebung von Ausländern aus den sechs sicheren Westbalkanstaaten ausgesetzt wird, existiert nicht. Daneben hatte ich mit Erlass vom 06.11.2015 -121-39.10.00-10.154- darüber informiert, dass sich alle sechs Staaten vorübergehend mit einer Rückführung in diese Staaten aus Deutschland mittels EU-Laissez-Passer anstelle der jeweiligen nationalen Passersatzpapiere einverstanden erklärt haben.

Angesichts der hohen Beanspruchung kommunaler Flüchtlingsunterbringungs- und versorgungsstrukturen einerseits und der aktuellen effektiven Rückkehrmöglichkeiten in die Westbalkanstaaten, sei es im Wege einer REAG-/GARP-geförderten freiwilligen Ausreise oder erforderlichenfalls im Wege der Rückführung, andererseits, erscheint eine zeitnahe Prüfung geboten.

Vor diesem Hintergrund werden die zuständigen Ausländerbehörden gebeten,

in einem ersten Schritt die Fälle von Geduldeten wegen eines Abschiebungsstopps nach § 60 a Abs. 1 und wegen fehlender Reisedokumente nach Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus den v. g. Westbalkanstaaten gem. AZR zu überprüfen und den AZR-Eintrag bei Bedarf zu korrigieren.

Zu diesem Zweck erhalten die Bezirksregierungen kurzfristig gesondert personenscharfe Listen der insofern gem. AZR geduldeten Personen jeweils für die einzelnen Ausländerbehörden ihres Bezirks.

Ich bitte die Bezirksregierungen, mir die Ergebnisse dieser Überprüfung zusammengefasst

bis zum 05.08.2016

auf elektronischem Weg an das Funktionspostfach

referat121@mik.nrw.de

zu berichten.

Zum weiteren Umgang mit rückkehrpflichtigen Personen aus bestimmten Herkunftsstaaten siehe Ziff. 3 dieses Erlasses.

2. Hinweise zur Prüfung bei langjährigem Aufenthalt und/oder vulnerablen Personen:

Soweit es Personen mit langjährigem Aufenthalt in der Bundesrepublik angeht, ist die zum 01.08.2015 gesetzlich wirksam gewordene Bleiberechtsregelung des § 25b AufenthG (neben § 25a AufenthG), die - stichtagsunabhängig - faktische Integrationsleistungen bei langjährigem Aufenthalt aufenthaltsrechtlich honoriert, mit in den Blick zu nehmen.

Im Vorgriff auf diese Bleiberechtsregelung konnten Personen, die von dieser Regelung voraussichtlich begünstigt sein werden, zuletzt weiter geduldet werden (vgl. Erlass vom 20.12.2013 -15-39.08.01-1/3-13-352-). Mit Inkrafttreten des § 25b AufenthG zum 01.08.2015 hat sich diese Regelung überholt. § 25b AufenthG berücksichtigt u.a. auch die besondere Situation vulnerabler Personen (vgl. § 25b Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2-4 und Abs. 3 AufenthG). Liegen die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG nicht vor, ist den besonderen Belangen solcher Personen grundsätzlich im Rahmen der Ausgestaltung der Rückführung angemessen Rechnung zu tragen, sofern die Rückführung nicht aus anderen Gründen vorübergehend auszusetzen ist.

Der Gesetzgeber geht, wie es die zwischenzeitliche Einstufung sämtlicher Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsstaaten, zuletzt durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015, zeigt, nunmehr allgemein davon aus, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfinden. Diese gesetzgeberische Vermutung bezieht sich auf sämtliche Asylsuchende aus diesen Staaten einschließlich der Minderheitenangehörigen. Weiterhin haben sich die Rückführungspraxis in die Westbalkanstaaten sowie die dortige Akzeptanz von Rückführungen, insbesondere den Kosovo betreffend, offenkundig verändert. Ein Beleg hierfür ist die seit Herbst 2015 bestehende Möglichkeit der Rückführung auch mittels EU Laissez Passer anstelle der jeweiligen nationalen Passersatzpapiere. Schließlich werden durch die Neufassungen der Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) und der Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU) Mindestbedingungen für die Aufnahmesituation sowie besondere Verfahrensgarantien speziell für vulnerable Personen konstituiert. Es besteht danach generell die Verpflichtung, besonders schutzbedürftige Personen zu identifizieren und ihren speziellen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Das Thema freiwillige Rückkehr und die umfassende Information über Reintegrations- bzw. Überbrückungshilfen schließlich sind inzwischen - allgemein - eine Säule des integrierten Rückkehrmanagements geworden.

Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass angesichts des nunmehr bestehenden allgemeinen rechtlichen und sachlichen Handlungsrahmens durch nationale Vorgaben und europarechtliche Schutzgarantien für zusätzliche spezielle Erlassregelungen (vgl. Erlass vom 21.09.2010 -15-39.13.09-5-10/128- einschließlich seiner Folgeerlasse) für vulnerable Personen aus den Westbalkanstaaten kein Raum mehr ist.

Im Übrigen wird auf die Möglichkeiten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem 5. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes oder nach anderen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes hingewiesen, deren rechtliche Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen müssen.

3. Meldewesen für Rückkehrfälle in Zielstaaten mit effektiven Rückführungsmöglichkeiten:

Durch die Ausländerbehörden sind Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreisepflicht bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen unverzüglich einzuleiten.

Die Unterstützungsressourcen der Zentralen Ausländerbehörden (ZAB) sollen dabei im Sinne der kommunalen Kapazitäten bis auf weiteres vorrangig für Rückkehrfälle in die Zielstaaten eingesetzt werden, bezüglich derer eine erhebliche Zahl an Ausreisepflichtigen in Nordrhein-Westfalen als auch zugleich effektive Rückführungsmöglichkeiten auch für größere Personenzahlen bestehen. Hierzu zählen neben den sechs sicheren Herkunftsstaaten des Westbalkans derzeit auch Georgien (719 Geduldete/905 Ausreisepflichtige in Nordrhein-Westfalen gem. AZR (Stand 29.02.2016)) und Armenien (789 Geduldete/863 Ausreisepflichtige in Nordrhein-Westfalen gem. AZR (Stand 29.02.2016)).

Die Ausländerbehörden werden hiernach gebeten, die infolge der gem. Ziff. 1 des Erlasses erbetenen Überprüfung, aber auch alle sonstigen für eine REAG-/GARP-geförderte freiwillige Ausreise nach entsprechender Antragstellung bei IOM in Betracht kommenden oder rückzuführenden Personen die Zielstaaten Serbien, Mazedonien, Kosovo, Albanien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro, Georgien und Armenien betreffend

wöchentlich fortgeschrieben jeweils freitags

- erstmals zum 15.07.2016 -

an die Zentrale Rückkehrkoordination NRW (ZRK NRW, vgl. Ziff. 4) zu melden.

Einzelheiten zum vorgesehenen Meldeverfahren teile ich Ihnen gesondert mit. Diese Meldung ersetzt nicht die Fluganmeldung bei der ZFA bzw. die Beantragung von REAG/GARP-Mitteln bei IOM.

Das Anmeldeverfahren für Rückführungen in sonstige Zielstaaten gegenüber der jeweils zuständigen ZAB bleibt bis auf weiteres unberührt.

4. Unterstützung durch die Zentralen Ausländerbehörden

Die für die Durchsetzung der Ausreisepflicht zuständigen kommunalen Ausländerbehörden werden bei Bedarf durch die ZAB unterstützt. Das Land hat zu diesem Zweck zusätzliche Mittel für eine personelle und sächliche Verstärkung der ZAB bereitgestellt.

Eine weitere organisatorische und fachliche Unterstützung erfolgt durch die Einrichtung der Zentralen Rückkehrkoordination NRW (ZRK NRW) bei der ZAB Bielefeld zum 01.06.2016. Die ZRK NRW wird bisherige Unterstützungsleistungen bei der Rückführung wie Flug- und Transportmanagement bündeln und den Kommunen als zentraler Ansprechpartner für verschiedene Rückkehrfragen, auch für Fragen der freiwilligen Rückkehr, zur Verfügung stehen.

Im Zusammenhang mit dem unter Ziff. 3 genannten Meldewesen wird die ZRK NRW hiernach nicht nur die erforderlichen Unterstützungsmaßnahmen der ZAB für die Ausländerbehörden koordinieren, sondern daneben auch den Bedarf nach möglichen Sammelkontingenten für eine REAG-/GARP-geförderte freiwillige Rückkehr mit IOM abstimmen, um zügige Ausreisen zu ermöglichen.

Dabei bitte ich zu beachten, dass im Zusammenhang mit einer REAG-/GARP-geförderten freiwilligen Rückkehr aus Nordrhein-Westfalen Staatsangehörigen der Westbalkanstaaten ab dem 10.06.2016 (Datum der Ausreise) bei Vorliegen der Voraussetzungen eine zusätzliche „Landesreisebeihilfe NRW“  in Höhe von 50 EUR bewilligt werden kann.

Auf das bereits seit längerem bestehende, an die Ausländerbehörden gerichtete spezielle Unterstützungsangebot der ZAB, durch Einsicht in die Ausländerakten und unter Nutzung aller gegebenen Möglichkeiten (u. a. Personenfeststellungsverfahren) bei der Klärung der Identität und Herkunft ausreisepflichtiger Ausländer behilflich zu sein (vgl. Erlass vom 09.02.2011 -15-39.06.10-5-10-167-), weise ich nochmals hin. Hiervon sollten die Ausländerbehörden verstärkt Gebrauch machen. Zum Stichtag 29.02.2016 lag die Zahl der Ausländer mit unklarer Identität und Herkunft in Nordrhein-Westfalen gem. AZR bei 2.830 von 43.985 Geduldeten.

Die ZAB habe ich gebeten, ihr Unterstützungsangebot auch nochmals unmittelbar an die Ausländerbehörden heranzutragen.

Schließlich weise ich in dem Kontext nochmals auf den Erlass vom 11.01.2016 -121-39.06.01-5-11-113- zur Vollzugshilfe der Landespolizei bei Abschiebungsmaßnahmen hin.

Um Unterrichtung der Ausländerbehörden Ihres Bezirks wird gebeten.