Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Aufgehoben durch Erlassbereinigung 2003 (§ 9 VV v. 29.8.61).

 


Historisch: Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden RdErl. d. Innenministers v. 23. 6. 1953 -III B 5/701 - 332/53 ¹)

 

Historisch:

Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden RdErl. d. Innenministers v. 23. 6. 1953 -III B 5/701 - 332/53 ¹)

23. 6. 53 (1) 190.Ergänzung-SMBl. NW.- (Stand 1.4.1989 = MBl. NW.Nr.lSeinschl.)

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Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden

RdErl. d. Innenministers v. 23. 6. 1953 -III B 5/701 - 332/53 ¹)

Das Recht der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden und Gemeindeverbände ist durch die §§ 69 ff. der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 1952 - GS. NW. S. 167 - (GO) in Verbindung mit § 2 Abs. l der Amtsordnung vom 10. März 1953 (GS. NW. S. 207), § 42 der Landeskreisordnung vom 21. Juli 1953 (GS. NW. S. -208) und § 25 Abs. 2 der Landschaftsverbandsord-nung vom 12. Mai 1953 (GS. NW. S. 217) neu geregelt worden. Diese Verschriften schließen sich zwar denen der rev. Deutschen Gemeindeordnung an, enthalten jedoch einige Neuerungen, die mir im Zusammenhang mit dem Beschlüsse des Landtags vom 8. Juli 1952 (Druck.Nr. 615) zu folgenden Hinweisen Anlaß geben:

1. Sachliche Voraussetzungen für die Errichtung, die Übernahme und die wesentliche Erweiterung wirtschaftlicher Unternehmen.

Nach § 67 der rev. DGO durfte die Gemeinde wirtschaftliche Unternehmen nur errichten oder wesentlich erweitern, wenn

a) der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigte,

b) das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf stand,

c) der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen anderen erfüllt wurde oder erfüllt werden konnte.

Nach § 69 der neuen GO ist demgegenüber auch die Übernahme, also insbesondere der Erwerb bestehender wirtschaftlicher Unternehmen, erfaßt. Des weiteren ist nunmehr Voraussetzung der Errichtung, der Übernahme und der wesentlichen Erweiterung eines wirtschaftlichen Unternehmens, daß ein dringender öffentlicher Zweck das Unternehmen rechtfertigt.

Diese Gegenüberstellung zeigt, daß die neue GO strengere Anforderungen an die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden stellt als die rev. DGO, und daß deshalb sowohl die Gemeinden (GV) als auch die Aufsichtsbehörden (§ 70) an die Errichtung, die Übernahme und die wesentliche Erweiterung wirtschaftlicher Unternehmen einen strengeren Maßstab anlegen müssen als bisher. Dabei ist es selbstverständlich nicht der Sinn der neuen Vorschriften, die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden (GV) in dem Bereich einzuengen, in dem sie allgemeine Anerkennung gefunden hat. Das gilt vor allem für das Gebiet der Versorgung mit Strom, Gas und Wasser und für den Bereich der Verkehrsbetriebe. Außerhalb dieser Tätigkeitsgebiete, also insbesondere im Bereich des Handwerks, gebieten jedoch die Vorschriften der neuen GO stärkere Zurückhaltung als bisher. Insoweit sind künftig folgende Richtlinien zu beachten: a) Die Übernahme einer wirtschaftlichen Beätitgung in

diesem Bereich wird keinesfalls durch einen dringen-

') (MBl. NW. 1953 S. 1047); bei Herausgabe der Sammlung überarbeitet.

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den öffentlichen Zweck gerechtfertigt, wenn das einzige Ziel dieser Betätigung das der Gewinn-erzielung ist.

b) Grundsätzlich sollen verwaltungs- oder betriebseigene Kräfte keine Leistungen und Lieferungen für Dritte •übernehmen, selbst wenn erst dadurch die Wirtschaftlichkeit einer Betätigung erreicht wird.

In größeren Verwaltungen und öffentlichen Einrichtungen kann nach den gegebenen Verhältnissen ein Bedürfnis für die Beschäftigung handwerklich vorgebildeter Kräfte für die Vornahmn laufender Instandsetzungen geringexen Umfanges a.ierkannt werden. Die Gemeinden (GV) sollten sich jedoch hierbei möglichst Beschränkung auferlegen und im Einzelfall prüfen, ob derartige Arbeiten nicht zweckmäßiger und wirtschaftlicher von der privaten Wirtschaft ausgeführt werden können.

c) Wo in wirtschaftlichen Unternehmen Neben- oder Hilfsbetriebe nach den Betriebserfordernissen eingerichtet werden müssen, wie z. B. bei Versorgungsund Verkehrsbetrieben, haben sich auch diese Nebenoder Hilfsbetriebe auf ihre eigentlichen Aufgaben zu beschränken und dürfen nicht darüber hinaus mit der privaten Wirtschaft in Wettbewerb treten. Die wirtschaftlichen Unternehmen sollten größere Neuanlagen, die üblicherweise von der Privatwirtschaft ausgeführt werden, nicht in eigener Regie durchführen.

d) Maßnahmen zur Hebung des Energieverbrauchs ge-

( hören zu den echten Aufgaben kommunaler Versorgungsunternehmen. Es bestehen daher keine Bedenken, wenn sich die Versorgungsunternehmen, das L Handwerk, der Einzelhandel und der Großhandel zu ' Gemeinschaften zusammenschließen, die eine Förderung des Verkaufs v6n Gas- und Stromgeräten zum Ziele haben. Es wird jedoch Wert darauf gelegt, daß hierbei Organisationsformen gefunden werden, bei denen sich das Versorgungsunternehmen auf die Werbung für den Absatz der Geräte beschränkt, während der Verkauf und die Installation dem privaten .Gewerbe vorbehalten bleiben sollten.

2. Bestehende wirtschaftliche Unternehmen.

Die Vorschrift des § 69 GO beschränkt sich auf die Errichtung, die Übernahme und die wesentliche Erweiterung wirtschaftlicher Unternehmen. Sie erfaßt also nicht die zur Zeit bereits bestehenden Betriebe. Trotzdem sollten die Gemeinden (GV) insoweit in eigener Verantwortung prüfen, ob die bestehenden Betriebe nach den Vorschriften der §§ 69 ff. GO in der kommunalen Hand verbleiben müssen. Ihre Aufrechterhaltung führt erfahrungsgemäß immer wieder , zu Angriffen auch auf den berechtigten Bereich kom-* munaler Wirtschaftsbetätigung, so daß es dem wohlverstandenen Interesse der gemeindlichen Selbstverwaltung entspricht, diese Angriffspunkte von sich | aus zu beseitigen. Kommt eine Gemeinde (GV) zu dem Ergebnis, daß im einzelnen Falle auf die wirtschaftliche Betätigung verzichtet werden kann, so braucht das Betriebsvermögen nicht unbedingt veräußert zu werden; in manchen Fällen wird es genügen, den Betrieb zu angemessenen Bedingungen zu verpachten. Auf diesem Wege läßt sich oft auch das Beschäftigungsproblem für die bisher in dem kommunalen Betrieb tätigen Arbeitnehmer befriedigend lösen.

3. Formelle Voraussetzungen.

Nach § 70 GO hat die Gemeinde, wenn sie wirtschaftliche Unternehmen errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern will, der Aufsichtsbehörde rechtzeitig, mindestens 6 Wochen vor Beginn der Vergebung der Arbeiten oder vor Abschluß des Üben-nahmevertrags, darüber zu berichten. Aus dem Bericht muß zu ersehen sein, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und ob die Deckung der Kosten tatsächlich und rechtlich gesichert ist. Dabei sind in der Regel entsprechende Kalkulationen und Kostenvergleiche vorzulegen, in denen ^die Selbstkosten für die Leistungen des wirtschaftlichen Unter-

nehmens nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt sind. Abschreibungen, anteilige Betriebs- und Verwaltungskosten, soziale Leistungen und die Miete für genutzte Räume dürfen deshalb nicht unberücksichtigt bleiben. Bei der Beurteilung dieser Kalkulationen und Kostenvergleiche ist ferner zu berücksichtigen, daß durch eine wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand die Steuerleistungen der privaten Wirtschaft vermindert werden.

4. Rechtlich selbständige wirtschaftliche Unternehmen. Soweit die Gemeinden (GV) an wirtschaftlichen Unternehmen (§ 71 GO) beteiligt sind, werden ihre Vertreter in diesen Unternehmen innerhalb ihrer rechtlichen Einflußmöglichkeiten darauf hinzuwirken haben, daß auch die Neben- und Hilfsbetriebe dieser Unternehmen die vorstehend entwickelten Grundsätze beachten.

Den Aufsichtsbehörden wird aufgegeben, die Innehaltung der gesetzlichen Vorschriften im gemeindlichen Bereich zu beobachten und auf die Abstellung nachgewiesener Verstöße hinzuwirken. In Zweifelsfällen von erheblicher Bedeutung bitte ich, mich zu unterrichten.

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') (MBl. NW. 1954 S. 615); bei Herausgabe der Sammlung überarbeitet.