Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Aufgehoben durch Erlassbereinigung 2003 (§ 9 VV v. 29.8.61).

 


Historisch: Berücksichtigung von Verletzungen steuerrechtlicher Pflichten in gewerberechtlichen Verfahren Gem. RdErl. d. Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie - 132 - 51 - 7.2 - 3/88 - u. d. Finanzministers -S0130-29-VC2-v. 21. 3.1988¹)

 

Historisch:

Berücksichtigung von Verletzungen steuerrechtlicher Pflichten in gewerberechtlichen Verfahren Gem. RdErl. d. Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie - 132 - 51 - 7.2 - 3/88 - u. d. Finanzministers -S0130-29-VC2-v. 21. 3.1988¹)

21. 3. 8ß (1)

218. Ergänzung - SMB1. NW. - (Stand 30.11.1993 = MB1. NW. Nr. 70 einschl.)

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Berücksichtigung von Verletzungen

steuerrechtlicher Pflichten in gewerberechtlichen

Verfahren

Gem. RdErl. d. Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie - 132 - 51 - 7.2 - 3/88 - u. d. Finanzministers -S0130-29-VC2-v. 21. 3.1988¹)

1 Allgemeines

Das Gewerberecht sieht die Versagung, Rücknahme oder den Widerruf einer gewerberechtlichen Erlaubnis sowie die Untersagung eines Gewerbes bei gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit vor. Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit kann auch aus steuerrechtlichen Sachverhalten hergeleitet werden. Ein zwingendes öffentliches Interesse an der Mitteilung von steuerlichen Verhältnissen gegenüber den Gewerbebehörden kann nur anerkannt werden, soweit es sich um Steuern handelt, die mit der Ausübung eines Gewerbes im Zusammenhang stehen (insbesondere Lohnsteuer, Umsatzsteuer - vgl. BFH7Urteil vom 10.2.1987, BStBl. II S. 545). Bei Personensteuern (Einkommensteuer, Kirchensteuer, Vermögensteuer) besteht ein solcher Zusammenhang, wenn die Steuerpflicht im wesentlichen auf dem Gewerbebetrieb beruht. Unabhängig davon ist ein zwingendes öffentliches Interesse an der Mitteilung hinsichtlich der Personensteuern auch dann zu bejahen, wenn Unzuverlässigkeit infolge wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit im Räume steht (z.B. hohe Schuldenlast, kein Sanierungskonzept - vgl. OVG Münster, Urteil vom 2. 9. 1987, Gewerbearchiv 1988 S. 87).

2 Voraussetzungen der Unzuverlässigkeit

Die Verletzung steuerrechtlicher Pflichten, die mit der Ausübung des Gewerbes im Zusammenhang stehen, begründet die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nicht in jedem Fall, wohl aber dann, wenn das Verhalten des Steuerpflichtigen darauf schließen läßt, daß er nicht willens oder in der Lage ist, seine öffentlichen Berufspflichten zu erfüllen. Wegen der weittragenden Bedeutung, die die Versagung einer Erlaubnis oder die Unterbindung der gewerblichen Tätigkeit für den Betroffenen hat, muß es sich um erhebliche Verstöße handeln. Wann jeweils Unzuver-. lässigkeit vorliegt, kann nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Anhaltspunkte für die Entscheidung bieten folgende Kriterien:

2.1 Nichtabgabe von Steuererklärungen

Die Nichtabgabe von Steuererklärungen begründet für sich allein eine steuerliche Unzuverlässigkeit nur dann, wenn die Erklärungen trotz Erinnerung hartnäckig über längere Zeit nicht abgegeben werden. Die Nichtabgabe von Lohnsteueranmeldungen oder von Umsatzsteuervoranmeldungen hat in der Regel besonderes Gewicht. Die Nichtabgabe von Steuererklärungen in den übrigen Fällen wird regelmäßig nur in Verbindung mit der Nichtentrichtung von .Steuern nach Nr. 2.2 von Belang sein.

2.2 Nichtentrichtung von Steuern

Die Nichtentrichtung von Steuern, insbesqndere ein erheblicher Steuerrückstahd, wird vielfach die Unzuverlässigkeit begründen. In diesem Zusammenhang sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

22.1 Umfang und Art der Steuerrückstände

Erforderlich ist in jedem Fall ein für die Verhältnisse des Betriebes erheblicher Steuerrückstand. Beträge unter 5 000,- DM reichen in aller Regel nicht aus. Von- Bedeutung ist ferner die Entwicklung der Steuerrückstände - getrennt nach Steuerarten -über längere Zeit Ständig schleppender Zahlungseingang kann auch bei verhältnismäßig geringen

Steuerrückständen die Unzuverlässigkeit begründen, während etwa' eine hohe Steuerschuld im Anschluß an eine Außenprüfung nicht ohne weiteres auf steuerliche Unzuverlässigkeit schließen läßt. Beruhen die Steuerrückstände ganz oder teilweise darauf, daß einbehaltene Steuerabzugsbeträge (insbesondere Lohnsteuerbeträge) mehrfach nicht abgeführt worden sind, so begründet dies in der Regel Unzuverlässigkeit.

222 Vollstreckungsversuch

Ein Vollstreckungsversuch des Finanzamtes ist in aller Regel unabdingbare Voraussetzung für die Einleitung eines gewerberechtlichen Untersagungsver-fahrens wegen Steuerrückständen.

2.3 Subjektive und objektive Seite der Verstöße

Unzuverlässigkeit ist u. a. anzunehmen, wenn der Gewerbetreibende nicht willens ist, seine steuerrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Hierauf läßt eine ständige Mißachtung der ihm obliegenden Verpflichtungen schließen, z. B. die Weigerung, Steuererklärungen abzugeben, Steuerrückstände zu begleichen, einen Abzahlungsplan zu vereinbaren oder einzuhalten sowie der Versuch, Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts zu vereiteln. Aber auch eine unverschuldet eingetretene Notlage, die z. B. auf allgemeine oder strukturelle wirtschaftliche Schwierigkeiten zurückzuführen ist, kann die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigen. Unzuverlässigkeit setzt weder ein Verschulden im Sinne eines moralischen oder ethischen Vorwurfs noch einen Charaktermangel voraus. Die gewerberechtlichen Bestimmungen über die Versagung, die Rücknahme oder den Widerruf einer Erlaubnis sowie über die Untersagung eines Gewerbes sind wertneutral und keine Strafvorschriften. Der Schutz der Allgemeinheit gebietet es, bei unzuverlässigen Gewerbetreibenden die weitere Ausübung eines Gewerbes zu unterbinden, wobei es im Hinblick auf etwaige Schädigungen des zu schützenden Personenkreises belanglos ist, ob Verschulden vorliegt oder nicht. Die Unzuverlässigkeit kann auch allein durch wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit begründet werden. Im vorstehenden Fall wird daher eine Unzuverlässigkeit nur dann nicht angenommen werden können, wenn Aussicht besteht, daß der Gewerbetreibende die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in angemessener Zeit beheben und zur Abtragung der Steuerrückstände in der Lage sein wird.

2.4 Steuerliche Straf- und Bußgeldverfahren

Wichtige Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit können steuerliche Straf- und Bußgeldverfahren sein, die im Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbebetriebes stehen. Für die Prüfung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden sind sowohl der Sachverhalt, der zur Einleitung des Verfahrens geführt hat, als auch das Ergebnis des Verfahrens sowie das Verhalten des Steuerpflichtigen nach dem Verfahren erheblich.

2.5 Künftiges Verhalten

Maßgebend für die Beurteilung der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit ist stets, ob der Gewerbetreibende keine Gewähr dafür bietet, daß er das Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben wird. Steuerrechtliche Sachverhalte sind nur dann gewerberechtlich von Bedeutung, wenn aus ihnen auf ein künftiges ' nicht ordnungsgemäßes Verhalten geschlossen werden kann.

2.6 Sondervorschriften

Besondere gesetzliche Bestimmungen über die Berücksichtigung steuerlichen Verhaltens (z. B. § 102 b Abs. 2 Nr. 8 des Güterkraftverkehrsgesetzes, § 25 Abs. 2 Nr. 3 des Persönenbeförderungsgesetzes) bleiben unberührt.

') MBl. NW. 1988 S. 438, geändert durch Gem. RdErl. v. 20. 12. 1989 (MBL NW. 1990 S. 226).

218. Ergänzung - SMB1. NW. - (Stand 30.11.1993 = MBl. NW. Nr. 70 einschl.)

21. 3. 88 (2)

3 Auskunftsersuchen der Gewerbeüberwachungsbe- 4.2 htfrde an das Finanzamt

3.1 Anwendungsbereich

. Ergeben sich im Rahmen eines Verfahrens auf Erteilung einer Erlaubnis, eines Verfahrens auf Rück- • nähme oder Widerruf einer Erlaubnis oder auf •Gewerbeuntersagung Anhaltspunkte für eine Verletzung steuerrechtiicher Pflichten, so bittet die Gewerbeüberwachungsbehörde unter Mitteijung des Sach-

. Verhalts das zuständige Finanzamt um Auskunft, soweit nicht die Erteilung einer Bescheinigung an den Betroffenen über. seine steuerlichen Verhältnisse vorgesehen ist Anhaltspunkte für die Verletzung steuerrechtlicher Pflichten bestehen insbesondere dann, wenn ein Gewerbetreibender sonstige öffentlich-rechtliche Zahlungsverpflichtungen, z.B. zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgeh, nicht erfüllt

3.2 Voraussetzungen der Auskunft

3.2.1 Die gewerberechtlichen Bestimmungen (z. B. § 35 GewO, § 15 GastG) enthalten keine ausdrückliche Auskunftsermächtigung im Sinne des §30 Abs. 4 . Nr..2AO.

Auskünfte der Finanzämter an die Gewerb-uberwa-chungsbehörden, die in gewerberechtlicher: Verfahren für die Versagung einer beantragten Erlaubnis, die Rücknahme oder den Widerruf einer Erlaubnis oder . eine Gewerbeuntersagung mitentscheidend sein können, sind daher nur in folgenden Fällen zulässig:

a) Der Gewerbetreibende stimmt einer Auskunft durch das Finanzamt zu (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO).

b) Die Auskunftserteilung liegt im zwingenden öffentlichen Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO).

Dies ist der Fall, wenn die Voraussetzungen der Nrn. 2, 2.1 bis 2.6 erfüllt sind. Die Auskunftserteilung beschränkt sich auf diejenigen Tatsachen, aus denen sich die steuerliche Unzuverlässigkeit ergibt

322 .Ist der Betroffene'steuerlich zuverlässig oder fallen seine steuerlichen Verhältnisse bei der Beurteilung seiner gewerberechtlichen Zuverlässigkeit nicht ins Gewicht, teilt das.Finanzamt dies der Gewerbeüberwachungsbehörde mit

323 In allen Fällen, in denen das Finanzamt sich an der Auskunftserteilung durch §30 AO gehindert sieht, teilt es lediglich dies der Gewerbeüberwachungsbehörde mit

4 Anregung des Finanzamts an die Gawerbeüberwa-chungsbehörde auf Einleitung eines Untersagungs-veriahrens

4.1 Anwendungsbereich

Von seiner Befugnis, die Rücknahme oder den Widerruf einer gewerberechtlichen Erlaubnis oder die Untersagung eines Gewerbes bei der zuständigen Behörde anzuregen und dazu die steuerlichen Verhältnisse des Betroffenen zu offenbaren, soll das Finanzamt wegen des Gebotes der Verhältnismäßigkeit der Mittel nur dann Gebrauch machen, wenn die steuerliche Unzuverlässigkeit derart schwer wiegt, daß sich aus ihr allein die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit ergibt. ,

Zunächst ist zu prüfen, ob das Besteuerungsverfahren'auch mit anderen, den Steuerpflichtigen weniger hart treffenden Maßnahmen gefördert werden kann (Zwangsvollstreckung in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen, Festsetzung .von Zwangsgeld, Inanspruchnahme von Haftungsschuldnern). Ist dies nicht der Fall, ist abzuwägen, ob die Pflichtverstöße des Steuerpflichtigen oder seine Rückstände derart schwer wiegen, daß ihm die Möglichkeit eigener wirtschaftlicher Betätigung ganz oder teilweise entzogen werden muß. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß die Gewerbeuntersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich sein muß (§ 35 Abs. l Satz l GewO). *

') UBL NW. IBM S. 1288, geändert durch RdErl. v. 4. 3. INI (MBl. NW. IMl S. 907).

Voraussetzungen für die Mitteilung steuerlicher Verhältnisse

Die Auskunftserteilung ist.nur zulässig, wenn neben den unter Nr. 4.1 dargestellten Voraussetzungen auch die in Nr. 3.2.1 genannten Bedingungen erfüllt sind.