Historische SMBl. NRW.
Historisch: Zulässigkeit von Biogasanlagen, Immissionsschutzrechtliches und Bau- Genehmigungsverfahren Gem. RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – II-5 –2289.64.10 / V-7 – 8851.1.6/4 u. d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport - II A 1.901.34 – v. 23.1.2002
Historisch:
Zulässigkeit von Biogasanlagen, Immissionsschutzrechtliches und Bau- Genehmigungsverfahren Gem. RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – II-5 –2289.64.10 / V-7 – 8851.1.6/4 u. d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport - II A 1.901.34 – v. 23.1.2002
Immissionsschutzrechtliches und Bau- Genehmigungsverfahren
Gem. RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
– II-5 –2289.64.10 / V-7 – 8851.1.6/4
u. d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport
- II A 1.901.34 – v. 23.1.2002
Um übergeordnete Ziele der Energiepolitik und des
Klimaschutzes auf europäischer und nationaler Ebene zu erreichen, muss die
energetische Nutzung von Biomasse erheblich gesteigert werden. Die Erzeugung
von Biogas und dessen Umwandlung in Strom und Wärme im Rahmen
landwirtschaftlicher Tätigkeiten ist dazu in besonderem Maße geeignet.
Nachdem auf Bundesebene die dazu notwendigen
Rahmenbedingungen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 29. März 2000 (EEG) und die Biomasseverordnung sowie die
Förderprogramme des Bundes und des Landes geschaffen wurden, gilt es nun, das
in Nordrhein-Westfalen vorhandene Potenzial nutzbar zu machen.
Dazu zählt auch die Schaffung transparenter und
einheitlicher Genehmigungsvoraussetzungen für Biogasanlagen.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass – unter Beachtung des
Freiraumschutzes und der Belange des Naturschutzes, des Immissionsschutzes und
der Landschaftspflege sowie anderer Umweltbelange – eine ressourcenschonende
Energieerzeugung aus Biogas wesentlich zum Erhalt der natürlichen
Lebensgrundlagen beiträgt und zugleich die wirtschaftlichen Grundlagen der
heimischen Landwirtschaft verbessert.
Die Prüfung, ob eine Biogasanlage insbesondere den
immissionsschutzrechtlichen, abfallrechtlichen, baurechtlichen u.a.
Bestimmungen entspricht, erfolgt in einem Baugenehmigungsverfahren oder -
soweit die Anlagen bestimmte Kriterien erfüllen - in einem
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nach dem
Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Die Genehmigung
nach dem BImSchG schließt die Baugenehmigung ein (§ 13 BImSchG, § 63 Abs. 2 BauONRW); bei der Baugenehmigung hat die Bauaufsichtsbehörde sicherzustellen,
dass von baulichen Anlagen keine Gefahren oder unzumutbaren Belästigungen
ausgehen (§ 16BauO NRW).
1
Immissionsschutzrechtliches Verfahren
Im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens ist
im Einzelfall zu entscheiden, ob die Anlagen im förmlichen Verfahren mit
Öffentlichkeitsbeteiligung oder im vereinfachten Verfahren zu genehmigen sind.
Biogasanlagen sind gem. Nr. 8.6 des Anhangs zur 4.BImschV
nach deren Novellierung durch das Gesetz zur
Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer
EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27. Juli 2001 in einem immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungsverfahren zu genehmigen, wenn die Durchsatzleistung von 10 Tonnen
je Tag nicht besonders überwachungsbedürftiger Abfälle bzw. 1 Tonne je Tag
besonders überwachungsbedürftiger Abfälle, auf die die Vorschriften des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) Anwendung finden,
überschritten wird.
Biogasanlagen sind, auch bei Unterschreitung der
vorgenannten Durchsatzleistungen, in einem immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungsverfahren zu genehmigen, wenn sie als Nebeneinrichtung gem. § 1
Abs. 2 Nr. 2 der 4.BImSchV im Zusammenhang mit
einer nach dem BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlage betrieben werden. In
diesen Fällen ist im Einzelnen zu prüfen, ob ein förmliches oder ein
vereinfachtes Genehmigungsverfahren durchzuführen ist. Dies kann u.a. im
Zusammenhang mit nachstehenden Anlagenarten möglich sein:
- genehmigungsbedürftige Tierhaltungsbetriebe (Nr. 7.1 des
Anhangs der 4.BImSchV) oder
- genehmigungsbedürftige Anlagen zur Lagerung von Gülle mit einem Fassungsvermögen von 2500 Kubikmetern oder mehr (Nr. 9.36 des Anhangs der 4.BImSchV) oder
- genehmigungsbedürftige Verbrennungsmotoranlagen mit einer
Feuerungswärmeleistung von 1 Megawatt oder mehr (Nr. 1.4 des Anhangs der
4.BImSchV) oder
- genehmigungsbedürftige Gasturbinenanlagen zur Erzeugung von Strom, Dampf, Warmwasser mit einer Feuerungswärmeleistung von 1 Megawatt oder mehr (Nr. 1.5 des Anhangs der 4.BImSchV) oder
- genehmigungsbedürftige Anlagen zur zeitweiligen Lagerung
von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen, auf die die Vorschriften des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) Anwendung finden, mit
einer Aufnahmekapazität von 1 Tonne oder mehr je Tag oder einer
Gesamtlagerkapazität von 30 Tonnen oder mehr bzw. zur zeitweiligen Lagerung von
nicht besonders überwachungsbedürftigen Abfällen, auf die die Vorschriften des
KrW-/AbfG Anwendung finden, mit einer Aufnahmekapazität von 10 Tonnen oder mehr
je Tag oder einer Gesamtlagerkapazität von 100 Tonnen oder mehr (Nr. 8.12 des
Anhangs der 4.BImSchV).
Auf Nr. 9 der
Verwaltungsvorschriften zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Gem. RdErl. v.
01.09.2000, MBl. NRW. S. 1180 / SMBl. NRW. 7129) wird verwiesen.
Bei der Genehmigung sind die
abfall- und düngerechtlichen Vorschriften zu beachten. Hierzu erfolgt
gesonderte Regelung.
Baugenehmigungsverfahren
Soweit die beantragte Biogasanlage keine selbständig
immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage darstellt und die
Anlage auch nicht als Nebeneinrichtung zu einer genehmigungsbedürftigen Anlage zu
qualifizieren ist, ist ein Baugenehmigungsverfahren durchzuführen.
Auf Nr. 54.35 der
Verwaltungsvorschriften zur Landesbauordnung (RdErl. d. Ministeriums für
Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport v. 12.10.2000, MBl. NRW. S. 1432 / SMBl. NRW. 23210) wird verwiesen.
Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit
3.1
Errichtung von Biogasanlagen in Baugebieten
Die Errichtung von Biogasanlagen ist in einem ausgewiesenen Dorf-, Gewerbe-
oder Industriegebiet (§§ 5, 8, 9 BauNVO) unter den
Voraussetzungen des § 30 BauGB möglich (vgl. VG Arnsberg, Beschl. vom
04.12.1998 - 4 L 1898/98 - NVwZ-RR 2000, 12 ff.), gemäß § 34 BauGB, wenn sich
das Vorhaben in die Umgebung einfügt oder die Eigenart der Umgebung einem der
vorgenannten Gebiete entspricht. Die Herkunft des zur Vergärung eingesetzten
Materials ist hierbei für die bauplanungsrechtliche Beurteilung unerheblich.
3.2
im Außenbereich nach § 35 BauGB
Im Außenbereich kann eine Biogasanlage gemäß
§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB als untergeordnete Nebenanlage oder als durch die
Hauptanlage mitgezogene privilegierte Anlage zulässig sein; sie muss der
Hauptanlage (dem landwirtschaftlichen Betrieb) räumlich und funktional
zugeordnet sein und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche
einnehmen.
Eine Biogasanlage kann im
Einzelfall als untergeordnete Nebenanlage mehreren landwirtschaftlichen
Betrieben dienen, wenn die räumlichen Voraussetzungen vorliegen. An
einer räumlichen Zuordnung fehlt es nicht, wenn die mit dem Vorhaben zu
bebauende Fläche an die Hoffläche angrenzt (vgl. OVG Münster, Beschl. v.
26.03.1998 – 10 A 6263/96); in der Regel wird es ausreichen, wenn die
beteiligten Betriebe eine gemeinsame Grenze haben.
Die funktionale Zuordnung ist ggf. durch eine
Nebenbestimmung zur Baugenehmigung nach § 36 Abs. 1, 2. Alt. Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG NRW) auf Dauer sicherzustellen.
Eine Biogasanlage kann auch
untergeordnete Nebenanlage sonstiger im Außenbereich zulässigerweise gemäß § 35
Abs. 1 BauGB errichteter Betriebe sein, z.B.
- eines Gartenbaubetriebes nach §
35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB,
- eines nach § 35 Abs. 1 Nr. 4
BauGB ausnahmsweise im Außenbereich privilegiert zulässigen Betriebes (z.B.
Landgasthof).
Die Biogasanlage kann im Einzelfall
gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB als selbständige Anlage oder gemäß § 35 Abs. 4
Nr. 1 BauGB im Wege der begünstigten Nutzungsänderung landwirtschaftlicher
Gebäudeteile zulässig sein.
Biogasanlagen sind im Außenbereich
nur zulässig, wenn ihnen öffentliche Belange nicht entgegenstehen und eine
ausreichende Erschließung gesichert ist.
3.2.1
Untergeordnete Nebenanlage
Eine dem landwirtschaftlichen Betrieb dienende Funktion einer
Biogasanlage im Sinne von § 35 Absatz 1 Nr. 1 BauGB ist gegeben, wenn weniger
als 50% der erzeugten Energie in das öffentliche Netz eingespeist wird. In die
Berechnung der erzeugten Energie sind Strom- und Wärmeerzeugung einzubeziehen,
jedoch nur mit den tatsächlich genutzten Anteilen. Nicht verbrauchte
Energieanteile (insbesondere der Wärmeanteile) bleiben unberücksichtigt. Der Betrieb des Antragstellers muss insgesamt noch als
landwirtschaftlicher Betrieb angesehen werden können; das Vorhaben muss durch
die Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt sein
(BVerwG, Urt. v. 03.11.1972 BauR 1973,101). Die Energiegewinnung muss gegenüber
der Landwirtschaft bodenrechtliche Nebensache bleiben (vgl. BVerwG BauR 1985,
545; DÖV 1999,32).
Da die Eigennutzung entscheidendes Kriterium ist, spielt die
Frage der Art und Herkunft des Ausgangsmaterials der Vergärung für die
bauplanungsrechtliche Beurteilung keine Rolle.
3.2.2
Mitgezogene Privilegierung bei landwirtschaftseigenen Einsatzstoffen
Eine sog. "mitgezogene Privilegierung" setzt voraus, dass das zur
Vergärung eingesetzte Material überwiegend (mindestens 51%) betriebseigenen
Ursprungs ist. Der Einsatz nicht-betriebseigener Stoffe landwirtschaftlichen
Ursprungs (z.B. Gülle, Rübenschnitzel, Kartoffelschlempe, sog. Ausputzgetreide)
bis zu einem Anteil von 49% steht einer Privilegierung nicht entgegen. Die dem
landwirtschaftlichen Betrieb dienende Funktion folgt aus dem Umstand, dass die
Gärrückstände im Sinne eines weitgehend geschlossenen Nährstoffkreislaufes auf
den landwirtschaftlich genutzten Flächen als Düngemittel verwertet werden.
Durch die Vorgänge wird der Düngewert erheblich verbessert (bessere
Fließfähigkeit, Reduzierung von Geruchs- und Ammoniakemissionen).
Die Zugabe nicht-betriebseigener Kofermente ohne
landwirtschaftlichen Ursprung (z.B. Speiseabfälle, Inhalte von Fettabscheidern
und Flotate) steht einer mitgezogenen Privilegierung
dann nicht entgegen, wenn
- sie in einer unbedeutenden Menge
erfolgt (vgl. VG Arnsberg, Beschl. vom 04.12.1998 - 4 L 1898/98 - NVwZ-RR 2000,
12 ff),
- ein vernünftiger Landwirt unter
Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs dieses
Vorhaben mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden
Betrieb errichten würde (vgl. BVerwG, DVBl. 1973, 643) und
- die aus der Vergärung dieses Anteils resultierenden Einkünfte nicht überwiegend zum Einkommen des Landwirtes beitragen.
3.2.3
Selbständige Anlage
Eine Biogasanlage kann im Einzelfall als selbständige Anlage im
Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zulässig sein. Erforderlich ist, dass
das betreffende Vorhaben nach Lage der Dinge notwendigerweise im Außenbereich auszuführen ist, d.h. wenn das
Vorhaben wegen der erwarteten nachteiligen Wirkung auf die Umgebung auf einen
Standort im Außenbereich angewiesen ist. Immissionskonflikte, die ihre
Ursache im Kundenverkehr haben, sind dem Vorhaben zuzurechnen (vgl. BVerwG
Beschl. v. 20.04.2000 – 4 B 25.00), also auch die
Transporte von Gülle und anderen Einsatzstoffen landwirtschaftlichen Ursprungs,
die in anderen Bereichen zu unzumutbaren Lärm- oder Geruchsbeeinträchtigungen
führen.
3.2.4
Sonstiges Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB
Eine Biogasanlage kann als sonstiges Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB im
Außenbereich im Einzelfall zulässig sein, wenn hierdurch öffentliche Belange
nicht beeinträchtigt werden und die Erschließung gesichert ist.
3.2.5
Nutzungsänderung
Die Änderung landwirtschaftlich genutzter baulicher Anlagen in eine
gewerbliche Nutzung (sofern die Biogasanlage nicht die unter den Nrn. 3.2.1 und
3.2.2 genannten Voraussetzungen erfüllt), ist unter den Voraussetzungen des §
35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB im Einzelfall möglich, z.B. wenn der Landwirt
einen Güllebehälter oder eine ähnliche Lagervorrichtung zur Nutzung der
Gaserzeugung umbaut und den energieerzeugenden Teil der Biogasanlage im Wege
der Umnutzung in einem vorhandenen Gebäude, beispielsweise einer sonst nicht
mehr benötigten Scheune, betreibt.