Geltende Erlasse (SMBl. NRW.)  mit Stand vom 17.4.2024


Forstlicher Wegebau im Wald

 

Forstlicher Wegebau im Wald

Forstlicher Wegebau im Wald

Runderlass
des Ministeriums für Landwirtschaft und Verbraucherschutz
III.2 – 63.07.04-001002

Vom 23. Mai 2023

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Zweck, Rechtsgrundlagen

Zur Erfüllung wesentlicher Waldfunktionen, der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung und Pflege der Wälder sowie zur Erfüllung von Aufgaben des Waldschutzes und der Gefahrenabwehr ist die dauerhafte und naturschonende Erschließung des Waldes notwendig. Die nachstehenden Regelungen sollen in allen Besitzarten eine angemessene und ausreichende Berücksichtigung der Belange des Natur-, Wasser- und Denkmalschutzes beim Waldwegebau sicherstellen. Die durch den Klimawandel in Anzahl und Intensität zunehmenden Wetterextreme stellen die ländliche Infrastruktur, zu der auch Waldwege gehören, vor neue Herausforderungen. Der Aus- und Neubau nach anerkannten Regeln des ländlichen Waldwegebaus kann Schäden durch Witterungsextreme, wie Starkregenereignisse, an der Wegeinfrastruktur mindern.

Waldwege sind dem Wald gleichgestellte oder ihm dienende Flächen (siehe § 2 Bundeswaldgesetz). Als Waldwege gelten Forstwege und dazugehörende Anlagen (zum Beispiel Wendemöglichkeiten, Holzlagerplätze, Lagerstreifen, Brücken, Stützmauern) mit Ausnahme der Feinerschließung.

Beim Wegebau im Wald sind insbesondere die folgenden Normen in der jeweils geltenden Fassung zu beachten:

a) Bundeswaldgesetz vom 2. Mai 1975 (BGBl. I S. 1037),
b) Landesforstgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. April 1980 (GV. NRW. S. 546,
c) Bundes-Bodenschutzgesetz vom 17. März 1998 (BGBl. I S. 502),
d) Landesbodenschutzgesetz vom 9. Mai 2000 (GV. NRW. S. 439),
e) Bundesnaturschutzgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542),
f) Landesnaturschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juli 2000 (GV. NRW. S. 568),
g) Wasserhaushaltsgesetz vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585),
h) Landeswassergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juni 1995 (GV. NRW. S. 926),
i) Denkmalschutzgesetz vom 13. April 2022 (GV. NRW. S. 662).

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Forstrechtliche Zuständigkeiten, Anzeigepflicht

Gemäß § 1b Nummer 5 des Landesforstgesetzes gehört eine bedarfsgerechte Walderschließung unter größtmöglicher Schonung von Natur und Landschaft, Boden und Bestand zu den Kennzeichen einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft. Die Forstbehörden unterstützen die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer bei der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes und bieten ihnen im Rahmen des § 11 des Landesforstgesetzes Rat, Anleitung und tätige Mithilfe an.

Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW informiert und berät die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer im Rahmen von Rat und Anleitung kostenlos zu allgemeinen Fragestellungen rund um den Waldwegebau und die Fördermöglichkeiten.

Konkrete und maßnahmenbezogene Beratungen zu Waldwegebaumaßnahmen, die Begleitung der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer im Antrags- und Verwendungsnachweisverfahren, bei der Beschaffung und Durchführung der Wegebaumaßnahmen sind dem Bereich der tätigen Mithilfe zuzuordnen, die der Landesbetrieb Wald und Holz NRW nur auf Grundlage eines entgeltpflichtigen Vertrages über forstliche Betreuungsdienstleistungen erbringt.

Gemäß § 6b des Landesforstgesetzes sind forstwirtschaftliche Wegebaumaßnahmen dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW als zuständige Forstbehörde vor Beginn der Maßnahme anzuzeigen. Die Forstbehörde stellt dem anzeigenden Träger der Wegebaumaßnahme ein Formblatt zur Verfügung. Das Formblatt dient der Anzeige, der Schilderung des konkreten Verfahrensablaufes und der Dokumentation. Die Anzeigepflicht umfasst den Wegeneubau, den Wegeausbau und die Wegeinstandsetzung. Für Unterhaltungsmaßnahmen besteht keine Anzeigepflicht. Die Forstbehörde prüft, ob die geplanten Waldwegebaumaßnahmen eine konkrete Gefahr für den Wald, die Waldfunktionen oder die dem Wald und seinen Funktionen dienenden Einrichtungen darstellen. Wird eine forstbezogene Gefahr festgestellt, ergehen Auflagen oder sogar ein Untersagungsbescheid der Forstbehörde auf der Grundlage von § 52 Absatz 1 des Landesforstgesetzes in Verbindung mit § 14 Absatz 1 des Ordnungsbehördengesetzes.

Werden Planungen über Wegebaumaßnahmen vorgelegt, die Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege (insbesondere Eingriffsregelung, Waldwegebau in Schutzgebieten oder in gesetzlich geschützten Biotopen, Artenschutz) betreffen, unterrichtet die Forstbehörde die zuständige untere Naturschutzbehörde frühzeitig. Die Forstbehörde wirkt darauf hin, dass der Vorhabenträger die für die naturschutzfachliche und -rechtliche Beurteilung erforderlichen Unterlagen und Pläne zur Verfügung stellt und beteiligt die zuständige Naturschutzbehörde bereits vor der Detailplanung.

Betrifft die angezeigte Wegebaumaßnahme auch Belange des Wasserhaushalts oder des Denkmalschutzes, informiert die Forstbehörde den Vorhabenträger über die notwendigen weiteren Genehmigungs- und Anzeigeverfahren.

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Allgemeine Anforderungen an den Wegebau im Wald

Bereits bei der Planung von Linienführung und Bauweise sowie bei der späteren Bauausführung ist darauf zu achten, dass alle Funktionen des Waldes ausreichend berücksichtigt und nachteilige Auswirkungen auf den Naturhaushalt, das Landschaftsbild sowie die Erholungsfunktionen weitgehend vermieden werden. Vor allem in Wäldern mit ausgewiesener Erholungsfunktion (Stufe 1 und 2) ist die Nutzung durch Erholungssuchende zu berücksichtigen.

Nach den §§ 31 und 32 des Landesforstgesetzes muss der Waldwegebau im Staats- und Kommunalwald besonders naturschonend erfolgen. Waldwege sollen möglichst eine Zerschneidung von Flächen mit hoher ökologischer Bedeutung vermeiden. Bei notwendiger Querung von Bächen sind die Uferbereiche weitestgehend zu schonen und die Durchgänge für Wasserorganismen passierbar zu gestalten. Waldwege sollen nach Möglichkeit nicht auf folgenden Flächen angelegt werden:

a) Bereiche mit seltenen und beispielhaften geomorphologischen Formen (zum Beispiel besonderen Felsbildungen, Karst- und Eiszeitformen, landschaftsprägenden Schluchten, besonders exponierte Steilhänge, Kalktuffbereiche, Bereiche mit besonderer Erholungsfunktion nach§ 50 des Landesforstgesetzes) sowie
b) besonders erosionsgefährdete Flächen.

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Begriffsbestimmungen

Neubau:
Erstmalige Anlage eines Fahrweges. Dem Neubau geht eine Projektierung auf ganzer Länge voraus.

Ausbau:
Anpassung bisher nicht oder nicht ausreichend befestigter Waldwege an den Mindeststandard. Wegeaus- und Wegeneubau müssen im Ergebnis die Mindestanforderungen erfüllen.

Grundinstandsetzung:
Von einer Grundinstandsetzung kann dann ausgegangen werden, wenn ein vormals den Mindestanforderungen genügender Weg eine schadhafte Tragschicht aufweist (wie Verdrückungen, Ausspülungen) und wenn durch die Instandsetzung die Wiederherstellung der Tragschicht durch Ergänzung oder Einbau einer neuen Schottertragschicht aus korngestuften Gemischen mindestens der Lieferkörnung 0/32 erfolgt. Die Mindestmenge von 300 Tonnen Wegebaumaterial je Kilometer dient hierzu als Richtwert.

Unterhaltung/Pflege:
Periodisch wiederkehrende Maßnahmen zur Wegepflege und -unterhaltung aufgrund normalen Verschleißes. Hierzu gehört auch die Unterhaltung der Wasserführung, der Böschungen und des Lichtraumprofils.

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Technische Anforderungen an den Waldwegebau

Ziel ist die Verbesserung der forstwirtschaftlichen Infrastruktur, um unzureichend erschlossene Waldgebiete für eine nachhaltige Bewirtschaftung, zur Prävention sowie Bewältigung von Schadereignissen, für Rettungsfahrzeuge und für die Erholung suchende Bevölkerung zugänglich zu machen.

5.1
Erschließungsdichte

Die Erschließungsdichte richtet sich nach den forstwirtschaftlichen Erfordernissen unter Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie gegebenenfalls sonstiger Belange. Daraus ergibt sich in Nordrhein-Westfalen derzeit eine durchschnittliche Wegedichte der Fahrwege von 40 laufenden Metern pro Hektar. Wälder sollen nur in dem Maße neu erschlossen werden, wie es für eine ordnungsgemäße Waldbewirtschaftung, insbesondere für die geregelte Holzbringung, die Bestandespflege, den Aufbau zukunftsfähiger Wälder einschließlich des klimabedingten Waldumbaus, den Schutz des Bodens und die Erhaltung der Schutz- und Erholungsfunktion sowie der Waldbrandvorsorge des Waldes erforderlich ist.

Die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer aller Waldbesitzarten sind im Rahmen von Rat und Anleitung dahingehend zu beraten, vor jeder Neubauplanung zunächst den Ausbau bereits vorhandener Erschließungsanlagen zu prüfen. Im landeseigenen Wald sind alle gängigen und wirtschaftlich vertretbaren Bringungsmöglichkeiten zu berücksichtigen und grundsätzlich vorab zu prüfen.

Die nachfolgenden Anforderungen an die Wegegestaltung (Nummer 5.2) und die Bauausführung sowie die Mindestanforderungen an den Waldwegebau (Nummer 5.3) sind verpflichtend für den landeseigenen Wald, Voraussetzung für die Bewilligung von Zuwendungen und Gegenstand der forstbehördlichen Überwachung. Sie haben empfehlenden Charakter für den Privat- und Körperschaftswald.

5.2
Wegegestaltung

Waldwege sind landschaftsgerecht zu gestalten. Auf die besonderen Eigenarten der jeweiligen Umgebung ist Rücksicht zu nehmen. Die Trassen der Waldwege sind an die örtlichen Gegebenheiten anzupassen. Abgrabungen und Aufschüttungen sind auf ein notwendiges Mindestmaß zu beschränken. In einem Wald mit besonderer Erholungsfunktion sind zusätzlich landschaftsästhetische Gesichtspunkte zu berücksichtigen.

Bei der Wegeführung sind auch die Erholungsbedürfnisse der Bevölkerung zu beachten. Die Trassenführung ist so zu wählen, dass übermäßige Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft durch den zu erwartenden Erholungsverkehr vermieden werden. Durch Baumaßnahmen unterbrochene Wanderwege und Reitwege sollen unverzüglich wieder verbunden werden. Markierungen sind gegebenenfalls zu ergänzen.

Die Trassen- und Aufhiebsbreite ist auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. LKW-befahrbare Waldwege (Regelfahrbahnbreite 3,50 Meter, Regelkronenbreite 4,50 Meter) sind grundsätzlich einspurig mit Ausweichen für den Gegenverkehr anzulegen. Lagerstreifen entlang der Waldwege sollen nicht durchgängig, sondern nur an den erforderlichen Stellen eingerichtet und im Zuge von Großschadensereignissen ergänzt werden.

Der Wegekörper ist in der Regel aus standortangepassten und den örtlichen geologischen Verhältnissen entsprechenden Materialien herzustellen. Außerhalb von Schutzgebieten (Naturschutz- und festgesetzte Wasserschutzgebiete) können für Tragschichten und Untergrundverbesserungen qualitätsgesicherte und güteüberwachte Recyclingbaustoffe und andere geeignete mineralische Ersatzbaustoffe verwendet werden.

Eine Absenkung des Grundwassers durch Waldwegebaumaßnahmen wie auch ein Anschneiden grundwasserführender Schichten und von Quellhorizonten ist zu vermeiden. Bei Verdacht ist eine wasserrechtliche Gestattung durch die Untere Wasserbehörde erforderlich. Die Ableitung des Oberflächenwassers von Wegen soll möglichst flächig auf dem kürzesten Weg und unter Förderung der Wasserretention im Wald erfolgen. Für Hangwasser an Böschungen und Einschnitten sind ausreichende Wasserdurchlässe vorzusehen.

Maßnahmen zur Steigerung des Wasserrückhaltes entlang von Waldwegen wirken insbesondere bei sommerlichen Starkniederschlägen und ausgetrockneten Böden zur Scheitelabminderung von Hochwasserereignissen und dienen gleichzeitig der Verbesserung der Wasserversorgung der Wälder sowie der Grundwasserneubildung. Kleinrückhalte durch die Nutzung von vorhandenen Landschaftselementen, künstliche Flutmulden (zum Beispiel terrassenförmige Flutmulden ab 5 Qubikmeter, Rigolen mit vorgelagerten Sedimentierbecken) sowie in kurzen Abständen erfolgende Abschläge in die angrenzenden Waldflächen bilden effektive Maßnahmen zum dezentralen technischen Hochwasserrückhalt.

Böschungen sind in Neigungswinkel und Ausformung möglichst landschaftsangepasst zu gestalten. Bei Geländeanschnitten soll, soweit der Erosionsschutz oder andere Belange nicht entgegenstehen, der angeschnittene Boden grundsätzlich nicht begrünt werden, sondern natürlicher Sukzession überlassen bleiben.

Die durch den Trassenaufhieb geschaffenen Waldränder sollen zur Anlage von Waldmantelgesellschaften mit ausreichendem Strauch- und Kräutersaum genutzt werden. Überschüssiger Aushub ist landschaftsschonend einzubringen. Schüttungen in Hanglagen sollen möglichst vermieden werden.

5.3
Bauausführung, Mindestanforderungen an den Waldwegebau

Die Arbeitstrasse ist auf das für den Waldwegebau unbedingt erforderliche Maß zu beschränken.

Baumaschinen sind möglichst boden- und landschaftsschonend einzusetzen.

Angrenzende ökologisch wertvolle Bereiche sind während der Bauzeit durch geeignete Maßnahmen zu schützen. Durch die Baumaßnahmen unmittelbar betroffene Bestände besonders geschützter Pflanzenarten sind zu sichern.

Die mit der Ausführung der Bauarbeiten betrauten Personen sind vom Vorhabenträger vor Ort über die Maßnahmen zum Schutz von Natur und Landschaft zu informieren und auf die Einhaltung der vorstehenden Bestimmungen hinzuweisen.

Die Forstbehörde wirkt durch geeignete Maßnahmen darauf hin, dass der Vorhabenträger bei der Planung und Ausführung der Wegebauvorhaben die anerkannten Regeln des forstlichen Wegebaus beachtet und anwendet, insbesondere die Richtlinien für den ländlichen Wegebau der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. – DWA Regelwerk, Arbeitsblatt DWA-A 904 –.

Die Richtlinien für den ländlichen Wegebau (Arbeitsblatt DWA-A 904) können unter anderem über die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V., Theodor-Heuss-Allee 17 in 53773 Hennef (Telefon: 02242 872-333, E-Mail: info@dwa.de, Internet: www.dwa.de) bezogen werden.

Die Forstbehörde wirkt insbesondere bei Wegeneubauten darauf hin, dass sich der Vorhabenträger fachliche Unterstützung durch Sachverständige, Ingenieur- oder Planungsbüros, zum Beispiel für Baugrunduntersuchung, Bauplanung, Bauüberwachung und Tragfähigkeitsnachweisen sowie zur Einhaltung rechtlicher und fachlicher Anforderungen einholt und weist auf die Förderfähigkeit dieser Unterstützung hin.

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Anforderungen des Naturschutz-, Wasser-, und Denkmalrechts beim Wegebau im Wald

6.1
Anforderung in Schutzgebieten und gesetzlich geschützten Biotopen

Der Neu- oder Ausbau von Waldwegen in Schutzgebieten (insbesondere Nationalparken, Nationalen Naturmonumenten, Naturschutzgebieten, Natura 2000-Gebieten, Naturdenkmälern und Naturwaldzellen sowie gesetzlich geschützten Biotopen) nach Maßgabe des Forst-, Boden- oder Naturschutzrechtes ist möglichst gänzlich zu vermeiden, denn hier greift im Regelfall ein Bauverbot.

Inwieweit Grundinstandsetzungen und Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen von Wegen verboten sind, hängt von der jeweiligen Schutzgebietsausweisung sowie vom Grad der Beeinträchtigungsintensität ab. Um Ausnahme- oder Befreiungsverfahren zu vermeiden, sind Maßnahmen unter Berücksichtigung der jeweiligen Schutzgebietsausweisung möglichst so zu gestalten, dass sie den Bestimmungen der Schutzgebietsausweisung nicht entgegenstehen.

Zuständig für die Prüfung der Vereinbarkeit mit Schutzgebietsausweisungen beziehungsweise für die Durchführung eines Befreiungsverfahrens nach § 67 des Bundesnaturschutzgesetzes ist gemäß § 75 Absatz 1 des Landesnaturschutzgesetzes die untere Naturschutzbehörde.

6.2
Anforderung von Natura 2000

Der Neu- und Ausbau von Waldwegen sowie die Grundinstandsetzung von Waldwegen innerhalb von Natura 2000-Gebieten (FFH- und Vogelschutzgebiete) können zu einer „erheblichen Beeinträchtigung“ nach § 34 des Bundesnaturschutzgesetzes führen. Es bedarf daher einer FFH-Vorprüfung (Screening, FFH-Verträglichkeitsprüfung – FFH-VP - Stufe I), mit der eine überschlägige Prognose unter Berücksichtigung möglicher Summationseffekte erfolgt, erhebliche Beeinträchtigungen eines Natura 2000-Gebietes ernsthaft in Betracht kommen beziehungsweise ob sich erhebliche Beeinträchtigungen offensichtlich ausschließen lassen. Dies gilt auch für Wegebaumaßnahmen außerhalb von Natura 2000-Gebieten, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie in benachbarte Natura 2000-Gebiete hineinwirken.

Bei Maßnahmen zur Unterhaltung und Pflege von Wegen innerhalb von Natura 2000-Gebieten ist im Einzelfall eine FFH-Vorprüfung vorzunehmen (abhängig vom räumlichen Standort, Durchführungszeitpunkt und Dauer sowie der Art und Weise der konkreten Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen).

Dient die Wegebaumaßnahme nicht unmittelbar der Verwaltung des Natura 2000-Gebietes und kann eine erhebliche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele in Natura 2000-Gebieten einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten nicht ausgeschlossen werden, bedarf es einer vertiefenden Prüfung der Erheblichkeit (FFH-VP Stufe II). Kommt diese vertiefende FFH-Verträglichkeitsprüfung zu dem Ergebnis, dass die geplante Wegebaumaßnahme zu erheblichen Beeinträchtigungen des Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist sie unzulässig. Sie kann nur im Wege einer FFH-Ausnahme (FFH-VP Stufe III) nach § 34 Absatz 3 des Bundesnaturschutzgesetzes in Verbindung mit § 53 des Landesnaturschutzgesetzes bei Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen (zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses, Alternativlosigkeit, Vorsehen von Kohärenzsicherungsmaßnahmen) zugelassen werden.

Der Vorhabenträger kann bei der Erstellung der Natura 2000-Vorprüfung wie auch bei einer gegebenenfalls notwendig werdenden vertiefenden Prüfung der Erheblichkeit (FFH-VP Stufe II) durch den Landesbetrieb Wald und Holz NRW auf Grundlage einer entgeltpflichtigen Betreuungsdienstleistung unterstützt werden.

Zuständig für die Prüfung der Verträglichkeit sowie für eine etwaige Ausnahmeerteilung ist die Forstbehörde, die im Benehmen mit der Naturschutzbehörde entscheidet, siehe § 53 Absatz 2 Satz 1 des Landesnaturschutzgesetzes.

6.3
Anforderungen des Artenschutzes

Die Zugriffs- und Störungsverbote nach § 44 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes sind auch beim Waldwegebau zu beachten. Näheres ist den Ausführungen des Leitfadens „Artenschutz bei forstrechtlichen Genehmigungs- und Anzeigeverfahren in Nordrhein-Westfalen“ in der jeweils aktuellen Fassung (zuletzt 20. Mai 2020) zu entnehmen (https://www.wald-und-holz.nrw.de/fileadmin/Naturschutz/Dokumente/2020_05_Leitfaden_Artenschutz_mit_Anlagen.pdf).

Soweit es sich bei Wegebauvorhaben um zugelassene, unvermeidbare Eingriffe im Sinn des § 15 des Bundesnaturschutzgesetzes handelt, gelten die Zugriffsverbote nur für Tier- und Pflanzenarten nach Anhang IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG) und die europäischen Vogelarten (siehe § 44 Absatz 5 Satz 5 des Bundesnaturschutzgesetzes).

Ausnahmen von den Verboten können unter den Voraussetzungen des § 45 Absatz 7 des Bundesnaturschutzgesetzes von der nach § 2 Absatz 4 des Landesnaturschutzgesetzes zuständigen Naturschutzbehörde zugelassen werden.

Finden Unterhaltung, Instandsetzung und Rückbau von Wegen zwischen dem 1. November und 28. Februar ohne die Beeinträchtigung von Horst- oder Höhlenbäumen statt, kann grundsätzlich ohne weitere Prüfung davon ausgegangen werden, dass artenschutzrechtliche Konflikte vermieden werden. Diese Vermutung gilt allerdings nicht für den Wegeneubau und auch nicht für Vorkommen insbesondere von Schwarzstorch, Haselhuhn, Gelbbauchunke und Frauenschuh.

6.4
Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Kompensation

Nach § 14 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes sind Eingriffe in Natur und Landschaft Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbilds erheblich beeinträchtigen können.

Gemäß § 30 Absatz 1 Nummer 2 des Landesnaturschutzgesetzes gelten als Eingriff in Natur- und Landschaft insbesondere
a) Aufschüttungen und Abgrabungen ab 2 Meter Höhe oder Tiefe auf einer Grundfläche von mehr als 400 Quadratmetern und
b) die Errichtung oder wesentliche Änderung von versiegelten forstwirtschaftlichen Wirtschaftswegen.

Somit gelten der Neubau (Errichtung) und die Grundinstandsetzung von Waldwegen mit wassergebundenen Decken im Rahmen der notwendigen Erschließungsdichte nach Nummer 5.1 im Regelfall nicht als Eingriff.

Wesentliche Änderungen von Waldwegen mit höherer Ausbauart beziehungsweise Ausbaubreite und Änderungen der Linienführung oder der Ausbau von Wegen mit anderen als wassergebundenen Decken (beispielsweise Beton oder Asphalt) gelten als Eingriff in Natur und Landschaft.

Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen im Sinn der Eingriffsregelung sind Maßnahmen ohne Änderung der Ausbauart und –breite sowie der Linienführung. Sie dienen der Substanzerhaltung und der Erhaltung des Gebrauchswertes des Weges, indem zum Beispiel vorhandene Schadstellen in der Wegedecke beseitigt werden, der Entstehung von Schäden vorgebeugt oder einer Ausbreitung von beginnenden Schäden begegnet wird. Auch die Räumung von Gräben und Durchlässen, das regelmäßige Freihalten der Bankette von Bewuchs durch Mähen oder Mulchen sowie das Freischneiden des Lichtraumprofils zählen zu den Unterhaltungsmaßnahmen. Diese Maßnahmen gehören zur ordnungsgemäßen Forstwirtschaft und stehen im Regelfall nicht im Widerspruch zu den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege und sind somit nicht als naturschutzrechtlicher Eingriff anzusehen (§ 14 Absatz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes).

Verursacher eines Eingriffes sind verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen, unvermeidbare Beeinträchtigungen sind auf ein Mindestmaß zu beschränken sowie auszugleichen oder zu ersetzen (§ 15 Absatz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes). Für unvermeidbare Eingriffe sind die Regelungen zur Kompensation in den §§ 15 und 16 des Bundesnaturschutzgesetzes und §§ 31 bis 34 des Landesnaturschutzgesetzes zu beachten.

Stellt das konkrete Waldwegebauvorhaben einen naturschutzrechtlichen Eingriff in Natur und Landschaft dar, ist folgendes Rechtsfolgensystem zu beachten:
a) Vermeidungs-/Minimierungsgrundsatz (§ 15 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes)
b) Kompensationspflicht (§ 15 Absatz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes)
c) Abwägung (§ 15 Absatz 5 des Bundesnaturschutzgesetzes) und gegebenenfalls Festsetzung einer Ersatzzahlung (§ 15 Absatz 6 des Bundesnaturschutzgesetzes), soweit keine Realkompensation möglich ist.

6.5
Anforderung des Wasserschutzes

Bei Maßnahmen zum Waldwegeneu- oder -ausbau beteiligt die Forstbehörde die Wasserbehörde und informiert den Vorhabenträger über gegebenenfalls weitere einzuholende Genehmigungen. Beim Wegebau neu zu errichtende oder wesentlich zu verändernde Anlagen in und am Gewässer (wie Durchlässe, Brücken, Furten, Retentionsflächen) bedürfen nach § 22 des Landeswassergesetzes der Genehmigung durch die zuständige Wasserbehörde. Bei der Planung solcher Anlagen ist die "Richtlinie für die Entwicklung naturnaher Fließgewässer in Nordrhein-Westfalen – Ausbau und Unterhaltung" vom 18. März 2010 (MBl. NRW. S. 203.) zu beachten.

6.6
Anforderung des Denkmalschutzes

Bei allen anzeigepflichtigen Waldwegebaumaßnahmen wird durch die Beteiligung der Unteren Denkmalbehörden und der Landschaftsverbände geprüft, ob von dem Vorhaben kulturhistorisch bedeutsame Bodendenkmäler betroffen sind. Die Forstbehörde informiert den Vorhabenträger über weitere Genehmigungs- und Anzeigeverfahren.

7
Informationen zu Waldwegen

Die Forstbehörde erhebt für hoheitliche Zwecke periodisch anonymisierte Informationen zu Lage, Art und Zustand von Waldwegen, speichert diese in digitaler Form, stellt sie für Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettungsdiensten und Polizei zur Verfügung und veröffentlicht sie auf dem Portal waldinfo.nrw.de.

8
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieser Runderlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.

Zeitgleich tritt der Runderlass „Leitbild für den nachhaltsgerechten forstlichen Wegebau in Nordrhein-Westfalen“ vom 1. September 1999 (MBl. NRW. S. 1325) außer Kraft.

MBl. NRW. 2023 S. 676.


Anlagen: