Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Aufgehoben durch RdErl. v. 19.8.2015 (MBl. NRW. 2015 S. 541).

 


Historisch: Benutzung von Kinderrückhalteeinrichtungen RdErl. d. Ministeriums für Stadtentwicklung und Verkehr - III C 2 - 22 - 21/01- (am 1.1.2003: MVEL) v. 15.3.1993

 

Historisch:

Benutzung von Kinderrückhalteeinrichtungen RdErl. d. Ministeriums für Stadtentwicklung und Verkehr - III C 2 - 22 - 21/01- (am 1.1.2003: MVEL) v. 15.3.1993

Benutzung von Kinderrückhalteeinrichtungen
RdErl. d. Ministeriums für Stadtentwicklung und Verkehr
- III C 2 - 22 - 21/01- (am 1.1.2003: MVEL)
v. 15.3.1993

Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr, die kleiner als 150 cm sind, dürfen in Kraftfahrzeugen auf Sitzen, für die Sicherheitsgurte vorgeschrieben sind, nur mitgenommen werden, wenn Kinderrückhalteeinrichtungen benutzt werden, die amtlich genehmigt und für das Kind geeignet sind. Zur Anwendung dieser Vorschrift wird auf folgendes hingewiesen:

1

Die Benutzung von Kinderrückhalteeinrichtungen ist abschließend im § 21 Abs. l a StVO geregelt. Zur Auslegung ist von folgendem auszugehen:

1.1

Kraftfahrzeuge sind alle maschinell angetriebenen, nicht an Gleise gebundenen Fahrzeuge (z.B. Pkw, Omnibusse, Wohnmobile).

1.2

Sitze, für die Sicherheitsgurte (in der Regel Zwei- und Dreipunktgurte) vorgeschrieben sind, bestimmen sich nach § 35 a StVZO. Nicht erfasst werden dagegen durch Verwaltungsentscheidung vorgeschriebene Sicherheitsgurte oder „Haltegurte" (z.B. durch Auflage bei einzelnen Fahrgastsitzen in 100 km/h-Omnibussen).

1.3

Amtlich genehmigt sind Kinderrückhalteeinrichtungen, die entsprechend der ECE-Regelung Nr. 44 (BGB1. II 1984 S. 746 mit weiteren Änderungen und Ergänzungen, zuletzt vom 20. 02. 2002) gebaut, geprüft, genehmigt und mit dem nach ECE-Regelung Nr. 44 vorgeschriebenen Genehmigungszeichen gekennzeichnet sind. Seit 1. 1. 1989 dürfen Kinderrückhalteeinrichtungen nur in amtlich genehmigter Bauart in den Handel kommen (§ 22 a Abs. l Nr. 27 StVZO, § 72 Abs. 2 StVZO); als Prüfvorschrift für die Bauartgenehmigung ist die ECE-Regelung Nr. 44 festgeschrieben.

1.4

Geeignet sind Rückhalteeinrichtungen für Kinder, wenn sie im Einzelfall

- für den bestimmten Fahrzeugtyp (Genehmigungszeichen mit Angabe der Bezeichnung „universal" für die Verwendung in jedem Fahrzeugtyp; Angabe der Bezeichnung „nicht-universal" für die Verwendung in bestimmten Fahrzeugtypen oder für die Verwendung in einem einzigen Fahrzeugtyp; ergibt sich aus der Genehmigung in Verbindung mit der Anweisung des Herstellers)

- für den benutzten Sitz (Vordersitz, Rücksitz, usw.) und

- für das Kind (Gewichtsklasse des Kindes usw.)

zugelassen und entsprechend den Anweisungen des Herstellers angebracht werden.
 

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Die ECE-Regelung Nr. 44 unterteilt die Rückhalteeinrichtungen für Kinder in folgende fünf „Gewichtsklassen":

Klasse 0: Körpergewicht von weniger als 10 kg (Alter: bis ca. neun Monate)

Klasse 0+: Körpergewicht von weniger als 13 kg (Alter: bis ca. ein Jahr)

Klasse I: Körpergewicht von 9 kg bis 18 kg (Alter: bis ca. drei Jahre)

Klasse II: Körpergewicht von 15 kg bis 25 kg (Alter: ca. drei bis sechs Jahre)

Klasse III: Körpergewicht von 22 kg bis 36 kg (Alter: ca. sechs bis zwölf Jahre)

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Die ECE-Regelung Nr. 44 unterscheidet die Rückhalteeinrichtungen für Kinder nach verschiedenen Arten. Dies sind insbesondere

- Rückhalteeinrichtungen mit eigenen Befestigungseinrichtungen (der Sicherheitsgurt für Erwachsene wird nicht benötigt)

- Rückhalteeinrichtungen, welchen den Körper des Kindes unter Benutzung des Sicherheitsgurtes für Erwachsene umfassen

- Sitzkissen zum Höhenausgleich, welche zusammen mit dem Sicherheitsgurt für Erwachsene verwendet werden.

Angebot und Konstruktionen sind sehr vielschichtig. Bei der Klasse 0 gibt es vor allem die Babyschale bzw. gesicherte Kinderwagenoberteile, in der die Kinder liegend transportiert werden. Bei der Klasse I gibt es Systeme mit Vierpunktgurten, Fangkörpersystemen, Systeme unter Verwendung des Dreipunktgurtes des Kraftfahrzeugs und rückwärts gerichtete Systeme für den Beifahrersitz. Bei der Klasse II gibt es vor allem Sitze mit Fangkörpersystem sowie unterschiedlich konstruierte Sitzerhöhungen. Bei der Klasse III werden vor allem Sitzkissen zum Höhenausgleich mit einem Sicherheitsgurt für Erwachsene verwendet.

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Das Genehmigungszeichen nach der ECE-Regelung Nr. 44 muss deutlich lesbar, dauerhaft und verschleißfest an der Rückhalteeinrichtung angebracht sein.

5

Von der Sicherungspflicht für Kinder gelten kraft Verordnung folgende Ausnahmen:

5.1

Die Verpflichtung zur Sicherung von Kindern auf Rücksitzen in Taxen, soweit nicht eine regelmäßige Beförderung der Kinder gegeben ist (§ 21 Abs. la Satz 2 StVO), wird bis zum 31.12.2005 gemäß der 7. Ausnahmeverordnung zur StVO vom 17.12.1997 (BGBl. I S. 3196), zuletzt geändert durch Verordnung vom 18.11.2002 (BGBl. I S. 4414), auf die Verwendung von Rückhalteeinrichtungen der Gewichtsklassen I, II und IIII im Sinne der ECE-Regelung Nr. 44 (siehe Nr. 2 dieses Erlasses) beschränkt. Eine „regelmäßige Beförderung" liegt auch dann vor, wenn ein Taxiunternehmer Kinder regelmäßig befördert, aber für die Fahrten unterschiedliche Fahrzeuge einsetzt. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut der Vorschrift, der auf die regelmäßige Beförderung der Kinder, nicht aber auf den Einsatz der Fahrzeuge, abstellt. Außerdem ergibt es sich aus dem Sinn der Vorschrift, dass Taxen nur deshalb befristet ausgenommen wurden, weil sie nicht ständig eine ausreichende Zahl der unterschiedlichen Rückhalteeinrichtungen für Kinder mitführen können. Dagegen kann bei rechtzeitig geplanten Fahrten auch hier eine ausreichende Zahl geeigneter Rückhalteeinrichtungen für Kinder mitgeführt werden.

5.2

Kinder dürfen auf Rücksitzen ohne Sicherung durch Rückhalteeinrichtungen befördert werden, wenn wegen der Sicherung von anderen Personen für die Befestigung von Rückhalteeinrichtungen für Kinder keine Möglichkeit mehr besteht (§21 Abs. l a Satz 3 StVO). In der Regel sind auf den Rücksitzen drei Sicherungsmöglichkeiten (zwei Dreipunktgurte, ein Zweipunktgurt) vorhanden. § 21 Abs. l a Satz 3 StVO stellt klar, dass auch weitere Kinder auf dem Rücksitz mitgenommen werden können, wenn alle Befestigungsmöglichkeiten für Rückhalteeinrichtungen ausgenutzt sind. Voraussetzung ist jedoch, dass für das Kind ausreichend Platz zum Sitzen vorhanden ist.

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Fallgestaltungen und Lösungen

6.1

Sicherung von Kindern, wenn auf den Rücksitzen nur Beckengurte zur Verfügung stehen

In manchen Fahrzeugen stehen auf den Rücksitzen nur Beckengurte zur Verfügung. Bei bestimmten Sportwagen (z.B. Cabriolet) ist es u.U. aus Platzgründen nicht möglich, Kinderrückhalteeinrichtungen auf Rücksitzen zu verwenden. In den vorgenannten Fällen können die Kinder auf dem Beifahrersitz mit dem vorhandenen Dreipunktgurt und einer für Vordersitze geeigneten Rückhalteeinrichtung gesichert werden. Sofern außer dem Fahrer ein weiterer Erwachsener mitfährt und auf die herkömmliche Sitzaufteilung (zwei Erwachsene vorn) nicht verzichtet werden soll, besteht für das Kind keine rechtliche Verpflichtung, den Beckengurt zu benutzen. Die Benutzung wird jedoch dringend empfohlen. Auf die Ausnahmeregelung in Nr. 8 wird hingewiesen.

6.2

Sicherung von Kindern unter 150 cm Körpergröße mit einem Körpergewicht über 36 kg

Die ECE-Zulassung für Rückhalteeinrichtungen der Gruppe III beschränkt diese Systeme aus prüftechnischen Gründen auf ein Körpergewicht bis zu 36 kg. Nach Auskunft der Bundesanstalt für Straßenwesen sowie der staatlichen Materialprüfungsanstalt in Stuttgart ist die Eignung dieser Rückhalteeinrichtungen auch für Kinder mit einem Körpergewicht über 36 kg gegeben. Sie müssen daher verwendet werden. Wenn im Einzelfall der Körperumfang eines Kindes so groß ist, dass es in seinem System keinen Platz findet, muss leider auf die Benutzung einer Kinderrückhalteeinrichtung verzichtet werden. Andere mögliche Sicherungen sind zu nutzen, wenn sie für das Kind geeignet sind. Auf die Ausnahmeregelung in Nr. 8 wird hingewiesen.

6.3

Sicherung von Kindern unter 150 cm Körpergröße in Kraftfahrzeugen mit geeigneter Gurtgeometrie (der Schräggurt muss über das Schlüsselbein verlaufen, der Beckengurt über die Beckenknochen) für das Kind. Je nach Anbringung der Verankerungspunkte der Gurte in dem Kraftfahrzeug kann auch bei Kindern unter 150 cm Körpergröße mit dem Erwachsenengurt eine geeignete Gurtgeometrie erreicht werden. In diesen Fällen darf der Erwachsenengurt verwendet werden. Auf die Ausnahmeregelung in Nr. 8 wird hingewiesen.

6.4

Familien mit mehr als drei Kindern

Familien mit mehr als drei Kindern können Schwierigkeiten haben, ihr viertes Kind mitzunehmen. Für mehr als drei Kinder ist auf dem Rücksitz häufig kein Platz vorhanden, wenn auch das dritte Kind auf dem mittleren Sitz durch eine Rückhalteeinrichtung für Kinder gesichert ist Von der Verpflichtung der Sicherung auf dem mittleren Sitz darf abgesehen werden, um neben den beiden in Verbindung mit dem hinteren Dreipunktgurt gesicherten Kindern zwei weiteren Kindern der Familie die Möglichkeit zur Mitfahrt zu geben. Dies hat allerdings zur Folge, dass dann 2 Kinder ungesichert mitfahren und damit besonders gefährdet sind. Auf die Ausnahmeregelung in Nr. 8 wird hingewiesen.

6.5

Der Verordnungsgeber hat in seiner Entscheidung neben der Kindersicherheit (gleiche Sicherheit nicht nur für Erwachsene mit dem Erwachsenengurt, sondern auch für Kinder mit Rückhalteeinrichtung) auch die organisatorischen Probleme, aber auch die finanzielle Belastung, berücksichtigt. Insbesondere gilt dies für die gelegentliche oder nicht geplante Beförderung von Kindern (z.B. durch Großeltern, Nachbarn), bei der Benutzung von gemieteten Kraftfahrzeugen und bei der Beförderung durch Sportvereine, Kirchen, Kindergärten und ähnlichen Organisationen in Schulbussen. Hier wurde es für zumutbar angesehen, dass durch geeignete organisatorische Vorkehrungen sichergestellt wird, dass in ausreichender Zahl geeignete Rückhalteeinrichtungen für Kinder bereitstehen. So können Kinderrückhalteeinrichtungen für die Fahrt mitgegeben, an bestimmten Stellen deponiert (z.B. Turnhalle, Vereinsheim, im Kindergarten) oder ausgeliehen werden. In diesen Fällen liegt regelmäßig keine besondere Ausnahmesituation vor, da sie vom Verordnungsgeber beim Erlass bzw. bei der Zustimmung zur Verordnung hinreichend berücksichtigt wurden. Die gesetzliche Ausnahme nach § 21 Abs. la Satz 3 StVO gilt in diesen Fällen nicht.

6.6

Airbag und Rückhalteeinrichtungen für Kinder auf Vordersitzen

Rückwärts gerichtete Rückhalteeinrichtungen für Kinder auf Vordersitzen dürfen nicht benutzt werden, wenn auf der Beifahrerseite ein Airbag eingebaut ist. Sie sind mit einem entsprechenden Warnhinweis (Etikett) zu versehen.

6.7

Die Benutzung einer Kinderrückhalteeinrichtung kann zur Folge haben, dass der Kopf des Kindes über die Rückenlehne des Fahrzeugsitzes hinausragt. Auch in diesen Fällen ist die Kinderrückhalteeinrichtung zu benutzen. Kopfstützen können zwar das mit schmerzhaften Folgen verbundene „Kopfnicken" bei Auffahrunfällen dämpfen, im Gegensatz zu den Rückhalteeinrichtungen sind Kopfstützen aber nicht obligatorisch vorgeschrieben. Im Rahmen einer Interessenabwägung hat der Verordnungsgeber die Sicherung durch Rückhaltesysteme als zielführender und notwendiger erachtet.

6.8

Die Mitnahme von behinderten Kindern darf nur erfolgen, wenn eine besondere Rückhalteeinrichtung für Behinderte benutzt wird und in einer ärztlichen Bescheinigung, die auf den Namen des behinderten Kindes ausgestellt ist, bestätigt wird, dass anstelle einer bauartgenehmigten Rückhalteeinrichtung nach § 22 a Abs. l Nr. 27 StVZO nur eine besondere Rückhalteeinrichtung verwendet werden kann. Im übrigen wird auf die Dritte Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften vom 5. Juni 1990 (BGB1.1 S. 999), geändert durch Verordnung vom 22. Dezember 1992 (BGB1.1 S. 2480), verwiesen.

6.9

Sicherung von Kindern über 12 Jahren unter 150 cm Körpergröße

Kinder über 12 Jahren werden von der Vorschrift des § 21 Abs. la Satz l StVO nicht erfasst, auch wenn sie kleiner als 150 cm sind. Eine (freiwillige) Verwendung einer (Kinder)-Rückhalteeinrichtung der Klasse III (z.B. Sitzkissen zur Sitzerhöhung) wird empfohlen.

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Die Mitnahme von Kindern durch den Fahrzeugführer ohne Verwendung von Rückhalteeinrichtungen für Kinder stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. l Nr. 20 StVO dar. Bei der Ahndung ist nur auf den Tatbestand „Personenbeförderung entgegen...", nicht jedoch auf die Anzahl der verbotswidrig mitgenommenen Kinder abzustellen. Im Rahmen des Opportunitätsprinzips kann von der Erhebung eines Verwarnungsgeldes abgesehen werden, wenn der Fahrzeugführer ansonsten zum Ausschluss der Gefährdung des Kindes alles ihm Mögliche getan hat.

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Ausnahmen

Gem. § 46 Abs. 2 StVO wird hiermit in den Fällen 6.1 bis 6.4 die entsprechende Ausnahme - Befreiung von der Benutzung einer Kinderrückhalteeinrichtung -erteilt.

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Dieser Erlass ergeht im Einvernehmen mit dem Innenministerium.

MBl. NRW. 1993 S. 726, geändert durch RdErl. v. 15.3.1993 (MBl. NRW. 1994 S. 553).