Geltende Erlasse (SMBl. NRW.) mit Stand vom 6.12.2024
Aufgaben der Unfallkommission in Nordrhein-Westfalen Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums des Inneren 414-61.05.04 und des Ministeriums für Verkehr III B 3 58.91.16
Aufgaben der Unfallkommission in Nordrhein-Westfalen Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums des Inneren 414-61.05.04 und des Ministeriums für Verkehr III B 3 58.91.16
Aufgaben der Unfallkommission
in Nordrhein-Westfalen
Gemeinsamer
Runderlass
des
Ministeriums des Inneren
414-61.05.04
und des
Ministeriums für Verkehr
III B 3
58.91.16
Vom 10. Juni 2021
Der Erlass regelt auf Grundlage des Abschnitts zu § 44 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT 29.05.2017 B8) in der jeweils geltenden Fassung die Arbeit der Unfallkommission als eine gemeinsame Aufgabe von Straßenverkehrs-, Straßenbau- und Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen.
Inhaltsübersicht
1 Grundsätze
1.1 Allgemeines
1.2 Ziel der örtlichen Unfalluntersuchung
1.3 Zusammensetzung der Unfallkommission
1.4 Aufgaben der Unfallkommission
2 Identifizierung von Unfallhäufungsstellen und -linien durch die Polizei
3 Sonderuntersuchungen
4 Untersuchung der
Unfallhäufungsstellen und -linien sowie der Ergebnisse der Sonderuntersuchungen
4.1 Nähere Untersuchung des Unfallgeschehens
4.2 Berücksichtigung der Verkehrsbelastung im Rahmen der
1-Jahres-Unfallbetrachtung an plangleichen Knotenpunkten durch die
Straßenverkehrsbehörden
5
Sitzung der Unfallkommission
5.1 Arten von Unfallkommissionssitzungen
5.1.1
Anlassbezogene Unfallkommissionssitzung
5.1.2 Jahresunfallkommissionssitzung
5.1.3
Unfallkommissionssitzung zu den Sonderuntersuchungen
5.2 Einladung und Beratung
5.3 Maßnahmenfindung
5.4 Beschlussfassung
5.5 Protokoll
5.6 Öffentlichkeitsarbeit
6 Durchführung von Maßnahmen
7 Controlling
7.1 Controlling durch die Vorsitzende der Unfallkommission
7.2 Controlling durch die Bezirksregierung
8 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Anlagen:
1 Organisation der Unfallkommission
2a Arbeitsablauf der anlassbezogenen Unfallkommission
2b Arbeitsablauf der Jahresunfallkommission
2c
Arbeitsablauf der Unfallkommission zu den Sonderuntersuchungen
3 Identifikation von Unfallhäufungsstellen und -linien
4 Unfalldatenliste zum Unfallmeldeblatt
5 Unfallmeldeblatt
6a Muster
Niederschrift Unfallkommissionssitzung
6b Meldung über den Vollzug von Maßnahmen
7 Vorher-/Nachher-Untersuchung
8 Meldung über Unfallhäufungsstellen und -linien
9 Begriffe, Definitionen
1 Grundsätze
1.1
Allgemeines
Die Reduzierung von Verkehrsunfällen und Minderung der Folgen sowie regelmäßige
Verkehrsunfalluntersuchungen sind die vornehmsten gemeinsamen Aufgaben der
Straßenverkehrs-, Straßenbau- und Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen.
Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) zu § 44 Absatz 1 sind hierzu Unfallkommissionen einzurichten. Zur Sicherstellung der Qualität der Unfallkommissionsarbeit bietet die Landesregierung allen Mitgliedern der Unfallkommission Qualifizierungsseminare an. Die betreffenden Behörden haben dafür Sorge zu tragen, dass den Mitgliedern eine Teilnahme an den Seminaren ermöglicht wird.
Dieser Erlass, die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367) in der jeweils geltenden Fassung und die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 22. Mai 2017 (BAnz AT 29.05.2017 B8) in der jeweils geltenden Fassung bilden die Grundlagen der Unfallkommissionsarbeit. Zur Unterstützung sind Veröffentlichungen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) in der jeweils geltenden Fassung heranzuziehen, die sich mit Fragen der Verkehrssicherheit befassen. Dies gilt insbesondere für das Merkblatt zur Örtlichen Unfalluntersuchung in Unfallkommissionen (M Uko) und den Maßnahmenkatalog gegen Unfallhäufungen (MaKaU). Bei abweichenden Aussagen haben die Regelungen dieses Erlasses Vorrang.
1.2
Ziel der örtlichen Unfalluntersuchung
Ziel der örtlichen Unfalluntersuchung ist die Erhöhung der Verkehrssicherheit
und damit die Reduzierung von Straßenverkehrsunfällen und Minderung der Folgen.
Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Unfällen mit schwerem Personenschaden und
auf der frühzeitigen Erkennung negativer Unfallentwicklungen. Hierzu sind
regelmäßig ortsbezogene Auswertungen von Straßenverkehrsunfällen durchzuführen.
Mit ihrer Hilfe sollen Unfallhäufungsstellen und
-linien sowie andere auffällige Stellen und Strecken im Straßennetz frühzeitig
erkannt und Zusammenhänge zwischen dem Unfallgeschehen und baulichen und
beziehungsweise oder verkehrlichen Gegebenheiten des Unfallortes einschließlich
seiner Umgebung festgestellt werden.
Das Ergebnis der örtlichen Unfalluntersuchung dient den
a) Straßenverkehrsbehörden und örtlichen Ordnungsbehörden für verkehrsregelnde und verkehrslenkende Maßnahmen sowie für Maßnahmen der Verkehrsüberwachung,
b) Straßenbaubehörden für straßenbauliche Maßnahmen,
c) Polizeibehörden für Maßnahmen der Verkehrsüberwachung und Verkehrssicherheitsberatung.
Die beteiligten Behörden sind an die Beschlüsse der Unfallkommission gebunden und verpflichtet, für eine schnellstmögliche Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen innerhalb der gemeinsam festgelegten Fristen Sorge zu tragen.
1.3
Zusammensetzung der Unfallkommission
Die Einrichtung der Unfallkommissionen obliegt der nach Anlage 1 zuständigen
Straßenverkehrsbehörde, die gleichzeitig den Vorsitz wahrnimmt. Dabei wird in
Abhängigkeit der Straßenbaulast zwischen der örtlichen und überörtlichen
Unfallkommission unterschieden. Bei Einvernehmen können die Ordnungsbehörden
der Mittleren und Großen kreisangehörigen Städte
ihren Vorsitz an die Straßenverkehrsbehörde ihres Kreises abgeben.
Ständige Mitglieder sind die jeweiligen Straßenverkehrs-, Straßenbau- und Polizeibehörden. Die Vertreterinnen und Vertreter dieser Behörden müssen entscheidungsbefugt sein. Stimmberechtigt sind nur die für die jeweilige Unfallhäufungsstelle zuständigen Mitglieder. Die Vorsitzende ist nur stimmberechtigt, soweit sie dort auch Straßenverkehrsbehörde ist. Die Straßenverkehrsbehörde des Kreises und die Bezirksregierung sind zu jeder Unfallkommissionssitzung einzuladen, um die Beratung und den regelmäßigen Wissenstransfer zu gewährleisten. Falls erforderlich sind weitere Fachleute beratend einzubeziehen, wie zum Beispiel von Stadtplanungsämtern, Verkehrsbetrieben, Behindertenverbänden. Die Sitzungen sind nicht öffentlich.
1.4
Aufgaben der Unfallkommission
Die Unfallkommission hat die Verkehrsunfallentwicklung ständig zu beobachten,
das Verkehrsunfallgeschehen auszuwerten und Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit
zu beraten und zu beschließen. Hierzu gehören insbesondere:
a) die Identifizierung von Unfallhäufungsstellen und -linien,
b) die Durchführung von Sonderuntersuchungen,
c) die Analyse der Unfallhäufungsstellen und -linien sowie der unfallauffälligen Stellen und ‑linien der Sonderuntersuchungen,
d) der Beschluss von Maßnahmen zur Beseitigung der unfallbegünstigenden Faktoren,
e) die Kontrolle der Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen,
f) das Überprüfen der Wirksamkeit durchgeführter Maßnahmen (Vorher-/Nachher-Untersuchungen),
g) die Information der Öffentlichkeit und
h) die Zusammenstellung aktueller Unfallhäufungsstellen und -linien für ein überregionales Controlling.
Darüber hinaus wirkt sie bei der Festlegung von stationären Geschwindigkeitsmessstellen auf Grundlage der Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Ordnungsbehördengesetzes vom 4. September 1980 (MBl. NRW. S. 2114) in der jeweils geltenden Fassung mit.
Die Arbeitsabläufe der Unfallkommission sind in den Anlagen 2a, 2b und 2c dargestellt.
2
Identifizierung von Unfallhäufungsstellen und -linien durch die Polizei
Die Polizei legt unter Berücksichtigung der Grenzwerte der Anlage 3, Tabelle 1,
Unfallhäufungsstellen und -linien fest. Hiernach handelt es sich um eine Unfallhäufungsstelle
oder -linie, wenn in einem Zeitraum von längstens einem Kalenderjahr
(1-Jahres-Unfalltypenkarte) oder von längstens drei Kalenderjahren
(3-Jahres-Unfalltypenkarte) die Richtwerte erreicht oder überschritten werden.
Dabei ist das Unfallgeschehen fortlaufend, mindestens einmal monatlich, zu beobachten, um neue Unfallhäufungsstellen und -linien zeitnah zu erkennen und beseitigen zu können.
Zu
den Aufgaben der Polizei gehören:
a) die Erfassung und die Auswertung der Unfalldaten,
b) die Erstellung von Unfalltypenkarten,
aa) Gegenstand der 1-Jahres-Unfalltypenkarte sind alle Unfälle der Kategorie 1 – 4 und
bb) Inhalt der 3-Jahres-Unfalltypenkarte sind alle Unfälle der Kategorien 1 und 2 sowie alle Fußgänger- und Radfahrerunfälle der Kategorien 1 - 3.
c) die Identifizierung von Unfallhäufungsstellen und -linien gemäß Anlage 3, Tabelle 1,
d) die Erstellung von Unfalldatenlisten und Unfalldiagrammen für erkannte Unfallhäufungsstellen und -linien aus den vorliegenden elektronischen Daten für Verkehrsunfälle aller Kategorien, wobei die Unfalldatenlisten gemäß Muster Anlage 4 die für jede Unfallhäufungsstelle und -linie erforderlichen Informationen enthalten und
e) die Meldung der Unfallhäufungsstellen.
Die Polizei meldet bei Erreichen der Grenzwerte gemäß Anlage 3, Tabelle 1, die festgestellten Unfallhäufungsstellen und -linien unverzüglich der Vorsitzenden der zuständigen Unfallkommission gemäß Muster Anlage 5. Hierbei sind die zuvor aufgeführten Unterlagen einschließlich aller Verkehrsunfallanzeigen beizufügen. Jede Unfallhäufungsstelle und -linie erhält von der Polizei eine fortlaufende Nummer mit Angabe des Jahres, in dem der Grenzwert erstmalig erreicht wurde. Dabei ist zwischen 1-Jahres- und 3-Jahres-Unfallhäufungsstellen oder -linie zu unterscheiden, zum Beispiel 1/21 bzw. 1/19-21. Entscheidend für die Jahreszahl ist das Datum des die Grenzwerterreichung auslösenden Unfalls. Diese Nummer wird solange beibehalten, bis die Unfallhäufungsstelle oder -linie beseitigt ist, das heißt bis zum erfolgreichen Abschluss der Wirksamkeitsanalyse (Vorher-/Nachher-Untersuchung) und einem entsprechenden Beschluss der Unfallkommission nach Nummer 7.1. Solche Unfallhäufungsstellen und -linien, die nach der 3-Jahres-Betrachtung identifiziert wurden, müssen dann nicht behandelt werden, wenn die relevanten Unfälle bereits eine Identifizierung nach der 1-Jahresbetrachtung ausgelöst haben. Die Entscheidung hierüber wird einvernehmlich von der Unfallkommission getroffen.
Sollten sich weitere Unfälle ereignen, sind diese bis zur Beseitigung der Unfallhäufungsstelle oder -linie der Straßenverkehrsbehörde und der Straßenbaubehörde zeitnah nachzumelden und in den Datenlisten sowie Unfalldiagrammen zu ergänzen.
Bei Verkehrsunfällen im Bereich von Zuständigkeitsgrenzen sind die Kreispolizeibehörden verpflichtet, ihre Unfalldatensätze auszutauschen, damit diese Unfälle für die zuständigkeitsübergreifende Identifikation von Unfallhäufungsstellen und -linien zur Verfügung stehen.
3
Sonderuntersuchungen
Sonderuntersuchungen
beziehen sich auf besondere Unfallmerkmale auf Außerortsstraßen.
Sie dienen dazu, das Augenmerk auf Unfälle zu lenken, die in Verbindung mit
einem Sondermerkmal eine besondere Unfallauffälligkeit im Straßennetz zeigen
und von einer besonderen Unfallschwere geprägt sind.
Hierzu gehören die:
a) Sonderuntersuchung nach den Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume (ESAB),
b) Sonderuntersuchung nach dem Merkblatt zur Verbesserung der Straßeninfrastruktur für Motorradfahrende (MVMot),
c) Sonderuntersuchung Kurvenunfälle.
Die Betrachtung der Unfälle mit Sondermerkmalen setzt nicht voraus, dass die Grenzwerte zu einer Unfallhäufungsstelle oder -linie gemäß Anlage 3, Tabelle 1 erreicht oder überschritten werden.
Die Sonderuntersuchung nach ESAB und MVMot richtet sich nach den Regelwerken in der jeweils gültigen Fassung und den dort festgelegten Grenzwerten. Für die Sonderuntersuchung der Kurvenunfälle ist der Grenzwert von 3 Unfällen der Kategorie 1 - 3 auf 300 m in einem Kurvenbereich (UH Kurve ≥ 3UPS/3a x 300m) zugrunde zu legen.
Die Bezirksregierung ermittelt alle drei Jahre unter Berücksichtigung ganzer Kalenderjahre die auffälligen Stellen und Strecken der Unfälle mit Sondermerkmalen ihres Regierungsbezirkes und gleicht die Ergebnisse der einzelnen Sonderuntersuchungen untereinander ab.
Die zusammengefassten Ergebnisse der Auswertungen sind der Vorsitzenden der überörtlichen Unfallkommissionen unverzüglich zu übersenden. Die Vorsitzende gleicht diese Ergebnisse mit den Erkenntnissen der Unfallhäufungsstellen und -linien der ausgewerteten Jahre ab. Das Ergebnis des Abgleichs ist allen Unfallkommissionsmitgliedern und der Bezirksregierung mitzuteilen.
Die Unfallkommission beschließt auf dieser Grundlage und auf Grundlage eigener Erkenntnisse durch nähere Untersuchungen entsprechend der Nummer 4.1 einvernehmlich, welche dieser auffälligen Stellen und Strecken mit Sondermerkmalen weiter zu untersuchen sind. In jedem Fall sind die Bereiche zu untersuchen und zu beraten, die bisher nicht als Unfallhäufungsstellen oder -linien behandelt oder für die keine geeigneten Maßnahmen beschlossen wurden. Solche Bereiche aus den Sonderuntersuchungen, die nach dem Beschluss der Unfallkommission näher untersucht werden sollen, sind im weiteren Verfahren wie Unfallhäufungsstellen oder -linien zu behandeln. Dazu gehört die Vergabe einer Nummer, aus der der Anlass und der Untersuchungszeitraum erkennbar ist, sowie die Vorher-/Nachher-Untersuchung.
4
Untersuchung der Unfallhäufungsstellen und -linien sowie der Ergebnisse der
Sonderuntersuchungen
4.1
Nähere Untersuchung des Unfallgeschehens
Ziel der näheren Untersuchung ist es, die Defizite im Verkehrsraum und seiner
Nebenanlagen zu erkennen und die kausalen Zusammenhänge zum Unfallgeschehen
herzustellen, also die unfallbegünstigenden Faktoren zu identifizieren.
Die Vorsitzende der Unfallkommission hat die Meldung der Unfallhäufungsstellen
und -linien sowie die Meldung unfallauffälliger Bereiche aus den
Sonderuntersuchungen unverzüglich an alle Mitglieder der Unfallkommission
weiterzuleiten. Die ständigen Mitglieder der Unfallkommission führen vor der
jeweiligen Unfallkommissionssitzung eigenständige nähere Untersuchungen unter
Berücksichtigung ihrer Erkenntnisse durch.
Zur näheren Untersuchung gehören insbesondere:
a) die Analyse des Unfallgeschehens
Die Analyse erfolgt durch Suche nach gleichartigen Unfallmerkmalen, entnommen den Unfallanzeigen, der Unfalldatenliste und dem Unfalldiagramm. Diese können Hinweise für unfallbegünstigende Faktoren sein, nach denen im Rahmen einer Ortsbesichtigung zu suchen ist.
b) die Durchführung einer Ortsbesichtigung
Zur zweifelsfreien Beurteilung der Unfallsituation und zum Erkennen der unfallbegünstigenden Defizite im Verkehrsraum und seiner Nebenanlagen ist die Durchführung einer Ortsbesichtigung unerlässlich. Bei der Durchführung der Ortsbesichtigung sollten folgende Hinweise beachtet werden:
Alle relevanten Unterlagen, wie Unfalldatenlisten, Unfalldiagramme, Bestandspläne, Straßenzustandsdaten et cetera sollten vor Ort zur Verfügung stehen. Bei signalisierten Knotenpunkten können hierzu auch die signaltechnischen Schaltunterlagen gehören.
Bei der Ortsbesichtigung sollten vergleichbare Bedingungen herrschen, wie sie bei der Unfallanalyse festgestellt wurden, zum Beispiel Licht- und Sichtverhältnisse, Straßenzustand, Tages- und Wochentageszeiten.
Die Streckenbereiche und die benachbarten Knotenpunkte im Umfeld sollten mitbetrachtet werden.
Grundsätzlich sind die Merkmale einer sicheren Straßenraumgestaltung “Erkennbarkeit, Begreifbarkeit, Übersichtlichkeit und Befahrbarkeit“ zu berücksichtigen.
Weitere Beurteilungskriterien sind:
c) Unfallgeschehen der Vorjahre,
d) gezielte Beobachtung des Verkehrsablaufes,
e) Geschwindigkeitsmessungen,
f) Verkehrsbelastungsdaten.
Darüber hinaus sind, sofern vorhanden, zur Verdeutlichung der Gleichartigkeiten im Unfallgeschehen die Unfälle der Unfallkategorien 5 und 6 einzubeziehen.
4.2
Berücksichtigung der Verkehrsbelastung im Rahmen der 1-Jahres-Unfallbetrachtung
an plangleichen Knotenpunkten durch die Straßenverkehrsbehörden.
Mit Zunahme der Verkehrsbelastung steigt insbesondere in plangleichen
Knotenpunktbereichen die Konfliktwahrscheinlichkeit und damit auch das
Unfallrisiko. Daher ist von den Straßenverkehrsbehörden im Rahmen der
1-Jahres-Unfallbetrachtung an diesen Knotenpunktbereichen, das heißt an
Einmündungen, Kreuzungen und Kreisverkehrsplätzen im Zuge von
Gegenverkehrsstraßen und Einbahnstraßen, nach der Meldung dieser
Unfallhäufungsstellen durch die Polizei auch der Einfluss der durchschnittlichen
täglichen Verkehrsbelastung des Knotenpunktes DTV(K) auf das Unfallgeschehen zu
berücksichtigen, sofern die Verkehrsbelastung bekannt ist.
Das Verfahren zur Berücksichtigung der Verkehrsbelastung an den vorher genannten Knotenpunkten ist in Anlage 3 geregelt. Hiernach ist ein Knotenpunkt weiterhin als Unfallhäufungsstelle zu behandeln, wenn innerhalb der Verkehrsbelastungsklassen die kritischen Unfallzahlen in Form der Grenzwerte der Tabelle 2 erreicht oder überschritten werden. Sollten die Grenzwerte nicht erreicht werden, entscheidet die Unfallkommission nach gemeinsamer Bewertung des Unfallgeschehens auf Grundlage der Arbeitsschritte nach Nummer 4.1 durch begründeten Beschluss, ob die Unfallhäufungsstelle als solche zu behandeln ist. Die von der Polizei vergebene Nummer wird nicht neu vergeben.
5
Sitzung
der Unfallkommission
Aufgrund der unterschiedlichen Ziele und der darauf abgestimmten Aufgaben unterscheiden sich drei Arten von Unfallkommissionssitzungen. Grundsätzlich ist der jeweiligen Sitzung aufgrund der besonderen Ziele gemäß Nummer 1.2 und Aufgaben gemäß Nummer 1.4 ausreichend Zeit einzuräumen. Gegebenenfalls sind mehrtägige Sitzungen anzuberaumen.
5.1
Arten von
Unfallkommissionssitzungen
5.1.1
Anlassbezogene
Unfallkommissionssitzung
Nach Identifikation einer neuen Unfallhäufungsstelle oder -linie ist zeitnah,
spätestens jedoch nach drei Monaten eine Unfallkommissionssitzung
durchzuführen.
5.1.2
Jahresunfallkommissionssitzung
Darüber hinaus ist grundsätzlich im 1. Halbjahr eines jeden Jahres eine Sitzung
der Unfallkommission mit dem Ziel der Erfolgskontrolle durchzuführen.
5.1.3
Unfallkommissionssitzung
zu den Sonderuntersuchungen
Alle drei Jahre führen die überörtlichen Unfallkommissionen eine Sitzung zur Behandlung der Ergebnisse der Sonderuntersuchungen gemäß Nummer 3 durch.
5.2
Einladung und Beratung
Die Vorsitzende der Unfallkommission hat
- zur anlassbezogenen Unfallkommissionssitzung mindestens 14 Tage und
-
zur Jahresunfallkommissionssitzung und zur Unfallkommissionssitzung zu den
Sonderuntersuchungen in Absprache mit der Bezirksregierung mindestens vier
Wochen
vor dem Termin alle Mitglieder der Unfallkommission einzuladen. Falls erforderlich, sind weitere Fachleute entsprechend Nummer 1.3 zu beteiligen. Mit der Einladung zur Jahresunfallkommission nach Nummer 5.1.2 meldet die Vorsitzende der Unfallkommission der Bezirksregierung unter Verwendung der Anlage 8 alle aktuellen sowie alle nicht beseitigten Unfallhäufungsstellen und -linien der Vorjahre.
Folgende Unterlagen sollen allen Mitgliedern mit der Einladung zu der Unfallkommissionssitzung zur Verfügung gestellt werden:
a) Unfalltypenkarten,
b) Übersichtspläne der relevanten Strecken und Knotenpunkte,
c) Lagepläne der Unfallstellen,
d) Unfalldatenlisten und Unfalldiagramme,
e) Unfallblattsammlung,
f) Verkehrsbelastungsdaten,
g) Bild- oder Videoaufnahmen der Unfallstellen,
h) Verkehrs- und Unfalldaten aus den Vorjahren,
i) Unterlagen über bereits durchgeführte Maßnahmen,
j) Signallage- und Signalzeitenpläne,
k) Schaltprogramme der Verkehrsbeeinflussungsanlagen und
l) Straßenzustandsdaten.
Im Rahmen der Beratung haben die Beteiligten die Erkenntnisse ihrer eigenständigen näheren Untersuchungen gemäß Nummer 4.1 in die Diskussion einzubringen, um die unfallbegünstigenden Faktoren zu identifizieren und daraus gemeinsame Maßnahmen abzuleiten.
Wenn die Grenzwerte einer Unfallhäufungsstelle oder -linie erreicht werden, muss sich die Unfallkommission damit befassen. Auch bei ausschließlicher Vorlage von untypischen Unfällen, zum Beispiel durch Mängel beim Fahrzeugführer oder extreme Wetterlagen, kann nur einvernehmlich beschlossen werden, dass die Unfallhäufungsstelle oder -linie nicht behandelt wird.
5.3
Maßnahmenfindung
Maßnahmen zur Beseitigung von Unfallhäufungsstellen und -linien als auch der
auffälligen Stellen und Strecken nach den Sonderuntersuchungen müssen geeignet,
angemessen und durchsetzbar sein.
Dazu kommen sowohl Sofortmaßnahmen als auch längerfristige Maßnahmen in Betracht.
Nimmt die Realisierung beschlossener Maßnahmen längere Zeit in Anspruch, muss die Unfallkommission zusätzlich Sofortmaßnahmen als Zwischenlösungen beschließen, um schnellstmöglich dem Unfallgeschehen zu begegnen. Dazu gehören Verkehrszeichen, Verkehrseinrichtungen, Markierungen, kleinere bauliche Veränderungen, die mit vertretbarem Aufwand kurzfristig realisiert werden können, sowie Verkehrsüberwachungsmaßnahmen.
Längerfristige Maßnahmen sind auch nach Entschärfung der Unfallhäufungsstelle oder -linie weiter zu verfolgen, es sei denn, die Unfallkommission stellt gemeinsam fest, dass die umgesetzten Sofortmaßnahmen bereits nachhaltig wirken und fass hierüber einen Beschluss der Unfallkommission.
Beispiele für mögliche Maßnahmen können der internetbasierten Datenbank des Maßnahmenkatalogs gegen Unfallhäufungen (MaKaU) der Bundesanstalt für Straßenwesen entnommen werden. Der Maßnahmenkatalog ist kein Ersatz für die nähere Untersuchung des Unfallgeschehens entsprechend Nummer 4.1.
Bei der Maßnahmenfindung sind folgende Hinweise zu beachten:
a) Sofortmaßnahmen sind unverzüglich innerhalb der gemeinsam festgelegten Fristen durchzuführen,
b) durch die Wahl der Maßnahme muss sichergestellt sein, dass sich keine anderen unfallbegünstigenden Faktoren ergeben und beziehungsweise oder sich das Unfallgeschehen nicht in andere Bereiche verlagert,
c) Überwachungsmaßnahmen sollen, wenn es verkehrsrechtliche oder bauliche Lösungen gibt, nur eine Zwischenlösung sein,
d) Maßnahmen an Zuständigkeitsgrenzen sind zwischen den beteiligten Unfallkommissionen abzustimmen und
e) die Ergebnisse der von der Unfallkommission initiierten planerischen Untersuchungen sind vor ihrer Umsetzung in der Unfallkommission rechtzeitig erneut zu beraten.
5.4
Beschlussfassung
Die Beschlüsse der Unfallkommission sind einvernehmlich zwischen den ständigen
Mitgliedern der Unfallkommission zu fassen. Die beteiligten Behörden sind an
die Beschlüsse der Unfallkommission gebunden und verpflichtet, für eine
schnellstmögliche Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen innerhalb der gemeinsam
festgelegten Fristen Sorge zu tragen.
Sofern über die geeignete Maßnahme keine Einigung erzielt werden kann, hat die Vorsitzende der Unfallkommission ihre Aufsichtsbehörde einzuschalten. Nach Anhörung und Bewertung der Sachlage entscheidet die Aufsichtsbehörde über die Eignung der Maßnahme.
5.5
Protokoll
Die Vorsitzende der Unfallkommission oder die örtlich zuständige
Straßenverkehrsbehörde hat über jede Unfallkommissionssitzung ein Protokoll zu
fertigen und den beteiligten Behörden innerhalb von vier Wochen zu übersenden.
Hierin ist insbesondere Folgendes aufzuführen:
a) Beschluss der Maßnahmen mit Begründung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der näheren Untersuchung,
b) verkehrsbehördliche Anordnung der beschlossenen Maßnahmen oder Hinweis auf die erforderliche verkehrsbehördliche Anordnung der beschlossenen Maßnahmen durch die jeweils zuständige Straßenverkehrsbehörde, die diese gegebenenfalls bereits in der Sitzung rechtswirksam zu Protokoll geben kann,
c) verantwortliche Behörden für die Umsetzung der Maßnahmen,
d) Fristen für die Umsetzung, gegebenenfalls Zeitraum von Überwachungsmaßnahmen,
e) Begründung für nicht umgesetzte Maßnahmen aus vorherigen Unfallkommissionssitzungen und
f) Ergebnisse der Vorher-/Nachher-Untersuchungen im Rahmen der Jahresunfallkommissionssitzung mit gegebenenfalls neuer Beschlussfassung.
Für das Protokoll kann das Muster aus Anlage 6a verwendet werden.
5.6
Öffentlichkeitsarbeit
Die Vorsitzende der Unfallkommission oder die örtlich zuständige
Straßenverkehrsbehörde unterrichtet die Öffentlichkeit über die Arbeit der
Unfallkommission sowie über die getroffenen Verkehrssicherungsmaßnahmen. Hierzu
sind untereinander abgestimmte Presseerklärungen zu fertigen oder
gegebenenfalls gemeinsame Pressekonferenzen durchzuführen.
6
Durchführung von Maßnahmen
Beschlossene Maßnahmen sind unverzüglich zu veranlassen und innerhalb der
gemeinsam festgelegten Fristen schnellstmöglich umzusetzen.
Der Vollzug der beschlossenen Maßnahmen ist der Vorsitzenden der Unfallkommission durch die zuständige Stelle mitzuteilen. Die Mitteilung kann formlos durch eine E-Mail oder durch Anlage 6b erfolgen. Sollten Maßnahmen nicht umgesetzt und abgestimmte Termine nicht eingehalten werden können, sind die Vorsitzende und die übrigen ständigen Mitglieder der Unfallkommission unverzüglich zu informieren. Die Vorsitzende der Unfallkommission wird hiernach zeitnah das weitere Vorgehen mit der Unfallkommission abstimmen.
7
Controlling
Das Controlling dient sowohl der Überprüfung der Wirksamkeit durchgeführter
Maßnahmen als auch der Einhaltung der Aufgaben der Unfallkommission.
7.1
Controlling durch die Vorsitzende der Unfallkommission
Die Überprüfung der Wirksamkeit der beschlossenen Maßnahmen durch die
Vorsitzende der Unfallkommission beginnt nach deren Umsetzung und erfolgt
abschließend durch Vorher-/Nachher-Untersuchungen anhand der Anlage 7 im Rahmen
der kommenden Jahresunfallkommissionssitzung, darüber hinaus aber für
mindestens einen 1-Jahres Zeitraum. Die Polizei stellt der Vorsitzenden die
hierfür erforderlichen Daten zur Verfügung.
Sofern durch die umgesetzten Maßnahmen die Unfallhäufungsstelle oder -linie, beziehungsweise der unfallauffälligen Stelle oder Strecke aus der Sonderuntersuchung, nicht beseitigt werden konnte, sind von der Unfallkommission weitergehende Maßnahmen auf Grundlage der Nummern 5.3 und 5.4 zu beschließen.
7.2
Controlling durch die Bezirksregierung
Die Bezirksregierung hat die erlassgemäße Wahrnehmung der Aufgaben der
Unfallkommission sicherzustellen. Dazu gehören insbesondere die Umsetzung der
Maßnahmen zur Beseitigung der Unfallhäufungsstellen und -linien. Hierzu wird
die Anlage 8 verwendet.
Das Controlling konzentriert sich dabei im besonderen Maße auf die gemeldeten Unfallhäufungsstellen und -linien, bei denen mehr als zwei Jahre in Folge die Grenzwerte der 1-Jahres-Betrachtung überschritten wurde und bei denen
a) von der Unfallkommission bauliche, verkehrliche oder polizeiliche Maßnahmen beschlossen, aber nicht realisiert wurden,
b) bauliche Maßnahmen nur nach langjährigen Planungs- und Planfeststellungsverfahren umgesetzt werden können,
c) Maßnahmen ohne Erfolg durchgeführt oder keine Maßnahmen beschlossen wurden.
Darüber hinaus erstellt die Bezirksregierung zur Qualitätssicherung und für weitergehende statistische Zwecke jährlich eine Übersicht über die Entwicklung der Unfallhäufungsstellen und -linien ihres Zuständigkeitsbereiches.
8
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Dieser Runderlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.
Gleichzeitig mit Inkrafttreten dieses Runderlasses tritt der Gemeinsame Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales und des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr „Aufgaben der Unfallkommission in Nordrhein-Westfalen“ vom 25. Juni 2017 (MBl. NRW. S. 671), der durch Runderlass vom 19. Januar 2018 (MBl. NRW. S. 33) geändert worden ist, außer Kraft.
MBl. NRW. 2021 S. 445.
Anlagen: