Historische SGV. NRW.

 Aufgehobene Norm: (zur Aufhebung siehe unter (Fn 1))
 


Historisch: Gesetz betreffend die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten


Inhaltsverzeichnis:


Historisch:

Normüberschrift

Gesetz
betreffend
die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten

Vom 25. Juli 1910 (Fn 1)

Abschnitt I
Allgemeine Vorschriften

§ 1

(1) Die Errichtung einer öffentlichen Feuerversicherungsanstalt bedarf der Genehmigung der Landesregierung (Fn 2).

(2) Sie soll nur im Interesse des gemeinen Nutzens und nicht zu Erwerbszwecken erfolgen.

§ 2

(1) Die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten sind nach Maßgabe dieses Gesetzes verpflichtet:

1. den in ihrem Gebiete belegenen Gebäuden Versicherung gegen Feuersgefahr zu gewähren;

2. zur Sicherung des Grundkredits die Gebäudeversicherung auch im Falle des Besitzwechsels und nicht pünktlicher Zahlung der Versicherungsbeiträge fortzusetzen;

3. die Versicherung nur zum Zwecke der Schadenvergütung zu betreiben;

4. die Feuersicherheit in ihrem Gebiete zu fördern.

(2) Weitergehende Verpflichtungen der bestehenden öffentlichen Feuerversicherungsanstalten werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

§ 3

(1) Die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten sind Körperschaften des öffentlichen Rechtes.

(2) Soweit ihr Geschäftsbetrieb die Versicherung unbeweglicher Sachen gegen Feuer betrifft, genießen sie folgende Rechte:

1. sie sind von der .. (Fn 3) Zahlung von Gerichtsgebühren befreit;

2. die Versicherungsbeiträge haben, insbesondere hinsichtlich der Einziehung und Zwangsbeitreibung, die Rechte öffentlicher Abgaben, stehen in der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung den gemeinen Lasten gleich und haben im Konkurse die ihnen gesetzlich zustehenden Vorrechte; das gleiche hinsichtlich der Einziehung und Zwangsbeitreibung gilt für die seitens der Versicherungsnehmer zu zahlenden Aufnahmekosten ... (Fn 4);

3. die Anstaltsleitung ist befugt, gegen Erstattung der entstehenden baren Auslagen in den Geschäften der Anstalt die Unterstützung der öffentlichen Behörden in Anspruch zu nehmen und von ihnen Auskunft über Angelegenheiten ihres Geschäftskreises zu erfordern, soweit anderweite gesetzliche Vorschriften oder dienstliche Interessen nicht entgegenstehen. Diese Befugnis darf nicht zum Zwecke des Eindringens in die Verhältnisse von Privatversicherungsgesellschaften benutzt werden.

(3) Weitergehende Berechtigungen der bestehenden öffentlichen Feuerversicherungsanstalten werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

§ 4

(1) Die Leiter und sonstigen Beamten der öffentlichen Feuerversicherungsanstalten haben die Rechte und Pflichten mittelbarer Staatsbeamten.

(2) (Fn 5) Die Wahl des Anstaltsleiters bedarf der Bestätigung der Landesregierung; sofern nach der Verfassung der Anstalt die Leitung von Landschaftsverbands- oder Kommunalbeamten geführt wird, bewendet es bei den bestehenden Landschaftsverbandsordnungen und Gemeindeverfassungsgesetzen, falls die Satzung der Anstalt nicht etwas anderes bestimmt.

§ 5 (Fn 6)

§ 6 (Fn 7)

§ 7 (Fn 8)

§ 8

(1) Jede öffentliche Feuerversicherungsanstalt hat ein bestimmtes Gebiet zu umfassen und darf außerhalb desselben Versicherungen im Gebiet einer anderen den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegenden Anstalt nur mit deren Zustimmung übernehmen.

(2) Das Gebiet einer von einem Kommunalverbande verwalteten Anstalt, welches sich ganz oder in der Hauptsache mit dem Kommunalbezirke deckt, ist bei einer Veränderung des Kommunalbezirks in der Regel entsprechend anderweit abzugrenzen. Durch die anderweite Abgrenzung darf ein der beteiligten Anstalt zustehendes Zwangsrecht (Versicherungszwang) auf die ihrem Gebiete hinzutretenden Gebietsteile nicht ausgedehnt, auch in bestehende Versicherungsverhältnisse nicht eingegriffen werden. Soll die anderweite Abgrenzung mit der Wirkung erfolgen, daß Gebietsteile aus dem Gebiet einer öffentlichen Anstalt, der sie bisher zugehören, ausscheiden, so ist sie durch die höhere Aufsichtsbehörde festzusetzen. Dieser Festsetzung muß, wenn sie einen erheblichen Eingriff in den Geschäftsbetrieb einer öffentlichen Anstalt enthält, eine Auseinandersetzung der beteiligten Anstalten vorhergehen; im Streitfalle beschließt über die Auseinandersetzung der Provinzialrat.

(3) Die Vorschrift des Abs. 2 findet auch in den Fällen Anwendung, in denen bei Erlaß dieses Gesetzes eine städtische Anstalt in der Ausübung satzungsmäßiger Rechte auf einem Teil des Stadtbezirkes beschränkt ist.

(4) Sofern das Gebiet einer der im Abs. 2 bezeichneten Anstalten nach den bestehenden Gemeindeverfassungsgesetzen oder nach ihrer Satzung den Veränderungen des Kommunalbezirkes ohne weiteres folgt, behält es hierbei sein Bewenden.

§ 9

Innerhalb ihres Gebiets ist jede öffentliche Feuerversicherungsanstalt verpflichtet, jedes Gebäude gegen Brandschaden zu versichern, sofern nicht einer der im § 10 vorgesehenen Ablehnungsgründe vorliegt.

§ 10

(1) Eine öffentliche Feuerversicherungsanstalt kann die Versicherung eines Gebäudes ablehnen:

1. wenn das Gebäude einer außergewöhnlichen Feuersgefahr ausgesetzt ist;

2. wenn die Versicherung die Leistungsfähigkeit der Anstalt übersteigt;

3. wenn der Wert des Gebäudes einhundert Deutsche Mark nicht übersteigt oder das Gebäude zum Abbruche bestimmt oder im Verfall ist oder seinen Gebrauchswert für den Eigentümer ganz oder zum wesentlichen Teil verloren hat;

4. wenn das Gebäude auf fremdem Grund und Boden steht, ausgenommen den Fall des Erbbaurechts;

5. wenn das Gebäude den ungünstigeren Teil eines im übrigen anderweit oder überhaupt nicht versicherten Gebäudebesitzes innerhalb des Gebiets der Anstalt darstellt;

6. während der Dauer eines Kriegszustandes.

(2) Auf das Zubehör eines Gebäudes erstreckt sich die Versicherungspflicht der Anstalt nicht; das gleiche gilt von Maschinen und Werkeinrichtungen, welche einem Gebäude derart eingefügt sind, daß sie Bestandteil des Gebäudes geworden sind.

(3) Durch die Satzung kann die Versicherungspflicht der Anstalt erweitert und das Ablehnungsrecht beschränkt werden.

§ 11

(1) Gegen die Ablehnung einer Gebäudeversicherung durch den Anstaltsleiter findet binnen zwei Wochen die Beschwerde an die staatliche Aufsichtsbehörde (§ 30 Abs. 1) statt ... (Fn 8). Die Satzung kann vorschreiben, daß gegen die ablehnende Verfügung des Anstaltsleiters zunächst die Entscheidung eines anderen Anstaltsorgans, insbesondere des Verwaltungsrats (§ 16), anzurufen ist.

(2) Die Entscheidung der staatlichen Aufsichtsbehörde ist auf die Frage beschränkt, ob einer der Gründe vorliegt, welche die Anstalt zur Ablehnung der Versicherung (§ 10) berechtigen.

§ 12

(1) Die Versicherung unbeweglicher Sachen durch eine öffentliche Feuerversicherungsanstalt darf nur auf Grund einer von der Anstalt zu bewirkenden Schätzung stattfinden.

(2) Die Festsetzung des Schätzungswerts erfolgt durch den Anstaltsleiter oder durch das sonst nach der Satzung dazu berufene Anstaltsorgan. Über den festgesetzten Schätzungswert hinaus darf von der Anstalt keine Versicherung übernommen werden.

§ 13

(1) Öffentliche Feuerversicherungsanstalten können mit Zustimmung ihrer Vertretungen durch Verordnung der Landesregierung (Fn 5) miteinander vereinigt werden. Mit der Vereinigung gehen alle Rechte und Pflichten derjenigen Anstalt, welche durch die Vereinigung aufgehoben wird, auf die erweiterte Anstalt oder auf die durch die Vereinigung entstandene neue Anstalt über.

(2) Ohne Zustimmung der Anstaltsvertretungen darf die Vereinigung stattfinden, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß die Anstalt, welche mit einer anderen vereinigt werden soll, die nach Maßgabe dieses Gesetzes ihr obliegenden Pflichten dauernd zu erfüllen nicht imstande sein wird; vor der Vereinigung ist der Provinzialrat zu hören. Satz 2 des Abs. 1 findet in diesem Falle sinngemäße Anwendung, soweit in der Verordnung der Landesregierung (Fn 5) nicht etwas anderes bestimmt ist.

§ 14

(1) Öffentliche Feuerversicherungsanstalten können Verbände zur gemeinsamen Erfüllung ihrer Aufgaben bilden. Die Satzung solcher Verbände bedarf der Königlichen Genehmigung. Diesen Verbänden können durch Königliche Verordnung die Rechte öffentlicher Körperschaften beigelegt werden; alsdann finden auf sie die §§ 3 bis 7 dieses Gesetzes sinngemäße Anwendung, soweit die Satzung nicht etwas anderes bestimmt. Die staatliche Aufsicht über einen solchen Verband steht, sofern sie nicht durch die Satzung dem Minister des Innern vorbehalten wird, dem Oberpräsidenten der Provinz zu, in welcher der Verband seinen Sitz hat.

(2) Zum Zwecke der korporativen Organisation des öffentlichen Feuerversicherungswesens und zur Beschaffung einer über die Versicherungspflicht der einzelnen Anstalt hinausgehenden Versicherungsgelegenheit können die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten auf Antrag durch den Minister des Innern zu einem Verbande vereinigt werden, welcher besonders große und gefährliche Versicherungen selbst übernehmen kann. Der Antrag muß von mindestens einem Drittel der Anstalten gestellt sein und die Antragenden müssen mindestens ein Drittel der gesamten Versicherungssumme unbeweglicher Sachen aller öffentlichen preußischen Feuerversicherungsanstalten vertreten. Anstalten, bei welchen die Versicherungsnehmer durch Gesetz oder Satzung zum Abschlusse der Versicherung verpflichtet sind, können ohne ihre Zustimmung einem solchen Verbande nicht angeschlossen werden.

(2) Über die Satzung dieses Verbandes beschließen die Vertreter der beteiligten öffentlichen Anstalten. Bei der Beschlußfassung hat jede Anstalt mindestens eine Stimme und, sofern ihr Bestand an Versicherungen unbeweglicher Sachen 100 Millionen Mark übersteigt, für jede weiteren 100 Millionen Mark Versicherungsbestand eine Zusatzstimme. Die Beratung und Abstimmung erfolgt nach einer vom Minister des Innern zu erlassenden vorläufigen Geschäftsordnung. Zur Annahme der Satzung ist die Zustimmung von drei Vierteln aller den beteiligten Anstalten zustehenden Stimmen erforderlich. Die Satzung bedarf der Königlichen Genehmigung; mit der Genehmigung erlangt der Verband die Rechte einer öffentlichen Körperschaft. Die §§ 3 bis 7 dieses Gesetzes finden auf den Verband sinngemäße Anwendung, soweit die Satzung nicht etwas anderes bestimmt. Der Verband steht unter der Aufsicht des Ministers des Innern.

Abschnitt II
Verfassung und Geschäftsbetrieb

§ 15

(1) Die Verfassung einer öffentlichen Feuerversicherungsanstalt wird durch die Satzung bestimmt.

Die Satzung soll insbesondere Bestimmung treffen über

1. den Namen, den Sitz, den Zweck und das Gebiet der Anstalt,

2. die Zusammensetzung, Wahl und Befugnisse der Organe der Anstalt,

3. die Haftung für die Verbindlichkeiten der Anstalt, insbesondere über eine etwaige Nachschußpflicht der Versicherungsnehmer,

4. die Deckung der Ausgaben, die Ausschreibung und Einziehung der Beiträge und der etwaigen Nachschüsse,

5. die Bildung einer Rücklage zur Deckung außergewöhnlicher Geschäftsverluste (Sicherheitsfonds) und über den Mindestbetrag, bis zu dessen Erreichung die Zurücklegung zu erfolgen hat,

6. die Anlegung des Vermögens der Anstalt und über die Verwendung der Überschüsse,

7. die Abschätzung der zu versichernden Gegenstände bei Abschluß der Versicherung,

8. das Verfahren bei Regelung der Brandschäden,

9. den Schutz der Realberechtigten des von der Versicherung betroffenen Grundstücks,

10. das Verfahren bei Streitigkeiten zwischen dem Versicherungsnehmer und der Anstalt und die dem Versicherungsnehmer zustehenden Rechtsmittel,

11. die Organe, welche zur Beschlußfassung über die Abänderung der Satzung, über die Auflösung der Anstalt und über die Verwendung ihres Vermögens im Falle der Auflösung berufen sind,

12. die Form, in der Bekanntmachungen der Anstalt zu erfolgen haben.

(2) Die Satzung sowie jede Änderung der Satzung bedarf der Genehmigung des Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr (Fn 9).

§ 16

(1) Die Satzung hat die Bildung eines Verwaltungsrats vorzusehen, dessen Mitglieder, mit Ausnahme des Vorsitzenden und seines Stellvertreters, ausschließlich aus den Versicherungsnehmern der Anstalt entnommen werden müssen, und Vorsorge zu treffen, daß bei seiner Zusammensetzung eine einseitige Interessenvertretung vermieden wird.

(2) Werden die Mitglieder einer öffentlichen Kreditanstalt verpflichtet, bei der öffentlichen Feuerversicherungsanstalt ihre Gebäude zu versichern, so kann die Satzung die Entsendung eines nicht zu den Versicherungsnehmern gehörenden Vertreters der Kreditanstalt in den Verwaltungsrat zulassen.

(3) Bei Anstalten, welche von einem Kommunalverbande verwaltet werden, kann die Bildung des Verwaltungsrats unter Beobachtung der Bestimmung des Abs. 1 nach den für ... (Fn 8) Vertretungskörper in den Gemeindeverfassungsgesetzen gegebenen Vorschriften geregelt werden.

(4) (Fn 8).

§ 17

(1) Die Satzung hat dem Verwaltungsrat eine Mitwirkung in allen wichtigeren Angelegenheiten der Anstalt einzuräumen. Als wichtigere Angelegenheiten gelten insbesondere:

1. die Bestellung des Anstaltsleiters, sofern dieser nicht kraft eines anderen Amtes die Leitung innehat;

2. die Feststellung des Haushaltsplans und Überschreitungen desselben;

3. die Abnahme der Jahresrechnung;

4. die Verwendung der Überschüsse;

5. die Änderung der Satzung;

6. die Feststellung und Änderung der allgemeinen Versicherungsbedingungen;

7. die Auflösung der Anstalt.

(2) Die Mitwirkung des Verwaltungsrats muß, soweit sie nicht zu einer beschließenden gemacht wird, mindestens eine gutachtliche sein. Bei der Festsetzung und Änderung der allgemeinen Versicherungsbedingungen darf der Verwaltungsrat auf eine gutachtliche Mitwirkung nur dann beschränkt werden, wenn die Anstalt von einem Kommunalverbande verwaltet wird.

§ 18

In der Satzung ist vorzusehen, daß die Beitragspflicht der Versicherungsnehmer zu dem Gesamtbedarfe der Anstalt für die Gebäudeversicherung mit Rücksicht auf die Beschaffenheit, Lage, Benutzung sowie auf andere erhebliche Umstände und die danach zu bemessende Feuergefährlichkeit der versicherten Gebäude geregelt wird.

§ 19

(1) Die Satzung hat vorzuschreiben, daß das Vermögen der Anstalt mündelsicher angelegt wird und daß das Vermögen und die Einnahmen der Anstalt nur im Interesse der Anstalt oder der Versicherten verwendet werden dürfen. Als derartige Verwendungen gelten auch Aufwendungen zur Förderung der Feuersicherheit.

(2) Die Anstalten müssen ihr Vermögen mindestens zu einem Viertel in Anleihen des Reichs oder des Preußischen Staates anlegen und haben bis zur Erreichung dieses Besitzstandes ein Drittel ihres jährlichen Vermögenszuwachses in derartigen Werten anzulegen.

§ 20

(1) Die Satzung hat Vorsorge dafür zu treffen, daß nach der Maßgabe der Leistungsfähigkeit der Anstalt und des in ihrem Gebiete vorhandenen Bedürfnisses Mittel ausgeworfen werden, aus welchen durch Beschluß der Anstaltsorgane Beihilfen gewährt werden zu Einrichtungen und Maßnahmen, welche der Erhöhung der Feuersicherheit dienen, insbesondere zur Vervollkommnung des Feuerlöschwesens.

(2) Diese Pflicht zur Förderung der Feuersicherheit begründet keinen Anspruch an die Anstalt. Sie ruht in Ermangelung von Überschüssen des Anstaltsbetriebs und so lange, als der Mindestbetrag des Sicherheitsfonds nicht erreicht ist.

(3) Weitergehende Verpflichtungen bestehender Anstalten bleiben unberührt.

§ 21

(1) Die Satzung hat vorzuschreiben, daß im Falle der Gebäudeversicherung die Entschädigungssumme in der Regel nur zur Wiederherstellung des Gebäudes zu zahlen ist, und die Ausnahmen zu bestimmen, in welchen von der Regel abgegangen werden kann.

(2) Soweit hiernach die Entschädigungssumme aus der Gebäudeversicherung nur zur Wiederherstellung des Gebäudes zu zahlen ist, ist die Zulässigkeit der Übertragung der Forderung des Versicherungsnehmers entsprechend der Vorschrift des § 98 des Reichsgesetzes über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBl. S. 263) zu regeln. Ebenso dürfen die Bestimmungen über den Schutz der Realberechtigten keine Vorschriften enthalten, welche zum Nachteile der Realberechtigten hinter den Vorschriften der §§ 99 bis 107 c (Fn 10) desselben Gesetzes zurückbleiben.

§ 22

Der Anstalt darf für den Fall der Veräußerung eines bei ihr versicherten Gebäudes ein Kündigungsrecht nur vorbehalten werden, sofern es sich um ein Gebäude handelt, dessen Versicherung abzulehnen die Anstalt nach § 10 dieses Gesetzes berechtigt ist. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist im Streitfall in dem im § 11 geordneten Verfahren zu entscheiden. Die Vorschrift des § 71 des Reichsgesetzes über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBl. S. 263) darf zuungunsten des Versicherungsnehmers oder des Erwerbers des versicherten Gebäudes nicht abgeändert werden.

§ 23

(1) Sofern die Satzung für Streitigkeiten über die Höhe des Brandschadens den ordentlichen Rechtsweg ausschließt, hat sie zu ihrer Entscheidung die Anrufung eines nach den Vorschriften des zehnten Buches der Zivilprozeßordnung zu bildenden Schiedsgerichts zuzulassen, dessen Obmann erforderlichenfalls von der Aufsichtsbehörde der beteiligten Anstalt zu ernennen ist.

(2) Für Streitigkeiten, welche das Bestehen des Entschädigungsanspruchs dem Grunde nach betreffen, darf die Beschreitung des ordentlichen Rechtswegs nicht ausgeschlossen werden.

§ 24

(1) Die Rechtsbeziehungen zwischen der Anstalt und den Versicherungsnehmern werden, soweit über sie nicht nach § 15 dieses Gesetzes die Satzung zu bestimmen hat, durch die allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelt.

Dabei ist insbesondere Bestimmung zu treffen

1. über die Ereignisse, bei deren Eintritt die Anstalt zu einer Leistung verpflichtet ist, und über die Fälle, in denen aus besonderen Gründen diese Verpflichtung ausgeschlossen oder aufgehoben sein soll,

2. über die Art, den Umfang und die Fälligkeit der der Anstalt obliegenden Leistungen,

3. über die Entrichtung der von dem Versicherungsnehmer zu leistenden Beiträge und über die Rechtsfolgen eines Verzugs in der Entrichtung,

4. über den Beginn, die Dauer, die Aufhebung der Versicherung und, sofern die Versicherung auf freier Vereinbarung beruht, über die stillschweigende Verlängerung und die Kündigung sowie über die Verpflichtungen der Anstalt in den Fällen der Aufhebung oder Kündigung,

5. über den Verlust des Anspruchs aus der Versicherung infolge der Versäumung von Fristen.

(2) Die allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie jede Änderung derselben bedürfen der Genehmigung des Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr (Fn 11).

(3) Abweichungen von den allgemeinen Versicherungsbedingungen zuungunsten des Versicherungsnehmers sind nur aus besonderen Gründen sowie unter der Bedingung statthaft, daß der Versicherungsnehmer, sofern der Abschluß der Versicherung auf freier Vereinbarung beruht, vor dem Abschluß auf die Abweichungen ausdrücklich hingewiesen worden ist und sich mit ihnen schriftlich einverstanden erklärt hat.

§ 25

(1) Die allgemeinen Versicherungsbedingungen dürfen keine Bestimmungen enthalten, welche zum Nachteile des Versicherungsnehmers von den Vorschriften der §§ 5, 6, 8, 11, 12, 14, 64 Abs. 1 Satz 1, §§ 65, 92 des Reichsgesetzes über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBl. S. 263) abweichen.

(2) Kann die Leistung der Anstalt nur zum Zwecke der Wiederherstellung des versicherten Gebäudes verlangt werden, so können die allgemeinen Versicherungsbedingungen vorschreiben, daß der Anspruch aus der Versicherung erlischt, wenn der Versicherungsnehmer nicht binnen 10 Jahren seine Fälligkeit herbeiführt; die Frist beginnt in diesem Falle mit dem Schlusse des Jahres, in dem der Brandschaden stattgefunden hat.

§ 26

(1) In den allgemeinen Versicherungsbedingungen ist vorzusehen, daß die Versicherung von Gebäuden, unbeschadet des der Anstalt zustehenden Ablehnungsrechts (§ 10), spätestens mit Ablauf desjenigen Tages beginnt, an dem der Versicherungsantrag mit den zugehörigen Unterlagen bei der zu seiner Entgegennahme bestimmten Stelle eingegangen ist.

(2) Auf Antrag des Versicherungsnehmers kann der Beginn der Versicherung auf einen späteren Zeitpunkt festgesetzt werden.

(3) Das Ablehnungsrecht der Anstalt erlischt, wenn es nicht binnen eines Monats nach dem im Abs. 1 bezeichneten Zeitpunkte durch Erklärung dem Versicherungsnehmer gegenüber ausgeübt wird.

(4) Die allgemeinen. Versicherungsbedingungen können dem Versicherungsnehmer günstigere Festsetzungen treffen.

§ 27

(1) In den allgemeinen Versicherungsbedingungen ist vorzusehen, daß bei Verletzung der Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers die Anstalt, sofern die Versicherung ein Gebäude betrifft, zur Aufhebung der Versicherung oder zum Rücktritte vom Versicherungsvertrage nur befugt ist, wenn dem Versicherungsnehmer arglistige Täuschung zur Last fällt oder wenn die Verletzung der Anzeigepflicht einen Umstand betrifft, der die Anstalt berechtigt haben würde, den Abschluß der Versicherung abzulehnen. Ob letztere Voraussetzung vorliegt, ist im Streitfall in dem im § 11 geordneten Verfahren zu entscheiden.

(2) Die Vorschriften des § 16 Abs. 3, § 17 Abs. 2, § 18 Abs. 2, §§ 20 und 21 des Reichsgesetzes über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 dürfen zuungunsten des Versicherungsnehmers nicht abgeändert werden.

(3) Durch die Vorschrift des Abs. 1 ist die Anstalt nicht behindert, nach Abschluß der Versicherung sich heraus stellende Überversicherungen unter entsprechender Ermäßigung des Versicherungsbeitrags auf den wahren Versicherungswert herabzusetzen. Das gleiche gilt von der Heranziehung des Versicherungsnehmers zu erhöhten Leistungen, sofern sich nach Abschluß der Versicherung Gefahrenumstände herausstellen, welche der Anstalt beim Abschlusse nicht bekannt waren, aber für die Bemessung des Versicherungsbeitrags (§ 18) erheblich sind. In beiden Fällen ist dem Versicherungsnehmer, sofern der Vertragsschluß auf freier Vereinbarung beruht, das Recht der Kündigung des Vertrags vorzubehalten, sofern er die Versicherung unter den von der Anstalt. festgesetzen Bedingungen nicht fortsetzen will.

§ 28

(1) In den allgemeinen Versicherungbedingungen ist vorzusehen, daß im Falle einer Gefahrerhöhung nach Abschluß der Versicherung, sofern diese ein Gebäude betrifft, die Anstalt zur Aufhebung der Versicherung oder zur Kündigung des Versicherungsvertrags nur befugt ist, wenn die Gefahrerhöhung eine derartige ist daß sie die Anstalt berechtigt haben würde, den Abschluß der Versicherung abzulehnen. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist im Streitfall in dem im § 11 geordneten Verfahren zu entscheiden.

(2) Die Vorschriften des § 24 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, § 25 Abs. 2 und Abs. 3, §§ 26 bis 29 a (Fn 12) des Reichsgesetzes über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 dürfen zuungunsten des Versicherungsnehmers nicht abgeändert werden.

(3) Die Vorschriften des § 27 Abs. 3 Satz 2 und 3 finden sinngemäße Anwendung.

§ 29

(1) In den allgemeinen Versicherungsbedingungen ist vorzusehen, daß die nicht rechtzeitige Zahlung der Versicherungsbeiträge (Prämien) die Anstalt, sofern die Versicherung ein Gebäude betrifft, von der Leistung bei Eintritt des Versicherungsfalls nur dann befreit und ein Recht zur Aufhebung oder Kündigung der Versicherung für die Anstalt nur dann begründet, wenn der Versicherungsnehmer trotz wiederholter Mahnung länger als sechs Monate mit der Beitragszahlung im Rückstande geblieben ist und die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen gegen ihn nicht zur Befriedigung der Anstalt geführt hat.

(2) (Fn 8).

Abschnitt III
Staatsaufsicht, Nebenbetriebe, Auflösung

§ 30

(1) Die staatliche Aufsicht über die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten wird durch den Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr (Fn 11) ausgeübt. Bei Anstalten, deren Gebiet den Umfang eines Regierungsbezirkes nicht überschreitet, kann durch die Satzung der Regierungspräsident zur Aufsichtsbehörde bestimmt werden.

(2) Bei Anstalten, welche von einem Kommunalverbande verwaltet werden, bewendet es hinsichtlich der Zuständigkeit der staatlichen Aufsichtsbehörden, soweit in diesem Gesetze nicht etwas anderes bestimmt ist, bei den über die Regelung der Kommunalaufsicht bestehenden gesetzlichen Vorschriften.

§ 31

(1) Der staatlichen Aufsichtsbehörde liegt es ob, darüber zu wachen, daß die Verwaltung der öffentlichen Feuerversicherungsanstalten den Bestimmungen der Gesetze gemäß geführt und mit der Satzung und den allgemeinen Versicherungsbedingungen im Einklange gehalten wird.

(2) Sie ist insbesondere befugt, über alle Gegenstände der Verwaltung Auskunft zu erfordern, die Einsicht der Akten, insbesondere auch der Haushaltspläne und Jahresrechnungen, zu verlangen, Geschäftsrevisionen sowie in Verbindung mit diesen Kassenrevisionen an Ort und Stelle zu veranlassen, auch an den Beratungen der Anstaltsorgane jederzeit teilzunehmen. Auf Anstalten, welche von einem Kommunalverbande verwaltet werden, finden diese Vorschriften keine Anwendung, sofern der Umfang der Staatsaufsicht in den Gemeindeverfassungsgesetzen anderweit geregelt ist.

(3) Über die Rechnungsführung, über die Fristen, die Art und Form sowie über die Veröffentlichung des Rechnungsabschlusses und Jahresberichts kann der Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr (Fn 11) nähere Anordnungen treffen.

§ 32

(1) Der Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr (Fn 11) ist befugt, einer öffentlichen Feuerversicherungsanstalt neben der Versicherung unbeweglicher Sachen den Betrieb der Versicherung beweglicher Sachen gegen Feuer sowie anderer Zweige der Schadensversicherung und die Gewährung von Rückversicherung an andere Versicherungsanstalten zu gestatten.

(2) Die Erlaubnis kann zurückgenommen werden, wenn die Geschäftsführung zu groben Mißständen führt, die Interessen der Versicherungsnehmer oder die Sicherheit der Anstalt gefährdet.

(3) Dem Betriebe derartiger Nebenzweige der Versicherung sind besondere Geschäftsbedingungen zugrunde zu legen, welche der Genehmigung des Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr (Fn 11) bedürfen.

(4) In bezug auf diese Nebenbetriebe dürfen die Satzungen oder Versicherungsbedingungen, soweit sich nicht aus dem gegenwärtigen Gesetz ein anderes ergibt oder sofern es sich nicht um mit der Gebäudeversicherung verbundene Versicherungen handelt, nicht von Vorschriften abweichen, in Ansehung deren im Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBl. S. 263) Beschränkungen der Vertragsfreiheit vorgesehen sind.

§ 33

Die Auflösung einer öffentlichen Feuerversicherungsanstalt bedarf der Genehmigung der Landesregierung (Fn 5). Bei der Auflösung kann bestimmt werden, daß das nach Abwickelung der bestehenden Verpflichtungen verbleibende Vermögen der Anstalt für Zwecke des Feuerlöschwesens im Geschäftsgebiete der aufgelösten Anstalt zu verwenden ist.

Die Auflösung kann durch Verordnung der Landesregierung (Fn 5) erfolgen, wenn die im § 13 Abs. 2 dieses Gesetzes bezeichneten Voraussetzungen vorliegen.

Im Falle der Auflösung erstreckt sich die Staatsaufsicht auch auf die Abwickelung der bestehenden Versicherungen.

Abschnitt IV
Übergangs- und Schlußbestimmungen

§§ 34 - 36 (Fn 8)

§ 37

(1) Dieses Gesetz tritt... (Fn 8) am 1. Oktober 1910 in Kraft.

(2) Der Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr (Fn 11) ist mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt.

Fußnoten:

Fn1

PrGS. S. 241/PrGS. NW. S. 200.Aufgehoben durch Artikel 2 d. Gesetzes v. 16.11.2001 (GV. NRW. S. 780).

Fn2

geändert auf Grund der veränderten staatsrechtlichen Verhältnisse.

Fn3

gegenstandslos auf Grund des Gesetzes v. 9. 7. 1937 (RGBl. I S. 793) u. v. 5. 5. 1936 (RGBl. I S. 407).

Fn4

aufgehoben durch Art. IV § 10 Ziff. 6 des Gesetzes v. 11. 1. 1932 (PrGS. S. 9).

Fn5

vgl. Anmerkung 2.

Fn6

gegenstandslos auf Grund des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen v. 15. 6. 1954 (GS. NW. S. 225).

Fn7

vgl. Anmerkung 4.

Fn8

gegenstandslos.

Fn9

geändert durch § 9 Abs. 1 b Ziff. 4 der VO. v. 29. 10. 1932 (PrGS. S. 333) und auf Grund der veränderten staatsrechtlichen Verhältnisse.

Fn10

geändert auf Grund der neuen Fassung des Versicherungsvertragsgesetzes.

Fn11

vgl. Anmerkung 11.

Fn12

vgl. Anmerkung 14.



Normverlauf ab 2000:

  • Fassung vom 31.12.1999 bis 31.12.1999 (leider nicht archiviert oder darstellbar)