Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2017 Nr. 2 vom 5.1.2017 Seite 51 bis 106
Ausführungsverordnung zum Gesetz zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (AGPsychPbG-Ausführungsverordnung) |
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Ausführungsverordnung zum Gesetz zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (AGPsychPbG-Ausführungsverordnung)
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Ausführungsverordnung
zum Gesetz zur Ausführung des Gesetzes
über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren
(AGPsychPbG-Ausführungsverordnung)
Vom 2. Januar 2017
Auf
Grund des § 11 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale
Prozessbegleitung im Strafverfahren vom 25. Oktober 2016 (GV. NRW. S. 865)
verordnet das Justizministerium:
§ 1
(1)
Psychosoziale Prozessbegleitung umfasst
1.
die soziale und psychosoziale Unterstützung der oder des Verletzten,
2.
die Vermittlung von Bewältigungsstrategien an die Verletzte oder den Verletzten,
3.
die Veranlassung von Maßnahmen zur Reduzierung von Belastungen der oder des
Verletzten und
4.
die Informationsvermittlung an die Verletzte oder den Verletzten
vor,
während und nach der Hauptverhandlung.
(2)
Die Tätigkeit der psychosozialen Prozessbegleitung richtet sich, vorbehaltlich
des § 2 Absatz 2, nach dem Bedarf der oder des Verletzten im jeweiligen
Einzelfall. Soweit die oder der Verletzte anwaltlich vertreten ist, sollen
sämtliche Maßnahmen eng mit dieser Vertretung abgestimmt werden.
(3)
Unterstützung im Sinne von Absatz 1 Nummer 1 kann insbesondere geleistet werden
durch
1.
Durchführung eines Erstgesprächs,
2.
Begleitung zu Strafanzeigen und Vernehmungen,
3.
Begleitung in die Hauptverhandlung,
4.
Gewährung praktischer Hilfestellungen, beispielsweise bei der Organisation der
An- und Abreise oder der Überbrückung von Wartezeiten,
5.
Erteilung von Hinweisen auf zum Schutz der oder des Verletzten notwendige
Maßnahmen, insbesondere gegenüber Nebenklagevertretung, Gericht und Polizei,
unter Beachtung der Befugnisse der Verfahrensbeteiligten,
6.
Erkennen, Einschätzen und Erörterung des individuellen Hilfebedarfs unter
Berücksichtigung der besonderen Belastung und eventuellen Beeinträchtigungen
der Betroffenen,
7.
Krisenintervention und Stabilisierung und
8.
Hilfe bei der Klärung des Umgangs mit den Medien.
(4)
Die Aufgaben im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 können insbesondere wahrgenommen
werden durch
1.
Vermittlung von Strategien zur Bewältigung von Ängsten,
2.
Aktivierung der eigenen Ressourcen der oder des Verletzten,
3.
Unterstützung bei der Wiedererlangung verlorener Autonomie und Sicherheit durch
die Verletzten,
4.
Vermittlung weitergehender Hilfeleistungen medizinischer oder psychologischer
Art,
5.
Vermittlung in das bestehende Hilfesystem, beispielsweise an
Fachberatungsstellen, und
6.
Durchführung einer Prozessnachbereitung, die Unterstützung bei der Reflexion,
Einschätzung und emotionalen Bewältigung des Prozessgeschehens bietet.
(5)
Die Informationsvermittlung im Sinne von Absatz 1 Nummer 4 kann insbesondere
beinhalten:
1.
eine alters- und zielgruppengerechte Aufklärung über den Ablauf eines
Strafverfahrens allgemein und die Rolle der Beteiligten,
2.
die Besichtigung des Gerichtssaals oder eines vergleichbaren Raums, bei Bedarf
auch den Besuch einer anderen Gerichtsverhandlung,
3.
Hinweise auf anwaltliche Vertretungsmöglichkeiten sowie im Bedarfsfall eine
entsprechende Weitervermittlung und
4.
Hinweise auf Möglichkeiten finanzieller Entschädigung sowie im Bedarfsfall eine
entsprechende Weitervermittlung.
§ 2
(1)
Die psychosozialen Prozessbegleiterinnen und -begleiter tragen Sorge für die
gebotene örtliche Vernetzung und Kooperation untereinander und mit anderen
Berufen, die im Strafverfahren und in der Opferberatung und -betreuung tätig
sind.
(2)
Bei der Durchführung psychosozialer Prozessbegleitung sind durch die
psychosozialen Prozessbegleiterinnen und -begleiter insbesondere folgende
Mindeststandards zu beachten:
1.
Akzeptanz des Rechtssystems und der Verfahrensgrundsätze, insbesondere der Unschuldsvermutung,
sowie der gesetzlichen Regelungen für das Ermittlungs- und Strafverfahren,
2.
Neutralität gegenüber dem Strafverfahren und dem Ausgang des Verfahrens,
3.
Trennung von Beratung und Begleitung, insbesondere
a)
keine Durchführung von Rechtsberatung,
b)
keine Aufklärung des Sachverhalts und
c)
Vermeidung von Gesprächen über die zu Grunde liegende Straftat,
4.
Vermeidung einer Beeinflussung oder Beeinträchtigung der Zeugenaussage,
insbesondere durch Anwendung suggestionsfreier Arbeitsmethoden,
5.
Wahrung der Unabhängigkeit und einer professionellen Distanz zu den begleiteten
Verletzten,
6.
transparente Arbeitsweise unter Wahrung des Datenschutzes und der
Vertraulichkeit sowie
7.
Trennung der Betreuung des oder der Beschuldigten und des oder der Verletzten.
(3)
Mit dem Antrag auf Anerkennung nach § 1 des Gesetzes zur Ausführung des
Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren vom 25.
Oktober 2016 (GV. NRW. S. 865) ist eine schriftliche Erklärung einzureichen,
mit der sich die Antragstellerin oder der Antragsteller zur Einhaltung der in
Absatz 1 und 2 genannten Standards verpflichtet.
§ 3
(1)
Die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit im Sinne von § 1 Absatz 1 Nummer
3 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale
Prozessbegleitung im Strafverfahren besitzen insbesondere Personen nicht,
1.
die rechtskräftig verurteilt worden sind
a)
wegen eines Verbrechens oder
b)
wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von
mindestens einem Jahr,
wenn
seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch
nicht verstrichen sind, oder
2.
bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie nicht willens oder
nicht in der Lage sind, selbständig fachlich adäquate psychosoziale
Prozessbegleitung unter Einhaltung der den §§ 2 und 3 des Gesetzes über die
psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren vom 21. Dezember 2015 (BGBl.
I S. 2525, 2529) zu Grunde liegenden und der in § 2 Absatz 1 und 2 genannten
Standards durchzuführen, insbesondere weil sie
a)
geschäftsunfähig oder in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt oder
b)
erheblich gesundheitlich eingeschränkt sind.
(2)
Die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen
nicht,
1.
a)
die wegen einer der
aa) in § 397a Absatz 1 Nummern 4
und 5 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April
1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 4 Absatz 5 des Gesetzes
vom 11. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2226) geändert worden ist, oder
bb) im neunten, zehnten,
fünfzehnten und dreißigsten Abschnitt des Strafgesetzbuches in der Fassung der
Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das durch Artikel 1 des
Gesetzes vom 11. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2226) geändert worden ist, genannten
Straftaten oder
cc)
wegen einer Straftat nach § 145d des Strafgesetzbuches
verurteilt
worden sind oder
b)
wegen einer sonstigen vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe,
Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer
geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind oder bei denen die
Verhängung von Jugendstrafe ausgesetzt worden ist,
wenn
seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch
nicht verstrichen sind, oder
2.
die Mitglied
a)
in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar
verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem
Vereinsgesetz unterliegt, oder
b)
in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach
§ 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat,
waren,
wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen
sind, oder
3.
die einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder
unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben,
die
a)
gegen die verfassungsmäßige Ordnung, oder
b)
gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche
Zusammenleben der Völker, gerichtet sind, oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen
auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, oder
4.
über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares gesetzliches
Verfahren eröffnet oder die Eröffnung beantragt oder dieser Antrag mangels
Masse abgelehnt worden ist.
(3)
Mit dem Antrag auf Anerkennung nach § 1 des Gesetzes zur Ausführung des
Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren ist eine
schriftliche Erklärung einzureichen, mit der die Antragstellerin oder der
Antragsteller das Nichtvorliegen von Gründen nach Absatz 1 und 2 versichert.
Sind Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die persönliche Zuverlässigkeit nach
Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b begründen, so kann die zuständige Behörde der
oder dem Betroffenen auf ihre oder seine Kosten die Vorlage eines amts- oder
fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder
körperliche Eignung aufgeben.
(4)
Ist ein Verfahren wegen Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 oder des
Absatzes 2 Nummer 1 noch nicht abgeschlossen, so kann die zuständige Behörde
die Entscheidung über die Anerkennung nach § 1 des Gesetzes zur Ausführung des
Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren bis zum
rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens aussetzen. Ist eine Anerkennung
bereits erteilt, kann die zuständige Behörde das vorübergehende Ruhen der
Anerkennung anordnen, wenn ein Verfahren wegen Straftaten im Sinne des Absatzes
1 Nummer 1 oder des Absatzes 2 Nummer 1 anhängig ist.
(5)
Die nach Absatz 3 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur für den Zweck der
Zuverlässigkeitsprüfung verwendet werden. Sie sind zu löschen, sobald sie für
die Beurteilung der persönlichen Zuverlässigkeit nach § 1 Absatz 1 Nummer
3 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale
Prozessbegleitung im Strafverfahren nicht mehr erforderlich sind.
§ 4
(1)
Personen, die die Voraussetzungen der Übergangsregelung des § 12 des Gesetzes
zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im
Strafverfahren erfüllen, haben mit dem Antrag auch eine Bescheinigung der
Anbieterin oder des Anbieters der Aus- oder Weiterbildung über die regelmäßige
Teilnahme an der Aus- oder Weiterbildung vorzulegen. Psychosoziale
Prozessbegleiterinnen und -begleiter, die aufgrund § 12 des Gesetzes zur
Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im
Strafverfahren anerkannt sind, sind verpflichtet, die zuständige Stelle
unverzüglich über den Abbruch der Aus- oder Weiterbildung zu unterrichten.
(2)
Soweit es sich bei nach §§ 1 und 12 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes
über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren anzuerkennenden
Personen um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ambulanten Sozialen Dienstes
der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen handelt, erfolgt die Antragsstellung
durch den Dienstvorgesetzten. An die Stelle des Antrages nach § 4 Absatz 2 Satz
2 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale
Prozessbegleitung im Strafverfahren und der Erklärung nach § 3 Absatz 3 Satz 1
kann unter den Voraussetzungen des Satzes 1 die Zustimmung der Mitarbeiterin
oder des Mitarbeiters zur Einsichtnahme in die Personalakte treten. Die Abgabe
der Erklärung nach § 2 Absatz 3 ist unter den Voraussetzungen des Satzes 1
entbehrlich. Sätze 1 bis 3 gelten für den Antrag nach § 6 Absatz 1 Satz 3 des
Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung
im Strafverfahren entsprechend.
§ 5
(1)
Zu den in § 2 Absatz 2 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über die
psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren genannten Inhalten sollen in
der Regel mindestens die folgenden Punkte zählen:
1.
Rechtliche Grundlagen, insbesondere
a)
Rechtsgrundlagen und Grundsätze des Strafverfahrens,
b)
Rechte und Pflichten der Verletzten und der Bezugspersonen im Strafverfahren,
c)
besondere Rechte und Pflichten von Kindern und Jugendlichen,
d)
Ablauf und Grundsätze des Ermittlungsverfahrens inklusive der Strafanzeige,
e)
Funktion und Tätigkeit von Polizei und Staatsanwaltschaft,
f)
rechtliche Grundlagen, Funktion und Tätigkeit der Strafverteidigung,
g)
Rechtsbeistand und Nebenklage,
h)
aussagepsychologische Begutachtung,
i)
Ablauf und Grundsätze des Hauptverfahrens,
j)
Stellung der psychosozialen Prozessbegleitung im Strafverfahren,
k)
Möglichkeiten der Entschädigung einschließlich Ansprüchen nach dem
Opferentschädigungsgesetz, Schadensersatz und Schmerzensgeld einschließlich der
möglichen Kostenfolgen für Verletzte,
l)
Täter-Opfer-Ausgleich und
m)
Grundlagen weiterer opferrelevanter Rechtsgebiete, zum Beispiel des Familien-
und Zivilrechts und des Gewaltschutzgesetzes vom 11. Dezember 2001 (BGBl. I S.
3513),
2.
Viktimologie, insbesondere
a)
viktimologische Grundlagen, insbesondere
aa) Theorien der Viktimisierung,
bb) Bedürfnisse von Opfern,
cc)
Verarbeitungsprozesse und Bewältigungsstrategien von Opfern,
dd) Sekundäre Viktimisierung
und
ee) Umgang mit Scham und Schuld,
b)
Wissen über spezielle Opfergruppen, insbesondere
aa) Kinder und Jugendliche,
bb) Personen mit Behinderung,
cc)
Personen mit einer psychischen Beeinträchtigung,
dd) Betroffene von Sexualstraftaten,
ee) Betroffene von Menschenhandel,
ff)
Betroffene von Gewalttaten, insbesondere solcher mit schweren physischen,
psychischen oder finanziellen Folgen oder längerem Tatzeitraum, wie zum
Beispiel bei Häuslicher Gewalt oder Stalking, und
gg) Betroffene von
vorurteilsmotivierter Gewalt und sonstiger Hasskriminalität und
c)
Grundlagen gendersensibler und interkultureller Kommunikation,
3.
Psychologie und Psychotraumatologie, insbesondere
a)
zielgruppenspezifische Belastungsfaktoren von Zeugen im Strafverfahren,
b)
Aspekte der Aussagepsychologie,
c)
Trauma und Traumabehandlung sowie
d)
Stabilisierungstechniken,
4.
Theorie und Praxis der psychosozialen Prozessbegleitung, insbesondere
a)
Ziele und Grundsätze der psychosozialen Prozessbegleitung,
b)
Leistungen und Methoden, insbesondere
aa) die Leistungen der
psychosozialen Prozessbegleitung während der verschiedenen Phasen des
Strafverfahrens,
bb) Methodenkompetenz, zum Beispiel
adressatengerechte Kommunikation, fachgerechter Umgang mit Zeugenaussagen,
Dokumentation und Aufklärung über fehlendes Zeugnisverweigerungsrecht, und
cc)
Kooperation mit anderen Professionen, Netzwerkarbeit, und
5.
Qualitätssicherung und Eigenvorsorge, insbesondere
a)
Formen der Dokumentation,
b)
Integration der psychosozialen Prozessbegleitung in das eigene Arbeitsfeld:
Möglichkeiten und Grenzen,
c)
Methoden zur Selbstreflexion, zum Beispiel kollegiale Beratung und Supervision,
d)
interdisziplinärer Austausch,
e)
Reflexion der eigenen Motivation zur Opferhilfe und
f)
Methoden der Selbstfürsorge in der professionellen Opferarbeit, zum Beispiel
Vermeidung von Überidentifikation und Burn-Out-Prävention.
(2)
In der Regel soll ein Schwerpunkt der Aus- und Weiterbildung in der Vermittlung
der rechtlichen Grundlagen liegen. Die in Absatz 1 Nummer 4 und 5 beschriebenen
Inhalte sollen in der Regel unter Mitwirkung einer oder eines erfahrenen
psychosozialen Prozessbegleiterin oder -begleiters vermittelt werden.
§ 6
(1)
Fortbildungen im Sinne des § 5 Absatz 2 Nummer 1 des Gesetzes zur Ausführung
des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren müssen
im Schwerpunkt eines der in § 5 genannten Themengebiete zum Gegenstand haben.
Aufeinander folgende Fortbildungen sollen in der Regel nicht dasselbe
Schwerpunktthema haben.
(2)
Bei Fortbildungsveranstaltungen, die nicht in Präsenzform durchgeführt werden,
müssen die Möglichkeiten der Interaktion der Referentinnen und Referenten mit
den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie der Teilnehmerinnen und Teilnehmer
untereinander während der Dauer der Fortbildungsveranstaltung sichergestellt
sein und der Nachweis der durchgängigen Teilnahme erbracht werden.
(3)
Die Gesamtdauer der innerhalb von zwei Jahren zu absolvierenden Fortbildung
darf in der Regel 10 Zeitstunden nicht unterschreiten.
(4)
Bis zu drei Zeitstunden können im Wege des Selbststudiums absolviert werden,
sofern eine Lernerfolgskontrolle erfolgt.
§ 7
(1)
Supervisionen im Sinne von § 5 Absatz 2 Nummer 2 des Gesetzes zur Ausführung
des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren müssen
von einer unabhängigen Supervisorin oder einem unabhängigen Supervisor, die
oder der eine entsprechende Qualifikation oder Zusatzausbildung hat, geleitet
werden. Gegenstand der Supervision muss die Tätigkeit der anerkannten Person in
der psychosozialen Prozessbegleitung sein.
(2)
Kollegiale Beratung im Sinne von § 5 Absatz 2 Nummer 2 des Gesetzes zur
Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im
Strafverfahren stellt einen strukturierten personenbezogenen Beratungsprozess
dar, der einem festen Ablaufschema folgt und in dem eine systematische
Reflexion und Lösung von beruflichen Problemen und Geschehnissen erfolgt. Sie
wird in der Regel in einer Gruppe von gleichrangigen und gleichberechtigten
Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt, deren Rollen (Fallerzählung,
Moderation, Beratung, Protokollierung) bei unterschiedlichen Beratungsanlässen
wechseln. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
(3)
Die Gesamtdauer der kalenderjährlich zu absolvierenden Supervisionsmaßnahmen
darf in der Regel zwei Zeitstunden nicht unterschreiten. Alternativ darf die
Gesamtdauer der kalenderjährlich zu absolvierenden Maßnahmen der kollegialen
Beratung in der Regel vier Zeitstunden nicht unterschreiten. Eine Kombination
beider Maßnahmen in einem Kalenderjahr ist möglich, wobei eine Zeitstunde
Supervision zwei Zeitstunden kollegialer Beratung entspricht. In jedem Fall
darf aber die Gesamtdauer der innerhalb von zwei Jahre zu absolvierenden
Supervisionsmaßnahmen zwei Zeitstunden nicht unterschreiten.
§ 8
(1)
In das Verzeichnis nach § 10 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über die
psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren werden Name, Anschrift und
örtlicher Tätigkeitsschwerpunkt der anerkannten psychosozialen
Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter (eingetragene Person) sowie die
Dauer der Befristung der Anerkennung aufgenommen. Auf Antrag sind in das
Verzeichnis Informationen zum sachlichen Tätigkeitsschwerpunkt, zu
Telekommunikationsanschlüssen und zum Träger der eingetragenen Personen
aufzunehmen. Die hierfür erforderlichen Daten dürfen erhoben und gespeichert
werden. Das Verzeichnis darf in automatisierte Abrufverfahren eingestellt
sowie, vorbehaltlich der Absätze 3 und 4, veröffentlicht werden.
(2)
Für jede eingetragene Person können bis zu fünf sachliche Tätigkeitsschwerpunkte
aufgenommen werden. Mögliche sachliche Tätigkeitsschwerpunkte sind:
1.
Die Begleitung bestimmter Opfergruppen, insbesondere von
a)
Personen eines bestimmten Geschlechts,
b)
Personen mit einer bestimmten sexuellen Orientierung,
c)
Personen aus einer bestimmten Altersgruppe,
d)
Personen aus bestimmten Kultur- oder Sprachkreisen,
e)
Personen mit einer Behinderung und
f)
Personen mit einer psychischen Beeinträchtigung, und
2.
die Begleitung von Opfern bestimmter Deliktsgruppen oder Kriminalitätsphänomene,
insbesondere von
a)
Sexualdelikten,
b)
Nachstellungsdelikten,
c)
Menschenhandel,
d)
Häuslicher Gewalt und
e)
vorurteilsmotivierter Gewalt und sonstiger Hasskriminalität.
(3)
Die Einsichtnahme in eine im Internet verfügbare öffentliche Ansicht des
Verzeichnisses ist jedermann gestattet. Eine Gewähr für die Zuverlässigkeit der
eingetragenen Personen und die Aktualität der Angaben besteht nicht. Die
Einsichtnahme in eine im Intranet der Justiz verfügbare nichtöffentliche
Ansicht ist nur Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und
Staatsanwälten, Amtsanwältinnen und Amtsanwälten, Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen sowie
polizeilichen Opferschutzbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen gestattet.
(4)
In der öffentlichen Ansicht werden regelmäßig Name, Träger sowie örtlicher und
sachlicher Tätigkeitsschwerpunkt der eingetragenen Personen in suchfähiger Form
gespeichert und übermittelt. Weiterhin wird in der öffentlichen Ansicht in der
Regel mindestens eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme (Anschrift,
Telekommunikationsanschlüsse) nach Wahl der eingetragenen Person gespeichert
und übermittelt. Aus wichtigem Grund kann auf Antrag der eingetragenen Person
die Speicherung und Übermittlung ihres Namens in der öffentlichen Ansicht
unterbleiben. Für diesen Fall hat die eingetragene Person Angaben zum Träger zu
machen, die in der öffentlichen Ansicht gespeichert und übermittelt werden.
(5)
In der nichtöffentlichen Ansicht können sämtliche Daten nach Absatz 1 in
suchfähiger Form gespeichert und übermittelt werden.
(6)
Die in dem Verzeichnis gespeicherten Daten können von den anerkennenden Stellen
und dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen für anonymisierte
statistische Auswertungen genutzt werden.
(7)
Nach Ablauf der Befristung und bei Rücknahme oder Widerruf der Anerkennung
werden Daten der eingetragenen Person gesperrt. Die anerkennende Stelle kann
bestimmen, dass die Daten während eines laufenden Verfahrens über Rücknahme oder
Widerruf der Anerkennung gesperrt werden. Nach Absatz 1 gespeicherte
personenbezogene Daten sind nach Ablauf von sechs Jahren zu löschen, soweit sie
für die Erfüllung der Aufgaben nicht mehr erforderlich sind. Auf Antrag der
eingetragenen Person sind die Daten auch schon vor dieser Frist jederzeit zu
löschen oder zu sperren, soweit nicht eine weitere Speicherung und Übermittlung
aus besonders wichtigem Grund erforderlich ist.
§ 9
Diese
Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Düsseldorf,
den 2. Januar 2017
Der Justizminister
des Landes Nordrhein-Westfalen
Thomas K
u t s c h a t y
GV. NRW. 2017 S. 103