Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2013 Nr. 4 vom 6.2.2013 Seite 29 bis 36

Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes in Nordrhein-Westfalen
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Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes in Nordrhein-Westfalen

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Gesetz
zur Förderung des Klimaschutzes in Nordrhein-Westfalen

 

Vom 29. Januar 2013

 

Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

 

Gesetz
zur Förderung des Klimaschutzes in Nordrhein-Westfalen

7129

Artikel 1

Klimaschutzgesetz Nordrhein-Westfalen
(Klimaschutzgesetz NRW)

 

§ 1
Zweck des Gesetzes

Zweck dieses Gesetzes ist die Festlegung von Klimaschutzzielen sowie die Schaffung der rechtlichen Grundlagen für die Erarbeitung, Umsetzung, Überprüfung, Berichterstattung über und Fortschreibung von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen. Damit sollen der Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen nachhaltig verbessert, die negativen Auswirkungen des Klimawandels begrenzt und Beiträge zu den nationalen und internationalen Anstrengungen beim Klimaschutz geleistet werden. Das Gesetz richtet sich an die in § 2 Absatz 2 genannten öffentlichen Stellen.

 

§ 2
Begriffsbestimmungen

(1) Treibhausgasemissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die Emissionen von Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffmonoxid (N2O), Fluorkohlenwasserstoffen (H-FKW/ HFC), perfluorierten Kohlenwasserstoffen (FKW/PFC) und Schwefelhexafluorid (SF6), die in Nordrhein-Westfalen entstehen. Diese werden gemäß ihres Treibhausgaspotentials umgerechnet in CO2-Äquivalente.

 

(2) Öffentliche Stellen im Sinne dieses Gesetzes sind die Landesregierung, Behörden, Einrichtungen, Sondervermögen und sonstige Stellen des Landes, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige der Aufsicht des Landes unterstehende juristische Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen, soweit sie nicht der Selbstverwaltung der Wirtschaft oder beruflicher Angelegenheiten dienen oder es sich um einen kommunalen Zweckverband oder eine kommunale Anstalt handelt. Dem stehen juristische Personen des Privatrechts gleich, bei denen ein bestimmender Einfluss der Stellen nach Satz 1 besteht.

 

§ 3
Klimaschutzziele

(1) Die Gesamtsumme der Treibhausgasemissionen in Nordrhein-Westfalen soll bis zum Jahr 2020 um mindestens 25 Prozent und bis zum Jahr 2050 um mindestens 80 Prozent im Vergleich zu den Gesamtemissionen des Jahres 1990 verringert werden.

 

(2) Zur Verringerung der Treibhausgasemissionen kommen der Steigerung des Ressourcenschutzes, der Ressourcen- und Energieeffizienz, der Energieeinsparung und dem Ausbau Erneuerbarer Energien besondere Bedeutung zu.

 

(3) Die negativen Auswirkungen des Klimawandels sind durch die Erarbeitung und Umsetzung von sektorspezifischen und auf die jeweilige Region abgestimmten Anpassungsmaßnahmen zu begrenzen.

 

 

§ 4
Umsetzung der Klimaschutzziele durch die Landesregierung

(1) Für die Landesregierung sind die Klimaschutzziele des § 3 unmittelbar verbindlich. Die Landesregierung ist verpflichtet, ihre Handlungsmöglichkeiten zu nutzen, um die landesweiten Klimaschutzziele nach § 3 insgesamt zu erreichen und diese insbesondere durch die Erstellung und Umsetzung eines Klimaschutzplans und die Raumordnung zu konkretisieren. Sie räumt der Steigerung des Ressourcenschutzes, der Ressourcen- und Energieeffizienz, der Energieeinsparung und dem Ausbau Erneuerbarer Energien besondere Bedeutung ein. Darüber hinaus wird die Landesregierung Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung im Rahmen ihrer Möglichkeiten fördern. Gleichzeitig soll das Verständnis der Bevölkerung für Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen unter anderem durch Bildung, Ausbildung, Information, Beratung und Motivation gesteigert werden.

 

(2) Die Landesregierung erstellt einen Klimaschutzplan nach § 6.

 

(3) Die Landesregierung hat eine Vorbildfunktion bei der Erreichung der Klimaschutzziele und legt ein verbindliches Konzept zur Schaffung einer insgesamt klimaneutralen Landesverwaltung nach § 7 vor.

 

(4) Die Landesregierung trägt dafür Sorge, dass:

1. neue Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sowie die Verwendung von Fördermitteln des Landes die Ziele des Gesetzes unterstützen,

2. durch ein geeignetes Verfahren bestehende Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften überprüft und gegebenenfalls geändert oder aufgehoben werden, soweit sie den Zielen des Gesetzes entgegenstehen.

 

§ 5
Klimaschutz durch andere öffentliche Stellen

(1) Die anderen öffentlichen Stellen haben ebenfalls eine Vorbildfunktion beim Klimaschutz insbesondere zur Minderung der Treibhausgase, zum Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie zur Anpassung an den Klimawandel. Die anderen öffentlichen Stellen stellen Klimaschutzkonzepte auf. Die Landesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Anforderungen an die Klimaschutzkonzepte zu konkretisieren und abweichend von Satz 2 die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie die Stellen nach § 2 Absatz 2 Satz 2, bei denen ein bestimmender Einfluss durch die Gemeinden und Gemeindeverbände besteht, zur Erstellung von Klimaschutzkonzepten zu verpflichten. Ein daraus resultierender finanzieller Ausgleich (Belastungsausgleich) für Gemeinden und Gemeindeverbände ist einschließlich eines Verteilschlüssels in die Rechtsverordnung gemäß Satz 3 aufzunehmen.

 

(2) Die anderen öffentlichen Stellen setzen die Vorgaben des Klimaschutzplans nach § 6 Absatz 4 Nummer 2, 4 und 6 um, sofern diese nach § 6 Absatz 6 verbindlich werden.

 

(3) Die Klimaschutzkonzepte der öffentlichen Stellen mit Ausnahme der Gemeinden und Gemeindeverbände und der Stellen nach § 2 Absatz 2 Satz 2 sind erstmals innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes fertig zu stellen. Die Gemeinden und Gemeindeverbände und die Stellen nach § 2 Absatz 2 Satz 2 erstellen ihre Klimaschutzkonzepte zwei Jahre nach Inkrafttreten einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Satz 3.

 

§ 6
Klimaschutzplan

(1) Die Landesregierung erstellt unter umfassender Beteiligung von gesellschaftlichen Gruppen sowie der kommunalen Spitzenverbände einen Klimaschutzplan, der vom Landtag beschlossen wird.

 

(2) Der Klimaschutzplan konkretisiert die notwendigen Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele nach § 3. Der Klimaschutzplan wird erstmals im Jahr 2013 erstellt und danach alle fünf Jahre fortgeschrieben.

 

(3) Im Klimaschutzplan sind auch die Wirkungsbeiträge und die Wechselwirkungen von Maßnahmen des Bundes sowie der Europäischen Union auf Nordrhein-Westfalen einzubeziehen und darzustellen. Ferner sind die Wirkungsbeiträge und Wechselwirkungen von Produktionsverlagerungen nach und aus Nordrhein-Westfalen bei der Berechnung der Gesamtemissionen in geeigneter Weise zu berücksichtigen. Für die in § 2 Absatz 2 Satz 2 genannten juristischen Personen sind Vorgaben des Klimaschutzplans wettbewerbsneutral zu gestalten.

 

(4) Der Klimaschutzplan besteht insbesondere aus folgenden zentralen Elementen:

1. Zwischenziele zur Reduktion der Gesamtmenge von Treibhausgasen für den Zeitraum bis 2050;

2. Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren Energien, zur Energieeinsparung, zur Erhöhung der Ressourcen- und Energieeffizienz sowie des Ressourcenschutzes;

3. eine Ermittlung und Darstellung der Potenziale und der Beiträge für die einzelnen Sektoren;

4. nachhaltige Strategien und Maßnahmen, um die Klimaschutzziele sowie die im Klimaschutzplan genannten Zwischenziele und sektoralen Zwischenziele zu erreichen;

5. ein verbindliches Konzept für eine insgesamt klimaneutrale Landesverwaltung nach § 7;

6. sektorspezifische Strategien und Maßnahmen, um die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen.

 

Soweit erforderlich, enthält der Klimaschutzplan auch Hinweise und Vorgaben für die Gebiete des Landes gemäß § 2 Absatz 3 Landesplanungsgesetz.

 

(5) Bei der Erstellung des Klimaschutzplans sind Maßnahmen aus anderen Fachplanungen, die zur Erreichung der Klimaschutzziele nach § 3 geeignet sind, zu berücksichtigen.

 

(6) Die Landesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorgaben des Klimaschutzplans nach § 6 Absatz 4 Nummer 2, 4 und 6 für öffentliche Stellen für verbindlich zu erklären. Sie erlässt die Rechtsverordnung nach Anhörung, unbeschadet des § 3 Absatz 3 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, des für Klimaschutz zuständigen Ausschusses des Landtags. Ein daraus resultierender finanzieller Ausgleich (Belastungsausgleich) für Gemeinden und Gemeindeverbände ist einschließlich eines Verteilungsschlüssels in die Rechtsverordnung gemäß Satz 1 aufzunehmen.

 

§ 7
Klimaneutrale Landesverwaltung

Das Land setzt sich zum Ziel, bis zum Jahr 2030 eine insgesamt klimaneutrale Landesverwaltung zu erreichen. Dafür legt die Landesregierung für die Behörden, Einrichtungen, Sondervermögen und Hochschulen des Landes sowie die Landesbetriebe ein verbindliches Konzept als Teil des Klimaschutzplans vor. Dieses umfasst insbesondere die Notwendigkeit zum Ressourcenschutz, zur Ressourcen- und Energieeffizienz, zur Energieeinsparung sowie zur Deckung des Energiebedarfs durch regenerative Energiequellen.

 

§ 8
Monitoring

(1) Die Klimaschutzziele und die Umsetzung der Maßnahmen des Klimaschutzplans werden von einem wissenschaftlich fundierten Monitoring begleitet. Die Ergebnisse des Monitorings werden veröffentlicht und bilden die Grundlage für die Fortschreibung des Klimaschutzplans sowie für die Arbeit des Sachverständigenrates Klimaschutz nach § 9.

 

(2) Zentrale Elemente des Monitorings sind:

1. eine aktuelle Erhebung der Treibhausgasemissionen in Nordrhein-Westfalen;

2. eine Darstellung der erwarteten Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Nordrhein-Westfalen sowie eine Abschätzung der Wirkungen der einzelnen Maßnahmen des Klimaschutzplans und deren Beiträge zur Erreichung der Klimaschutzziele sowie Zwischenziele und sektoraler Zwischenziele;

3. eine Berücksichtigung weiterer Aspekte, die bei der Umsetzung der klima- und energiepolitischen Maßnahmen von Bedeutung sind, unter anderem Auswirkungen auf Natur und Umwelt, Kosten, Nutzen, Innovationsaspekte, gesamtwirtschaftliche Wechselwirkungen;

4. eine Berücksichtigung der Wirkungsbeiträge und Wechselwirkungen gemäß § 6 Absatz 3;

5. Vorschläge für eine Fortschreibung des Klimaschutzplans sowie für die Festlegung neuer Zwischenziele und sektoraler Ziele;

6. ein Überblick über die Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch, Natur und Umwelt und der durchgeführten Anpassungsmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen;

7. eine Berücksichtigung der sozialen und beschäftigungspolitischen Auswirkungen des Klimawandels und der Maßnahmen des Klimaschutzplans.

 

 

§ 9
Sachverständigenrat Klimaschutz Nordrhein-Westfalen

(1) Es wird ein Sachverständigenrat Klimaschutz eingesetzt, dem fünf Persönlichkeiten aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen angehören. Die Mitglieder des Sachverständigenrates Klimaschutz werden von der Landesregierung für die Dauer von fünf Jahren berufen.

 

(2) Der Sachverständigenrat Klimaschutz achtet auf die Einhaltung der Klimaschutzziele und berät die Landesregierung bei der Erarbeitung und Fortentwicklung des Klimaschutzplans. Der Rat kann sich auf eigene Initiative, auf Anregung des Landtages oder auf Anfrage der Landesregierung mit spezifischen Themen der Klima- und Energiepolitik befassen.

 

(3) Auf Grundlage des Monitorings führt der Sachverständigenrat Klimaschutz alle fünf Jahre, jeweils vor der Fortschreibung des Klimaschutzplans eine Bewertung des Umsetzungsstandes der Klimaschutzmaßnahmen durch und legt der Landesregierung sowie dem Landtag einen Bericht vor, der auch Empfehlungen beinhalten kann.

 

(4) Die Landesregierung nimmt zum Bericht binnen drei Monaten gegenüber dem Landtag Stellung.

 

§ 10
Inkrafttreten, Berichtspflicht

Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Über die Erfahrungen mit diesem Gesetz, insbesondere zur Umsetzung von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen und zur Erreichung der Klimaschutzziele nach § 3, erstattet die Landesregierung unter Berücksichtigung des Monitorings nach § 8 und des Berichts des Sachverständigenrates Klimaschutz nach § 9 dem Landtag bis zum 31. Dezember 2020 und danach alle fünf Jahre einen Bericht.

 

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Artikel 2

Änderung des Landesplanungsgesetzes

 

Das Landesplanungsgesetz (LPlG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Mai 2005 (GV. NRW. S. 430), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 16. März 2010 (GV. NRW. S. 212), wird wie folgt geändert:

 

1. § 12 Absatz 3 wird wie folgt gefasst:

„(3) Vorliegende Fachbeiträge und Konzepte (z. B. Klimaschutzkonzepte) sind bei der Erarbeitung von Raumordnungsplänen zu berücksichtigen.“

 

2. In § 12 wird folgender Absatz 6 angefügt:

„(6) In den Raumordnungsplänen sind die räumlichen Erfordernisse des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel als Ziele und Grundsätze der Raumordnung festzulegen. Zur raumordnerischen Umsetzung des § 3 Klimaschutzgesetz Nordrhein-Westfalen sind die genannten Klimaschutzziele als raumbezogene Ziele und Grundsätze umzusetzen und/oder nachgeordneten Planungsebenen entsprechende räumliche Konkretisierungsaufträge zu erteilen.“

 

3. In § 12 wird folgender Absatz 7 eingefügt:

„(7) Die Raumordnungspläne müssen auch diejenigen Festlegungen des Klimaschutzplans NRW umsetzen, die gemäß § 6 Absatz 6 Klimaschutzgesetz NRW für verbindlich erklärt worden sind, soweit sie durch Ziele oder Grundsätze der Raumordnung gesichert werden können.“

 

Artikel 3

Inkrafttreten

 

Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.

 

Düsseldorf, den 29. Januar 2013

 

 

Die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen

 

Die Ministerpräsidentin

Hannelore  K r a f t

(L. S.)

Die Ministerin
für Schule und Weiterbildung

Sylvia  L ö h r m a n n

 

Der Minister
für Wirtschaft, Energie, Industrie,
Mittelstand und Handwerk

Garrelt  D u i n

 

Der Minister
für Arbeit, Integration und Soziales,
zugleich für den
Finanzminister

Guntram  S c h n e i d e r

 

Der Justizminister

Thomas  K u t s c h a t y

 

Der Minister
für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz

Johannes  R e m m e l

 

Der Minister
für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr

Michael  G r o s c h e k

 

Die Ministerin
für Innovation, Wissenschaft und Forschung
zugleich für den
Minister für Inneres und Kommunales
und die Ministerin
für Familie, Kinder, Jugend,
Kultur und Sport

Svenja  S c h u l z e

 

Die Ministerin
für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter

Barbara  S t e f f e n s

 

Die Ministerin
für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien

Dr. Angelica  S c h w a l l-D ü r e n

 

GV. NRW. 2013 S. 33