Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2014 Nr. 27 vom 29.9.2014 Seite 543 bis 606

Gesetz zur Regelung der Verleihung von Körperschaftsrechten an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (Körperschaftsstatusgesetz)
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Gesetz zur Regelung der Verleihung von Körperschaftsrechten an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (Körperschaftsstatusgesetz)

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Gesetz
zur Regelung der Verleihung von Körperschaftsrechten
an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften
(Körperschaftsstatusgesetz)

Vom 16. September 2014

Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

Gesetz
zur Regelung der Verleihung von Körperschaftsrechten
an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften
(Körperschaftsstatusgesetz)

Artikel 1

Gesetz zur Regelung der Verleihung und des Entzugs der Rechte einer
Körperschaft des öffentlichen Rechts an Religions- und
Weltanschauungsgemeinschaften in Nordrhein-Westfalen
(Körperschaftsstatusgesetz)

§ 1
Verleihungsvoraussetzungen

(1) Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften werden auf Antrag die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen, wenn sie

1. durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten, wobei sie generationenübergreifend bestehen sollen und zur Ausübung der ihnen mit der Verleihung übertragenen Rechte im Stande sein müssen,

2. rechtstreu sind, was sich insbesondere durch ihre Satzung und ihr tatsächliches Verhalten ausdrückt,

3. ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen oder in einem anderen Land der Bundesrepu­blik Deutschland haben, sofern ihnen dort die Körperschaftsrechte bereits verliehen worden sind (Zweitverleihung).

(2) Zum Nachweis einer ordnungsgemäßen Verfassung nach Absatz 1 Nummer 1 und der Rechtstreue nach Absatz 1 Nummer 2 gehört auch eine Satzung, die Bestimmungen enthalten soll über

1. die Abgrenzung der Zuständigkeitsbezirke, soweit gebietsförmig untergliedert,

2. den Erwerb und den Verlust der Mitgliedschaft,

3. die Rechte und Pflichten der Mitglieder,

4. die Organe der Gemeinschaft und ihre Befugnisse,

5. die Art und Weise der Finanzierung,

6. Satzungsänderungen und

7. die Auflösung der Gemeinschaft.

Die Mitgliedschaft ist in geeigneter Form nachzuweisen. Satzungsänderungen sind dem zuständigen Ministerium anzuzeigen. Die Gewähr der Dauer setzt zudem voraus, dass die Gemeinschaft in der Lage ist, ihren finanziellen Verpflichtungen auf Dauer nachzukommen.

(3) Die Antragsteller haben das Vorliegen der Verleihungsvoraussetzungen darzulegen.

(4) Ortsgemeinden und sonstige Untergliederungen von bereits im Land Nordrhein-Westfalen als Körperschaften des öffentlichen Rechts bestehenden Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften erhalten auf Antrag der Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft Körperschaftsrechte. Die Antragssteller sichern rechtsverbindlich zu, dass die körperschaftsspezifischen Verpflichtungen eingehalten werden.

§ 2
Rechtsform der Verleihung

(1) Die Verleihung der Körperschaftsrechte erfolgt durch Rechtsverordnung der Landesregierung nach Anhörung des zuständigen Ausschusses des Landtags.

Der Landtag kann die Erteilung der Körperschaftsrechte durch Beschluss des zuständigen Ausschusses jederzeit von seiner Zustimmung abhängig machen. Die Landesregierung kann ihrerseits die Zustimmung des Landtags für die Erteilung der Körperschaftsrechte vorsehen.

(2) Die Zweitverleihung erfolgt entsprechend dem Verfahren nach Absatz 1.

(3) Die Verleihung von Körperschaftsrechten an Ortsgemeinden und sonstige Untergliederungen gemäß § 1 Absatz 4 erfolgt durch Verwaltungsakt des zuständigen Ministeriums an die Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft.

§ 3
Ausscheiden und sonstiger Statusverlust bei Untergliederungen und Ortsgemeinden

(1) Scheidet eine Untergliederung oder Ortsgemeinde aus ihrer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft aus, verliert sie die Körperschaftsrechte, wenn sie diese Rechte aufgrund ihrer Mitgliedschaft zur Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft erlangt hat (§ 1 Absatz 4). Es ist den ausgeschiedenen Teilgliederungen unbenommen, ihrerseits die Körperschaftsrechte zu beantragen.

(2) Der Verlust tritt auch ein, wenn die Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft einen entsprechenden Antrag stellt.

(3) Der Verlust der Körperschaftsrechte ist durch Verwaltungsakt festzustellen.

§ 4
Entzug der Körperschaftsrechte

(1) Die Körperschaftsrechte werden entzogen, wenn die Voraussetzungen im Sinne von § 1 Absatz 1 und 2 von Anfang an nicht vorgelegen haben oder sie nachträglich entfallen sind. §§ 48 und 49 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (GV. NRW. 1999 S. 602, zuletzt geändert durch Art. 1 Verwaltungszusammenarbeitsgesetz vom 17.12.2009; GV. NRW. S. 861) finden entsprechende Anwendung, soweit dieses Gesetz keine abweichende Regelung trifft. Ein nachträglicher Entzugsgrund ist insbesondere gegeben, wenn

1. die Gemeinschaft dies beantragt,

2. die Gemeinschaft nicht mehr die Eigenschaft einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft besitzt,

3. an der Rechtstreue der Gemeinschaft begründete Zweifel bestehen,

4. die Gemeinschaft die Gewähr der Dauer dadurch nicht mehr bietet, dass sie überschuldet oder zahlungsunfähig ist,

5. die Gemeinschaft seit drei Jahren handlungsunfähig ist, weil sie keine verfassungsmäßigen Vertreter hat oder

6. die Gemeinschaft ihren Sitz in das Ausland verlegt hat.

(2) Der Entzug der Körperschaftsrechte erfolgt in Verfahren und Form entsprechend ihrer Verleihung.

(3) Sofern Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften vor Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung Körperschaften des öffentlichen Rechts geworden sind (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 S. 1 WRV), finden Absatz 1 und 2 keine Anwendung. Gleiches gilt für deren Rechtsnachfolger.

(4) Mit dem Entzug verliert die Gemeinschaft die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sofern sich aus der Verfassung der Gemeinschaft nichts anderes ergibt, finden sodann die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über Vereine auf sie Anwendung. Das Gleiche gilt bei einem Verlust nach § 3 Absatz 1 und 2.

§ 5
Zuständigkeitsregelung; Ausnahmen

(1) Zuständig für Entscheidungen nach diesem Gesetz ist das für Religionsangelegenheiten zuständige Ministerium.

(2) Gegen Entscheidungen und zur Herbeiführung von Entscheidungen nach diesem Gesetz ist der Rechtsweg vor die Verwaltungsgerichte gegeben.

(3) Dieses Gesetz findet keine Anwendung, soweit mit einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft anderweitige Vereinbarungen (Verträge nach Art. 23 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen oder sonstige öffentlich-rechtliche Verträge) getroffen worden sind.

Artikel 2

Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über die jüdischen Kultusgemeinden im
Lande Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 1951

(1) Das Gesetz über die jüdischen Kultusgemeinden im Lande Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 1951 (GV. NRW. 1952 S. 2) wird aufgehoben.

(2) Die auf Grund dieses Gesetzes erworbenen Rechte werden durch die Aufhebung nicht berührt. Sofern jüdischen Kultusgemeinden in der Zeit zwischen 1933 und 1945 Körperschaftsrechte entzogen worden sind, ist dieser Entzug unwirksam, die Rechte gelten fort. Im Übrigen gilt künftig das Gesetz zur Regelung der Verleihung und des Entzugs der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Nordrhein-Westfalen (Körperschaftsstatusgesetz).

Artikel 3

Inkrafttreten; Berichtspflicht

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Die Landesregierung berichtet dem Landtag bis zum 31. Dezember 2021 über die Erfahrungen mit dem neuen Gesetz. Insbesondere ist zu prüfen, ob sich die Verleihung durch Rechtsverordnung bewährt hat.

Düsseldorf, den 16. September 2014

Die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen

Die Ministerpräsidentin

Hannelore  K r a f t

(L. S.)

Der Finanzminister

Dr. Norbert  W a l t e r-B o r j a n s

Der Minister
für Arbeit, Integration und Soziales

Guntram  S c h n e i d e r

Für den Justizminister
Der Minister
für Inneres und Kommunales

Ralf  J ä g e r

GV. NRW. 2014 S. 604