Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2014 Nr. 40 vom 17.12.2014 Seite 879 bis 888

Ausführungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zum Schwangerschaftskonfliktgesetz (Schwangerschaftskonfliktgesetz-Ausführungsgesetz - AG SchKG)
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Ausführungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zum Schwangerschaftskonfliktgesetz (Schwangerschaftskonfliktgesetz-Ausführungsgesetz - AG SchKG)

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Ausführungsgesetz
des Landes Nordrhein-Westfalen zum Schwangerschaftskonfliktgesetz
(Schwangerschaftskonfliktgesetz-Ausführungsgesetz - AG SchKG)

Vom 9. Dezember 2014

Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

Ausführungsgesetz
des Landes Nordrhein-Westfalen zum Schwangerschaftskonfliktgesetz
(Schwangerschaftskonfliktgesetz-Ausführungsgesetz - AG SchKG)

Teil 1

Allgemeine Vorschriften

§ 1
Zweck des Gesetzes

(1) Zweck dieses Gesetzes ist es, ein ausreichendes plurales Angebot wohnortnaher Beratungsstellen nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes vom 27. Juli 1992 (BGBl. I S. 1398), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3458) geändert worden ist, sicherzustellen.

(2) Dieses Gesetz regelt insbesondere die angemessene öffentliche Förderung der in Absatz 1 genannten Beratungsstellen nach § 4 Absatz 3 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes durch das Land.

§ 2
Beratungsstellen, Beratungskräfte

(1) Gefördert werden können nur solche Beratungsstellen, welche die Gewähr für eine fachgerechte Beratung nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz bieten, insbesondere über hinreichend persönlich und fachlich qualifiziertes Personal verfügen und glaubhaft machen, dass sie wirtschaftlich in der Lage sind, die Beratung für die Dauer der nachfolgenden Zuteilungsperiode anzubieten.

(2) Die Beratung erfolgt im Falle des § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes durch Fachkräfte der Beratungsstellen nach § 3 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, im Falle der §§ 5 und 6 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes durch Fachkräfte der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen (Beratungskräfte) sowie durch staatlich anerkannte Ärztinnen und Ärzte nach § 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Die allgemeine Beratung kann auch durch Gruppenveranstaltungen innerhalb und außerhalb der Beratungsstelle im Rahmen der vorbeugenden Arbeit auf den Gebieten der Sexualpädagogik und Familienplanung erfolgen.

§ 3
Versorgungsgebiete

Die Beratungsstellen sind Versorgungsgebieten zugeordnet. Die Versorgungsgebiete entsprechen den Regierungsbezirken.

Teil 2

Öffentliche Förderung der

Beratungsstellen

§ 4
Umfang der Landesförderung

(1) Das Land gewährleistet gemäß § 4 Absatz 3 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes die zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebots der nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes erforderlichen Beratungsstellen angemessene öffentliche Förderung der Personal- und Sachkosten. Der Umfang der Förderung ist auf die zur Erreichung des Versorgungsschlüssels gemäß § 5 erforderlichen Beratungskräfte begrenzt.

(2) Die Förderung erfolgt durch Gewährung von Fördermitteln für festangestellte Beratungskräfte. Die Höhe der Fördermittel pro Beratungskraft beträgt 80 Prozent der angemessenen Personal- und Sachkosten einer festangestellten vollzeitbeschäftigten Beratungskraft. Bei Teilzeitbeschäftigten erfolgt die Förderung anteilig. Das Nähere einschließlich der Förderung von Verwaltungskräften, Honorarkräften und von Sachkosten regelt die Rechtsverordnung nach § 13.

(3) Beratungsstellen, die mit weniger als einer halben Beratungskraftstelle ausgestattet sind, werden bei der Förderung nicht berücksichtigt.

§ 5
Versorgungsschlüssel

(1) Der Versorgungsschlüssel für die Beratung nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes und für die Schwangerschaftskonfliktberatung nach den §§ 5 und 6 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes beträgt eine vollzeitbeschäftige Beratungskraft oder eine entsprechende Zahl von Teilzeitbeschäftigten auf 40 000 Einwohner je Versorgungsgebiet. § 4 Absatz 1 Satz 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes bleibt unberührt. Auf den Versorgungsschlüssel werden die nach § 8 Satz 3 in Verbindung mit § 9 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes staatlich anerkannten Ärztinnen und Ärzte mit einem Anteil von bis zu 25 Prozent angerechnet. Soweit Beratungsstellen landesweit Aufgaben wahrnehmen, werden die damit betrauten Beratungskräfte auf den Versorgungsschlüssel in den Versorgungsgebieten zu gleichen Anteilen angerechnet.

(2) Das Nähere regelt die Rechtsverordnung nach § 13.

§ 6
Organisation, Verfahren, Zuteilungsperiode

(1) Entscheidungen über die Förderung nach diesem Gesetz erfolgen auf Antrag der jeweiligen Beratungsstelle; bei nicht rechtsfähigen Beratungsstellen ist der Antrag von dem für die Beratungsstelle zuständigen Träger zu stellen. Über den Antrag entscheidet die zuständige Bewilligungsbehörde durch Bescheid.

(2) Der Zuteilungsbescheid legt die Anzahl der in der Zuteilungsperiode vom Land zu fördernden Beratungskraftstellen einer Beratungsstelle fest. Die Zahl dieser förderfähigen Beratungskraftstellen wird angegeben als Summe der Stellenanteile gemäß dem jeweiligen Stundenumfang im Jahr, gemessen in Vollzeitäquivalenten (VZÄ).

(3) Die Zuteilungsperiode beträgt fünf Jahre. Die erste Zuteilung nach diesem Gesetz erfolgt zum 1. Januar 2016. Rechtzeitig vor Ablauf der jeweiligen Zuteilungsperiode erfolgt die Neuzuteilung für fünf weitere Jahre.

(4) Auf der Grundlage des Zuteilungsbescheids nach Absatz 2 bestimmt die Bewilligungsbehörde die Höhe der für die Beratungsstelle nach Maßgabe von § 4 gewährten Fördermittel durch gesonderten jährlichen Festsetzungsbescheid.

(5) Fallen innerhalb einer Zuteilungsperiode geförderte Beratungskraftstellen einer Beratungsstelle weg, kann der Träger die Übertragung dieser Beratungskraftstellen auf andere Beratungsstellen im selben Versorgungsgebiet beanspruchen. Die Übertragung erfolgt auf Antrag durch Zuteilung der förderfähigen Beratungskraftstellen und nach Möglichkeit zu Beginn des auf die Antragstellung folgenden Jahres. Die Übertragung ist bis zur Höhe der weggefallenen Beratungskraftstellen begrenzt. Wird vom selben Träger kein Antrag auf Übertragung der Beratungskraftstellen gestellt, können andere bereits geförderte Beratungsstellen im selben Versorgungsgebiet die Übertragung beantragen. Sind mehr Bewerber als zuteilungsfähige Beratungskraftstellen vorhanden, erfolgt die Auswahl nach den in § 11 genannten Kriterien.

§ 7
Förderung bis zum Erreichen des Versorgungsschlüssels

Solange die Zahl der Beratungskräfte pro Versorgungsgebiet den Versorgungsschlüssel nach § 5 nicht erreicht, haben die antragstellenden Beratungsstellen einen Anspruch auf Förderung von Beratungskraftstellen im Umfang der bei ihnen beschäftigten festangestellten Beratungskräfte nach Maßgabe von § 4.

§ 8
Zuteilungsverfahren bei Überschreitung des Versorgungsschlüssels

Liegen unter Berücksichtigung der anerkannten Ärztinnen und Ärzte gemäß § 5 Absatz 1 Satz 3 mehr Anträge in einem Versorgungsgebiet vor, als zur Erfüllung des in § 5 genannten Versorgungsschlüssels erforderlich sind, tritt an die Stelle des Förderanspruchs nach § 7 ein Anspruch der antragstellenden Beratungsstellen auf Teilnahme an einem Zuteilungsverfahren. Die Zuteilung der förderfähigen Beratungskraftstellen an die antragstellenden Beratungsstellen erfolgt nach Maßgabe der §§ 9 bis 11.

§ 9
Bestandsschutz

(1) Soweit ein Antragsteller in dem jeweiligen Versorgungsgebiet bereits in der vorangegangenen Zuteilungsperiode Landesfördermittel erhalten hat, wird ein Anteil von 70 Prozent der bisher geförderten Beratungskraftstellen dieser Beratungsstelle weiter gefördert.

(2) Erreicht eine Beratungsstelle unter Berücksichtigung des Bestandsschutzes nach Absatz 1 und nach Durchführung des Verfahrens nach § 11 weniger als 1,0 Beratungskraftstelle, wird der förderfähige Stellenumfang auf 1,0 Beratungskraftstelle aufgestockt. Ist in einer Beratungsstelle bislang weniger als 1,0 Beratungskraftstelle gefördert worden, erfolgt die Aufstockung bis zur Höhe der bisherigen Förderung.

§ 10
Neue Bewerber

(1) Neue Bewerber können zu Beginn einer Zuteilungsperiode berücksichtigt werden. In jedem Versorgungsgebiet soll in der Regel nicht mehr als einem neuen Bewerber, der die in § 2 Absatz 1 genannten Voraussetzungen erfüllt, auf Antrag  für eine neue Beratungsstelle bis zu 1,0 förderfähige Beratungskraftstelle und ein Verwaltungsstellenanteil zugeteilt werden. In diesem Fall werden die nach § 8 Satz 3 in Verbindung mit § 9 Schwangerschaftskonfliktgesetz staatlich anerkannten Ärztinnen und Ärzte in entsprechend geringerem Umfang auf den Versorgungsschlüssel angerechnet.

(2) Stellen in einem Versorgungsgebiet zwei oder mehr neue Bewerber einen Antrag auf Zuteilung von förderfähigen Beratungskraftstellen für die nachfolgende Zuteilungsperiode, entscheidet die zuständige Bewilligungsbehörde über die Zuteilung

1. nach Maßgabe des besonderen Bedarfs für das neue Angebot,

2. bei gleichem Bedarf nach Maßgabe der Eignung des jeweiligen Beratungskonzepts zur Erfüllung der Beratungsaufgaben nach den §§ 2, 5 und 6 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, des Beitrags des jeweiligen neuen Bewerbers zur Pluralität und Wohnortnähe sowie der Erfahrung des in der Beratungsstelle eingesetzten Personals.

Verbleiben auf Grund einer Beurteilung nach Satz 1 zwei oder mehr Bewerber mit gleichem Rang, entscheidet das Los.

(3) Der Antrag nach Absatz 1 soll sechs Monate vor Ablauf der Antragsfrist für bereits geförderte Beratungsstellen gestellt werden.

§ 11
Zuteilung der verbleibenden förderfähigen Beratungskraftstellen

(1) Die förderfähigen Beratungskraftstellen, die nach Abzug der gemäß §§ 9 und 10 zugeteilten Beratungskraftstellen von dem Kontingent nach § 5 verbleiben, werden unter den in der vorangegangenen Zuteilungsperiode geförderten Beratungsstellen in Abhängigkeit vom Umfang der Erfüllung der nachfolgenden Kriterien zugeteilt:

1. gewichtete Anzahl der im Erhebungszeitraum in der Beratungsstelle von den festangestellten Beratungskräften pro Vollzeitäquivalent durchgeführten Beratungen nach den §§ 2, 5 und 6 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes;

2. gewichtete Anzahl der im Erhebungszeitraum in der Beratungsstelle von den festangestellten Beratungskräften pro Vollzeitäquivalent durchgeführten Gruppen- und Großveranstaltungen nach § 2 Absatz 2 Satz 2;

3. gewichtete Dauer der Berufserfahrung der in der Beratungsstelle festangestellten Beratungsfachkräfte in der Schwangerschaftsberatung in Jahren.

(2) Für den Umfang der Erfüllung der Kriterien nach Absatz 1 werden Punkte vergeben, aus denen eine Beratungsstellenkennziffer (BKZ) errechnet wird. Die Relation der Beratungsstellen nach der BKZ ist Grundlage für die Zuteilung der förderfähigen Stellen in einem Versorgungsgebiet. Die Vergabe der Punkte erfolgt jeweils auf der Grundlage der Daten aus den Erhebungen des vorletzten und des davor liegenden Kalenderjahres (Erhebungszeitraum) vor dem Wirksamwerden der jeweiligen Zuteilung gemäß § 6 Absatz 1 bis 3.

(3) Im Einzelfall kann die Bewilligungsbehörde zu Beginn einer Zuteilungsperiode innerhalb eines Versorgungsgebiets Stellenanteile auf eine andere Beratungsstelle übertragen, wenn der beziehungsweise die Träger dies einvernehmlich beantragen und die gesetzlichen Ziele nicht entgegenstehen. Die Höhe der übertragungsfähigen Stellenanteile ist auf die Differenz zwischen dem Zuteilungsanspruch nach Absatz 2 und der Förderung in der vorherigen Förderperiode begrenzt. 

(4) Das Nähere regelt die Rechtsverordnung nach § 13.

Teil 3

Sonstige Bestimmungen

§ 12
Datenerhebung

Die für die Schwangerschaftsberatung zuständige oberste Landesbehörde erhebt von den Beratungsstellen und ihren Trägern die zur Durchführung dieses Gesetzes und zu Zwecken des Fördercontrollings erforderlichen Daten über wirtschaftliche und betriebliche Verhältnisse der Beratungsstellen sowie über die bei ihrer Beratungstätigkeit gesammelten Erfahrungen einschließlich von Fallzahlen der durchgeführten Beratungen und Maßnahmen nach den §§ 2 und 5 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Die Richtigkeit der gemeldeten Daten ist durch rechtsverbindliche Erklärung zu bestätigen. Diese Daten dürfen keine Rückschlüsse auf die Identität der beratenen und der zum Beratungsgespräch hinzugezogenen Personen ermöglichen. Das Nähere regelt die Rechtsverordnung nach § 13.

§ 13
Rechtsverordnung

Das Nähere zum Verfahren und zur Bemessung der Förderung nach diesem Gesetz ist durch Rechtsverordnung der für die Schwangerschaftsberatung zuständigen obersten Landesbehörde im Einvernehmen mit dem Finanzministerium und mit dem Landtag zu regeln. In der Verordnung sind mindestens zu regeln:

1. die Angemessenheit der Personal- und Sachkosten nach § 4 Absatz 2 sowie die Höhe der Finanzierungsbeteiligung des Landes;

2. die Berechnung und Anwendung des Versorgungsschlüssels und die Anrechnung von anerkannten Ärztinnen und Ärzten sowie von landesweit tätigen Beratungsstellen gemäß § 5;

3. die zuständigen Bewilligungsbehörden sowie das nähere Verwaltungsverfahren nach § 6;

4. die Einzelheiten der Zuteilung in den Fällen der §§ 8 bis 11, insbesondere die Gewichtung der Auswahlkriterien nach § 11 Absatz 1 sowie das Berechnungsverfahren;

5. die Ausgestaltung der Datenerhebung nach § 12.

§ 14
Übergangsregelung

(1) Für das Jahr 2015 wird der pro Beratungsstelle geförderte Stellenumfang des Vorjahres beibehalten. Für die erste Zuteilungsperiode ist der Erhebungszeitraum das Jahr 2014.

(2) § 10 Absatz 3 gilt erstmals für das Zuteilungsverfahren ab dem Jahr 2021.

§ 15
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

(2) Gleichzeitig tritt das Schwangerschaftskonfliktausführungsgesetz NRW vom 23. Mai 2006 (GV. NRW. S. 267), das zuletzt durch Gesetz vom 4. Dezember 2012 (GV. NRW. S. 634) geändert worden ist, außer Kraft.

Düsseldorf, den 9. Dezember 2014

Die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen

Die Ministerpräsidentin

Hannelore  K r a f t

(L. S.)

Der Finanzminister

Dr. Norbert  W a l t e r-B o r j a n s

Der Minister
für Inneres und Kommunales

Ralf  J ä g e r

Die Ministerin
für Familie, Kinder, Jugend
Kultur und Sport

Ute  S c h ä f e r

Die Ministerin
für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter

Barbara S t e f f e n s

GV. NRW. 2014 S. 881