Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2006 Nr. 38 vom 29.12.2006 Seite 619 bis 634

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen - VSG NRW)
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Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen - VSG NRW)

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Gesetz
zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz
in Nordrhein-Westfalen
(Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen - VSG NRW)

Vom 20. Dezember 2006

Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

Gesetz
zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz
in Nordrhein-Westfalen
(Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen - VSG NRW)

1. § 5 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 Nr. 2 wird wie folgt gefasst:

„2. Observation, bei sicherheitsgefährdenden, geheimdienstlichen  Tätigkeiten oder  Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 von erheblicher Bedeutung auch mit besonderen, für Observationszwecke bestimmte technischen  Mitteln; Observationen, die länger als einen Monat ununterbrochen andauern, bedürfen der Genehmigung durch den Leiter der Verfassungsschutzbehörde.“

b) Hinter Absatz 2 Nr. 10 wird folgende neue Nr. 11 eingefügt:

11. heimliches Beobachten und sonstiges Aufklären des Internets, wie insbesondere die verdeckte Teilnahme an seinen Kommunikationseinrichtungen bzw. die Suche nach ihnen, sowie der heimliche Zugriff auf informationstechnische Systeme auch mit Einsatz technischer Mittel. Soweit solche Maßnahmen einen Eingriff  in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis darstellen bzw. in Art und Schwere diesem gleichkommen, ist dieser nur unter den Voraussetzungen des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz zulässig;.

c) Die bisherige Nummer 11 wird zu Nummer 12.

d) Nach Absatz 2 wird folgender neuer Absatz 3 eingefügt:

(3) Mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnene personenbezogene Daten sind zu kennzeichnen und  den Personen, zu denen diese  Informationen erfasst wurden, nach Beendigung der Maßnahme mitzuteilen. Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn

1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Benachrichtigung zu besorgen ist,

2. durch die Auskunftserteilung Quellen gefährdet sein können oder die Offenlegung  des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist,

3. die Benachrichtigung die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder

4. die Daten oder die Tatsache der Verarbeitung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten geheimgehalten werden müssen,

5. eine der unter 1-4 genannten Voraussetzungen auch nach fünf Jahren nach Beendigung der Maßnahme noch vorliegt und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft vorliegen wird.

e) Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 4. In dem neuen Absatz 4 wird das Wort „Betroffene“ durch die Wörter „die Betroffenen“ ersetzt.

f) Der bisherige Absatz 4 wird Absatz 5 und der bisherige Absatz 5 wird Absatz 6.

2. § 5a wird wie folgt geändert:

a) In der Überschrift werden die Angaben „in den Fällen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4“ gestrichen.

b) Absatz 1 wird wie folgt gefasst.

„(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte über Beteiligte am Zahlungsverkehr und über Geldbewegungen und Geldanlagen einholen, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 3 Abs. 1 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die in § 3 Abs. 1 genannten Schutzgüter vorliegen.“

c) Die bisherigen Absätze 2 und 3 werden aufgehoben.

d) Der bisherige Absatz 4 wird Absatz 2. Im neuen Absatz 2 wird die Angabe „§ 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4“ durch die Angabe „§ 3 Abs. 1“ ersetzt.

e) Der bisherige Absatz 5 wird Absatz 3. Im neuen Absatz 3 wird die Angabe „nach den Absätzen 1 bis 4“ durch die Angabe „nach den Absätzen 1 bis 2“ ersetzt.

f) Der bisherige Absatz 6 wird Absatz 4. Im neuen Absatz 4 wird die Angabe „Absätze 1 bis 5“ durch die Angabe „Absätze 1 bis 3“, die Angabe „Absätze 1 bis 4“ durch die Angabe „Absätze 1 und 2“ und die Wörter „drei Jahren“ durch die Wörter „zwei Jahren“ ersetzt.

g) Der bisherige Absatz 7 wird Absatz 5. Im neuen Absatz 5 wird die Angaben „nach Maßgabe der Absätze 2, 4, 5, und 6“ durch die Angabe „nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4“ ersetzt.

3. § 7 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben Informationen, insbesondere personenbezogene Daten, durch Befragung von nichtöffentlichen Stellen und mit den Mitteln gemäß § 5 Abs. 2 erheben, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass

1. auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 oder die zur Erlangung solcher Erkenntnisse erforderlichen Quellen gewonnen werden können oder

2. dies zum Schutz der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen der Verfassungsschutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist.“

b) Absatz 4 wird wie folgt gefasst:

„(4) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes auch technische Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes und zur Ermittlung der Geräte- und Kartenummern einsetzen. Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn ohne die Ermittlung die Erreichung des Zwecks der Überwachungsmaßnahme aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Für die Verarbeitung der Daten gilt § 4 des Gesetzes über die Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz entsprechend. Personenbezogene Daten einer dritten Person dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks nach Satz 1 unvermeidbar ist. Sie unterliegen einem absoluten Verwendungsverbot und sind nach Beendigung der Maßnahme unverzüglich zu löschen. § 5a Abs. 3 und 4 gelten entsprechend. Das Grundrecht des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.“

4. § 8 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten in schriftlichen oder  elektronischen Akten und in zur Person geführten Dateien verarbeiten, wenn

1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von  Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 vorliegen,

2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 erforderlich ist oder

3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 3 Abs. 2 erforderlich ist.“

b) Hinter Absatz 3 wird folgender Absatz 4 eingefügt:

„(4) der Zugriff auf personenbezogene Daten in elektronischen Sachakten ist zu protokollieren. In elektronischen Sachakten gespeicherte personenbezogene Daten dürfen nach Löschung der zur Person geführten Dateien nicht für Aufgaben nach § 3 Abs. 2 verwandt oder an andere Behörden übermittelt werden. Solche Daten dürfen nicht elektronisch recherchierbar sein.“

5. § 9 wird wie folgt geändert:

In Absatz 1 werden die Wörter „in Dateien oder zu ihrer Person geführten Akten“ durch die Wörter „in zu ihrer Person geführten Dateien oder Akten“ ersetzt.

6. § 10 wird wie folgt geändert:

a) in der Überschrift in Absatz 1 und Absatz 2 werden die Wörter „in Dateien“ durch die Wörter „in zur Person geführten Dateien“ ersetzt.

b) Absatz 3 wird wie folgt gefasst:

„(3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob gespeicherte Daten in zur Person geführten Dateien zu berichtigen oder zu löschen sind. In zur Person geführten Dateien gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 sind spätestens 10 Jahre, über Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 sind spätestens 15 Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, der Leiter der Verfassungsschutzabteilung stellt im Einzelfall fest, dass die weitere Speicherung zur Aufgabenerfüllung oder zur Wahrung schutzwürdiger Belange der betroffenen Person erforderlich ist. Die Gründe sind aktenkundig zu machen.“

7. § 11 wird wie folgt geändert:

In der Überschrift, in Absatz 1 und in Absatz 2 werden die Wörter „in Akten“ durch die Wörter „in schriftlichen oder elektronischen Akten“ ersetzt.

8. § 12 wird wie folgt geändert:

Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Auszüge aus Textdateien dürfen nicht ohne die dazugehörenden erläuternden Unterlagen übermittelt werden.“

9. § 13 wird wie folgt neu gefasst:

„§ 13
Gemeinsame Dateien

Die Verfassungsschutzbehörde ist befugt, personenbezogene Daten in gemeinsamen Dateien mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder und anderen Sicherheitsbehörden zu verarbeiten, wenn  besondere bundesrechtliche oder landesrechtliche Vorschriften Anlass, Umfang und sonstige datenschutzrechtliche Anforderungen regeln.“

10. § 16 wird wie folgt geändert:

Absatz 1 wird wie folgt neu gefasst:

„(1) Die Gerichte, Behörden und Einrichtungen des Landes, die Gemeinden, die Gemeindeverbände, die sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts unterrichten von sich aus die Verfassungsschutzbehörde über alle Tatsachen, die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen erkennen lassen, die durch Anwendung von Gewalt oder dahingehende Vorbereitungshandlungen gegen die in § 3 Abs. 1 Nrn. 1, 3 und 4 genannten Schutzgüter gerichtet sind. Staatsanwaltschaften, Polizeibehörden sowie die Ausländerbehörden übermitteln von sich aus der Verfassungsschutzbehörde ihnen bekannt gewordene Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Informationen und deren Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich sind; die übrigen in Satz 1 genannten Behörden, Einrichtungen und juristischen Personen können diese Übermittlungen vornehmen.“

11. § 29 wird wie folgt gefasst:

„§ 29
In-Kraft-Treten, Evaluation

(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Die §§ 5 Absatz 2 Nr. 11 und 5a des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen treten am 1. Januar 2012 außer Kraft. Der § 5 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen ist ab dem 1. Januar 2012 wieder in seiner bis zur Verkündung dieses Gesetzes geltenden - alten - Fassung gültig.

(2) Die Anwendung der durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen befristeten Vorschriften des Verfassungsschutzgesetzes ist zum 1. Januar 2011 unter Einbeziehung eines wissenschaftlichen Sachverständigen, der im Einvernehmen mit Landtag Nordrhein-Westfalen bestellt wird, zu evaluieren.“

Düsseldorf, den 20. Dezember 2006

Die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen

Der Ministerpräsident

Dr. Jürgen  R ü t t g e r s

(L. S.)

Der Innenminister

Dr. Ingo  W o l f

Die Justizministerin

Roswitha  M ü l l e r-P i e p e n k ö t t e r

GV. NRW. 2006 S. 620