Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2017 Nr. 19 vom 5.5.2017 Seite 483 bis 554
Gesetz zur Regelung des Jugendstrafvollzuges und zur Änderung der Vollzugsgesetze in Nordrhein-Westfalen |
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Normkopf Norm Normfuß |
Gesetz zur Regelung des Jugendstrafvollzuges und zur Änderung der Vollzugsgesetze in Nordrhein-Westfalen
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Gesetz
zur Regelung des Jugendstrafvollzuges und zur Änderung der Vollzugsgesetze
in Nordrhein-Westfalen
Vom 7. April 2017
Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:
Gesetz
zur Regelung des Jugendstrafvollzuges und zur Änderung der Vollzugsgesetze
in Nordrhein-Westfalen
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Artikel 1
Gesetz zur Regelung des Jugendstrafvollzuges in Nordrhein-Westfalen
(Jugendstrafvollzugsgesetz
Nordrhein-Westfalen - JStVollzG NRW)
Inhaltsübersicht
Abschnitt 1
Anwendungsbereich, Grundsätze des Vollzuges
§ 1 Anwendungsbereich
§ 2 Vollzugsziel
§ 3 Grundsätze der Vollzugsgestaltung
§ 4 Förderung und Erziehung, Mitwirkung und Motivierung
§ 5 Soziale Hilfe
§ 6 Einbeziehung Dritter
§ 7 Sicherheit
§ 8 Opferbezogene Gestaltung
Abschnitt 2
Aufnahme und Vollzugsplanung
§ 9 Erstgespräch
§ 10 Aufnahme
§ 11 Feststellung des Förder- und Erziehungsbedarfs
§ 12 Vollzugsplan
§ 13 Verlegung, Überstellung, Ausantwortung
Abschnitt 3
Unterbringung
§ 14 Offener und geschlossener Vollzug, Vollzug in freien Formen
§ 15 Sozialtherapie
§ 16 Besondere Vorschriften für Gefangene mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung
§ 17 Unterbringung, Aufenthalt, Wohngruppenvollzug
§ 18 Unterbringung von Gefangenen mit Kindern
§ 19 Persönlicher Bereich, Auslesen von Datenspeichern
§ 20 Verpflegung
§ 21 Einkauf
Abschnitt 4
Außenkontakte
§ 22 Grundsatz
§ 23 Besuche
§ 24 Schriftwechsel
§ 25 Telekommunikation
§ 26 Pakete
§ 27 Kontaktverbote
§ 28 Kontakt mit Verteidigerinnen oder Verteidigern, Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes und bestimmten Personen und Institutionen
Abschnitt 5
Beschäftigung, Vergütung, Gelder der Gefangenen
§ 29 Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeit
§ 30 Vergütung
§ 31 Freistellung
§ 32 Anerkennung von Arbeit und Bildung, Ausgleichsentschädigung
§ 33 Gelder der Gefangenen, Haftkostenbeitrag
Abschnitt 6
Religionsausübung
§
34 Seelsorge, religiöse Veranstaltungen, Weltanschauungsgemeinschaften
Abschnitt 7
Gesundheitsfürsorge
§ 35 Gesundheitsfürsorge, Aufenthalt im Freien
§ 36 Medizinische Leistungen, Kostenbeteiligung, Aufwendungsersatz
§ 37 Rechte der Personensorgeberechtigten, Benachrichtigung bei Erkrankung und Todesfall
Abschnitt 8
Sport, Freizeit
§ 38 Sport
§ 39 Freizeit, Förderung der Kreativität
§ 40 Hörfunk, Fernsehen
§ 41 Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung, Zeitungen, Zeitschriften
Abschnitt 9
Vollzugsöffnende Maßnahmen
§ 42 Vollzugsöffnende Maßnahmen
§ 43 Vollzugsöffnende Maßnahmen aus wichtigem Anlass
§ 44 Weisungen
Abschnitt 10
Entlassung und soziale Eingliederung
§ 45 Vorbereitung der Entlassung, soziale Eingliederung
§ 46 Vollzugsöffnende Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung
§ 47 Entlassung, Schlussbericht
§ 48 Teilnahme an Ausbildungsmaßnahmen, Aufnahme auf freiwilliger Grundlage
Abschnitt 11
Sicherheit und Ordnung, unmittelbarer Zwang
§ 49 Grundsatz, Verhaltensvorschriften
§ 50 Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit
§ 51 Besondere Sicherungsmaßnahmen
§ 52 Unmittelbarer Zwang, Handeln auf Anordnung, Festnahmerecht
Abschnitt 12
Erzieherisches Gespräch, Konfliktregelung, Disziplinarmaßnahmen
§ 53 Pflichtverstöße, erzieherisches Gespräch, Konfliktregelung
§ 54 Disziplinarmaßnahmen
§ 55 Verfahren
§ 56 Vollzug der Disziplinarmaßnahmen
Abschnitt 13
Aufhebung von Maßnahmen, Beschwerderecht
§ 57 Widerruf, Rücknahme
§ 58 Beschwerderecht
Abschnitt 14
Organisation
§ 59 Anstalten und Einrichtungen
§ 60 Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung
§ 61 Festsetzung der Belegungsfähigkeit, Verbot der Überbelegung
Abschnitt 15
Innerer Aufbau, Personal, Aufsicht
§ 62 Bedienstete
§ 63 Anstaltsleitung
§ 64 Seelsorge
§ 65 Medizinische Versorgung
§ 66 Konferenzen
§ 67 Gefangenenmitverantwortung
§ 68 Hausordnung
§ 69 Aufsichtsbehörde
§ 70 Vollstreckungsplan
Abschnitt 16
Beiräte
§ 71 Aufgaben und Befugnisse der Beiräte
Abschnitt 17
Datenschutz
§ 72 Anwendung datenschutzrechtlicher Regelungen, Datenverarbeitungsverfahren
Abschnitt 18
Kriminologischer Dienst, Schlussbestimmungen
§ 73 Kriminologischer Dienst
§ 74 Einschränkung von Grundrechten
§ 75 Verhältnis zum Bundesrecht
§ 76 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Abschnitt 1
Anwendungsbereich, Grundsätze des Vollzuges
§ 1
Anwendungsbereich
Dieses
Gesetz regelt den Vollzug der Jugendstrafe sowie der Freiheitsstrafe, soweit
diese in Anstalten des Jugendstrafvollzuges nach § 59 vollzogen wird. Wird die
Jugendstrafe in einer Einrichtung des Vollzuges in freien Formen außerhalb der
Landesjustizverwaltung vollzogen, finden die nachfolgenden Vorschriften nur
Anwendung, soweit Zweck und Eigenart des Vollzuges der Jugendstrafe in freien
Formen und die Organisation der Einrichtung nicht entgegenstehen.
§ 2
Vollzugsziel
Der
Vollzug der Jugendstrafe dient dem Ziel, die Gefangenen zu befähigen, künftig
in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Er trägt durch
eine an den Entwicklungspotentialen der Gefangenen orientierte Förderung dazu
bei, individuelle Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen.
§ 3
Grundsätze der Vollzugsgestaltung
(1)
Der Vollzug der Jugendstrafe ist erzieherisch nach anerkannten Grundsätzen der
Jugendpädagogik zu gestalten. Zur Erreichung des Vollzugsziels ist die
Bereitschaft der Gefangenen zu einer eigenverantwortlichen und
gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte anderer zu wecken und
zu fördern. Sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten sollen ihre Gesundheit, ihre
Selbstachtung sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten erhalten und stärken und ihnen
helfen, sich als sozial verantwortungsvolle Mitglieder der Gesellschaft zu
entwickeln.
(2)
Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich
anzugleichen. Der Vollzug ist von Beginn an darauf auszurichten, dass er den
Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern. Schädlichen
Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken.
(3)
Die Persönlichkeit und die Würde der Gefangenen sind zu achten. Bei der
Ausgestaltung des Vollzuges werden die unterschiedlichen Lebenslagen und
Bedürfnisse der Gefangenen, insbesondere im Hinblick auf Geschlecht,
Entwicklungsstand, Zuwanderungshintergrund, Religion, Behinderung und sexuelle
Identität in angemessenem Umfang berücksichtigt.
(4)
Alle im Vollzug Tätigen arbeiten zusammen und wirken mit, das Vollzugsziel zu
erreichen.
(5)
Personelle Ausstattung, sachliche Mittel und Organisation der Einrichtungen des
Jugendstrafvollzuges werden an dessen Zielsetzung und Aufgaben sowie den
altersspezifischen besonderen Bedürfnissen der Gefangenen ausgerichtet.
(6)
Gefangene unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer
Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, können ihnen
Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder
zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt
erforderlich sind.
(7)
Von mehreren gleich geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu wählen, die die
Gefangenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf
nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem angestrebten Erfolg erkennbar außer
Verhältnis steht. Sie ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist
oder nicht mehr erreicht werden kann.
§ 4
Förderung
und Erziehung, Mitwirkung und Motivierung
(1)
Grundlage der Förderung und Erziehung im Vollzug der Jugendstrafe sind alle
Maßnahmen und Programme, welche die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Gefangenen
im Hinblick auf die Erreichung des Vollzugsziels entwickeln und stärken.
(2)
Durch differenzierte Angebote wird auf den jeweiligen Entwicklungsstand und den
unterschiedlichen Förder- und Erziehungsbedarf der Gefangenen eingegangen.
(3)
Förderung und Erziehung sind zukunftsorientiert auszugestalten und sind
insbesondere auf die Auseinandersetzung mit den Straftaten der Gefangenen und
ihren Folgen, schulische Bildung, berufliche Qualifizierung und
arbeitstherapeutische Angebote, soziale Rehabilitation und die verantwortliche
Gestaltung des alltäglichen Zusammenlebens, der freien Zeit sowie der
Außenkontakte ausgerichtet.
(4)
Die Gefangenen sollen an Maßnahmen zur Erreichung des Vollzugsziels und der
Gestaltung des Vollzuges mitwirken. Die Bereitschaft der Gefangenen ist
fortwährend durch eine auf Ermutigung zur aktiven Mitwirkung abstellende
individuelle Förderplanung, motivierende Lerngelegenheiten und sonstige
Angebote und Maßnahmen, die dem jeweiligen Entwicklungsstand der Gefangenen
entsprechen, zu wecken und zu fördern.
§ 5
Soziale Hilfe
(1)
Die Gefangenen sollen befähigt werden, ihre Angelegenheiten eigenständig zu
ordnen und zu regeln. Sie werden bei der Bewältigung ihrer persönlichen,
wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten angeleitet und motiviert,
angebotene Hilfe anzunehmen.
(2)
Die Maßnahmen des Vollzuges sind den Gefangenen zu erläutern. Die Vorschriften
und die innere Organisation der Anstalt, die Ziele und Methoden der angewandten
Förder- und Erziehungsmaßnahmen, die Bedeutung freiwilliger Mitwirkung sowie
die vorgeschriebenen Wege, Auskunft zu erhalten und Beschwerden vorzubringen,
sind ihnen zu erklären, damit sie ihre Rechte und Pflichten während des
Vollzuges in vollem Umfang wahrnehmen können.
(3)
Die Gefangenen sind über die Auswirkungen der Inhaftierung auf die
Sozialversicherung und die insoweit bestehenden Mitwirkungspflichten zu
beraten. Die Beratung soll sich auch auf die Benennung der für Sozialleistungen
zuständigen Stellen erstrecken.
§ 6
Einbeziehung Dritter
(1)
Die Anstalten arbeiten eng mit öffentlichen Stellen, freien Trägern sowie
anderen Organisationen und Personen zusammen, die der Eingliederung der
Gefangenen förderlich sein können. Die Anstalten wirken rechtzeitig auf einen
Austausch der erforderlichen Informationen hin.
(2)
Die Arbeit ehrenamtlicher Betreuerinnen und Betreuer wird unterstützt. Sie sind
verpflichtet, außerhalb ihrer Tätigkeit über alle Angelegenheiten, die
vertraulich sind, insbesondere über Namen und Persönlichkeit der Gefangenen
Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit.
(3)
Die Personensorgeberechtigten sind, soweit möglich, in die Planung und
Gestaltung des Vollzuges einzubeziehen.
(4)
Zur Förderung der Eingliederung der Gefangenen wird die Bereitstellung von
Angeboten und Leistungen Dritter in den Anstalten angestrebt. Die hierfür
erforderlichen Netzwerke und Strukturen sind einzurichten und fortzuentwickeln.
§ 7
Sicherheit
(1)
Der Vollzug der Jugendstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor
weiteren Straftaten.
(2)
Die Sicherheit der Bevölkerung, der Bediensteten und der übrigen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Gefangenen wird erreicht durch
1. baulich-technische Vorkehrungen,
2. organisatorische Regelungen und deren Umsetzung und
3.
soziale und behandlungsfördernde Strukturen.
(3)
Die Sicherheitsstandards haben sich an den jeweiligen Aufgaben der Anstalten und
den zu bewältigenden Gefahren zu orientieren. Der innere Aufbau der Anstalten
soll eine Binnendifferenzierung ermöglichen. Bei der Festlegung der
Sicherheitsstandards sind insbesondere altersspezifische Belange, besondere
Belange weiblicher Gefangener und Gefangener mit Behinderungen sowie die
besonderen Anforderungen des Wohngruppenvollzuges einzubeziehen.
(4)
Anstalten des offenen Vollzuges sehen keine oder nur verminderte Vorkehrungen
gegen Entweichungen vor.
(5)
Die Sicherheit in den Anstalten soll ein gewaltfreies Klima fördern und die
Gefangenen vor Übergriffen Mitgefangener schützen. Den Gefangenen sollen
Möglichkeiten aufgezeigt werden, Einstellungen und Fertigkeiten für sozial
angemessene Verhaltensweisen zu entwickeln. Ihre Fähigkeit zu gewaltfreier
Konfliktlösung und einvernehmlicher Streitbeilegung sowie ihr Bewusstsein für
Gefährdungen, die durch Fehlverhalten im Gewalt- oder Drogenbereich entstehen,
sind zu entwickeln und zu stärken.
§ 8
Opferbezogene Gestaltung
(1)
Die berechtigten Belange der Opfer sind bei der Gestaltung des Vollzuges,
insbesondere bei vollzugsöffnenden Maßnahmen und bei der Erteilung von
Weisungen sowie bei der Eingliederung und Entlassung der Gefangenen, zu
berücksichtigen. Dem Schutzinteresse gefährdeter Dritter ist Rechnung zu
tragen.
(2)
Die Einsicht der Gefangenen in das Unrecht der Tat und deren Folgen für die
Opfer soll geweckt oder vertieft werden. Dabei sollen das Einfühlungsvermögen
der Gefangenen in die Situation der Opfer von Straftaten und ihre Selbstachtung
in einer dem Entwicklungsstand der Gefangenen entsprechenden Weise gefördert
werden. Durch geeignete Förder- und Erziehungsmaßnahmen sollen die Gefangenen
auch dazu angehalten werden, Verantwortung für ihre Tat zu übernehmen. Sie sind
dabei zu unterstützen, den verursachten materiellen und immateriellen Schaden
auszugleichen.
(3)
Maßnahmen des Opferschutzes und des Tatausgleichs sind mit dem Ziel der
Eingliederung der Gefangenen in Einklang zu bringen.
(4)
Für Fragen des Opferschutzes und des Tatausgleichs sollen Ansprechpartnerinnen
oder Ansprechpartner in den Anstalten zur Verfügung stehen.
(5)
Opfer, die sich an die Anstalten wenden, sind in geeigneter Form, auch durch
die Ansprechpartnerin oder den Ansprechpartner auf ihre Rechte nach diesem
Gesetz, insbesondere ihre Auskunftsansprüche nach § 116 des
Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 13. Januar 2015 (GV. NRW. S. 76)
in der jeweils geltenden Fassung hinzuweisen.
Abschnitt 2
Aufnahme und Vollzugsplanung
§ 9
Erstgespräch
(1)
Unmittelbar nach dem Eintritt der Gefangenen in die Anstalt werden die
Gefangenen vorläufig aufgenommen und es ist mit ihnen ein Erstgespräch zu
führen, das insbesondere dazu dient, ihnen erste Informationen zu erteilen,
einen Eindruck von ihrer aktuellen persönlichen Verfassung zu gewinnen sowie
Selbstgefährdung und Selbsttötung abzuwenden.
(2)
Bei dem Erstgespräch dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein. Ausnahmen
bedürfen der Einwilligung der betroffenen Gefangenen.
(3)
Die Gefangenen sollen dabei unterstützt werden, etwa notwendige Maßnahmen für
hilfsbedürftige Angehörige sowie sonstige dringend erforderliche Maßnahmen zu
veranlassen.
§ 10
Aufnahme
(1)
Mit neu aufgenommenen Gefangenen ist möglichst am Tag der Aufnahme ein
Zugangsgespräch zu führen, in dem in einer ihnen verständlichen Sprache ihre
aktuelle Lebenssituation erörtert wird und sie über ihre Rechte und Pflichten
informiert werden. Ihnen ist die Hausordnung auszuhändigen und ein Exemplar
dieses Gesetzes zugänglich zu machen. Gefangene werden alsbald ärztlich
untersucht.
(2)
Für die weitere Aufnahme, die ärztliche Untersuchung und das Zugangsgespräch
gilt § 9 Absatz 2 entsprechend.
(3)
Die Personensorgeberechtigten und das Jugendamt, das nach § 87b des Achten
Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022) in der jeweils
geltenden Fassung für die Mitwirkung in dem Verfahren nach dem
Jugendgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974
(BGBl. I S. 3427) in der jeweils geltenden Fassung örtlich zuständig war,
werden von der Aufnahme unverzüglich unterrichtet.
§ 11
Feststellung des Förder- und Erziehungsbedarfs
(1)
An das Aufnahmeverfahren schließt sich zur Vorbereitung der Vollzugsplanung die
Feststellung des Förder- und Erziehungsbedarfs an. Sie dient insbesondere der
Feststellung der Entwicklungsmöglichkeiten der Gefangenen, die für eine
planvolle und wirksame Förderung der Gefangenen im Vollzug und für ihre
Eingliederung nach der Entlassung notwendig ist. Zur Förderung ihrer
Mitwirkungsbereitschaft werden den Gefangenen das Vollzugsziel, die Bedeutung
des Vollzugsplans, die vorhandenen schulischen und beruflichen Aus- und
Weiterbildungsangebote, Beschäftigungsmöglichkeiten sowie die weiteren Förder-
und Erziehungsangebote erläutert. Der Förder- und Erziehungsbedarf der
Gefangenen wird, soweit dies nicht bereits in der Untersuchungshaft im Rahmen
des Auswahlverfahrens geschehen ist, regelmäßig innerhalb der ersten vier
Wochen nach der Aufnahme ermittelt. Soweit erforderlich, sind die Fachdienste
frühzeitig zu beteiligen.
(2)
Die Feststellungen zum Förder- und Erziehungsbedarf erstrecken sich
insbesondere auf die Persönlichkeit und die Lebensverhältnisse der Gefangenen,
die Ursachen und Umstände der zu der Inhaftierung führenden Straftaten, die
Lebenssituation bei der Entlassung und die Eignung für sozialtherapeutische
Maßnahmen. Die Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten der Gefangenen sowie
weitere Umstände, deren Stärkung zu einer Lebensführung ohne Straftaten
beitragen kann, sollen ermittelt werden. Erkenntnisse aus dem Vollzug
vorangegangener Freiheitsentziehungen sowie Erkenntnisse Dritter, insbesondere
des ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz, der Jugendgerichtshilfe und der
Jugendämter, sind nach Möglichkeit einzubeziehen.
(3)
Die Ergebnisse der Feststellungen zum Förder- und Erziehungsbedarf werden mit
den Gefangenen erörtert. Sinnvolle Anregungen und Vorschläge der Gefangenen werden
aufgegriffen und bei der Vollzugsplanung angemessen berücksichtigt.
§ 12
Vollzugsplan
(1)
Auf der Grundlage des festgestellten Förder- und Erziehungsbedarfs wird
unverzüglich ein Vollzugsplan erstellt. Die zur Erreichung des Vollzugsziels
geeigneten und erforderlichen Maßnahmen sind zu benennen und Perspektiven für
die künftige Entwicklung der Gefangenen aufzuzeigen. Die für die Eingliederung
und Entlassung zu treffenden Vorbereitungen sind frühzeitig in die Planung
einzubeziehen.
(2)
Der Vollzugsplan enthält je nach Stand des Vollzuges Angaben insbesondere zu
folgenden Bereichen:
1. festgestellter Förder- und Erziehungsbedarf,
2. Vollzugsform,
3. Art der Unterbringung im Vollzug, insbesondere in Wohn- oder Behandlungsgruppen oder in einer sozialtherapeutischen Einrichtung,
4. Teilnahme an schulischer oder beruflicher Bildung, Zuweisung von Arbeit sowie arbeitstherapeutische Förderung,
5. Art und Umfang der Teilnahme an therapeutischer Behandlung oder anderen Förder- und Erziehungsmaßnahmen,
6. Art und Umfang der Teilnahme an Sport- und Freizeitangeboten,
7. vollzugsöffnende Maßnahmen,
8. Maßnahmen zur Pflege der familiären Kontakte und zur Gestaltung der Außenkontakte, insbesondere bei heimatferner Unterbringung,
9. ehrenamtliche Betreuung,
10. Opferbezogene Förder- und Erziehungsmaßnahmen sowie Maßnahmen und Angebote zum Ausgleich von Tatfolgen,
11. Maßnahmen zur Sicherung berechtigter Schutzinteressen von Opfern oder gefährdeten Dritten,
12. Schuldnerberatung und Schuldenregulierung,
13. Maßnahmen zur Haftverkürzung,
14. Suchtberatung und Maßnahmen der Gesundheitsförderung,
15. voraussichtlicher Entlassungszeitpunkt,
16. Maßnahmen zur arbeitsmarktorientierten Vorbereitung der Entlassung, insbesondere die Fortsetzung oder Aufnahme einer beruflichen oder schulischen Ausbildung oder einer beruflichen Tätigkeit nach der Entlassung, sowie weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Lebensführung und frühzeitige Vorlagefristen,
17. Empfehlungen zur Wahrnehmung von Angeboten und Leistungen Dritter zur Sicherung der Eingliederung nach der Entlassung,
18. Bestimmung der für die Koordination der Entlassungsplanung zuständigen Person und
19.
Fristen zur Fortschreibung des Vollzugsplans.
(3)
Der Vollzugsplan und seine Umsetzung sind regelmäßig zu überprüfen und der
Entwicklung der Gefangenen anzupassen sowie mit weiteren für die Förderung und
Erziehung bedeutsamen Erkenntnissen in Einklang zu halten. Zur Fortschreibung
des Vollzugsplans sind angemessene Fristen vorzusehen. Diese dürfen einen
Zeitraum von sechs Monaten nicht überschreiten.
(4)
Zur Vorbereitung der Aufstellung und Fortschreibung des Vollzugsplans werden
Konferenzen mit den an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten
durchgeführt. Personen und Stellen außerhalb des Vollzuges, die an der Förderung
und Erziehung, der Entlassungsvorbereitung sowie der Eingliederung der
Gefangenen mitwirken, sollen in die Planung einbezogen werden. Mit Einwilligung
der Gefangenen können sie auch an den Konferenzen beteiligt werden.
(5)
Die Personensorgeberechtigten erhalten Gelegenheit, Anregungen und Vorschläge
einzubringen. Diese sollen, soweit sie mit dem Vollzugsziel und der Gestaltung
des Vollzuges vereinbar sind, berücksichtigt werden.
(6)
Die Vollzugsplanung wird mit den Gefangenen erörtert. Sind verschiedene
Maßnahmen der Förderung gleichermaßen geeignet, soll die Wahl im Einvernehmen
mit den Gefangenen getroffen werden. Deren Anliegen und Vorschläge werden auch
im Übrigen angemessen berücksichtigt. Betroffenen Gefangenen kann die Teilnahme
an der Vollzugsplankonferenz ermöglicht werden. Eine Ausfertigung des
Vollzugsplans und seiner Fortschreibungen ist ihnen auszuhändigen. Er ist den
Vollstreckungsleitungen zu übermitteln und auf Verlangen der
Personensorgeberechtigten diesen schriftlich bekannt zu geben.
§ 13
Verlegung, Überstellung, Ausantwortung
(1)
Gefangene können abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere für den
Vollzug der Jugendstrafe zuständige Anstalt verlegt werden, wenn
1. ihre Behandlung während des Vollzuges oder die Eingliederung nach der Entlassung hierdurch gefördert wird,
2.
in erhöhtem Maße Fluchtgefahr gegeben ist oder sonst das Verhalten der
Gefangenen oder ihr Zustand eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der
Anstalt darstellt und die aufnehmende Anstalt zur sicheren Unterbringung der
Gefangenen besser geeignet ist
oder
3.
Gründe der Vollzugsorganisation oder andere wichtige Gründe eine Verlegung
erforderlich machen.
(2)
Die Personensorgeberechtigten, das Jugendamt und die Vollstreckungsleitung werden
von der Verlegung der Gefangenen unverzüglich unterrichtet.
(3)
Im Einvernehmen mit der aufnehmenden Anstalt dürfen Gefangene aus wichtigem
Grund, insbesondere zur Durchführung medizinischer Maßnahmen, zur Begutachtung
oder Besuchszusammenführung, in eine andere Anstalt überstellt werden.
(4)
Gefangene dürfen befristet dem Gewahrsam einer anderen Behörde überlassen
werden, wenn diese Behörde ihrerseits befugt ist, die Gefangenen in amtlichem
Gewahrsam zu halten (Ausantwortung).
(5)
Vor Verlegungen und Überstellungen sind die Gefangenen anzuhören. Bei einer
Gefährdung der Sicherheit kann dies auch nachgeholt werden.
Abschnitt 3
Unterbringung
§ 14
Offener und geschlossener Vollzug, Vollzug in freien Formen
(1)
Gefangene werden im offenen oder geschlossenen Vollzug untergebracht. Sie
werden in einer Anstalt oder einer Abteilung des offenen Vollzuges
untergebracht, wenn dies verantwortet werden kann, sie namentlich den
besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügen und nicht zu befürchten
ist, dass sie sich dem Vollzug der Jugendstrafe entziehen oder die besonderen
Verhältnisse des offenen Vollzuges zur Begehung von Straftaten missbrauchen
werden.
(2)
Zur Vorbereitung der Entlassung sollen Gefangene frühzeitig in den offenen
Vollzug verlegt werden. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Die
Missbrauchsgefahren sind insbesondere bei einer unmittelbar bevorstehenden
Entlassung mit den Risiken einer unerprobten Entlassung abzuwägen.
(3)
Kann eine Unterbringung im offenen Vollzug noch nicht verantwortet werden, sind
die tragenden Gründe zu dokumentieren und den Gefangenen die noch zu
erfüllenden Voraussetzungen in verständlicher Form zu vermitteln. Die
Bereitschaft der Gefangenen zur Verlegung in den offenen Vollzug ist zu wecken
und fortlaufend zu fördern.
(4)
Gefangene, die sich für den offenen Vollzug nicht eignen, werden im
geschlossenen Vollzug untergebracht. Für den offenen Vollzug geeignete
Gefangene dürfen ausnahmsweise im geschlossenen Vollzug verbleiben, dorthin
verlegt oder zurückverlegt werden, wenn dies für ihre Förderung oder Erziehung
notwendig ist. Sie sind zu verlegen, wenn sie den Anforderungen nach Absatz 1
Satz 2 nicht entsprechen. § 13 Absatz 5 gilt entsprechend.
(5)
Gefangene können mit ihrer Zustimmung im Vollzug in freien Formen untergebracht
werden, wenn sie dessen besonderen erzieherischen Anforderungen genügen.
(6)
Die Gründe für eine Verlegung in den offenen Vollzug oder in den Vollzug in
freien Formen sowie die Gründe für eine Rückverlegung in den geschlossenen
Vollzug sind ebenfalls zu dokumentieren.
§ 15
Sozialtherapie
(1)
Gefangene, die wegen erheblicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche
Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt worden sind, werden
in eine sozialtherapeutische Einrichtung des Jugendstrafvollzuges verlegt, wenn
eine sozialtherapeutische Behandlung zur Eingliederung und Förderung der
Gefangenen angezeigt und erfolgversprechend ist.
(2)
Andere Gefangene sollen mit ihrer Zustimmung in eine sozialtherapeutische
Einrichtung des Jugendstrafvollzuges verlegt werden, wenn deren Teilnahme an
den dortigen Behandlungsprogrammen zu ihrer Eingliederung und zur Verringerung
erheblicher Gefahren, die von den Gefangenen für die Allgemeinheit ausgehen,
angezeigt und erfolgversprechend ist. Erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit
bestehen insbesondere dann, wenn auf Grund einer Störung der sozialen und
persönlichen Entwicklung der oder des Gefangenen weitere erhebliche Straftaten
zu erwarten sind.
(3)
Die Bereitschaft der Gefangenen zur Teilnahme an einer sozialtherapeutischen
Behandlung und zur Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Einrichtung ist
zu wecken und durch vorbereitende Maßnahmen zu fördern.
(4)
Die Unterbringung soll zu einem Zeitpunkt erfolgen, der entweder den Abschluss
der Behandlung zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt erwarten lässt oder
die Fortsetzung der Behandlung nach der Entlassung ermöglicht.
(5)
Die Unterbringung der Gefangenen in der sozialtherapeutischen Einrichtung
endet, wenn der Zweck der Behandlung aus Gründen, die in ihrer Person liegen,
nicht erreicht werden kann.
(6)
Sozialtherapeutische Behandlung wird in besonderen Abteilungen der
Jugendstrafvollzugsanstalten (sozialtherapeutische Einrichtungen) vollzogen.
Der Vollzug erfolgt in überschaubaren Wohngruppen, deren Ausgestaltung an den
Grundsätzen sozialtherapeutischer Behandlung auszurichten ist. Die Wohngruppen
werden jeweils durch eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter des Sozialen
Dienstes, eine Psychologin oder einen Psychologen und fest zugeordnete
Bedienstete des allgemeinen Vollzugsdienstes betreut. Die Diagnostik soll durch
Personen erfolgen, die nicht an der therapeutischen Betreuung der Gefangenen
beteiligt sind.
(7)
Gefangenen kann zur Vorbereitung der Entlassung aus einer sozialtherapeutischen
Einrichtung Langzeitausgang bis zu sechs Monaten gewährt werden, insbesondere
wenn ihre Unterkunft gesichert, ein Arbeits- oder Weiterbildungsplatz vorhanden
und das soziale Umfeld für ihre Eingliederung förderlich ist. § 42 Absatz 1 und
6 bis 9 dieses Gesetzes und § 56 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen
gelten entsprechend. Gefangenen sollen für den Langzeitausgang Weisungen (§ 44)
erteilt werden. Sie sollen insbesondere angewiesen werden, sich einer von der
Einrichtung bestimmten Betreuungsperson zu unterstellen und für eine bestimmte
Zeit in die sozialtherapeutische Einrichtung zurückzukehren. Der
Langzeitausgang wird widerrufen, wenn dies aus Gründen der Behandlung der
Gefangenen erforderlich ist. § 83 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen
über den Widerruf von Maßnahmen bleibt unberührt.
(8)
Die sozialtherapeutischen Einrichtungen sollen nach Entlassung der Gefangenen
die in der Einrichtung begonnene Betreuung und Behandlung auf Antrag der
Gefangenen vorübergehend fortführen, wenn das Ziel der früheren Behandlung
gefährdet ist und die Betreuung nicht anderweitig sichergestellt werden kann.
Die nachgehende Betreuung kann in sozialtherapeutischen Nachsorgeambulanzen in
den sozialtherapeutischen Einrichtungen durchgeführt werden.
(9)
Eine vorübergehende Aufnahme auf freiwilliger Grundlage nach der Entlassung der
Gefangenen ist zulässig, wenn das Ziel der vorangegangenen Behandlung ansonsten
gefährdet ist. § 48 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 3 bis 6 gilt entsprechend.
§ 16
Besondere Vorschriften für Gefangene mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung
(1)
Ist bei Gefangenen im Vollzug der Jugendstrafe die Anordnung der
Sicherungsverwahrung vorbehalten, gelten §§ 91 und 92 des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen entsprechend.
(2)
§ 7 Absatz 3 und § 106 Absatz 5 des Jugendgerichtsgesetzes bleiben unberührt.
§ 17
Unterbringung, Aufenthalt, Wohngruppenvollzug
(1)
Gefangene werden in Einrichtungen des geschlossenen Vollzuges während der
Ruhezeit in ihren Hafträumen allein untergebracht. Eine gemeinsame
Unterbringung ist zulässig, wenn
1. eine Gefahr für Leben oder Gesundheit der Gefangenen besteht,
2. Gefangene hilfsbedürftig sind,
3. dies aus Gründen der Förderung oder Erziehung erforderlich ist,
4. dies im Einzelfall aus zwingenden Gründen der Anstaltsorganisation vorübergehend erforderlich ist oder
5.
sich die Gefangenen im Justizvollzugskrankenhaus oder in Kranken- oder
Pflegeabteilungen von Justizvollzugseinrichtungen befinden,
und
eine schädliche Beeinflussung der Gefangenen nicht zu befürchten ist. Die
Gefangenen müssen für die gemeinschaftliche Unterbringung geeignet sein,
insbesondere dürfen weder körperliche Übergriffe noch die Ausübung psychischen
Zwangs zu erwarten sein.
(2)
Für den Aufenthalt während der Arbeit und Freizeit in Gemeinschaft gilt § 14
Absatz 2 und 3 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen entsprechend.
(3)
Weibliche Gefangene werden getrennt von männlichen Gefangenen untergebracht.
Gemeinsame Förderangebote, insbesondere eine gemeinsame Schul- und
Berufsausbildung, sowie gemeinsame kulturelle oder religiöse Veranstaltungen
sind zulässig. § 86 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt
entsprechend.
(4)
Geeignete Gefangene werden in überschaubaren Wohngruppen untergebracht, die das
Alter, die voraussichtliche Dauer der Inhaftierung und die Straftat der
Gefangenen berücksichtigen. Der Wohngruppenvollzug dient insbesondere der
Einübung sozialverträglichen Zusammenlebens sowie der Übernahme von
Verantwortung für sich und andere und ermöglicht den dort untergebrachten
Gefangenen, ihren Vollzugsalltag weitgehend selbstständig zu regeln. Zu einer
Wohngruppe gehören neben Hafträumen weitere Räume und Einrichtungen zur
gemeinsamen Nutzung. Sie soll durch fest zugeordnete Bedienstete betreut werden.
§ 18
Unterbringung von Gefangenen mit Kindern
(1)
Ist das Kind einer Gefangenen oder eines Gefangenen noch nicht schulpflichtig,
kann es mit Zustimmung der aufenthaltsbestimmungsberechtigten Person in der
Anstalt untergebracht werden, in der sich seine Mutter oder sein Vater
befindet, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht. Vor der Aufnahme ist das
Jugendamt zu hören.
(2)
Die Kosten der Unterbringung des Kindes einschließlich der Gesundheitsfürsorge
trägt die oder der zum Unterhalt des Kindes Verpflichtete. Von der Erhebung der
Kosten kann abgesehen werden, wenn hierdurch die gemeinsame Unterbringung der
oder des Gefangenen mit dem Kind gefährdet würde.
(3)
Ist das Kind in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzuges zu bringen, kann
gestattet werden, dass die oder der Gefangene das Kind begleitet, wenn dies
erforderlich ist.
§ 19
Persönlicher Bereich, Auslesen von Datenspeichern
(1)
Gefangene tragen Anstaltskleidung. Das Tragen eigener Kleidung innerhalb der
Anstalt kann gestattet werden, soweit die Gefangenen für Reinigung und
Instandhaltung auf eigene Kosten sorgen. Bei Ausführungen und Vorführungen ist
ihnen zu gestatten, eigene Kleidung zu tragen, wenn zu erwarten ist, dass sie
nicht entweichen.
(2)
Gefangene dürfen ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen
ausstatten. Sie dürfen nur in Gewahrsam haben, was ihnen von der Anstalt oder
mit deren Erlaubnis überlassen worden ist. Gegenstände, die die
Übersichtlichkeit des Haftraums behindern, eine unverhältnismäßig aufwändige
Überprüfung erfordern, sonst die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder die
Erreichung des Vollzugsziels gefährden können, dürfen sie nicht in Gewahrsam
haben.
(3)
Elektronische Datenspeicher sowie elektronische Geräte mit Datenspeichern, die
Gefangene ohne Erlaubnis der Anstalt in Gewahrsam haben, dürfen auf
einzelfallbezogene schriftliche Anordnung der Anstaltsleitung ausgelesen werden,
soweit tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dies zu
vollzuglichen Zwecken oder zu den in § 111 Absatz 2 Nummer 2, 4 oder 5 des
Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen genannten Zwecken erforderlich ist.
Die so erhobenen Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit dies zu den in
Satz 1 genannten Zwecken erforderlich ist.
(4)
Die nach Absatz 3 erhobenen Daten dürfen nicht weiter verarbeitet werden,
soweit sie
1. zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung Dritter gehören oder
2.
zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung Gefangener gehören und die
weitere Verarbeitung auch unter Berücksichtigung der in Absatz 3 genannten
vollzuglichen Interessen an der Verarbeitung sowie der Unzulässigkeit des
Besitzes und der Nutzung des Datenspeichers für diese unzumutbar ist.
Insoweit
sind die Daten unverzüglich zu löschen. Die Tatsachen der Erfassung und der
Löschung der Daten sind zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich
für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist zu löschen, wenn
sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch am Ende des
Kalenderjahres, das dem Jahr der Dokumentation folgt.
(5)
Die Gefangenen sind bei der Aufnahme über die Möglichkeit des Auslesens von
Datenspeichern zu belehren.
(6)
Eingebrachte Sachen, die Gefangene nicht in Gewahrsam haben dürfen, sind für
sie aufzubewahren. Lassen die Verhältnisse der Anstalt eine Aufbewahrung nicht
zu und weigern sich Gefangene, die Sachen zu versenden, werden diese auf Kosten
der Gefangenen vernichtet, verwertet oder aus der Anstalt entfernt.
(7)
Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über
Sicherungsvorkehrungen einer Anstalt vermitteln, dürfen vernichtet oder
unbrauchbar gemacht werden.
§ 20
Verpflegung
(1)
Gefangene erhalten Anstaltsverpflegung. Zusammensetzung und Nährwert der
Anstaltsverpflegung werden ärztlich überwacht. Ernährungsberatung ist
Bestandteil der allgemeinen Angebote für Gefangene. Auf ärztliche Anordnung
wird besondere Verpflegung gewährt. Den Gefangenen ist zu ermöglichen,
Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen oder sich
vegetarisch zu ernähren.
(2)
Im offenen Vollzug untergebrachten Gefangenen kann gestattet werden, sich auf
eigene Kosten selbst zu verpflegen, soweit dies der Förderung und Erziehung
dient und Gründe der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt nicht entgegenstehen.
§ 21
Einkauf
(1)
Gefangene dürfen von ihrem Hausgeld oder von ihrem Taschengeld aus einem von
der Anstalt vermittelten Angebot Nahrungs- und Genussmittel sowie Mittel zur
Körperpflege kaufen. Für ein Einkaufsangebot, das die Wünsche und Bedürfnisse
der Gefangenen angemessen berücksichtigt, ist zu sorgen. Im offenen Vollzug
untergebrachten Gefangenen kann der Einkauf auch ohne Vermittlung der Anstalt
gestattet werden.
(2)
Verfügen Gefangene ohne eigenes Verschulden nicht über Haus- oder Taschengeld,
wird ihnen gestattet, in angemessenem Umfang vom Eigengeld einzukaufen.
(3)
Im Einzelfall kann Gefangenen auf Antrag gestattet werden, andere als in Absatz
1 genannte Gegenstände über sichere Bezugsquellen zu erwerben.
(4)
Gegenstände, welche die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden, sind vom
Einkauf ausgeschlossen.
Abschnitt 4
Außenkontakte
§ 22
Grundsatz
(1)
Gefangene dürfen nach Maßgabe der Vorschriften dieses Abschnitts
1. regelmäßig Besuch empfangen,
2. Schreiben absenden und empfangen,
3. Einrichtungen der Telekommunikation nutzen und
4.
Pakete versenden und empfangen.
(2)
Der Kontakt zu Angehörigen und Personen, von denen ein günstiger Einfluss auf
die Gefangenen zu erwarten ist, wird besonders gefördert.
(3)
Die Kosten des Schrift- und Paketverkehrs sowie der Telekommunikation tragen
die Gefangenen. Bei bedürftigen Gefangenen sollen die Kosten in angemessenem
Umfang übernommen werden.
§ 23
Besuche
(1)
Die Gesamtdauer der Besuche beträgt mindestens vier Stunden im Monat.
Besuchsmöglichkeiten sind auch an mindestens zwei Wochenenden im Monat
vorzusehen. Das Nähere regelt die Anstalt.
(2)
Besuchskontakte zwischen Gefangenen und ihren Kindern werden besonders
gefördert. Diese Besuche werden nicht auf die Regelbesuchszeiten angerechnet.
Ein familiengerechter Umgang zum Wohl der minderjährigen Kinder ist zu
gestatten. Bei der Ausgestaltung der Besuchsmöglichkeiten, namentlich der
Besuchszeiten und der Rahmenbedingungen der Besuche, sind die Bedürfnisse der
minderjährigen Kinder der Gefangenen zu berücksichtigen.
(3)
Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie die Erziehung oder
Eingliederung der Gefangenen fördern oder persönlichen, rechtlichen oder
geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die von den Gefangenen nicht schriftlich
erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung der Gefangenen
aufgeschoben werden können.
(4)
Den Gefangenen können zudem mehrstündige, unbeaufsichtigte Besuche
(Langzeitbesuche) ermöglicht werden, wenn dies zur Förderung familiärer, partnerschaftlicher
oder anderer gleichwertiger Kontakte der Gefangenen geboten erscheint und
verantwortet werden kann.
(5)
Aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt kann die Zulassung einer
Person zum Besuch von ihrer Durchsuchung oder einer Sicherheitsanfrage nach §
109 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen abhängig gemacht werden.
(6)
Die Anstalt kann die Anzahl der gleichzeitig zum Besuch zugelassenen Personen
beschränken.
(7)
Für die Überwachung von Besuchen gilt § 20 des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen entsprechend.
§ 24
Schriftwechsel
Die
Regelungen des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über den
Schriftwechsel (§ 21), die Überwachung des Schriftwechsels (§ 22) und das
Anhalten von Schreiben (§ 23) gelten entsprechend.
§ 25
Telekommunikation
Die
Regelungen des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die
Telefongespräche (§ 24) und andere Formen der Telekommunikation (§ 27) gelten
entsprechend.
§ 26
Pakete
§
28 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.
§ 27
Kontaktverbote
Kontakte
können untersagt oder beschränkt werden, wenn im Einzelfall
1. die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,
2. zu befürchten ist, dass der Kontakt mit Personen, die nicht Angehörige der Gefangenen gemäß § 11 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs sind, einen schädlichen Einfluss auf die Gefangenen hat oder ihre Eingliederung behindert,
3. die Gefangenen mit Opfern von Straftaten der Gefangenen in Verbindung treten wollen und durch den Kontakt nachteilige Auswirkungen auf die Opfer oder gefährdete Dritte zu befürchten sind oder diese einer Kontaktaufnahme widersprochen haben,
4. bei minderjährigen Gefangenen Personensorgeberechtigte aus nachvollziehbaren Gründen nicht mit dem Kontakt einverstanden sind oder
5.
zu befürchten ist, dass der Kontakt Bestrebungen im Sinne des § 3 Absatz 1 in
Verbindung mit Absatz 5 des Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein Westfalen vom
20. Dezember 1994 (GV. NRW. 1995, S. 28) in der jeweils geltenden Fassung oder
entsprechende Verhaltensweisen fördert.
§ 28
Kontakt mit Verteidigerinnen oder Verteidigern, Beiständen nach § 69 des
Jugendgerichtsgesetzes und bestimmten Personen und Institutionen
(1)
Für die Kontakte der Gefangenen mit ihren Verteidigerinnen und Verteidigern,
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren sowie mit
bestimmten Personen und Institutionen gilt § 26 des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen entsprechend.
(2)
Betreuungspersonen, Erziehungsbeiständen, Beiständen nach § 69 des
Jugendgerichtsgesetzes und Personen, die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe
wahrnehmen, ist der Kontakt mit Gefangenen in demselben Umfang zu gestatten,
wie er einer Verteidigerin oder einem Verteidiger zu gestatten ist.
Abschnitt 5
Beschäftigung, Vergütung, Gelder der Gefangenen
§ 29
Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeit
(1)
Der Förder- und Erziehungsauftrag des Jugendstrafvollzuges wird insbesondere
durch schulische und berufliche Bildung und eine zielgerichtet qualifizierende
Beschäftigung der Gefangenen verwirklicht. Analphabeten sollen das Lesen und
Schreiben erlernen können. Gefangenen, die der deutschen Sprache nicht mächtig
sind, sollen Deutschkurse angeboten werden. Die Gefangenen sind in dem Bemühen
zu unterstützen, einen anerkannten Abschluss oder eine anschlussfähige, für den
weiteren Bildungsweg oder den Arbeitsmarkt relevante Teilqualifikation zu
erlangen.
(2)
Die Gefangenen sind während der Arbeitszeit vorrangig zur Teilnahme an
schulischen und beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen
oder speziellen Maßnahmen zur Förderung ihrer schulischen, beruflichen oder
persönlichen Entwicklung verpflichtet, im Übrigen zur Arbeit oder
arbeitstherapeutischen Beschäftigung, soweit sie dazu in der Lage sind. Die
Gefangenen können im Vollstreckungsjahr bis zu drei Monaten zu Hilfstätigkeiten
in der Anstalt verpflichtet werden, mit ihrer Zustimmung auch darüber hinaus.
Bei der Zuweisung einer Beschäftigung sind die jeweiligen Fähigkeiten,
Fertigkeiten und Interessen der Gefangenen zu berücksichtigen. Die gesetzlichen
Beschäftigungsverbote zum Schutz erwerbstätiger Mütter sowie die Regelungen des
Jugendarbeitsschutzgesetzes vom 12. April 1976 (BGBl. I S. 965) in der jeweils
geltenden Fassung finden Anwendung.
(3)
Zeugnisse und Nachweise über schulische und berufliche Bildung enthalten keine
Hinweise auf eine Inhaftierung.
(4)
Gefangenen soll gestattet werden, einer Arbeit oder beruflichen Aus- oder
Weiterbildungsmaßnahme auf der Grundlage eines freien
Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt nachzugehen oder sich selbst
zu beschäftigen, wenn sie hierfür geeignet sind. § 42 Absatz 1 und Absatz 2
Nummer 4 gilt entsprechend. Die Anstalt kann verlangen, dass ihr das Entgelt
zur Gutschrift für die Gefangenen überwiesen wird.
(5)
§ 29 Absatz 5 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.
§ 30
Vergütung
(1)
Gefangene, die eine zugewiesene Arbeit oder eine Hilfstätigkeit ausüben, erhalten
ein Arbeitsentgelt, welches auf Grundlage von neun Prozent der Bezugsgröße nach
§ 18 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die
Sozialversicherung - in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009
(BGBl. I S. 3710, 3973; 2011 I S. 363) in der jeweils geltenden Fassung
bemessen wird (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der zweihundertfünfzigste Teil
der Eckvergütung.
(2)
Gefangenen, die während der Arbeitszeit ganz oder teilweise an einer
schulischen oder beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahme
oder einer sonstigen Maßnahme zur Förderung ihrer schulischen, beruflichen oder
persönlichen Entwicklung teilnehmen, wird Ausbildungsbeihilfe gewährt, soweit
ihnen keine Leistungen zum Lebensunterhalt zustehen, die nicht inhaftierten
Personen aus solchem Anlass gewährt werden. Für die Bemessung der
Ausbildungsbeihilfe gilt Absatz 1 entsprechend.
(3)
Gefangene, die an einer arbeitstherapeutischen Maßnahme teilnehmen, erhalten
ein Arbeitsentgelt, soweit dies der Art ihrer Tätigkeit und ihrer
Arbeitsleistung entspricht.
(4)
§ 32 Absatz 4 Satz 1 und 2 sowie Absatz 5 und 6 des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend. Das Justizministerium wird ermächtigt,
zur Umsetzung der Vorschriften über die Vergütung eine Rechtsverordnung über
die Bemessung des Arbeitsentgeltes, die Ausbildungsbeihilfe, die anrechenbaren
Arbeitszeiten, die Zeiteinheiten in Stunden oder Minuten, die Entgeltart als
Zeit- oder Leistungsentgelt, die Vergütungsstufen und die Gewährung von Zulagen
zu erlassen.
§ 31
Freistellung
(1)
Gefangene, die ein Jahr lang an einer schulischen oder beruflichen
Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahme teilgenommen oder eine zugewiesene
Arbeit, arbeitstherapeutische Beschäftigung oder eine Hilfstätigkeit ausgeübt
haben, sind innerhalb des darauffolgenden Jahres auf Antrag 20 Arbeitstage von
der Arbeit freizustellen. Bei der Festsetzung des Zeitpunktes der Freistellung
sind der Stand der Bildungsmaßnahmen sowie die betrieblichen Belange zu
berücksichtigen.
(2)
§ 33 Absatz 2 bis 4 und 6 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt
entsprechend.
§ 32
Anerkennung von Bildung und Arbeit, Ausgleichsentschädigung
(1)
Als zusätzliche Anerkennung neben der Vergütung nach § 30 und der Freistellung
nach § 31 erhalten Gefangene auf Antrag für drei Monate zusammenhängender
Teilnahme an einer schulischen oder beruflichen Orientierungs-, Aus- und
Weiterbildungsmaßnahme oder Ausübung einer zugewiesenen Arbeit,
arbeitstherapeutischen Beschäftigung oder einer Hilfstätigkeit unter
Fortzahlung der Vergütung zwei Tage
1. Freistellung von der Arbeitspflicht oder
2.
Langzeitausgang, soweit dessen Voraussetzungen vorliegen.
Stellen
Gefangene keinen Antrag oder kann Langzeitausgang nicht gewährt werden, wird
der Entlassungszeitpunkt vorverlegt. Durch Zeiten, in denen Gefangene ohne ihr
Verschulden an der Ausübung ihrer Beschäftigung nach § 29 gehindert sind, wird
die Frist nach Satz 1 gehemmt. Beschäftigungszeiträume von unter drei Monaten
bleiben unberücksichtigt. Langzeitausgang nach Satz 1 Nummer 2 wird nicht auf
die Höchstdauer des Langzeitausgangs nach § 42 Absatz 3 angerechnet.
(2)
Eine Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes ist ausgeschlossen, wenn
1. bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Strafe zur Bewährung wegen des von der Entscheidung des Gerichts bis zur Entlassung verbleibenden Zeitraums eine Anrechnung nicht mehr möglich ist,
2. dies vom Gericht angeordnet wird, weil bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Strafe zur Bewährung die Lebensverhältnisse der Gefangenen oder die Wirkungen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind, die Vollstreckung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfordern,
3. nach § 2 des Jugendgerichtsgesetzes in Verbindung mit § 456a Absatz 1 der Strafprozessordnung von der Vollstreckung abgesehen wird oder
4.
Gefangene im Gnadenwege aus der Haft entlassen werden.
(3)
Soweit eine Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes nach Absatz 2
ausgeschlossen ist, erhalten Gefangene bei ihrer Entlassung zusätzlich eine
Ausgleichsentschädigung von 15 Prozent der Bezüge, die sie für die geleistete
Tätigkeit, die Grundlage für die Gewährung der Freistellungstage nach Absatz 1
gewesen ist, erhalten haben. Der Anspruch entsteht erst mit der Entlassung. Vor
der Entlassung ist der Anspruch nicht verzinslich. § 57 Absatz 4 des
Strafgesetzbuchs gilt entsprechend.
§ 33
Gelder der Gefangenen,
Haftkostenbeitrag
Die
Regelungen des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen zum Taschengeld (§
35), Hausgeld (§ 36), Überbrückungsgeld (§ 37) sowie zum Eigengeld (§ 38)
gelten entsprechend. Ein Haftkostenbeitrag wird nur erhoben, soweit dies mit
der Förderung und Erziehung der Gefangenen zu vereinbaren ist. Im Übrigen gilt
§ 39 Absatz 1, 2, 4 und 5 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen
entsprechend.
Abschnitt 6
Religionsausübung
§ 34
Seelsorge, religiöse Veranstaltungen, Weltanschauungsgemeinschaften
Die
Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die Seelsorge
(§ 40), religiöse Veranstaltungen (§ 41) und Weltanschauungsgemeinschaften (§
42) gelten entsprechend.
Abschnitt 7
Gesundheitsfürsorge
§ 35
Gesundheitsfürsorge, Aufenthalt im Freien
(1)
Für das körperliche, seelische, geistige und soziale Wohlergehen der Gefangenen
ist zu sorgen. Gefangene haben die notwendigen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz
und zur Hygiene zu unterstützen.
(2)
Die Bedeutung einer gesunden Lebensführung ist den Gefangenen in geeigneter
Form zu vermitteln. Dabei wird die besondere Gefährdung durch Infektionen sowie
legale und illegale Drogen berücksichtigt. Es werden speziell auf die
Bedürfnisse der Altersgruppe zugeschnittene Beratungs-, Behandlungs- und
Betreuungsangebote unterbreitet.
(3)
Den Gefangenen wird täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien
ermöglicht, wenn die Witterung dem nicht zwingend entgegensteht.
§ 36
Medizinische Leistungen, Kostenbeteiligung, Aufwendungsersatz
(1)
Die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die
suchtmedizinische Behandlung (§ 44), die medizinischen Leistungen und die
Kostenbeteiligung (§ 45), die Überstellung und Verlegung aus medizinischen
Gründen (§ 46), die Krankenbehandlung während vollzugsöffnender Maßnahmen (§
47) und die medizinische Behandlung zur sozialen Eingliederung (§ 48) gelten
entsprechend. Von einer Kostenbeteiligung minderjähriger Gefangener für
medizinische Leistungen ist abzusehen.
(2)
Gefangene sind verpflichtet, der Anstalt Aufwendungen zu ersetzen, die sie
durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Selbstverletzung oder Verletzung
anderer Gefangener verursacht haben. Bei der Geltendmachung dieser Forderung
kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 30 Absatz 1
dieses Gesetzes übersteigender Teil des Hausgeldes in Anspruch genommen werden.
Ansprüche aus sonstigen Rechtsvorschriften bleiben unberührt. Von der
Geltendmachung und Vollstreckung der in Satz 1 und 3 genannten Forderungen ist
abzusehen, soweit hierdurch die Förderung und Erziehung der Gefangenen
behindert wird.
§ 37
Rechte der Personensorgeberechtigten, Benachrichtigung
bei Erkrankung und Todesfall
(1)
Vor ärztlichen Eingriffen bei minderjährigen Gefangenen sind die Rechte der
Personensorgeberechtigten zu beachten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf
deren Aufklärung und Einwilligung.
(2)
Erkranken Gefangene schwer oder versterben sie, sind die Personensorgeberechtigten
oder Angehörige unverzüglich zu unterrichten. Im Fall schwerer Erkrankung nicht
unter Personensorge stehender Gefangener kann von der Benachrichtigung
abgesehen werden, wenn dies ihrem ausdrücklich erklärten Willen entspricht.
(3)
Dem Wunsch der Gefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll
entsprochen werden, soweit nicht die Personensorgeberechtigten aus
nachvollziehbaren Gründen der Benachrichtigung widersprechen.
Abschnitt 8
Sport, Freizeit
§ 38
Sport
Es
sind ausreichende und freizeitpädagogisch sinnvolle Sportangebote vorzuhalten.
Den Gefangenen ist mindestens drei Stunden wöchentlich eine Teilnahme, auch an
Wochenenden und Feiertagen, zu ermöglichen. Die Gefangenen sollen insbesondere
durch Mannschaftssport lernen, Gemeinschaftssinn zu entwickeln, Regeln
einzuhalten und Rücksicht auf andere zu nehmen. Ihre Bereitschaft zur Teilnahme
am Sport ist zu fördern.
§ 39
Freizeit, Förderung der Kreativität
(1)
Gefangene erhalten Gelegenheit, ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten. Es sind
ausreichende Freizeitangebote vorzuhalten, auch an den Wochenenden und
Feiertagen sowie in den frühen Abendstunden.
(2)
Angebote zur Förderung der Kreativität im Rahmen kultureller Formen sind zu
entwickeln. Hierfür können Freizeitgruppen in ästhetischen Bereichen,
namentlich in denen der Literatur, des Theaters, der Musik und des Malens,
eingerichtet werden.
(3)
Die Gefangenen sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Angeboten der
Freizeitgestaltung, insbesondere auch an Gruppenveranstaltungen, anzuregen. Sie
sollen auch Gelegenheit erhalten, den verantwortungsvollen Umgang mit neuen
Medien zu erlernen und auszuüben. Die Benutzung einer bedarfsgerecht
ausgestatteten Bibliothek ist zu ermöglichen.
§ 40
Hörfunk, Fernsehen
(1)
Der Zugang zum Hörfunk- und Fernsehempfang ist zu ermöglichen. Die Anstalt
entscheidet über die Einspeisung einzelner Hörfunk- und Fernsehprogramme,
soweit eine Empfangsanlage vorhanden ist. Die Wünsche und Bedürfnisse der
Gefangenen sind angemessen zu berücksichtigen.
(2)
Eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte der Gefangenen können unter den
Voraussetzungen des § 19 Absatz 2 zugelassen werden. Gefangene können auf ein
Haftraummediensystem verwiesen werden. Der Betrieb von Empfangsanlagen und
Haftraummediensystemen sowie die Ausgabe von Hörfunk- und Fernsehgeräten können
auf Dritte übertragen werden. In diesen Fällen ist Gefangenen der Besitz
eigener Geräte in der Regel nicht gestattet.
(3)
Gefangene können an den Kosten für die Überlassung, die Überprüfung und den Betrieb
von Hörfunkgeräten, Fernsehgeräten und Haftraummediensystemen sowie die
Bereitstellung des Hörfunk- und Fernsehempfangs beteiligt werden.
§ 41
Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung, Zeitungen, Zeitschriften
(1)
Gefangene dürfen nach Maßgabe der Anstalt in angemessenem Umfang sonstige
Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik, Bücher sowie andere
Gegenstände zur Aus- und Fortbildung oder Freizeitgestaltung besitzen. § 19
Absatz 2 und 6 gilt entsprechend.
(2)
Gefangene dürfen Zeitungen und Zeitschriften durch Vermittlung der Anstalt in
angemessenem Umfang auf eigene Kosten beziehen.
(3)
Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe
oder Geldbuße bedroht ist. Einzelne Ausgaben oder Teile von Zeitungen oder
Zeitschriften können Gefangenen vorenthalten werden, wenn sie die Sicherheit
oder Ordnung der Anstalt oder das Vollzugsziel erheblich gefährden würden.
(4)
Für Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik gilt § 40 Absatz 2
Satz 2 bis 4 und Absatz 3 entsprechend.
Abschnitt 9
Vollzugsöffnende Maßnahmen
§ 42
Vollzugsöffnende Maßnahmen
(1)
Mit Zustimmung der Gefangenen können vollzugsöffnende Maßnahmen gewährt werden,
wenn verantwortet werden kann zu erproben, dass die Gefangenen sich dem Vollzug
der Strafe nicht entziehen oder die vollzugsöffnenden Maßnahmen nicht zur
Begehung von Straftaten missbrauchen werden. Bei der Entscheidung über die
Gewährung der Maßnahmen sind die Belange der Gefangenen mit den
Schutzinteressen der Allgemeinheit abzuwägen, insbesondere sind die
Persönlichkeit der Gefangenen, der individuelle und soziale Entwicklungsstand,
ihre Mitwirkungsbereitschaft, ihr sonstiges Vollzugsverhalten, die
Vollzugsdauer, die Art der Maßnahme sowie Aspekte der Förderung der Gefangenen
zu berücksichtigen.
(2)
Als vollzugsöffnende Maßnahmen kommen namentlich in Betracht:
1. das Verlassen der Anstalt für eine bestimmte Tageszeit unter der ständigen und unmittelbaren Aufsicht von Bediensteten (Ausführung),
2. das Verlassen der Anstalt für eine bestimmte Tageszeit in Begleitung einer von der Anstalt zugelassenen Person (Begleitausgang) oder ohne Begleitung (Ausgang),
3. das Verlassen der Anstalt für mehr als einen Tag (Langzeitausgang),
4. die regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Anstalt unter Aufsicht Bediensteter (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht (Freigang) und
5.
der Aufenthalt außerhalb der Anstalt ohne Aufsicht von Bediensteten zur
Durchführung von Förder- und Erziehungsmaßnahmen (Bildungs- und Förderausgang).
(3)
Langzeitausgang kann an bis zu 24 Kalendertagen in einem Vollstreckungsjahr
gewährt werden. Tage, an denen die Gefangenen den Langzeitausgang antreten,
werden nicht mitgerechnet. Bildungs- und Förderausgang wird nicht auf die
Höchstdauer nach Satz 1 angerechnet. Durch Langzeitausgang wird die
Strafvollstreckung nicht unterbrochen.
(4)
Können vollzugsöffnende Maßnahmen nach Absatz 2 Nummer 2 bis 5 noch nicht
verantwortet werden, sind insbesondere langjährig im Vollzug befindlichen
Gefangenen Ausführungen zu gewähren, um schädlichen Auswirkungen des
Freiheitsentzuges frühzeitig entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu
erhalten und zu festigen. Die Ausführungen unterbleiben, wenn die zur Sicherung
erforderlichen Maßnahmen den Zweck der Ausführung gefährden.
(5)
Bei Ausführungen zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit kann den Gefangenen, um
Entweichungen entgegenzuwirken, nach Maßgabe des § 124 des
Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen aufgegeben werden, die für eine
elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen
Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren
Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
(6)
Kommen vollzugsöffnende Maßnahmen nicht in Betracht, sind die tragenden Gründe
zu dokumentieren und den Gefangenen die noch zu erfüllenden Voraussetzungen in
verständlicher Form zu vermitteln.
(7)
Bei der Ausgestaltung vollzugsöffnender Maßnahmen ist den berechtigten
Schutzinteressen der Opfer und gefährdeter Dritter Rechnung zu tragen.
(8)
Gefangene tragen die Reisekosten, die Kosten für ihren Lebensunterhalt und
andere Aufwendungen während ihres Aufenthalts außerhalb der Anstalt. Die Kosten
von Ausführungen können den Gefangenen in angemessenem Umfang auferlegt werden,
soweit dies die Förderung und Erziehung oder die Eingliederung nicht behindert.
Bedürftigen Gefangenen kann die Anstalt zu ihren Aufwendungen eine Beihilfe in
angemessenem Umfang gewähren.
(9)
Vollzugsöffnende Maßnahmen werden nur zum Aufenthalt im Inland gewährt.
(10)
§ 56 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.
§ 43
Vollzugsöffnende Maßnahmen aus wichtigem Anlass
(1)
Vollzugsöffnende Maßnahmen nach § 42 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 können auch aus
wichtigem Anlass gewährt werden. Wichtige Anlässe sind insbesondere die
Teilnahme an gerichtlichen Terminen, die medizinische Behandlung der Gefangenen
sowie der Tod oder die lebensgefährliche Erkrankung naher Angehöriger der
Gefangenen. § 42 Absatz 1 und 3 Satz 4 gilt entsprechend.
(2)
Bei Ausführungen aus wichtigem Anlass gilt § 42 Absatz 5 (elektronische
Aufenthaltsüberwachung) entsprechend.
(3)
Ausführungen aus wichtigem Anlass sind auch ohne Zustimmung der Gefangenen
zulässig, wenn dies aus besonderen Gründen notwendig ist.
(4)
Langzeitausgang aus wichtigem Anlass, der nicht zur Teilnahme an gerichtlichen
Terminen oder anlässlich des Todes oder der lebensgefährlichen Erkrankung naher
Angehöriger gewährt wird, darf sieben Tage im Vollstreckungsjahr nicht
übersteigen. Er wird nicht auf die Höchstdauer nach § 42 Absatz 3 Satz 1
angerechnet.
§ 44
Weisungen
Für
vollzugsöffnende Maßnahmen können Weisungen erteilt werden. Soweit Freigang,
Begleitausgang oder Bildungs- und Förderausgang von Dritten beaufsichtigt wird,
kann die Weisung auch darin bestehen, dass von ihnen erteilte Anordnungen zu
befolgen sind.
Abschnitt 10
Entlassung und soziale Eingliederung
§ 45
Vorbereitung der Entlassung, soziale Eingliederung
(1)
Die Anstalten bereiten gemeinsam mit den Gefangenen deren Entlassung vor. Den
Gefangenen sollen Kontakte zu außervollzuglichen Organisationen und
Bildungsstätten sowie Stellen und Personen ermöglicht werden, die ihnen nach
der Entlassung persönliche und soziale Hilfestellung leisten können. Die
Personensorgeberechtigten und, soweit erforderlich, das Jugendamt sowie der
ambulante Soziale Dienst der Justiz sind von der bevorstehenden Entlassung zu
unterrichten und nach Möglichkeit in die Planungen einzubeziehen. § 5 Absatz 1
gilt entsprechend.
(2)
Frühzeitig vor dem voraussichtlichen Entlassungstermin arbeiten die Anstalten
mit öffentlichen Stellen, freien Trägern sowie anderen Organisationen und
Personen zusammen, um insbesondere zu erreichen, dass die Gefangenen über eine
geeignete Ausbildungsstätte oder Arbeit, eine angemessene Unterkunft und ein
stabilisierendes soziales Umfeld verfügen. Zur Integration in den Arbeitsmarkt
sollen durch vollzugsübergreifende Zusammenarbeit die Ausbildungs- und
Beschäftigungsperspektiven der Gefangenen verbessert werden.
(3)
Die für die Vermittlung in Hilfs- und Bildungsangebote Dritter nach der
Entlassung erforderlichen Strukturen und Netzwerke sind einzurichten und
fortzuentwickeln (§ 6 Absatz 4 Satz 2). Für die Koordination der
Entlassungsplanung stehen Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner in den
Anstalten zur Verfügung. Die Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen umfasst
Möglichkeiten einer nachgehenden Betreuung unter Mitwirkung von Bediensteten.
§ 46
Vollzugsöffnende Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung
(1)
Um die Entlassung vorzubereiten, sollen vollzugsöffnende Maßnahmen (§ 42)
gewährt werden.
(2)
Zur Vorbereitung der Entlassung können die Gefangenen für die Teilnahme an
Eingliederungsmaßnahmen über § 42 Absatz 3 hinaus bis zu zwei Wochen
Langzeitausgang erhalten. Gefangenen, welche die Voraussetzungen des Freigangs
erfüllen, kann innerhalb von neun Monaten vor der voraussichtlichen Entlassung
Langzeitausgang bis zu sechs Tagen im Monat gewährt werden. Vollzugsöffnende
Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 können nicht nebeneinander gewährt werden.
(3)
Die Missbrauchsgefahren sind insbesondere bei einer unmittelbar bevorstehenden
Entlassung mit den Risiken einer unerprobten Entlassung abzuwägen. § 42 Absatz
1, 6 bis 9 sowie § 44 dieses Gesetzes und § 56 des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen gelten entsprechend.
§ 47
Entlassung, Schlussbericht
(1)
Die Gefangenen sollen am Tag ihrer Entlassung möglichst frühzeitig, jedenfalls
noch am Vormittag, entlassen werden.
(2)
Fällt das Strafende auf einen Samstag oder Sonntag, einen gesetzlichen
Feiertag, den ersten Werktag nach Ostern oder Pfingsten oder in die Zeit vom
22. Dezember bis zum 6. Januar, können Gefangene an dem diesen Tagen oder Zeiträumen
vorhergehenden Werktag entlassen werden, wenn dies nach der Länge der Strafzeit
vertretbar ist und fürsorgerische Gründe nicht entgegenstehen.
(3)
Der Entlassungszeitpunkt kann bis zu zwei Tage vorverlegt werden, wenn
dringende Gründe dafür vorliegen, dass Gefangene zu ihrer Eingliederung hierauf
angewiesen sind.
(4)
Die Anstalt erstellt zum Ende des Vollzuges einen an den Fähigkeiten und
Entwicklungsmöglichkeiten der Gefangenen ausgerichteten Schlussbericht. Dieser
enthält in standardisierter Form Angaben über den fortbestehenden Förderbedarf,
namentlich eine Darstellung der Art und der Ergebnisse der angebotenen und
durchgeführten Maßnahmen sowie der Angebote und Leistungen Dritter (§ 12 Absatz
2 Nummer 17), soweit sie für die Förderung und Erziehung sowie Eingliederung
der Gefangenen von Bedeutung sind.
(5)
Eine Ausfertigung des Berichts ist den Gefangenen auszuhändigen und
erforderlichenfalls dem Jugendamt sowie den Personensorgeberechtigten zu
übersenden. Bei angeordneter Bewährungs- oder Führungsaufsicht ist eine
Ausfertigung der zuständigen Leiterin oder dem zuständigen Leiter des
ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz zuzuleiten. Mit Einwilligung der
Gefangenen oder der Personensorgeberechtigten soll eine Ausfertigung des
Berichts auch anderen Beteiligten zugeleitet werden, die an der Eingliederung
und Erziehung der Gefangenen mitwirken.
(6)
Gefangene erhalten, soweit ihre eigenen Mittel nicht ausreichen, von der
Anstalt bei ihrer Entlassung einen Reisekostenzuschuss, für die Entlassung
ausreichende Kleidung oder eine sonstige notwendige Unterstützung.
§ 48
Teilnahme an Ausbildungsmaßnahmen, Aufnahme auf freiwilliger Grundlage
(1)
Nach der Entlassung aus der Anstalt kann ehemaligen Gefangenen auf ihren Antrag
vorübergehend bis zu drei Monaten gestattet werden, eine in der Anstalt
begonnene schulische und berufliche Orientierungs-, Aus- und
Weiterbildungsmaßnahme oder sonstige Förder- und Erziehungsmaßnahme
abzuschließen. Der Antrag und die Gestattung sind jederzeit widerruflich.
(2)
Frühere Gefangene können innerhalb von sechs Monaten nach ihrer Entlassung zur
Bewältigung einer Krisensituation auf ihren Antrag vorübergehend bis zu drei
Monate wieder in die Anstalt aufgenommen werden, um die bislang erreichten
Erfolge vollzuglicher Förder- und Erziehungsmaßnahmen nicht zu gefährden.
Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
(3)
Gegen aufgenommene Personen dürfen Maßnahmen des Vollzuges nicht mit
unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden.
(4)
Auf ihren Antrag sind die aufgenommenen Personen unverzüglich zu entlassen.
(5)
An den Kosten ihrer Unterbringung können die Aufgenommenen beteiligt werden,
soweit dies mit ihrer Förderung und Erziehung zu vereinbaren ist. § 39 Absatz 4
des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.
(6)
Bei minderjährigen Gefangenen erfolgt die Unterbringung mit Einwilligung der
Personensorgeberechtigten.
Abschnitt 11
Sicherheit und Ordnung, unmittelbarer Zwang
§ 49
Grundsatz, Verhaltensvorschriften
(1)
Sicherheit und Ordnung bilden die Grundlage eines gewalt- und konfliktfreien
Zusammenlebens in der Anstalt. Die Anstalt trifft die erforderlichen Maßnahmen,
um ein Entweichen der Gefangenen zu verhindern und die Sicherheit (§ 7) zu gewährleisten.
Die Anstalt ist befugt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Identität aller
Personen, die Zugang begehren, festzustellen.
(2)
Die Gefangenen haben sich nach der Tageseinteilung der Anstalt zu richten. Sie
sollen durch die Tageseinteilung auch an eine eigenverantwortliche
Lebensgestaltung herangeführt werden. Sie dürfen durch ihr Verhalten gegenüber
Bediensteten, anderen Gefangenen und Dritten das geordnete Miteinander in der
Anstalt nicht stören. Das Verantwortungsbewusstsein der Gefangenen für ein
entsprechendes Verhalten ist zu wecken und zu fördern.
(3)
Die Gefangenen haben die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn
sie sich beschwert fühlen. Einen ihnen zugewiesenen Bereich dürfen sie nicht
ohne Erlaubnis verlassen.
(4)
Gefangene sind verpflichtet, ihren Haftraum und die ihnen von der Anstalt
überlassenen Gegenstände in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.
(5)
Die Gefangenen haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine
erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu
melden.
§ 50
Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit
Die
Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die
Durchsuchung (§ 64), die Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelkonsum (§ 65),
den Einsatz von Videotechnik (§ 66), die Maßnahmen zur Verhinderung unerlaubter
Telekommunikation (§ 67) sowie die erkennungsdienstlichen Maßnahmen und das
Identitätsfeststellungsverfahren (§ 68) gelten entsprechend.
§ 51
Besondere Sicherungsmaßnahmen
Die
Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die besonderen
Sicherungsmaßnahmen (§ 69), die Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen und
das Verfahren (§ 70) sowie die medizinische und psychologische Überwachung (§
71) gelten entsprechend.
§ 52
Unmittelbarer Zwang, Handeln auf Anordnung, Festnahmerecht
(1)
Die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die
Begriffsbestimmungen (§ 72), die allgemeinen Voraussetzungen (§ 73), den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 74) und die Androhung (§ 75) von
unmittelbarem Zwang gelten entsprechend.
(2)
Zur Vereitelung einer Flucht oder zur Wiederergreifung von Gefangengen dürfen
Schusswaffen nicht gebraucht werden. Im Übrigen gelten die allgemeinen
Vorschriften für den Schusswaffengebrauch (§ 76) und die besonderen
Vorschriften für den Schusswaffengebrauch (§ 77) des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen entsprechend.
(3)
Wird unmittelbarer Zwang von einer oder einem Vorgesetzten oder einer sonst befugten
Person angeordnet, sind Bedienstete verpflichtet, ihn anzuwenden, es sei denn,
die Anordnung verletzt die Menschenwürde oder ist nicht zu dienstlichen Zwecken
erteilt worden. Die Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine
Straftat begangen würde. Befolgen Bedienstete die Anordnung trotzdem, trifft
die Bediensteten eine Schuld nur, wenn sie erkennen oder wenn es nach den ihnen
bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen
wird.
(4)
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung haben Bedienstete der oder dem
Anordnenden gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist.
Abweichende Vorschriften des allgemeinen Beamtenrechts über die Mitteilung
solcher Bedenken an Vorgesetzte sind nicht anzuwenden.
(5)
Gefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der
Anstalt aufhalten, können durch die Anstalt oder auf ihre Veranlassung hin
festgenommen und zurückgebracht werden.
(6)
Für Zwangsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
gilt § 78 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen entsprechend. Vor der
Durchführung von Zwangsmaßnahmen nach § 78 des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen muss bei minderjährigen Gefangenen erfolglos versucht worden
sein, die Einwilligung der Personensorgeberechtigten einzuholen. Kann diese
nicht rechtzeitig eingeholt werden, sind die Vorschriften des Bürgerlichen
Gesetzbuches anzuwenden.
Abschnitt 12
Erzieherisches Gespräch, Konfliktregelung, Disziplinarmaßnahmen
§ 53
Pflichtverstöße, erzieherisches Gespräch, Konfliktregelung
(1)
Verstoßen Gefangene schuldhaft gegen Pflichten, die ihnen durch oder aufgrund
dieses Gesetzes auferlegt sind, wird versucht, diese Pflichtverstöße zeitnah im
erzieherischen Gespräch aufzuarbeiten. Verbleibende, schwerwiegende oder
wiederholte Konflikte sollen im Wege der Konfliktregelung geschlichtet werden.
Dabei können ausgleichende Maßnahmen, insbesondere eine Entschuldigung,
Mediation, Schadensbeseitigung oder -wiedergutmachung, vereinbart werden. Zudem
können erzieherische Maßnahmen angeordnet werden, die den Gefangenen das
Fehlverhalten durch lernende Vorgaben unter Berücksichtigung des individuellen
Förderbedarfs vor Augen führen.
(2)
Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter legt fest, welche Bediensteten
befugt sind, erzieherische Maßnahmen anzuordnen.
§ 54
Disziplinarmaßnahmen
(1)
Disziplinarmaßnahmen dürfen nur angeordnet werden, wenn Maßnahmen nach § 53
nicht ausreichen, um den Gefangenen das Unrecht ihrer Handlung zu verdeutlichen.
(2)
Eine Disziplinarmaßnahme ist auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein
Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.
(3)
Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind
1. die Beschränkung der Verfügung über das Hausgeld bis zu 75 Prozent des monatlich zur Verfügung stehenden Betrags bis zu einem Monat,
2. die Beschränkung oder der Entzug der Teilnahme an gemeinsamen Veranstaltungen bis zu sechs Wochen,
3. die getrennte Unterbringung während der Freizeit bis zu vier Wochen,
4. die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für eine Beschäftigung in der Freizeit mit Ausnahme des Lesestoffs bis zu vier Wochen,
5. die Beschränkung oder der Entzug des Hörfunk- oder Fernsehempfangs bis zu sechs Wochen und
6.
Arrest bis zu zwei Wochen.
(4)
Arrest darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt
werden.
(5)
Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.
§ 55
Verfahren
(1)
Der Sachverhalt ist zu klären. Hierbei sind sowohl belastende als auch
entlastende Umstände zu ermitteln. Die Gefangenen werden gehört. Sie werden
darüber unterrichtet, welche Verfehlungen ihnen zur Last gelegt werden. Sie
sind darauf hinzuweisen, dass es ihnen freisteht sich zu äußern oder nicht zur
Sache auszusagen. Die Äußerungen der Gefangenen und die Ergebnisse der
Ermittlungen sind zu dokumentieren.
(2)
Disziplinarmaßnahmen ordnet die Anstaltsleitung an. Die Aufsichtsbehörde
entscheidet, wenn sich die Verfehlung Gefangener gegen die Anstaltsleiterin
oder den Anstaltsleiter richtet. Bei einer Verfehlung der Gefangenen auf dem
Weg in eine andere Anstalt ist die Anstaltsleitung der Bestimmungsanstalt
zuständig.
(3)
Die Anstaltsleitung soll sich bei schweren Verstößen vor der Entscheidung in
einer Konferenz mit Personen besprechen, die maßgeblich an der Förderung und
Erziehung der Gefangenen mitwirken.
(4)
Vor der Anordnung einer Disziplinarmaßnahme gegen Gefangene, die sich in
medizinischer Behandlung befinden, oder gegen eine Schwangere oder eine
Gefangene, die unlängst entbunden hat, ist der ärztliche Dienst zu hören.
(5)
Disziplinarmaßnahmen sollen in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der
Pflichtverletzung angeordnet werden. Mehrere Verfehlungen, die gleichzeitig zu
beurteilen sind, sollen durch eine Entscheidung geahndet werden.
(6)
Die tragenden Gründe der Entscheidung werden schriftlich abgefasst und den
Gefangenen mündlich eröffnet. Auf Verlangen ist den Gefangenen die schriftliche
Begründung auszuhändigen.
§ 56
Vollzug der Disziplinarmaßnahmen
(1)
Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt. Die Vollstreckung
ist auszusetzen, soweit es zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes
erforderlich ist.
(2)
Disziplinarmaßnahmen können ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur
Bewährung ausgesetzt werden. Die Aussetzung zur Bewährung kann ganz oder
teilweise widerrufen werden, wenn die Gefangenen erneut gegen Pflichten
verstoßen.
(3)
Wird die Verfügung über das Hausgeld beschränkt, ist das in dieser Zeit
anfallende Hausgeld dem Überbrückungsgeld hinzuzurechnen.
(4)
Bevor Arrest (§ 54 Absatz 3 Nummer 6) vollzogen wird, ist der ärztliche Dienst
der Anstalt zu hören. Während des Arrestes stehen die Gefangenen unter
ärztlicher Aufsicht. Der Arrest unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn
ansonsten die Gesundheit der Gefangenen gefährdet würde.
(5)
Für die Dauer des Arrestes werden die Gefangenen abgesondert. Die Gefangenen werden
für die Dauer des Arrestes pädagogisch betreut. Die Gefangenen können in einem
besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen
muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum
gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse
der Gefangenen zur Beschäftigung, zur Teilnahme an
Gemeinschaftsveranstaltungen, zum Einkauf, zum Fernsehempfang, zur Ausstattung
des Haftraums mit persönlichen Gegenständen und zum Besitz persönlicher
Gegenstände. Der Zugang zu Büchern, Zeitungen und Zeitschriften ist zu
ermöglichen. Die Rechte zur Teilnahme an unaufschiebbaren Förder- und
Erziehungsmaßnahmen, zur Teilnahme am Gottesdienst und zum Aufenthalt im Freien
nach § 35 Absatz 3 bleiben unberührt.
(6)
Disziplinarmaßnahmen, die gegen Gefangene in einer anderen Anstalt oder während
des Vollzuges von Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen
der abgebenden Anstalt vollstreckt. Absatz 2 bleibt unberührt.
Abschnitt 13
Aufhebung von Maßnahmen, Beschwerderecht
§ 57
Widerruf, Rücknahme
§
83 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.
§ 58
Beschwerderecht
Die
Gefangenen erhalten Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden
in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an die Anstaltsleitung oder die
von ihr beauftragten Personen zu wenden. Die Möglichkeit, sich an die
Justizvollzugsbeauftragte oder den Justizvollzugsbeauftragten des Landes
Nordrhein-Westfalen zu wenden, bleibt unberührt.
Abschnitt 14
Organisation
§ 59
Anstalten und Einrichtungen
(1)
Die Jugendstrafe wird in hierfür bestimmten, selbstständigen Anstalten der
Landesjustizverwaltung vollzogen, die entsprechend ihrem Zweck und den
Erfordernissen des Jugendstrafvollzuges auszugestalten sind und eine auf die
unterschiedlichen Bedürfnisse der Gefangenen abgestimmte Behandlung
gewährleisten. Sie kann auch in anderen geeigneten Einrichtungen außerhalb der
Landesjustizverwaltung in freien Formen vollzogen werden.
(2)
Weibliche Gefangene können in getrennten Abteilungen des Strafvollzuges für
erwachsene Frauen untergebracht werden; einer Unterbringung in getrennten
Abteilungen bedarf es nicht, wenn es sich um eine Einrichtung des offenen
Frauenvollzuges handelt. In den Fällen des Satzes 1 erfolgt der Vollzug nach
den Vorschriften dieses Gesetzes. Wird Jugendstrafe in Einrichtungen des
Erwachsenenstrafvollzuges vollzogen, bleiben die Vorschriften dieses Gesetzes
anwendbar.
(3)
Es ist eine bedarfsgerechte Anzahl und Ausstattung von Plätzen, insbesondere
für therapeutische Maßnahmen, für Maßnahmen der Beschäftigung, Freizeit, Sport,
Seelsorge und Besuche, vorzusehen. Räume für den Aufenthalt während der Ruhe-
und Freizeit sowie Gemeinschafts- und Besuchsräume sind wohnlich und zweckentsprechend
auszustatten.
(4)
Die bauliche Gestaltung und das Außengelände der Vollzugseinrichtung müssen in
Einklang mit dem Ziel der anstaltsinternen Förderung und Erziehung stehen.
Hierzu sollen die Abteilungen in Wohngruppen gegliedert sein.
(5)
Im Jugendstrafvollzug werden, soweit hierfür Bedarf besteht,
sozialtherapeutische Einrichtungen vorgehalten. Die organisatorischen,
personellen und baulichen Mindeststandards sind auf die jugendspezifischen
Besonderheiten zugeschnitten.
§ 60
Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung
(1)
Ein bedarfsgerechtes Angebot an Arbeitsplätzen für zugewiesene Tätigkeiten, an
Plätzen für Schul- und Berufsschulunterricht und an Plätzen für berufliche
Ausbildung sowie für arbeitstherapeutische Maßnahmen wird vorgehalten.
(2)
Die Betriebe und Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung sind den
Verhältnissen außerhalb der Anstalten anzugleichen. Die Arbeitsschutz- und
Unfallverhütungsvorschriften sind zu beachten.
(3)
Bildung und Beschäftigung können auch in geeigneten Einrichtungen privater
Unternehmen erfolgen. In den von privaten Unternehmen unterhaltenen Betrieben
und sonstigen Einrichtungen kann die technische und fachliche Leitung
Angehörigen dieser Unternehmen übertragen werden.
(4)
Bei der schulischen und beruflichen Bildung sollen die Anstalten in
Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Jugendhilfe und der Jugendberufshilfe,
Schulen, Sonderschulen, Volkshochschulen, Einrichtungen der Jugendkulturarbeit
und des Sports sowie mit Fachhochschulen und Universitäten ein differenziertes
Lern- und Betätigungsangebot bereitstellen. Sie sollen ferner mit den örtlichen
Arbeitgebern und Einrichtungen, die Gefangene beschäftigen, Beschäftigung
vermitteln oder berufliche Eingliederung fördern können, eng zusammenarbeiten.
Festsetzung der Belegungsfähigkeit, Verbot der Überbelegung
(1)
Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit unter Berücksichtigung von §
17 Absatz 1 und § 59 Absatz 3 für jede Anstalt fest.
(2)
Hafträume dürfen nicht mit mehr Personen als zugelassen belegt werden.
Ausnahmen hiervon sind nur vorübergehend aus zwingenden Gründen zulässig, wenn
dies wegen eines unvorhersehbaren Ereignisses erforderlich ist. Die Ausnahmen
sind zu dokumentieren.
Abschnitt 15
Innerer Aufbau, Personal, Aufsicht
§ 62
Bedienstete
(1)
Die Aufgaben der Anstalten werden von Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamten
wahrgenommen. Aus besonderen Gründen können sie auch anderen
Anstaltsbediensteten sowie nebenamtlich oder vertraglich verpflichteten
Personen übertragen werden.
(2)
Den Anstalten werden für die Erfüllung ihrer Aufgaben in dem erforderlichen
Umfang geeignete Bedienstete zur Verfügung gestellt. Die Bediensteten sollen
mit der Behandlung von jungen Gefangenen nur betraut werden, wenn sie für den
Umgang mit jungen Menschen besonders geeignet sind und über pädagogische
Kenntnisse für die Arbeit im Jugendstrafvollzug verfügen. Die Bediensteten
werden fortgebildet und erhalten Praxisberatung und -begleitung sowie Gelegenheit
zur Supervision. Die Zahl der Fachkräfte ist so zu bemessen, dass eine
nachgehende Betreuung früherer Gefangener der sozialtherapeutischen
Einrichtungen (§ 15) und früherer Gefangener mit vorbehaltener
Sicherungsverwahrung (§ 16) ermöglicht werden kann.
(3)
Die Bediensteten sollen den einzelnen Abteilungen und den Arbeits- und
Ausbildungsstätten fest zugeordnet werden. Sie sollen dort alle dem jeweiligen
Aufgabenbereich obliegenden Vollzugsaufgaben eigenverantwortlich wahrnehmen und
ihre Diensteinteilung möglichst selbstständig regeln.
(4)
Bei der Diensteinteilung im Übrigen hat die Anstalt auch darauf zu achten, dass
eine Beeinträchtigung der Beschäftigung nach § 29 Absatz 1 und 2 durch
zeitliche Überschneidungen mit anderen Maßnahmen nach Möglichkeit vermieden
wird.
§ 63
Anstaltsleitung
(1)
Für jede Anstalt ist eine Beamtin oder ein Beamter zur hauptamtlichen Leiterin
oder zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen, die oder der die Voraussetzungen
der Laufbahngruppe 2, zweites Einstiegsamt, erfüllt. Aus besonderen Gründen
kann eine Anstalt auch von einer Beamtin oder einem Beamten der Laufbahngruppe
2, erstes Einstiegsamt, geleitet werden.
(2)
Die Anstaltsleitung vertritt die Anstalt nach außen und trägt die Verantwortung
für den gesamten Vollzug. Im Innenverhältnis kann sie die Verantwortung für
bestimmte Aufgabenbereiche auf andere Bedienstete übertragen.
(3)
Die Befugnis, die Durchsuchung nach § 50 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 64
Absatz 2 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen, die besonderen
Sicherungsmaßnahmen nach § 51 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 69 des
Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen und die Disziplinarmaßnahmen nach §
54 anzuordnen, darf nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde übertragen werden.
§ 64
Seelsorge
(1)
Seelsorgerinnen und Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen
Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.
(2)
Wenn die geringe Zahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine
Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung
auf andere Weise zuzulassen.
(3)
Mit Zustimmung der Anstaltsleitung dürfen sich die Seelsorgerinnen und
Seelsorger freier Seelsorgehelferinnen und Seelsorgehelfer bedienen und für
Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen Seelsorgerinnen oder
Seelsorger von außen hinzuziehen.
§ 65
Medizinische Versorgung
(1)
Die ärztliche Versorgung ist durch hauptamtliche Ärztinnen oder Ärzte sicherzustellen.
Sie kann aus besonderen Gründen nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten
Ärztinnen oder Ärzten übertragen werden.
(2)
Die Pflege erkrankter Gefangener soll von Krankenpflegekräften im Sinne des
Krankenpflegegesetzes vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442) in der jeweils
geltenden Fassung ausgeübt werden. Stehen solche Kräfte nicht zur Verfügung,
können Bedienstete des Vollzuges oder sonstige Kräfte eingesetzt werden, soweit
sie eine entsprechende Qualifikation besitzen.
Zur
Aufstellung und Überprüfung des Vollzugsplans sowie zur Vorbereitung anderer
wichtiger Entscheidungen im Vollzug, insbesondere bei erstmaliger Gewährung von
vollzugsöffnenden Maßnahmen, Verlegung in den offenen Vollzug oder bei
Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung, führt die Anstaltsleitung Konferenzen
mit an der Förderung und Erziehung maßgeblich Beteiligten durch. § 6 gilt
entsprechend. Das Konferenzergebnis und die tragenden Gründe der jeweiligen
Entscheidung sind zu dokumentieren.
§ 67
Gefangenenmitverantwortung
(1)
Gefangenen wird ermöglicht, eine Vertretung zu wählen. Diese kann in
Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse, die sich ihrer Eigenart und der
Aufgabe der Anstalt nach für eine Mitwirkung eignen, der Anstaltsleitung
Vorschläge und Anregungen unterbreiten. Diese sollen mit der Vertretung
erörtert werden.
(2)
Die Gefangenen werden zur aktiven Mitwirkung angeregt. Die Anstalt fördert die
Übernahme der Mitverantwortung in differenzierten und gestuften Formen der
Mitwirkung, insbesondere bei der Gestaltung alltäglicher Abläufe.
§ 68
Hausordnung
Die
Anstaltsleitung erlässt eine Hausordnung. Diese informiert in verständlicher
Form namentlich über die Rechte und Pflichten der Gefangenen und enthält
Erläuterungen zur Organisation des Besuchs, zur Arbeitszeit, Freizeit und
Ruhezeit sowie Hinweise zu den Möglichkeiten, Anträge und Beschwerden
anzubringen.
§ 69
Aufsichtsbehörde
(1)
Das Justizministerium führt die Aufsicht über die Anstalten und sichert
gemeinsam mit ihnen die Qualität des Vollzuges.
(2)
An der Aufsicht über die Fachdienste sind eigene Fachkräfte zu beteiligen.
Soweit die Aufsichtsbehörde nicht über eigene Fachkräfte verfügt, ist fachliche
Beratung sicherzustellen.
(3)
Die Aufsicht über die Einrichtungen im Vollzug in freien Formen außerhalb der
Landesjustizverwaltung wird im Einvernehmen mit der für die Jugendhilfe
zuständigen obersten Aufsichtsbehörde geregelt.
§ 70
Vollstreckungsplan
(1)
Die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalten wird durch die
Aufsichtsbehörde in einem Vollstreckungsplan nach allgemeinen Merkmalen
geregelt.
(2)
Der Vollstreckungsplan bestimmt insbesondere, welche Anstalten und Abteilungen
sozialtherapeutische Einrichtungen oder solche des offenen Vollzuges sind.
Ferner legt er fest, inwieweit Gefangene, die sich freiwillig zum Strafantritt
stellen, zunächst bis zum Abschluss der Diagnostik in eine Anstalt oder
Abteilung des offenen Vollzuges aufzunehmen sind.
(3)
Die für den Vollzug sachlich und örtlich zuständige Anstalt kann auch im Rahmen
eines Auswahlverfahrens in der Untersuchungshaft bestimmt werden.
Abschnitt 16
Beiräte
§ 71
Aufgaben und Befugnisse der Beiräte
Die
Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die Aufgaben
der Beiräte (§ 105), die Befugnisse (§ 106) und die Pflicht zur
Verschwiegenheit (§ 107) gelten entsprechend.
Abschnitt 17
Datenschutz
§ 72
Anwendung datenschutzrechtlicher Regelungen, Datenverarbeitungsverfahren
(1)
Die entsprechend §§ 68, 108 und 109 des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen erhobenen und nach Maßgabe dieses Abschnittes zu
verarbeitenden Daten können im Geltungsbereich dieses Gesetzes für die
Vollzugsbehörden in einer zentralen Datei gespeichert werden. Die speichernde
Stelle hat zu gewährleisten, dass die Übermittlung und der Abruf zumindest
durch geeignete Stichprobenverfahren festgestellt und überprüft werden können.
(2)
Die Landesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung die Einzelheiten der
Einrichtung automatisierter Übermittlungs- und Abrufverfahren im
Geltungsbereich dieses Gesetzes. Die Rechtsverordnung hat die
Datenempfängerinnen und Datenempfänger, die Datenart und den Zweck des Abrufs
festzulegen. Die oder der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit
ist vorher zu unterrichten. Die Ermächtigung zum Erlass der Rechtsverordnungen
kann auf das Justizministerium übertragen werden. Die Vorschriften über die
Zulässigkeit des einzelnen Abrufs bleiben unberührt.
(3)
Im Übrigen gelten die Vorschriften des Abschnitts 22 des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen über den Datenschutz entsprechend.
Abschnitt 18
Kriminologischer Dienst, Schlussbestimmungen
§ 73
Kriminologischer Dienst
(1)
Im Interesse einer Erfolgskontrolle und wissenschaftlichen Fortentwicklung
lassen die Vollzugsbehörden den Jugendstrafvollzug, insbesondere seine
Aufgabenerfüllung und Gestaltung, seine Behandlungsmethoden, die Umsetzung
seiner Leitlinien und die Förder- und Erziehungsmaßnahmen für die Gefangenen
sowie deren Wirkungen auf das Vollzugsziel regelmäßig unter Berücksichtigung
empirisch messbarer Leistungsstandards und Ergebnisindikatoren durch den
kriminologischen Dienst, durch Hochschulen oder durch andere Stellen
wissenschaftlich begleiten, erforschen und bewerten.
(2)
§ 120 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.
§ 74
Einschränkung von Grundrechten
Durch
dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 und 2 (körperliche
Unversehrtheit und Freiheit der Person), Artikel 5 Absatz 1 Satz 1
(Informationsfreiheit) und Artikel 10 Absatz 1 (Brief-, Post- und
Fernmeldegeheimnis) des Grundgesetzes eingeschränkt.
§ 75
Verhältnis zum Bundesrecht
Dieses
Gesetz ersetzt nach Artikel 125a Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes in seinem
Geltungsbereich zugleich das Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 (BGBl. I S.
581, 2088), das zuletzt durch Artikel 152 der Verordnung vom 31. August 2015
(BGBl. I S. 1474) geändert worden ist, mit Ausnahme der Vorschriften über
1. den Pfändungsschutz (§ 43 Absatz 11 Satz 2, § 50 Absatz 2 Satz 5, § 51 Absatz 4 und 5),
2. das gerichtliche Verfahren (§§ 92, 110 Absatz 1 des Jugendgerichtsgesetzes in Verbindung mit §§ 109 bis 121 des Strafvollzugsgesetzes) und
3.
den Vollzug des Strafarrestes sowie von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und
Erzwingungshaft (§§ 171 bis 175, 178 Absatz 2),
auch
soweit sie über §§ 176 und 178 Absatz 1 des Strafvollzugsgesetzes Anwendung
finden.
§ 76
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Dieses
Gesetz tritt am ersten Tag des vierten auf die Verkündung folgenden
Kalendermonats in Kraft. Gleichzeitig tritt das Jugendstrafvollzugsgesetz
Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2007 (GV. NRW. S. 539), das zuletzt durch
Artikel 6 des Gesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310) geändert worden ist,
außer Kraft.
46
Artikel 2
Änderung des Untersuchungshaftvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen
Das
Untersuchungshaftvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 2009 (GV. NRW. S. 540), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1.
Die Inhaltsübersicht wird wie folgt gefasst:
„Inhaltsübersicht
Abschnitt 1
Grundsätze
§ 1 Stellung der Untersuchungsgefangenen, Zweck der Untersuchungshaft
§ 2 Gestaltung des Vollzuges
§ 3 Trennung des Vollzuges
§ 4 Zuständigkeit, Mitwirkung der Anstalt, Täter-Opfer-Ausgleich
§
5 Soziale Hilfe
Abschnitt 2
Vollzugsverlauf
§ 6 Aufnahme in die Anstalt
§ 7 Verlegung, Überstellung, Ausantwortung, Ausführung
§ 8 Unterbrechung und Beendigung der Untersuchungshaft
§
9 Entlassung
Abschnitt 3
Gestaltung des Vollzugsalltags
§ 10 Unterbringung
§ 11 Persönlicher Bereich, Auslese von Datenspeichern, Einkauf
§ 12 Verpflegung
§ 13 Beschäftigung, Bildungsmaßnahmen, Gelder
§
14 Freizeit
Abschnitt 4
Religionsausübung
§
15 Seelsorge, religiöse Veranstaltungen, Weltanschauungsgemeinschaften
Abschnitt 5
Außenkontakte
§ 16 Grundsatz
§ 17 Besuche
§ 18 Schriftwechsel
§ 19 Telekommunikation
§ 20 Pakete
§ 21 Kontaktverbote
§
22 Kontakt mit Verteidigerinnen und Verteidigern sowie bestimmten Personen und
Institutionen
Abschnitt 6
Gesundheitsfürsorge
§ 23 Gesundheitsfürsorge, Aufenthalt im Freien
§ 24 Medizinische Leistungen, Kostenbeteiligung, Aufwendungsersatz
§
25 Benachrichtigung im Krankheits- oder Todesfall
Abschnitt 7
Sicherheit und Ordnung, unmittelbarer Zwang
§ 26 Grundsatz, Verhaltensvorschriften
§ 27 Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit
§ 28 Besondere Sicherungsmaßnahmen
§ 29 Unmittelbarer Zwang, Handeln auf Anordnung, Festnahmerecht
§
30 Zwangsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
Abschnitt 8
Disziplinarmaßnahmen
§ 31 Voraussetzungen, Konfliktregelung
§ 32 Disziplinarmaßnahmen
§
33 Verfahren, Vollzug
Abschnitt 9
Vorschriften für junge
Untersuchungsgefangene
§ 34 Anwendungsbereich
§ 35 Gestaltung des Vollzuges
§ 36 Trennung des Vollzuges
§ 37 Betreuung, Auswahlverfahren
§ 38 Außenkontakte
§
39 Ergänzende Anwendung des Jugendstrafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen
Abschnitt 10
Aufhebung von Maßnahmen,
Beschwerderecht
§ 40 Widerruf, Rücknahme
§
41 Beschwerderecht
Abschnitt 11
Anstalten, innerer Aufbau, Aufsicht
§ 42 Anstaltsleitung
§ 43 Bedienstete
§ 44 Seelsorge
§ 45 Medizinische Versorgung
§ 46 Konferenzen
§ 47 Gefangenenmitverantwortung
§ 48 Hausordnung
§ 49 Aufsichtsbehörde
§ 50 Vollstreckungsplan
§
51 Festsetzung der Belegungsfähigkeit, Verbot der Überbelegung
Abschnitt 12
Beiräte
§
52 Aufgaben und Befugnisse der Beiräte
Abschnitt 13
Datenschutz
§
53 Anwendung datenschutzrechtlicher Regelungen, Datenverarbeitungsverfahren
Abschnitt 14
Kriminologischer Dienst,
Schlussbestimmungen
§ 54 Kriminologischer Dienst
§ 55 Entsprechende Anwendung
§ 56 Einschränkung von Grundrechten
§ 57 Bundesrecht
§
58 Inkrafttreten“
2. § 1 wird wie folgt geändert:
a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
„§ 1
Stellung der Untersuchungsgefangenen, Zweck der Untersuchungshaft“
b)
Die Absätze 1 und 2 werden wie folgt gefasst:
„(1) Untersuchungsgefangene gelten als unschuldig und sind entsprechend zu
behandeln, so dass nicht der Anschein entsteht, sie würden zur Verbüßung einer
Strafe festgehalten. Der Vollzug der Untersuchungshaft dient allein dem Zweck,
durch eine sichere Unterbringung der Untersuchungsgefangenen die Durchführung
eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und den in den gesetzlichen
Haftgründen zum Ausdruck kommenden Gefahren zu begegnen.
(2)
Annehmlichkeiten und Beschäftigungen dürfen sie sich auf ihre Kosten
verschaffen, soweit sie mit dem Zweck der Haft vereinbar sind und nicht die
Sicherheit oder Ordnung der Anstalten beeinträchtigen.“
c)
Folgender Absatz 4 wird angefügt:
„(4) Von mehreren gleich geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu wählen, die die
Untersuchungsgefangenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine
Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem angestrebten Erfolg
erkennbar außer Verhältnis steht. Sie ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck
erreicht ist oder nicht mehr erreicht werden kann.“
3. § 2 wird wie folgt gefasst:
„§ 2
Gestaltung des Vollzuges
(1)
Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen anzugleichen,
soweit der Zweck der Untersuchungshaft und die Erfordernisse eines geordneten
Zusammenlebens in der Anstalt dies zulassen. Schädlichen Folgen des
Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken.
(2)
Die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse der weiblichen und männlichen
Untersuchungsgefangenen, der Untersuchungsgefangenen, die das 21. Lebensjahr
noch nicht vollendet haben (junge Untersuchungsgefangene), sowie besondere
Umstände, namentlich der Zuwanderungshintergrund, die Religion, die Behinderung
und die sexuelle Identität, werden bei der Gestaltung des Vollzuges in
angemessenem Umfang berücksichtigt.“
4. § 4 wird wie folgt gefasst:
„§ 4
Zuständigkeit, Mitwirkung der Anstalt, Täter-Opfer-Ausgleich
(1)
Die nach diesem Gesetz notwendigen Entscheidungen trifft die Anstalt. Sie hat
Anordnungen nach § 119 der Strafprozessordnung (verfahrenssichernde
Anordnungen) zu beachten und umzusetzen.
(2)
Die Anstalt wirkt dabei mit, dass die Untersuchungshaft ihrem Zweck
entsprechend vollzogen und Möglichkeiten der Haftverkürzung ergriffen werden.
Während des Vollzuges gewonnene Erkenntnisse, die aus Sicht der Anstalt für das
Strafverfahren von Bedeutung sein können, werden unverzüglich an das Gericht
oder die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.
(3)
Auf Antrag der die Tatvorwürfe einräumenden Untersuchungsgefangenen fördert die
Anstalt die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs. Hierzu benennt sie
insbesondere Stellen und Einrichtungen, die die Untersuchungsgefangenen in
ihren Bemühungen begleiten.“
5. § 5 wird wie folgt gefasst:
„§ 5
Soziale Hilfe
(1)
Untersuchungsgefangene werden in ihrem Bestreben nach der Bewältigung ihrer
persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten unterstützt. Die
Hilfe ist darauf gerichtet, sie in die Lage zu versetzen, ihre Angelegenheiten
selbst zu ordnen und zu regeln. Zu diesem Zweck werden ihnen auch Stellen und
Einrichtungen außerhalb der Anstalt benannt, die sich um eine Vermeidung der
weiteren Untersuchungshaft bemühen oder Hilfen in besonderen sozialen oder
gesundheitlichen Problemlagen anbieten. Ihnen werden auch in der Anstalt Hilfen
zur Verbesserung ihrer sozialen Situation angeboten, soweit es die besonderen
Bedingungen der Untersuchungshaft zulassen.
(2)
Die Anstalten arbeiten eng mit außervollzuglichen Einrichtungen und
Organisationen sowie mit Personen und Vereinen, die soziale Hilfestellung
leisten können, zusammen.
(3)
Untersuchungsgefangene werden in dem Bemühen unterstützt, ihre Rechte
wahrzunehmen und ihre Pflichten zu erfüllen, insbesondere ihr Wahlrecht auszuüben
und für Unterhaltsberechtigte zu sorgen.“
6. Die §§ 6 bis 8 werden wie folgt gefasst:
„§ 6
Aufnahme in die Anstalt
(1)
Untersuchungsgefangene werden auf Grund eines schriftlichen Aufnahmeersuchens
des Gerichts in die nach dem Vollstreckungsplan zuständige Anstalt aufgenommen,
soweit das Gericht nicht im Einzelfall eine andere Anstalt bestimmt hat.
(2)
Mit neu aufgenommenen Untersuchungsgefangenen ist möglichst am Tag der Aufnahme
ein Aufnahmegespräch zu führen, in dem sie über ihre Rechte und Pflichten
unterrichtet werden. Diese Unterrichtung kann auch mittels eines Merkblatts
erfolgen, das in einer den Untersuchungsgefangenen verständlichen Sprache
abgefasst ist. Ihnen sind die Hausordnung sowie ein Exemplar dieses Gesetzes
zugänglich zu machen. Die Untersuchungsgefangenen sind dabei zu unterstützen,
etwa notwendige Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige sowie sonstige
dringend erforderliche Maßnahmen zu veranlassen.
(3)
Untersuchungsgefangene werden alsbald ärztlich untersucht.
(4)
Bei der Aufnahme, der ärztlichen Untersuchung und dem Aufnahmegespräch dürfen
andere Gefangene nicht anwesend sein. Ausnahmen bedürfen der Einwilligung der
betroffenen Untersuchungsgefangenen.
(5)
Den Untersuchungsgefangenen ist Gelegenheit zu geben, eine Angehörige oder
einen Angehörigen oder eine Vertrauensperson von der Aufnahme in die Anstalt zu
benachrichtigen.
§ 7
Verlegung, Überstellung, Ausantwortung, Ausführung
(1)
Untersuchungsgefangene können in eine andere für den Vollzug der Untersuchungshaft
zuständige Anstalt verlegt oder überstellt werden, wenn dies
1. zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung,
2. aus Gründen der Sicherheit oder schwerwiegenden Gründen der Ordnung,
3. aus Gründen der Vollzugsorganisation oder
4.
aus anderen wichtigen Gründen
erforderlich
ist. Vor einer Verlegung oder Überstellung ist dem Gericht und der
Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Ist dies auf Grund
von Gefahr im Verzug nicht möglich, ist die Stellungnahme unverzüglich nachzuholen.
Die Vorschrift des § 11 Absatz 3 (Ausantwortung) und 4 (Anhörung) des
Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 13. Januar 2015 (GV. NRW. S. 76)
in der jeweils geltenden Fassung gilt entsprechend.
(2)
Untersuchungsgefangenen, die in eine andere Anstalt verlegt oder überstellt
werden, ist Gelegenheit zu geben, Angehörige oder eine Vertrauensperson zu
benachrichtigen.
(3)
Untersuchungsgefangenen können Ausführungen aus wichtigem Anlass gewährt
werden; sie sind auch ohne Zustimmung der Untersuchungsgefangenen zulässig,
wenn dies aus besonderen Gründen notwendig ist.
(4)
Bei Ausführungen aus wichtigem Anlass kann den Untersuchungsgefangenen, um
Entweichungen entgegenzuwirken, aufgegeben werden, nach Maßgabe des § 124 des
Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen die für eine elektronische
Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in
betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht
zu beeinträchtigen.
§ 8
Unterbrechung und Beendigung der Untersuchungshaft
(1)
Wird die Untersuchungshaft zur Vollstreckung einer Freiheits-, Ersatzfreiheits-
oder Jugendstrafe unterbrochen, werden die Untersuchungsgefangenen für die
Dauer des Vollzuges der Strafe als Strafgefangene behandelt. § 119 Absatz 6 der
Strafprozessordnung bleibt unberührt.
(2)
Beginn und Ende der Strafhaft sind der Vollstreckungsbehörde und dem für die
Untersuchungshaft zuständigen Gericht mitzuteilen.
(3)
Bei Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe, deren Vollstreckung
nicht zur Bewährung ausgesetzt wird und die nicht durch Anrechnung der
Untersuchungshaft bereits erledigt ist, sind die Untersuchungsgefangenen mit
Rechtskraft des Urteils nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen oder des Jugendstrafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen
vom 7. April 2017 (GV. NRW. S. 484) in der jeweils geltenden Fassung zu
behandeln. Dies gilt nicht, wenn aufgrund eines anderen Haftbefehls weiterhin
Untersuchungshaft zu vollziehen ist.
(4)
Sobald die Anstalt über den Eintritt der Rechtskraft unterrichtet worden ist,
veranlasst sie im Zusammenwirken mit der Vollstreckungsbehörde die Verlegung
der Gefangenen in die für die Strafvollstreckung zuständige Anstalt.“
7. § 9 wird wie folgt geändert:
a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
„§ 9
Entlassung“
b) Absatz 2 wird wie folgt geändert:
aa) Satz 2 wird aufgehoben.
bb) Im neuen Satz 3 wird die Angabe „3“ durch die Angabe „4“ ersetzt.
cc)
Der neue Satz 4 wird wie folgt gefasst:
„§ 39 Absatz 4 Satz 2 bis 4 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt
entsprechend.“
c)
Absatz 3 wird wie folgt gefasst:
„(3) Bedürftige Untersuchungsgefangene erhalten bei ihrer Entlassung einen
Reisekostenzuschuss sowie eine Überbrückungsbeihilfe und bei Bedarf für die
Entlassung ausreichende Kleidung. Bei der Bemessung der Überbrückungsbeihilfe
ist der Zeitraum zu berücksichtigen, den Untersuchungsgefangene benötigen, um
vorrangige Hilfe in Anspruch zu nehmen.“
d)
Absatz 4 wird aufgehoben.
8. Abschnitt 3 wird wie folgt gefasst:
„Abschnitt 3
Gestaltung des Vollzugsalltags
§ 10
Unterbringung
(1)
Untersuchungsgefangene werden in ihren Hafträumen allein untergebracht.
(2)
Eine gemeinsame Unterbringung ist insbesondere zulässig, wenn
1. eine Gefahr für Leben oder Gesundheit der Untersuchungsgefangenen besteht,
2. Untersuchungsgefangene hilfsbedürftig sind,
3. dies im Einzelfall aus zwingenden Gründen der Anstaltsorganisation erforderlich ist,
4. sich die Untersuchungsgefangenen im Justizvollzugskrankenhaus oder in Kranken- oder Pflegeabteilungen von Justizvollzugseinrichtungen befinden,
5. die Untersuchungsgefangenen die gemeinsame Unterbringung beantragen oder
6.
die gemeinsame Unterbringung geeignet erscheint, schädlichen Folgen der
Inhaftierung entgegenzuwirken,
und
in den Fällen der Nummern 1 bis 5 eine schädliche Beeinflussung der
Untersuchungsgefangenen nicht zu befürchten ist.
(3)
Untersuchungsgefangene dürfen sich außerhalb ihrer Hafträume in Gemeinschaft
aufhalten, soweit es die räumlichen, personellen und organisatorischen
Verhält-nisse der Anstalt gestatten und Gründe der Sicherheit oder Ordnung der
Anstalt nicht entgegenstehen.
§ 11
Persönlicher Bereich, Auslesen von Datenspeichern, Einkauf
(1)
Untersuchungsgefangene dürfen eigene Kleidung tragen und eigene Bettwäsche
benutzen, soweit sie für die Reinigung, die Instandhaltung und den regelmäßigen
Wechsel auf eigene Kosten sorgen und die Sicherheit oder schwerwiegende Gründe
der Ordnung der Anstalt nicht entgegenstehen. Im Einzelfall kann gestattet
werden, für die Untersuchungsgefangenen Kleidungsstücke und Bettwäsche in der
Anstalt abzugeben und dort abzuholen.
(2)
Untersuchungsgefangene dürfen ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen
Sachen ausstatten. Sie dürfen nur in Gewahrsam haben, was ihnen von der Anstalt
oder mit deren Erlaubnis überlassen worden ist. Gegenstände, die die
Übersichtlichkeit des Haftraums behindern, eine unverhältnismäßig aufwändige
Überprüfung erfordern, sonst die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder den
Zweck der Untersuchungshaft gefährden können, dürfen sie nicht in Gewahrsam
haben.
(3)
Elektronische Datenspeicher sowie elektronische Geräte mit Datenspeichern, die
Untersuchungsgefangene ohne Erlaubnis der Anstalt in Gewahrsam haben, dürfen
auf einzelfallbezogene schriftliche Anordnung der Anstaltsleitung ausgelesen
werden, soweit tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dies
zu vollzuglichen Zwecken oder zu den in § 111 Absatz 2 Nummer 2, 4 oder 5 des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen genannten Zwecken erforderlich ist. Die so erhobenen Daten
dürfen nur verarbeitet werden, soweit dies zu den in Satz 1 genannten Zwecken
erforderlich ist.
(4)
Die nach Absatz 3 erhobenen Daten dürfen nicht weiter verarbeitet werden,
soweit sie
1. zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung Dritter gehören oder
2.
zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung Untersuchungsgefangener gehören
und die weitere Verarbeitung auch unter Berücksichtigung der in Absatz 3
genannten vollzuglichen Interessen an der Verarbeitung sowie der Unzulässigkeit
des Besitzes und der Nutzung des Datenspeichers für diese unzumutbar ist.
Insoweit
sind die Daten unverzüglich zu löschen. Die Tatsachen der Erfassung und der
Löschung der Daten sind zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich
für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist zu löschen, wenn
sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch am Ende des
Kalenderjahres, das dem Jahr der Dokumentation folgt.
(5)
Die Untersuchungsgefangenen sind bei der Aufnahme über die Möglichkeit des
Auslesens von Datenspeichern zu belehren.
(6)
Eingebrachte Sachen, die Untersuchungsgefangene nicht in Gewahrsam haben
dürfen, sind für sie aufzubewahren. Lassen die Verhältnisse der Anstalt eine
Aufbewahrung nicht zu und weigern sich Untersuchungsgefangene, die Sachen zu
versenden, werden diese auf Kosten der Untersuchungsgefangenen vernichtet,
verwertet oder aus der Anstalt entfernt.
(7)
Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über
Sicherungsvorkehrungen einer Anstalt vermitteln, dürfen vernichtet oder
unbrauchbar gemacht werden.
(8)
Untersuchungsgefangene dürfen in angemessenem Umfang aus einem von der Anstalt
vermittelten Angebot Nahrungs- und Genussmittel sowie andere Gegenstände des
persönlichen Bedarfs einkaufen. Für ein Einkaufsangebot, das die Wünsche und
Bedürfnisse der Untersuchungsgefangenen angemessen berücksichtigt, ist zu
sorgen. § 17 Absatz 3 und 4 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt
entsprechend.
§ 12
Verpflegung
Untersuchungsgefangene
erhalten Anstaltsverpflegung. Zusammensetzung und Nährwert der
Anstaltsverpflegung werden ärztlich überwacht. Auf ärztliche Anordnung wird
besondere Verpflegung gewährt. Untersuchungsgefangenen ist zu ermöglichen,
Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaften zu befolgen oder sich
vegetarisch zu ernähren.
§ 13
Beschäftigung, Bildungsmaßnahmen, Gelder
(1)
Untersuchungsgefangene sind zur Arbeit nicht verpflichtet.
(2)
Ihnen soll auf Nachfrage eine Arbeit, sonstige Beschäftigung oder eine
Hilfstätigkeit angeboten werden, die ihre körperlichen und geistigen
Fähigkeiten sowie ihre Interessen berücksichtigt. Untersuchungsgefangenen kann
auch eine arbeitstherapeutische Beschäftigung angeboten werden, soweit dies
angezeigt ist. § 29 Absatz 5 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt
entsprechend.
(3)
Bei der Ausübung einer angebotenen Arbeit, sonstigen Beschäftigung oder einer
Hilfstätigkeit erhalten die Untersuchungsgefangenen ein Arbeitsentgelt, das mit
fünf Prozent der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch -
Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - in der Fassung der
Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710, 3973; 2011 I S. 363) in
der jeweils geltenden Fassung zu bemessen ist (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist
der zweihundertfünfzigste Teil der Eckvergütung. § 32 Absatz 3, Absatz 4 Satz 1
und 2, Absatz 5 und 6 sowie § 33 Absatz 1 und 2 sowie 4 und 5 des
Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gelten entsprechend. Das
Justizministerium wird ermächtigt, zur Umsetzung der Vorschriften über die
Vergütung eine Rechtsverordnung über die Bemessung des Arbeitsentgeltes, die
Ausbildungsbeihilfe, die anrechenbaren Arbeitszeiten, die Zeiteinheiten in
Stunden oder Minuten, die Entgeltart als Zeit- oder Leistungsentgelt, die
Vergütungsstufen und die Gewährung von Zulagen zu erlassen. Zeiten, die zur
Begründung von Freistellungsansprüchen nach diesem Gesetz beitragen, werden
anteilig auf Freistellungsansprüche nach dem Strafvollzugsgesetz
Nordrhein-Westfalen angerechnet.
(4)
Geeigneten Untersuchungsgefangenen soll Gelegenheit zur Teilnahme an
schulischen und beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen
gegeben werden, soweit es die Möglichkeiten der Anstalt und die besonderen
Bedingungen der Untersuchungshaft zulassen. Untersuchungsgefangenen, die
während der Arbeitszeit ganz oder teilweise an solchen Maßnahmen teilnehmen,
wird Ausbildungsbeihilfe gewährt, soweit ihnen keine Leistungen zum
Lebensunterhalt zustehen, die nicht inhaftierten Personen aus solchem Anlass
gewährt werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5)
In Ausnahmefällen, namentlich zur Überbrückung einer unverschuldeten
Bedürftigkeit zu Beginn der Inhaftierung, kann die Anstalt
Untersuchungsgefangenen auf Antrag bis zu drei Monaten Taschengeld gewähren.
Die Höhe des Taschengeldes beträgt 14 Prozent des Tagessatzes der Eckvergütung
nach Absatz 3 Satz 2.
(6)
Vergütungen nach den Absätzen 3 und 4 sowie Gelder, die Untersuchungsgefangene
in die Anstalt einbringen oder die für sie von Dritten eingebracht oder
überwiesen werden, sind als Eigengeld gutzuschreiben. Die
Untersuchungsgefangenen können über ihr Eigengeld verfügen.
§ 14
Freizeit
(1)
Untersuchungsgefangene erhalten Gelegenheit, ihre Freizeit sinnvoll zu
gestalten. Es sollen insbesondere Angebote zur kulturellen Betätigung, zur
Bildung, zum Sport sowie Angebote zur kreativen Entfaltung vorgehalten werden.
Die Benutzung einer bedarfsgerecht ausgestatteten Bibliothek ist zu ermöglichen.
(2)
Der Zugang zum Hörfunk- und Fernsehempfang ist zu ermöglichen. Eigene Geräte
können unter den Voraussetzungen des § 11 Absatz 2 zugelassen werden.
(3)
Untersuchungsgefangene dürfen unter den Voraussetzungen des § 11 Absatz 2 nach
Maßgabe der Anstalt in angemessenem Umfang sonstige Geräte der Informations-
und Unterhaltungselektronik, Bücher sowie andere Gegenstände zur Aus- und
Fortbildung oder Freizeitgestaltung besitzen. Zeitungen und Zeitschriften
dürfen sie durch Vermittlung der Anstalt in angemessenem Umfang auf eigene
Kosten beziehen. § 52 Absatz 3 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen
gilt entsprechend.
(4)
Untersuchungsgefangene können auf ein Haftraummediensystem verwiesen werden.
Der Betrieb von Empfangsanlagen und Haftraummediensystemen sowie die Ausgabe
von Hörfunk- und Fernsehgeräten und sonstigen Geräten der Informations- und
Unterhaltungselektronik können auf Dritte übertragen werden. In diesen Fällen
ist Untersuchungsgefangenen der Besitz eigener Geräte in der Regel nicht
gestattet.
(5)
Die Untersuchungsgefangenen können an den Kosten für die Überlassung, die
Überprüfung und den Betrieb von Hörfunk- und Fernsehgeräten, sonstigen Geräten
der Informations- und Unterhaltungselektronik sowie Haftraummediensystemen und
die Bereitstellung des Hörfunk- und Fernsehempfangs angemessen beteiligt
werden.“
9. § 15 wird wie folgt gefasst:
„§ 15
Seelsorge, religiöse Veranstaltungen, Weltanschauungsgemeinschaften
Die
Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die Seelsorge
(§ 40), religiöse Veranstaltungen (§ 41) und Weltanschauungsgemeinschaften (§
42) gelten entsprechend.“
10.
Die §§ 16 und 17 werden aufgehoben.
11. Abschnitt 5 wird wie folgt gefasst:
„Abschnitt 5
Außenkontakte
§
16
Grundsatz
(1)
Untersuchungsgefangene dürfen nach Maßgabe der Vorschriften dieses Abschnitts
1. regelmäßig Besuch empfangen,
2. Schreiben absenden und empfangen,
3. Einrichtungen der Telekommunikation nutzen und
4.
Pakete versenden und empfangen,
soweit
eine verfahrenssichernde Anordnung nicht entgegensteht.
(2)
Soweit die Vorschriften dieses Abschnittes für die Überwachung, das Verbot oder
andere Beschränkungen von Außenkontakten auf die Vorschriften des
Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen verweisen, finden diese mit der
Maßgabe Anwendung, dass Anordnungen nur aus Gründen der Sicherheit und Ordnung
oder zum Schutz der in dem der Vollstreckung zugrunde liegenden Haftbefehl als
Opfer bezeichneten Personen zulässig sind.
(3)
Der Kontakt zu Angehörigen, insbesondere zu minderjährigen Kindern der
Untersuchungsgefangenen, und anderen nahestehenden Personen wird besonders
gefördert.
(4)
Die Kosten des Schrift- und des Paketverkehrs sowie der Telekommunikation
tragen die Untersuchungsgefangenen. Bei bedürftigen Untersuchungsgefangenen
können die Kosten in angemessenem Umfang übernommen werden.
§ 17
Besuche
(1)
Untersuchungsgefangene dürfen regelmäßig Besuch empfangen. Die Gesamtdauer
beträgt mindestens zwei Stunden im Monat. Das Nähere regelt die Anstalt.
(2)
Zur besonderen Förderung der Besuche von minderjährigen Kindern der
Untersuchungsgefangenen sollen zwei weitere Stunden zugelassen werden. Ein
familiengerechter Umgang zum Wohl der minderjährigen Kinder ist zu gestatten.
Bei der Ausgestaltung der Besuchsmöglichkeiten, namentlich der Besuchszeiten
und der Rahmenbedingungen der Besuche, sind die Bedürfnisse der minderjährigen
Kinder der Untersuchungsgefangenen zu berücksichtigen.
(3)
Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie den persönlichen,
rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die von den
Untersuchungsgefangenen nicht schriftlich oder durch Dritte wahrgenommen werden
können.
(4)
Den Untersuchungsgefangenen können zudem nach einer angemessenen Zeit der
Bewährung in der Anstalt mehrstündige, unbeaufsichtigte Besuche
(Langzeitbesuche) ermöglicht werden, wenn dies zur Förderung oder zum Erhalt familiärer,
partnerschaftlicher oder anderer gleichwertiger Kontakte der
Untersuchungsgefangenen geboten erscheint und verantwortet werden kann.
(5)
Soweit eine verfahrenssichernde Anordnung den Empfang von Besuch beschränkt,
wird hierzu nur zugelassen, wer über eine schriftliche Besuchserlaubnis des
Gerichts oder der Staatsanwaltschaft verfügt.
(6)
Aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt kann die Zulassung einer
Person zum Besuch von ihrer Durchsuchung oder einer Sicherheitsanfrage nach § 109
des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen abhängig gemacht werden.
(7)
Die Anstalt kann die Anzahl der gleichzeitig zum Besuch zugelassenen Personen
beschränken.
(8)
Gegenstände dürfen beim Besuch nur mit Erlaubnis der Anstalt übergeben werden.
§ 11 Absatz 2 gilt entsprechend.
(9)
Für die Überwachung von Besuchen gilt § 20 des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen entsprechend. Besuche dürfen auch dann abgebrochen werden,
wenn die Besucherinnen und Besucher oder Untersuchungsgefangene gegen
verfahrenssichernde Anordnungen verstoßen.
§ 18
Schriftwechsel
(1)
Für den Schriftwechsel gelten die Regelungen des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen über den Schriftwechsel (§ 21), die Überwachung des
Schriftwechsels (§ 22) und das Anhalten von Schreiben (§ 23) entsprechend.
(2)
Ist die Überwachung des Schriftwechsels nach § 119 Absatz 1 der
Strafprozessordnung angeordnet, vermittelt die Anstalt die Absendung und den
Empfang aller Schreiben der Untersuchungsgefangenen über die zur Überwachung
zuständige Stelle. Ist der Schriftwechsel auch aus Gründen der Sicherheit oder
Ordnung der Anstalt oder zum Schutz einer im Haftbefehl als Opfer bezeichneten
Person überwacht worden, vermerkt die Anstalt Art und Umfang der Kontrolle in
geeigneter Weise auf dem Begleitumschlag.
(3)
Bei der Überwachung des Schriftwechsels ist dafür zu sorgen, dass von dem
gedanklichen Inhalt der Schreiben allein die im Rahmen der Textkontrolle befugten
Personen Kenntnis nehmen können.
§ 19
Telekommunikation
Die
Regelungen des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die
Telefongespräche (§ 24) und andere Formen der Telekommunikation (§ 27) gelten
entsprechend. Telefongespräche dürfen auch dann abgebrochen werden, wenn die
Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner oder Untersuchungsgefangene gegen
verfahrenssichernde Anordnungen verstoßen.
§ 20
Pakete
§
28 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.
§ 21
Kontaktverbote
Kontakte
können untersagt oder beschränkt werden, wenn im Einzelfall
1. die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,
2. die Untersuchungsgefangenen mit Opfern von Straftaten der Untersuchungsgefangenen oder Personen, die im Haftbefehl als Opfer genannt werden, in Verbindung treten wollen und durch den Kontakt nachteilige Auswirkungen auf die Opfer oder gefährdete Dritte zu befürchten sind oder diese einer Kontaktaufnahme widersprochen haben,
3. bei minderjährigen Untersuchungsgefangenen Personensorgeberechtigte aus nachvollziehbaren Gründen nicht mit dem Kontakt einverstanden sind oder
4.
zu befürchten ist, dass der Kontakt Bestrebungen im Sinne des § 3 Absatz 1 in
Verbindung mit Absatz 5 des Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen vom
20. Dezember 1994 (GV. NRW. 1995, S. 28) in der jeweils geltenden Fassung oder
entsprechende Verhaltensweisen fördert.
§ 22
Kontakt mit Verteidigerinnen und Verteidigern sowie bestimmten
Personen und Institutionen
Für
die Kontakte der Untersuchungsgefangenen mit ihren Verteidigerinnen und
Verteidigern, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren
sowie mit bestimmten Personen und Institutionen gilt § 26 des
Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen entsprechend. Soweit
Untersuchungsgefangene unter Bewährungs- oder Führungsaufsicht stehen oder über
sie Berichte der Gerichtshilfe angefordert sind, stehen die Fachkräfte des
ambulanten Sozialen Dienstes den Verteidigerinnen und Verteidigern gleich.“
12.
Die Überschrift zu Abschnitt 6 wird wie folgt gefasst:
„Abschnitt 6
Gesundheitsfürsorge“
13.
§ 24 wird § 23 und wie folgt geändert:
a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
„§ 23
Gesundheitsfürsorge, Aufenthalt im Freien“
b)
Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Für das körperliche, seelische, geistige und soziale Wohlergehen der
Untersuchungsgefangenen ist zu sorgen.“
c)
In Absatz 2 werden die Wörter „dies zu der festgesetzten Zeit zulässt; es sei
denn, sie arbeiten im Freien“ durch die Wörter „dem nicht zwingend
entgegensteht“ ersetzt.
d)
Absatz 4 wird aufgehoben.
14. § 25 wird § 24 und wie folgt gefasst:
„§ 24
Medizinische Leistungen, Kostenbeteiligung, Aufwendungsersatz
(1)
Die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die
suchtmedizinische Behandlung (§ 44), die medizinischen Leistungen und die
Kostenbeteiligung (§ 45), die Überstellung und Verlegung aus medizinischen
Gründen (§ 46) und über Schwangerschaft, Mutterschaft und Geburtsanzeige (§ 86)
gelten entsprechend.
(2)
Bei Überstellungen und Verlegungen aus medizinischen Gründen sind das Gericht
und die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.
(3)
Die Untersuchungsgefangenen sind verpflichtet, der Anstalt Aufwendungen zu ersetzen,
die sie durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Selbstverletzung oder
Verletzung anderer Gefangener verursacht haben. Ansprüche aus sonstigen
Rechtsvorschriften bleiben unberührt.“
15.
§ 26 wird aufgehoben.
16. § 27 wird § 25 und wie folgt gefasst:
„§ 25
Benachrichtigung im Krankheits- oder Todesfall
§
49 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.“
17.
Die §§ 28 bis 30 werden aufgehoben.
18. Die Abschnitte 7 bis 12 werden wie folgt gefasst:
„Abschnitt 7
Sicherheit und Ordnung, unmittelbarer Zwang
§ 26
Grundsatz, Verhaltensvorschriften
(1)
Sicherheit und Ordnung bilden die Grundlage eines gewalt- und konfliktfreien
Zusammenlebens in der Anstalt. Die Anstalt trifft die erforderlichen Maßnahmen,
um ein Entweichen der Untersuchungsgefangenen zu verhindern und die Sicherheit
zu gewährleisten. Die Anstalt ist befugt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben die
Identität der Personen, die Zugang begehren, festzustellen.
(2)
Untersuchungsgefangene haben sich nach der Tageseinteilung der Anstalt zu
richten. Sie dürfen durch ihr Verhalten gegenüber Bediensteten, Mitgefangenen
und anderen Personen das geordnete Zusammenleben nicht stören.
(3)
Untersuchungsgefangene haben die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch
wenn sie sich durch sie beschwert fühlen. Einen ihnen zugewiesenen Bereich
dürfen sie nicht ohne Erlaubnis verlassen.
(4)
Ihre Hafträume und die ihnen von der Anstalt überlassenen Sachen haben sie in
Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.
(5)
Untersuchungsgefangene haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine
erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu
melden.
§ 27
Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit
Die
Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die
Durchsuchung (§ 64), die Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelkonsum (§
65), den Einsatz von Videotechnik (§ 66), die Maßnahmen zur Verhinderung
unerlaubter Telekommunikation (§ 67) sowie die erkennungsdienstlichen Maßnahmen
und das Identitätsfeststellungsverfahren (§ 68) gelten entsprechend. § 68
Absatz 5 Satz 1 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt mit der
Maßgabe, dass der Anspruch auf Löschung mit der Aufhebung des Haftbefehls und
der Entlassung aus der Haft entsteht.
§ 28
Besondere Sicherungsmaßnahmen
Die
Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die besonderen
Sicherungsmaßnahmen (§ 69), die Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen und das
Verfahren (§ 70) sowie die medizinische und psychologische Überwachung (§ 71)
gelten entsprechend.
§ 29
Unmittelbarer Zwang, Handeln auf Anordnung, Festnahmerecht
(1)
Die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die
Begriffsbestimmungen (§ 72), die allgemeinen Voraussetzungen (§ 73), den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 74) und die Androhung (§ 75) von
unmittelbarem Zwang sowie die allgemeinen Vorschriften für den
Schusswaffengebrauch (§ 76) und die besonderen Vorschriften für den
Schusswaffengebrauch (§ 77) gelten entsprechend.
(2)
Wird unmittelbarer Zwang von einer oder einem Vorgesetzten oder einer sonst
befugten Person angeordnet, sind Bedienstete verpflichtet, ihn anzuwenden, es
sei denn, die Anordnung verletzt die Menschenwürde oder ist nicht zu
dienstlichen Zwecken erteilt worden. Die Anordnung darf nicht befolgt werden,
wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgen Bedienstete die Anordnung
trotzdem, trifft die Bediensteten eine Schuld nur, wenn sie erkennen oder wenn
es nach den ihnen bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine
Straftat begangen wird.
(3)
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung haben Bedienstete der oder dem
Anordnenden gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist.
Abweichende Vorschriften des allgemeinen Beamtenrechts über die Mitteilung
solcher Bedenken an Vorgesetzte sind nicht anzuwenden.
(4)
Untersuchungsgefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis
außerhalb der Anstalt aufhalten, können durch die Anstalt oder auf ihre
Veranlassung hin festgenommen und zurückgebracht werden.
§ 30
Zwangsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
(1)
Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind gegen den
natürlichen Willen der Untersuchungsgefangenen nur bei gegenwärtiger
Lebensgefahr sowie gegenwärtiger schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit der
Untersuchungsgefangenen oder anderer Personen zulässig, wenn die oder der
Untersuchungsgefangene zur Einsicht in die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum
Handeln nach dieser Einsicht krankheitsbedingt nicht in der Lage ist. Maßnahmen
nach Satz 1 dürfen nur angeordnet werden, wenn
1. erfolglos versucht worden ist, die Zustimmung der Untersuchungsgefangenen zu der Maßnahme zu erwirken,
2. die Anordnung der Maßnahme den Untersuchungsgefangenen angekündigt wurde und sie über Art, Umfang und Dauer der Maßnahme informiert wurden,
3. die Maßnahme zur Abwendung der Gefahr geeignet, in Art, Umfang und Dauer erforderlich und für die Beteiligten zumutbar ist,
4. der von der Maßnahme zu erwartende Nutzen die mit der Maßnahme verbundenen Belastungen deutlich überwiegt und
5.
die Maßnahme nicht mit einer erheblichen Gefahr für das Leben der
Untersuchungsgefangenen verbunden ist.
(2)
Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 werden ärztlich angeordnet, geleitet und
überwacht. Die Anordnung erfolgt im Einvernehmen mit der Anstaltsleitung und
bedarf der Einwilligung des nach § 126 der Strafprozessordnung zuständigen
Gerichts, es sei denn, diese kann nicht mehr rechtzeitig eingeholt werden. In
diesem Fall ist die gerichtliche Zustimmung unverzüglich nachzuholen. Das
Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 1 sowie die ergriffenen Maßnahmen,
einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise und der
Wirkungsüberwachung, sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu
dokumentieren.
(3)
Erfordert die Beurteilung der Gefahrenlage und die Abschätzung der
Notwendigkeit einer Behandlung psychischer Erkrankungen eine angemessene Zeit
der Beobachtung der Untersuchungsgefangenen oder droht der oder dem
Untersuchungsgefangenen aufgrund einer anderen Erkrankung eine schwerwiegende
Gesundheitsbeeinträchtigung, darf die Behandlung zwangsweise unter den weiteren
Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 nur begonnen werden, wenn
1.
die Maßnahme der oder dem Untersuchungsgefangenen mindestens eine Woche vor
ihrer Umsetzung schriftlich und mündlich unter Angabe der Gründe sowie Art,
Umfang und Dauer in einer dem Gesundheitszustand entsprechenden Weise
angekündigt worden ist,
2. vor dem Eingriff durch ein von der behandelnden Einrichtung unabhängiges fachpsychiatrisches oder fachärztliches Votum bestätigt wird, dass
a) die oder der zu behandelnde Untersuchungsgefangene einsichtsunfähig ist,
b) die Vorteile des medizinischen Eingriffs gegenüber den damit verbundenen Nachteilen und Risiken deutlich überwiegen,
c) die Maßnahme nicht mit einer erheblichen Gefahr für das Leben der oder des Untersuchungsgefangenen verbunden ist,
d)
eine schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit der oder des
Untersuchungsgefangenen droht, und
3.
die Fachaufsichtsbehörde oder eine von ihr beauftragte Anstaltsärztin oder ein
von ihr beauftragter Anstaltsarzt, die oder der an der Anordnung und
Durchführung der Maßnahme nicht beteiligt ist, in die Maßnahme einwilligt.
Die
Anordnung gilt höchstens für die Dauer von drei Monaten. Nach Ablauf dieser
Zeit ist eine neue Anordnung zu treffen.
(4)
Über Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 3 sind Personensorgeberechtigte der
Untersuchungsgefangenen unverzüglich zu unterrichten. Bei minderjährigen
Untersuchungsgefangenen muss vor der Durchführung von Zwangsmaßnahmen erfolglos
versucht worden sein, die Einwilligung der Personensorgeberechtigten
einzuholen. Kann diese nicht rechtzeitig eingeholt werden, sind die
Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches anzuwenden.
(5)
Zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes und der Hygiene ist die zwangsweise
körperliche Untersuchung der Untersuchungsgefangenen über Absatz 1 hinaus
zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist.
Duldungspflichten der Untersuchungsgefangenen nach Vorschriften anderer Gesetze
bleiben unberührt.
Abschnitt 8
Disziplinarmaßnahmen
§ 31
Voraussetzungen, Konfliktregelung
(1)
Verstoßen Untersuchungsgefangene schuldhaft gegen Pflichten, die ihnen durch
oder auf Grund dieses Gesetzes auferlegt sind, können gegen sie
Disziplinarmaßnahmen angeordnet werden. Disziplinarmaßnahmen sind auch
zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren
eingeleitet wird.
(2)
Von einer Disziplinarmaßnahme wird abgesehen, wenn es genügt, die
Untersuchungsgefangenen zu verwarnen.
(3)
Zur Abwendung oder Milderung von Disziplinarmaßnahmen können im Wege
einvernehmlicher Streitbeilegung Vereinbarungen getroffen werden, die
insbesondere die Wiedergutmachung des Schadens, die Entschuldigung bei
Geschädigten oder die Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft zum Inhalt
haben können.
§ 32
Disziplinarmaßnahmen
(1)
Als Disziplinarmaßnahmen sind zulässig:
1. Verweis,
2. Beschränkung oder Entzug des Rechts auf Einkauf (§ 11 Absatz 8 Satz 1) bis zu einem Monat,
3. Beschränkung oder Entzug der Teilnahme an gemeinsamen Veranstaltungen bis zu sechs Wochen,
4. getrennte Unterbringung während der Freizeit bis zu vier Wochen,
5. Beschränkung oder Entzug des Besitzes von Gegenständen mit Ausnahme des Lesestoffs bis zu vier Wochen,
6. Beschränkung oder Entzug des Hörfunk- oder Fernsehempfangs bis zu sechs Wochen,
7.
Arrest bis zu drei Wochen.
(2)
Arrest darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt
werden.
(3)
Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.
(4)
Disziplinarmaßnahmen sollen in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der
Pflichtverletzung angeordnet werden. Mehrere Verfehlungen, die gleichzeitig zu
beurteilen sind, sollen durch eine Entscheidung geahndet werden.
§ 33
Verfahren, Vollzug
Für
das Verfahren und den Vollzug der Disziplinarmaßnahmen gelten § 81 Absatz 1 bis
4 und 6 und § 82 Absatz 1, 2 und 4 bis 6 des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen entsprechend.
Abschnitt 9
Vorschriften für junge
Untersuchungsgefangene
§ 34
Anwendungsbereich
(1)
Die Vorschriften dieses Abschnitts finden ergänzend Anwendung auf junge
Untersuchungsgefangene (§ 2 Absatz 2).
(2)
Bei Erwachsenen, die zur Tatzeit das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet
hatten, kann die Untersuchungshaft bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres nach
den Vorschriften dieses Abschnitts für junge Untersuchungsgefangene vollzogen
werden.
§ 35
Gestaltung des Vollzuges
(1)
Der Vollzug der Untersuchungshaft an jungen Untersuchungsgefangenen soll
erzieherisch gestaltet werden.
(2)
Den jungen Untersuchungsgefangenen sollen neben altersgemäßen Beschäftigungs-,
Bildungs- und Freizeitmöglichkeiten auch sonstige entwicklungsfördernde
Hilfestellungen angeboten werden. Die Bereitschaft zur Annahme der Angebote ist
zu wecken und zu fördern.
(3)
Schulpflichtige Untersuchungsgefangene nehmen in der Anstalt am allgemein- oder
berufsbildenden Unterricht teil.
(4)
Die Personensorgeberechtigten sind über die Inhaftierung und den jeweiligen
Aufenthaltsort der minderjährigen Untersuchungsgefangenen zu unterrichten,
soweit sie noch keine Kenntnis hierüber haben. Sie sollen in die Gestaltung des
Vollzuges in angemessener Weise einbezogen werden.
(5)
Die in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen können minderjährigen
Untersuchungsgefangenen auch auferlegt werden, soweit es dringend geboten ist,
einer Gefährdung ihrer Entwicklung entgegenzuwirken.
§ 36
Trennung des Vollzuges
(1)
Bei jungen Untersuchungsgefangenen erfolgt der Vollzug der Untersuchungshaft in
besonderen Abteilungen der Anstalten oder sonstiger Einrichtungen des
Jugendstrafvollzuges. Lässt die geringe Anzahl Gefangener derselben
Altersgruppe und desselben Geschlechts die Einrichtung einer besonderen
Abteilung oder Einrichtung im Jugendstrafvollzug als nicht angemessen
erscheinen, können junge Untersuchungsgefangene in getrennten Abteilungen des
Strafvollzuges für Erwachsene desselben Geschlechts untergebracht werden, wenn
dies ihrem Wohl nicht widerspricht. Wenn dies ihrem Wohl nicht widerspricht,
können sie in den Fällen des Satzes 1 und 2 in den Anstalten und Einrichtungen
auch an gemeinsamen Förderangeboten, insbesondere einer gemeinsamen Schul- und
Berufsausbildung sowie gemeinsamen kulturellen oder religiösen Veranstaltungen
und Freizeitangeboten, teilnehmen.
(2)
Von einer getrennten Unterbringung volljähriger junger Untersuchungsgefangener
nach Absatz 1 Satz 2 darf in Einrichtungen des Erwachsenenvollzuges nur zur
Erreichung des Zwecks der Untersuchungshaft oder aus Gründen der Sicherheit
oder Ordnung abgewichen werden, wenn die erzieherische Gestaltung des Vollzuges
nach § 35 gewährleistet und nicht zu befürchten ist, dass die volljährigen
jungen Untersuchungsgefangenen schädlichen Einflüssen ausgesetzt sind.
(3)
Von der Trennung minderjähriger Untersuchungsgefangener in Einrichtungen des
Erwachsenenvollzuges nach Absatz 1 Satz 2 darf nur abgesehen werden, wenn
1. die Aufhebung der Trennung im Einzelfall
a) den Zwecken des § 10 Absatz 2 Nummer 1, 2 oder 4 oder
b) der Aufnahme oder der Fortführung schulischer oder beruflicher Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder
c)
der Förderung familiärer oder gleichwertiger sozialer Kontakte
dient,
oder
2.
zwingende Gründe eine Trennung vorübergehend nicht zulassen,
und
die erzieherische Gestaltung des Vollzuges nach § 35 gewährleistet ist sowie
schädliche Auswirkungen auf die minderjährigen Untersuchungsgefangenen nicht zu
befürchten sind.
(4)
Wird die Untersuchungshaft gegen junge Untersuchungsgefangene in Einrichtungen
des Jugendstrafvollzuges vollzogen, dürfen minderjährige Untersuchungsgefangene
mit Untersuchungsgefangenen, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
gemeinsam untergebracht werden. Das Wohl minderjähriger Untersuchungsgefangener
ist bei der Gestaltung der Unterbringung während der Ruhezeit besonders zu
beachten. Mit Untersuchungsgefangenen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben,
dürfen minderjährige Untersuchungsgefangene nur aus besonderen Gründen
gemeinsam untergebracht werden. Die Unterbringung darf dem Wohl der
minderjährigen Untersuchungsgefangenen nicht widersprechen. Eine Unterbringung
im Jugendstrafvollzug ist einer Unterbringung im Erwachsenenstrafvollzug in der
Regel vorzuziehen.
§ 37
Betreuung, Auswahlverfahren
(1)
Den jungen Untersuchungsgefangenen sind bei der Aufnahme in den Vollzug
ständige Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner aus dem Kreis der
Bediensteten zu benennen.
(2)
Während der Untersuchungshaft wird unter Beteiligung der Fachdienste in einem
Verfahren zur Feststellung des Förder- und Erziehungsbedarfs (Auswahlverfahren)
die Grundlage für eine erzieherische Ausgestaltung der Untersuchungshaft
geschaffen und für den Fall der rechtskräftigen Verurteilung zu einer
Jugendstrafe die Erstellung des späteren Vollzugsplans vorbereitet, um
frühzeitig gemeinsam mit den jungen Untersuchungsgefangenen
Zukunftsperspektiven zu entwickeln.
§ 38
Außenkontakte
(1)
Die Gesamtdauer der Besuche beträgt mindestens vier Stunden im Monat.
(2)
Betreuungspersonen, Erziehungsbeiständen, Beiständen nach § 69 des
Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974
(BGBl. I S. 3427) in der jeweils geltenden Fassung und Personen, die Aufgaben
der Jugendgerichtshilfe wahrnehmen, ist der Kontakt mit jungen
Untersuchungsgefangenen in demselben Umfang zu gestatten, wie er einer
Verteidigerin oder einem Verteidiger gestattet wird.
§ 39
Ergänzende Anwendung des Jugendstrafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen
Die
Vorschriften des Jugendstrafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die
Grundsätze der Vollzugsgestaltung (§ 3 Absatz 5), die Feststellung des Förder-
und Erziehungsbedarfs (§ 11), die Verlegung (§ 13 Absatz 2), die Unterbringung
(§ 17 Absatz 1 Nummer 3), die Gesundheitsfürsorge (§ 35 Absatz 2), die Rechte
der Personensorgeberechtigten (§ 37), den Sport (§ 38), die Freizeit und die
Förderung der Kreativität (§ 39), die Pflichtverstöße, das erzieherische
Gespräch und die Konfliktregelung (§ 53), die Disziplinarmaßnahmen (§ 54 Absatz
1 und 3), den Vollzug der Disziplinarmaßnahmen (§ 56 Absatz 5 Satz 2 und 6) und
die Bediensteten (§ 62 Absatz 2 Satz 2) sind ergänzend anzuwenden.
Abschnitt 10
Aufhebung von Maßnahmen,
Beschwerderecht
§ 40
Widerruf, Rücknahme
§
83 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.
§ 41
Beschwerderecht
Die
Untersuchungsgefangenen erhalten Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und
Beschwerden in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an die
Anstaltsleitung zu wenden. Die Möglichkeit, sich an die
Justizvollzugsbeauftragte oder den Justizvollzugsbeauftragten des Landes
Nordrhein-Westfalen zu wenden, bleibt unberührt.
Abschnitt 11
Anstalten, innerer Aufbau, Aufsicht
§ 42
Anstaltsleitung
(1)
Für jede Untersuchungshaftvollzugsanstalt ist eine Beamtin oder ein Beamter zur
hauptamtlichen Leiterin oder zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen, die oder
der die Voraussetzungen der Laufbahngruppe 2, zweites Einstiegsamt, erfüllt.
Aus besonderen Gründen kann eine Anstalt auch von einer Beamtin oder einem
Beamten der Laufbahngruppe 2, erstes Einstiegsamt, geleitet werden.
(2)
Die Anstaltsleitung vertritt die Anstalt nach außen und trägt die Verantwortung
für den gesamten Vollzug. Im Innenverhältnis kann sie die Verantwortung für
bestimmte Aufgabenbereiche auf andere Bedienstete übertragen.
(3)
Die Befugnis, die Durchsuchung nach § 27 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 64
Absatz 2 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen, die besonderen
Sicherungsmaßnahmen nach § 28 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 69 des
Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen und die Disziplinarmaßnahmen nach §
32 dieses Gesetzes anzuordnen, darf nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde übertragen
werden.
§ 43
Bedienstete
(1)
Die Aufgaben der Anstalten werden von Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamten
wahrgenommen. Aus besonderen Gründen können sie auch anderen Bediensteten der Anstalten
sowie nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden.
(2)
Für jede Anstalt ist die erforderliche Anzahl von geeigneten und fachlich
qualifizierten Bediensteten, insbesondere des medizinischen, pädagogischen,
psychologischen und sozialen Dienstes, des allgemeinen Vollzugsdienstes, des
Verwaltungsdienstes, des Werkdienstes sowie der Seelsorge vorzuhalten.
(3)
Die Bediensteten werden fortgebildet und erhalten Praxisberatung und
Praxisbegleitung sowie Gelegenheit zur Supervision.
§ 44
Seelsorge
(1)
Seelsorgerinnen und Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen
Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.
(2)
Wenn die geringe Zahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge
nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgliche Betreuung auf andere
Weise zuzulassen.
(3)
Mit Zustimmung der Anstaltsleitung darf die Anstaltsseelsorge sich freier
Seelsorgehelferinnen oder Seelsorgehelfer bedienen und für Gottesdienste sowie
für andere religiöse Veranstaltungen Seelsorgerinnen oder Seelsorger von außen
hinzuziehen.
§ 45
Medizinische Versorgung
(1)
Die ärztliche Versorgung ist durch hauptamtliche Ärztinnen oder Ärzte
sicherzustellen. Sie kann aus besonderen Gründen nebenamtlichen oder
vertraglich verpflichteten Ärztinnen oder Ärzten übertragen werden.
(2)
Die Pflege erkrankter Untersuchungsgefangener soll von Krankenpflegekräften im
Sinne des Krankenpflegegesetzes vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442) in der
jeweils geltenden Fassung ausgeübt werden. Stehen solche Kräfte nicht zur
Verfügung, können Bedienstete des Vollzuges oder sonstige Kräfte eingesetzt
werden, soweit sie eine entsprechende Qualifikation besitzen.
§ 46
Konferenzen
Zur
Vorbereitung wichtiger Entscheidungen im Vollzug führt die Anstaltsleitung
Konferenzen durch. Das Konferenzergebnis und die tragenden Gründe der
jeweiligen Entscheidung sind zu dokumentieren.
§ 47
Gefangenenmitverantwortung
(1)
Den Untersuchungsgefangenen ist zu ermöglichen, eine Vertretung zu wählen.
Diese kann in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse, die sich ihrer
Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach für eine Mitwirkung eignen, der
Anstaltsleitung Vorschläge und Anregungen unterbreiten. Diese sollen mit der
Vertretung erörtert werden.
(2)
Wird die Untersuchungshaft in Gebäuden oder Abteilungen auf dem Gelände einer
Justizvollzugsanstalt vollzogen, die auch Strafhaft oder Jugendstrafe
vollstreckt, können die Interessen der Untersuchungsgefangenen in der dort
bestehenden Gefangenenmitverantwortung wahrgenommen werden, wenn eine
angemessene Vertretung der Interessen sichergestellt wird.
§ 48
Hausordnung
Die
Anstaltsleitung erlässt eine Hausordnung. Diese informiert in verständlicher
Form namentlich über die Rechte und Pflichten der Untersuchungsgefangenen und
enthält Erläuterungen zur Organisation des Besuchs, zur Arbeitszeit, Freizeit
und Ruhezeit sowie Hinweise zu den Möglichkeiten, Anträge und Beschwerden
anzubringen.
§ 49
Aufsichtsbehörde
(1)
Das Justizministerium führt die Aufsicht über die Anstalten und sichert
gemeinsam mit ihnen die Qualität des Vollzuges.
(2)
An der Aufsicht über die Fachdienste sind eigene Fachkräfte zu beteiligen.
Soweit die Aufsichtsbehörde nicht über eigene Fachkräfte verfügt, ist fachliche
Beratung sicherzustellen.
§ 50
Vollstreckungsplan
Die
örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalten wird durch die
Aufsichtsbehörde in einem Vollstreckungsplan nach allgemeinen Merkmalen
geregelt.
§ 51
Festsetzung der Belegungsfähigkeit, Verbot der Überbelegung
(1)
Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit unter Berücksichtigung von §
10 für jede Anstalt fest. Es ist eine bedarfsgerechte Anzahl und Ausstattung
von Plätzen, insbesondere für Maßnahmen der Beschäftigung, Freizeit, Sport,
Seelsorge und Besuche, vorzuhalten. Gemeinschafts- und Besuchsräume sind
wohnlich und zweckentsprechend auszustatten.
(2)
Hafträume dürfen nicht mit mehr Personen als zugelassen belegt werden.
Ausnahmen hiervon sind nur vorübergehend zulässig und sind zu dokumentieren.
Abschnitt 12
Beiräte
§ 52
Aufgaben und Befugnisse der Beiräte
Die
Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die Aufgaben
der Beiräte (§ 105), die Befugnisse (§ 106) und die Pflicht zur Verschwiegenheit
(§ 107) gelten entsprechend.“
19.
§ 65 wird aufgehoben.
20. § 66 wird § 53 und wie folgt gefasst:
„§ 53
Anwendung datenschutzrechtlicher Regelungen, Datenverarbeitungsverfahren
(1)
Die Vorschriften des Abschnittes 22 des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen über den Datenschutz (§§ 108 bis 115 sowie 117 bis 125)
gelten nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze entsprechend.
(2)
Zur Erfüllung der Aufgaben nach § 35 dürfen personenbezogene Daten ohne
Mitwirkung der Betroffenen nur bei Stellen, die Aufgaben der Jugendhilfe
wahrnehmen, bei der Jugendgerichtshilfe und bei Personen und Stellen, die
bereits Kenntnis von der Inhaftierung der Betroffenen haben, erhoben werden.
(3)
§ 111 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt mit der Maßgabe, dass
1. die zulässigen Übermittlungen unterbleiben, wenn für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Information und der Rechtsstellung der Untersuchungsgefangenen die Betroffenen ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Übermittlung haben, oder
2.
bei einer nicht nur vorläufigen Einstellung des Verfahrens, einer
unanfechtbaren Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder einem
rechtskräftigen Freispruch auf Antrag der betroffenen Untersuchungsgefangenen
die Stellen, denen personenbezogene Daten übermittelt wurden, über den
Verfahrensausgang in Kenntnis zu setzen sind.
Die
Untersuchungsgefangenen sind auf ihr Antragsrecht nach Nummer 2 bei ihrer
Anhörung oder nachträglichen Unterrichtung hinzuweisen.
(4)
§ 406d der Strafprozessordnung bleibt unberührt. Die Vollzugsbehörde darf
Auskünfte nach § 406d der Strafprozessordnung im Einvernehmen mit der
Staatsanwaltschaft oder dem nach § 126 der Strafprozessordnung zuständigen
Gericht unmittelbar erteilen.
(5)
Die entsprechend §§ 68, 108 und 109 des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen erhobenen und nach Maßgabe dieses Abschnitts zu
verarbeitenden Daten können im Geltungsbereich dieses Gesetzes für die
Vollzugsbehörden in einer zentralen Datei gespeichert werden. Die speichernde
Stelle hat zu gewährleisten, dass die Übermittlung und der Abruf zumindest
durch geeignete Stichprobenverfahren festgestellt und überprüft werden können.
(6)
Die Landesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung die Einzelheiten der
Einrichtung automatisierter Übermittlungs- und Abrufverfahren im
Geltungsbereich dieses Gesetzes. Die Rechtsverordnung hat die
Datenempfängerinnen und Datenempfänger, die Datenart und den Zweck des Abrufs
festzulegen. Die oder der Landesbeauftragte für Datenschutz und
Informationsfreiheit ist vorher zu unterrichten. Die Ermächtigung zum Erlass
der Rechtsverordnungen kann auf das Justizministerium übertragen werden. Die
Vorschriften über die Zulässigkeit des einzelnen Abrufs bleiben unberührt.“
21.
Die §§ 67 bis 73 werden aufgehoben.
22.
Die Überschrift zu Abschnitt 14 wird wie folgt gefasst.
„Abschnitt 14
Kriminologischer Dienst,
Schlussbestimmungen“
23. § 74 wird § 54 und wie folgt geändert:
a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
„§ 54
Kriminologischer Dienst“
b)
Absatz 2 wird wie folgt gefasst:
„(2) § 120 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.“
24.
§ 75 wird aufgehoben.
25. § 76 wird § 55 und wie folgt geändert:
a)
Der Wortlaut wird Absatz 1 und wie folgt geändert:
aa) In Nummer 1 wird die Angabe „4 Satz 1“ durch die Angabe „3“ ersetzt.
bb) In Nummer 2 wird die Angabe „5“ durch die Angabe „6“ sowie das Wort „und“ durch ein Komma ersetzt.
cc) In Nummer 3 wird der Punkt durch das Wort „und“ ersetzt.
dd)
Folgende Nummer 4 wird angefügt:
„4. der Auslieferungshaft und Durchlieferungshaft gemäß § 27 Absatz 6 und § 45 Absatz
6 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen in der
Fassung und Bekanntmachung vom 27. Juni 1994 (BGBl. I S. 1537) in der jeweils
geltenden Fassung.“
b)
Folgender Absatz 2 wird angefügt:
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 sind die Betroffenen in einer Anstalt
oder sonstigen Einrichtung des Justizvollzuges unterzubringen, die den Vorgaben
der §§ 91 und 92 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen entspricht.“
26.
§ 77 wird § 56.
27. § 78 wird § 57 und wie folgt gefasst:
„§ 57
Bundesrecht
§
119a der Strafprozessordnung über das gerichtliche Verfahren bleibt unberührt.“
28. § 79 wird § 58 und wie folgt gefasst:
„§ 58
Inkrafttreten
Dieses
Gesetz tritt am ersten Tag des vierten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats
in Kraft.“
46
Artikel 3
Änderung des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen
Das
Strafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 13. Januar 2015 (GV. NRW. S. 76),
das durch Artikel 4 des Gesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310) geändert
worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:
a)
Die Angabe zu § 15 wird wie folgt gefasst:
„§ 15 Persönlicher Bereich, Auslesen von Datenspeichern“
b)Die
Angabe zu § 68 wird wie folgt gefasst:
„§ 68 Erkennungsdienstliche Maßnahmen, Identitätsfeststellungsverfahren“
c)
Die Angaben zu den Abschnitten 22 und 23 werden wie folgt gefasst:
„Abschnitt 22
Datenschutz
§ 108 Begriffsbestimmung, Datenerhebung
§ 109 Sicherheitsanfrage
§ 110 Schutz der Daten in Akten und Dateien
§ 111 Verarbeitung
§ 112 Datenaustausch zwischen Vollzugsbehörden
§ 113 Zweckbindung, Datenverantwortung
§ 114 Übermittlung an öffentliche Stellen
§ 115 Schutz besonderer Daten
§ 116 Auskünfte an Opfer
§ 117 Haftmitteilungen an öffentliche und nicht öffentliche Stellen
§ 118 Überlassung von Akten
§ 119 Auskünfte an Betroffene, Akteneinsicht
§ 120 Übermittlung personenbezogener Informationen für wissenschaftliche Zwecke
§ 121 Einschränkungen
§ 122 Berichtigung, Löschung, Sperrung
§ 123 Datenverarbeitungsverfahren
§ 124 Daten bei elektronischer Aufenthaltsüberwachung
§
125 Anwendung des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen
Abschnitt 23
Kriminologischer Dienst, Schlussbestimmungen
§ 126 Kriminologischer Dienst
§ 127 Einschränkung von Grundrechten
§ 128 Ersetzung und Fortgeltung von Bundesrecht
§ 129 Übergangsvorschrift
§
130 Inkrafttreten, Berichtspflicht“
2. § 15 wird wie folgt geändert:
a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
„§ 15
Persönlicher Bereich, Auslesen von Datenspeichern“
b)
Nach Absatz 2 werden folgende Absätze 3 bis 5 eingefügt:
„(3) Elektronische Datenspeicher sowie elektronische Geräte mit Datenspeichern,
die Gefangene ohne Erlaubnis der Anstalt in Gewahrsam haben, dürfen auf
einzelfallbezogene schriftliche Anordnung der Anstaltsleitung ausgelesen
werden, soweit tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dies
zu vollzuglichen oder zu den in § 111 Absatz 2 Nummer 2, 4 oder 5 genannten
Zwecken erforderlich ist. Die so erhobenen Daten dürfen nur verarbeitet werden,
soweit dies zu den in Satz 1 genannten Zwecken erforderlich ist.
(4)
Die nach Absatz 3 erhobenen Daten dürfen nicht weiter verarbeitet werden,
soweit sie
1. zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung Dritter gehören oder
2. zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung Gefangener gehören und die weitere Verarbeitung auch unter Berücksichtigung der in Absatz
3.
genannten vollzuglichen Interessen an der Verarbeitung sowie der Unzulässigkeit
des Besitzes und der Nutzung des Datenspeichers für diese unzumutbar ist.
Insoweit
sind die Daten unverzüglich zu löschen. Die Tatsachen der Erfassung und der
Löschung der Daten sind zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich
für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist zu löschen, wenn
sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch am Ende des
Kalenderjahres, das dem Jahr der Dokumentation folgt.
(5)
Die Gefangenen sind bei der Aufnahme über die Möglichkeit des Auslesens von
Datenspeichern zu belehren.“
c)
Die bisherigen Absätze 3 und 4 werden die Absätze 6 und 7.
3. § 19 wird wie folgt geändert:
a)
Absatz 5 wird wie folgt gefasst:
„(5) Aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt kann die Zulassung
einer Person zum Besuch von ihrer Durchsuchung oder einer Sicherheitsanfrage
nach § 109 abhängig gemacht werden.“
b)
Folgender Absatz 6 wird angefügt:
„(6) Die Anstalt kann die Anzahl der gleichzeitig zum Besuch zugelassenen
Personen beschränken.“
4. § 25 wird wie folgt geändert:
a) In Nummer 2 wird das Wort „oder“ gestrichen.
b)
In Nummer 3 wird der Punkt am Ende durch das Wort „oder“ ersetzt.
c)
Folgende Nummer 4 wird angefügt:
„4. zu befürchten ist, dass der Kontakt Bestrebungen im Sinne des § 3 Absatz 1
in Verbindung mit Absatz 5 des Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen
vom 20. Dezember 1994 (GV. NRW. 1995, S. 28) in der jeweils geltenden Fassung
oder entsprechende Verhaltensweisen fördert.“
5. § 32 wird wie folgt geändert:
a)
Absatz 3 wird Absatz 4 und Satz 3 wird wie folgt gefasst:
„Das Justizministerium wird ermächtigt, zur Umsetzung der Vorschriften über die
Vergütung eine Rechtsverordnung über die Bemessung des Arbeitsentgeltes, die
Ausbildungsbeihilfe, die anrechenbaren Arbeitszeiten, die Zeiteinheiten in
Stunden oder Minuten, die Entgeltart als Zeit- oder Leistungsentgelt, die
Vergütungsstufen und die Gewährung von Zulagen zu erlassen.“
b)
Der bisherige Absatz 4 wird Absatz 3.
6. § 34 Absatz 3 wird wie folgt geändert:
a)
Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Soweit eine Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes nach Absatz 2
ausgeschlossen ist, erhalten Gefangene bei ihrer Entlassung zusätzlich eine
Ausgleichsentschädigung in Höhe von 15 Prozent der Bezüge, die sie für die
geleistete Tätigkeit, die Grundlage für die Gewährung der Freistellungstage
nach Absatz 1 gewesen ist, erhalten haben.“
b)
Satz 2 wird aufgehoben.
7. § 37 wird wie folgt geändert:
a)
Absatz 1 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Die Höhe richtet sich nach den in § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch -
Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022,
3023) in der jeweils geltenden Fassung festgeschriebenen Regelsätzen und soll
für die Gefangenen den vierfachen und für ihre Unterhaltsberechtigten den
zweifachen monatlichen Mindestbetrag nicht unterschreiten.“
b)
Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 2 eingefügt:
„(2) Das Überbrückungsgeld ist in angemessenen, auf den voraussichtlichen
Entlassungszeitpunkt abgestimmten Teilbeträgen anzusparen, die die Anstalt
festsetzt. Die Höhe der Teilbeträge ist regelmäßig zu überprüfen und bei
grundlegenden Veränderungen anzupassen.“
c) Die bisherigen Absätze 2 und 3 werden die Absätze 3 und 4.
d)
In dem neuen Absatz 3 wird in Satz 2 und in Satz 3 das Wort „Zustimmung“ durch
das Wort „Einwilligung“ ersetzt.
e)
Folgender Absatz 5 wird angefügt:
„(5) Bei Verlegungen von Gefangenen aus Bundesländern, die die Bildung eines
Überbrückungsgeldes nicht vorsehen, werden Gelder, die die Gefangenen vor der
Verlegung für die Sicherung des Lebensunterhaltes nach der Entlassung angespart
haben, mit der Gutschrift in der Aufnahmeanstalt Überbrückungsgeld nach diesem
Gesetz.“
8.
In § 38 Satz 3 wird die Angabe „3“ durch die Angabe „4“ ersetzt.
9. § 39 wird wie folgt geändert:
a)
Absatz 1 Satz 2 wird aufgehoben.
b)
Nach Absatz 2 Satz 2 werden folgende Sätze eingefügt:
„Haben Gefangene, die ohne ihr Verschulden während eines zusammenhängenden
Zeitraumes von mehr als einem Monat nicht arbeiten konnten oder nicht
gearbeitet haben, weil sie nicht zur Arbeit verpflichtet waren, auf diese Zeit
entfallende Einkünfte, so haben sie den Haftkostenbeitrag für diese Zeit bis
zur Höhe der auf sie entfallenden Einkünfte zu entrichten. Ihnen ist
arbeitstäglich ein Betrag in Höhe eines Tagessatzes der Eckvergütung nach § 32
Absatz 1 zu belassen.“
10. § 53 wird wie folgt geändert:
a)
In Absatz 2 Nummer 1 werden nach dem Wort „unter“ die Wörter „der ständigen und
unmittelbaren“ eingefügt.
b)
Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 4 eingefügt:
„(4) Bei Ausführungen zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit kann den Gefangenen,
um Entweichungen entgegenzuwirken, nach Maßgabe des § 124 aufgegeben werden,
die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen
technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und
deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.“
c)
Die bisherigen Absätze 4 bis 7 werden die Absätze 5 bis 8.
11. § 55 wird wie folgt geändert:
a)
Nach § 55 Absatz 1 wird folgender Absatz 2 eingefügt:
„(2) Bei Ausführungen aus wichtigem Anlass gilt § 53 Absatz 4 (elektronische
Aufenthaltsüberwachung) entsprechend.“
b)
Die bisherigen Absätze 2 und 3 werden die Absätze 3 und 4.
12.
§ 59 Absatz 3 wird wie folgt gefasst:
„(3) Die Missbrauchsgefahren sind insbesondere bei einer unmittelbar
bevorstehenden Entlassung mit den Risiken einer unerprobten Entlassung
abzuwägen. § 53 Absatz 1, 5 bis 8 sowie §§ 56 und 57 gelten entsprechend.“
13.
§ 65 Absatz 1 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Diese Maßnahmen dürfen mit einem geringfügigen körperlichen Eingriff,
namentlich einer Punktion der Fingerbeere zur Abnahme einer geringen Menge von
Kapillarblut, verbunden sein, wenn die Gefangenen einwilligen.“
14. § 68 wird wie folgt geändert:
a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
„§ 68
Erkennungsdienstliche Maßnahmen, Identitätsfeststellungsverfahren“
b)
Absatz 2 wird wie folgt gefasst:
„(2) Die gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen oder Daten werden zu den
Gefangenenpersonalakten genommen oder in personenbezogenen Dateien gespeichert.
Fingerabdruckdaten sind elektronisch zu speichern.“
c)
Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 3 eingefügt:
„(3) Fingerabdruckdaten nach Absatz 1 Nummer 4 sind von allen Gefangenen zu
erheben, wenn nicht
1. die Identität einer oder eines Gefangenen bereits anderweitig gesichert ist,
2. ein Abgleich der Fingerabdruckdaten mit den dem Justizvollzug vorliegenden Daten möglich ist oder
3.
eine Gefährdung der Sicherheit der Anstalt ausgeschlossen werden kann.
Es
können Fingerabdruckdaten von allen zehn Fingern genommen und elektronisch
gespeichert werden. Die Anstalt übermittelt die von ihr erhobenen
Fingerabdruckdaten unverzüglich dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen, das
den Abgleich der Fingerabdruckdaten zum Zwecke der Identifizierung der
Gefangenen veranlasst. Weichen die personenbezogenen Daten von den der Anstalt
bekannten Daten ab, teilt das Landeskriminalamt der Anstalt die abweichenden
Daten mit. Die Daten dürfen auch im Wege eines automatisierten Abrufverfahrens
oder einer regelmäßigen Datenübermittlung abgefragt und übermittelt werden. Die
Landesregierung kann durch Rechtsverordnung weitere Einzelheiten zur
Datenerhebung und -übermittlung sowie zum Verfahren der Ersuchen regeln. Die
Ermächtigung kann auf das Justizministerium übertragen werden. Die Anstalt darf
das Bundeskriminalamt auch unmittelbar um einen Abgleich der Fingerabdruckdaten
ersuchen. Auch kann als Dienst das bestehende Abgleichverfahren mit dem
Bundeskriminalamt über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge genutzt
werden. Die angefragten Behörden löschen die ihnen übermittelten
personenbezogenen Daten, soweit diese nicht zur Dokumentation des Ersuchens
erforderlich sind, sobald das Identitätsfeststellungsverfahren abgeschlossen
ist. Davon ausgenommen sind solche personenbezogenen Daten, die die angefragten
Behörden aufgrund der für sie geltenden gesetzlichen Grundlagen auch selbst
hätten erheben dürfen.“
d)
Die bisherigen Absätze 3 und 4 werden die Absätze 4 und 5 und wie folgt
gefasst:
„(4) Die nach Absatz 1 und 3 gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen und
Daten dürfen von der Vollzugsbehörde im Übrigen nur für die in Absatz 1 und §
111 Absatz 2 Nummer 4 genannten Zwecke verarbeitet und übermittelt werden. Sie
dürfen außerdem den Vollstreckungs- und Strafverfolgungsbehörden sowie den für
die Fahndung und Festnahme zuständigen Polizeidienststellen übermittelt werden,
soweit dies für Zwecke der Fahndung und Festnahme entwichener oder sich sonst
ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhaltender Gefangener erforderlich ist.
Die Übermittlung der Unterlagen oder Daten an Polizeibehörden des Bundes oder
der Länder ist auch zulässig, soweit dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr
für erhebliche Rechtsgüter innerhalb der Anstalt erforderlich ist.
(5)
Gefangene, die nach Absatz 1 erkennungsdienstlich behandelt worden sind, können
nach der Entlassung aus dem Vollzug verlangen, dass die gewonnenen
erkennungsdienstlichen Unterlagen und Daten mit Ausnahme der zu den
Gefangenenpersonalakten genommenen oder elektronisch gespeicherten Lichtbilder,
der Fingerabdruckdaten und der Beschreibung von körperlichen Merkmalen
vernichtet oder gelöscht werden, sobald die Vollstreckung der richterlichen
Entscheidung, die dem Vollzug zugrunde gelegen hat, abgeschlossen ist. Sie sind
über dieses Recht bei der erkennungsdienstlichen Behandlung und bei der
Entlassung aufzuklären. Im Übrigen gilt für die Berichtigung, Löschung und Sperrung
§ 122 dieses Gesetzes.“
15.
§ 69 wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 1 werden nach den Wörtern „Sachen oder“ die Wörter „die Gefahr“
und nach dem Wort „Selbstverletzung“ die Wörter „oder Selbsttötung“ eingefügt.
b)
Die Absätze 2 bis 4 werden wie folgt gefasst:
„(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:
1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
2. die Trennung von anderen Gefangenen (Absonderung),
3. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
4. die unregelmäßige oder ununterbrochene Beobachtung von Gefangenen, auch mit technischen Hilfsmitteln,
5. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
6.
die Fesselung oder Fixierung.
(3)
Maßnahmen nach Absatz 2 Nummer 1 bis 3 und 5 sind auch zulässig, wenn die
Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Ordnung der Anstalt
anders nicht abgewendet werden kann.
(4)
Bei der Beobachtung nach Absatz 2 Nummer 4 ist das Schamgefühl der Gefangenen
zu schonen. Nur im Ausnahmefall darf zusätzlich eine akustische Überwachung
angeordnet werden.“
c)
In Absatz 8 wird die Angabe „Nummer 2“ durch die Angabe „Nummer 4“ ersetzt.
16.
§ 70 Absatz 5 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Eine ununterbrochene Beobachtung von Gefangenen mit technischen Hilfsmitteln
in Hafträumen, die dem Aufenthalt bei Tag und bei Nacht dienen, nach § 69
Absatz 2 Nummer 4 sowie besondere Sicherungsmaßnahmen nach § 69 Absatz 2 Nummer
5 und 6 sind der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen, wenn sie länger als
drei Tage aufrechterhalten werden.“
17. § 78 wird wie folgt geändert:
a)
Nach Absatz 2 werden folgende Absätze 3 und 4 eingefügt:
„(3) Erfordert die Beurteilung der Gefahrenlage und die Abschätzung der
Notwendigkeit einer Behandlung psychischer Erkrankungen eine angemessene Zeit
der Beobachtung der Gefangenen oder droht der oder dem Gefangenen aufgrund
einer anderen Erkrankung eine schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigung, darf
die Behandlung zwangsweise unter den weiteren Voraussetzungen der Absätze 1 und
2 nur begonnen werden, wenn
1. die Maßnahme der oder dem Gefangenen mindestens eine Woche vor ihrer Umsetzung schriftlich und mündlich unter Angabe der Gründe sowie Art, Umfang und Dauer in einer dem Gesundheitszustand entsprechenden Weise angekündigt worden ist,
2.
die oder der Gefangene über die Möglichkeit belehrt worden ist, eine
gerichtliche Entscheidung nach § 109 des Strafvollzugsgesetzes herbeizuführen,
3. vor dem Eingriff durch ein von der behandelnden Einrichtung unabhängiges fachpsychiatrisches oder fachärztliches Votum bestätigt wird, dass
a) die oder der zu behandelnde Gefangene einsichtsunfähig ist,
b) die Vorteile des medizinischen Eingriffs gegenüber den damit verbundenen Nachteilen und Risiken deutlich überwiegen,
c) die Maßnahme nicht mit einer erheblichen Gefahr für das Leben der oder des Gefangenen verbunden ist,
d)
eine schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit der oder des Gefangenen droht, und
4.
die Fachaufsichtsbehörde oder eine von ihr beauftragte Anstaltsärztin oder ein
von ihr beauftragter Anstaltsarzt, die oder der an der Anordnung und
Durchführung der Maßnahme nicht beteiligt ist, in die Maßnahme einwilligt.
Die
Anordnung gilt höchstens für die Dauer von drei Monaten. Nach Ablauf dieser
Zeit ist eine neue Anordnung zu treffen.
(4)
Über Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 3 sind Personensorgeberechtigte der
Gefangenen unverzüglich zu unterrichten.“
b)
Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 5.
18. In § 87 Absatz 3 wird nach dem Wort „dies“ das Wort „medizinisch“ gestrichen.
19.
In § 89 Absatz 1 Satz 2 wird die Angabe „4 bis 7“ durch die Angabe „5 bis 8“
ersetzt.
20.
Die Abschnitte 22 und 23 werden wie folgt gefasst:
„Abschnitt 22
Datenschutz
§ 108
Begriffsbestimmung,
Datenerhebung
(1)
Vollzugsbehörde im Sinne dieses Abschnitts ist, soweit nichts anderes bestimmt
ist, auch die Aufsichtsbehörde. Die Vollzugsbehörde darf personenbezogene Daten
erheben, soweit deren Kenntnis für die ihr nach diesem Gesetz obliegenden
Aufgaben erforderlich ist.
(2)
Personenbezogene Daten sind bei den Betroffenen zu erheben. Für die Erhebung
ohne Kenntnis der Betroffenen, die Erhebung bei anderen Personen oder Stellen
und für die Hinweis- und Aufklärungspflichten gilt § 12 des Datenschutzgesetzes
Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juni 2000 (GV. NRW. S. 452), das zuletzt durch Gesetz vom 2. Juni 2015 (GV. NRW. S. 482)
geändert worden ist.
(3)
Daten über Personen, die nicht Gefangene sind, dürfen ohne ihre Mitwirkung bei
Personen oder Stellen außerhalb der Vollzugsbehörde nur erhoben werden, wenn
sie für die Behandlung der Gefangenen, die Sicherheit der Anstalt oder die
Sicherung des Vollzuges einer Freiheitsstrafe unerlässlich sind und die Art der
Erhebung schutzwürdige Interessen der Betroffenen nicht beeinträchtigt.
(4)
Über eine ohne ihre Kenntnis vorgenommene Erhebung personenbezogener Daten werden
die Betroffenen unter Angabe dieser Daten unterrichtet, soweit der in Absatz 1
genannte Zweck dadurch nicht gefährdet wird. Unterbleibt die Unterrichtung nach
Satz 1, ist sie nachzuholen, sobald der in Absatz 1 genannte Zweck nicht mehr
gefährdet ist. Sind die Daten bei anderen Personen oder Stellen erhoben worden,
kann die Unterrichtung unterbleiben, wenn
1. die Daten nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen des überwiegenden berechtigten Interesses Dritter, geheim gehalten werden müssen oder
2.
der Aufwand der Unterrichtung außer Verhältnis zum Schutzzweck steht und keine
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der
Betroffenen beeinträchtigt werden.
§ 109
Sicherheitsanfrage
(1)
Zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Sicherheit prüft die Anstalt, ob
sicherheitsrelevante Erkenntnisse über Gefangene und Personen, die zu der
Anstalt nicht in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis stehen und nicht im
Auftrag einer anderen Behörde Zugang begehren (anstaltsfremde Personen),
vorliegen. Die Landesregierung kann durch Rechtsverordnung nach allgemeinen
Merkmalen bestimmen, für welche Gefangenen- und Personengruppen regelmäßig von
einer Sicherheitsanfrage abzusehen ist. Die Ermächtigung kann auf das Justizministerium
übertragen werden.
(2)
Sicherheitsrelevant sind Erkenntnisse über extremistische, insbesondere
gewaltorientierte Einstellungen oder Kontakte zu derartigen Organisationen,
Gruppierungen oder Personen. Namentlich wenn anstaltsfremde Personen an der
Behandlung von Gefangenen mitwirken, können auch Erkenntnisse über erhebliche
strafrechtliche Verurteilungen, eine bestehende Suchtproblematik oder andere
für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Personen erhebliche Umstände
sicherheitsrelevant sein.
(3)
Eine anstaltsfremde Person ist über den Anlass der Sicherheitsanfrage, ihren
Umfang sowie die Rechtsfolgen nach Absatz 10 vor der Einholung von Auskünften
zu belehren.
(4)
Die Anstalt darf Behörden mit Sicherheitsaufgaben um Auskunft ersuchen.
Insbesondere darf sie
1. eine Auskunft nach § 41 Absatz 1 Nummer 1 des Bundeszentralregistergesetzes einholen,
2. Erkenntnisse der Polizeibehörden und
3.
Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen
anfragen
(Sicherheitsanfrage).
Bestehen
auf Grund der durch die beteiligten Stellen übermittelten Informationen
Anhaltspunkte für sicherheitsrelevante Erkenntnisse über die betroffene Person,
kann die Anstalt im Einzelfall zur weiteren Sachaufklärung weitere Auskünfte
oder Unterlagen bei Behörden oder der betroffenen anstaltsfremden Person
einholen. Die Vorschriften des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes
Nordrhein-Westfalen vom 7. März 1995 (GV. NRW. S. 210) in der jeweils geltenden
Fassung bleiben unberührt.
(5)
Die Anfrage nach Absatz 4 Satz 2 Nummer 2 erstreckt sich nur auf die
personengebundenen Hinweise und die Erkenntnisse des polizeilichen
Staatsschutzes. Bei der Anfrage nach Nummer 3 erfolgt die Abfrage des
nachrichtendienstlichen Informationssystems durch die Verfassungsschutzbehörde
Nordrhein-Westfalen.
(6)
Von einer Sicherheitsanfrage über Gefangene soll nur abgesehen werden, wenn im
Einzelfall aufgrund einer Gesamtwürdigung eine Gefährdung der Sicherheit der
Anstalt ausgeschlossen wird. Bei anstaltsfremden Personen soll die Anstalt
darüber hinaus ganz oder teilweise von einer Sicherheitsanfrage absehen, wenn
aufgrund des Anlasses, der Art, des Umfangs oder der Dauer des Aufenthalts oder
der Tätigkeit in der Anstalt oder einer anderen Einrichtung des Justizvollzuges
Nordrhein-Westfalen eine Gefährdung der Sicherheit der Anstalt fernliegt.
(7)
Die Anstalt übermittelt den angefragten Behörden die Identitätsdaten,
namentlich den Namen, die Vornamen, das Geburtsdatum, den Geburtsort und die
Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen. Betrifft die Sicherheitsanfrage
Gefangene, sollen darüber hinaus bekannt gewordene Aliaspersonalien, die
voraussichtliche Vollstreckungsdauer sowie das Aktenzeichen der der
Vollstreckung zugrunde liegenden Entscheidung mitgeteilt werden.
(8)
Die gemäß Absatz 4 Satz 2 Nummer 2 und 3 angefragten Behörden teilen der
Anstalt die sicherheitsrelevanten Erkenntnisse über die betroffene Person mit.
Erkenntnismitteilungen der Verfassungsschutzbehörde Nordrhein-Westfalen unterliegen
den Übermittlungsvorschriften des Verfassungsschutzgesetzes
Nordrhein-Westfalen. Die genannten Behörden dürfen die in Absatz 7 aufgeführten
Daten für die Durchführung der Sicherheitsanfrage verarbeiten. Sie löschen die
übermittelten personenbezogenen Daten, sobald die Sicherheitsanfrage
abgeschlossen ist. Davon ausgenommen sind solche personenbezogenen Daten, die
die Verfassungsschutzbehörde Nordrhein-Westfalen aufgrund der für sie geltenden
gesetzlichen Grundlagen erheben darf.
(9)
Die für die Sicherheitsanfrage erforderlichen personenbezogenen Daten dürfen im
Wege einer regelmäßigen Datenübermittlung abgefragt und übermittelt werden. Die
Landesregierung kann durch Rechtsverordnung weitere Einzelheiten zur
Datenerhebung und -übermittlung sowie zum Verfahren der Bearbeitung der
Anfragen regeln. Die Ermächtigung kann auf das Justizministerium übertragen
werden.
(10)
Die Anstalt bewertet die ihr mitgeteilten Erkenntnisse über eine Person auf
Grund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls. Die Anstaltsleitung entscheidet,
ob sie einer anstaltsfremden Person nicht oder nur unter Beschränkungen Zutritt
zur Anstalt gewährt oder sie nicht oder nur unter Beschränkungen zu der
angestrebten Tätigkeit in der Anstalt zulässt. Dies gilt entsprechend, wenn die
anstaltsfremde Person eine Sicherheitsanfrage verweigert. Kann eine für geboten
erachtete Sicherheitsanfrage nicht rechtzeitig abgeschlossen werden, kann eine
Tätigkeit in der Anstalt vorübergehend unter Beaufsichtigung aufgenommen oder
ein Zutritt zu der Anstalt vorläufig unter Beaufsichtigung bewilligt werden,
wenn dies erforderlich ist.
(11)
Im Rahmen der Sicherheitsanfrage gewonnene personenbezogene Daten sind in
gesonderten Akten oder personenbezogenen Dateien zu führen oder zu verarbeiten.
(12)
Die Verarbeitungs- und Übermittlungsbefugnis für personenbezogene Daten über
Gefangene zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in der Anstalt schließt die
Verarbeitungsbefugnis für personenbezogene Daten zum Zwecke der Behandlung der
Gefangenen ein. Eine Übermittlung der gewonnenen personenbezogenen Daten an
öffentliche Stellen ist nur für Maßnahmen des ambulanten Sozialen Dienstes der
Justiz und der Jugendgerichtshilfe zulässig. Eine Übermittlung zu anderen
Zwecken erfolgt nur nach Maßgabe des § 111 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 und zur
Verhinderung oder Verfolgung erheblicher Straftaten. Unterlagen und
personenbezogene Daten über Gefangene unterliegen den Bestimmungen des § 122
dieses Gesetzes.
(13)
Für die Verarbeitung und Übermittlung personenbezogener Daten über
anstaltsfremde Personen gilt § 111 Absatz 4 entsprechend. Die Unterlagen oder
elektronisch gespeicherten personenbezogenen Daten über anstaltsfremde Personen
sind innerhalb eines Jahres nach Abschluss der Sicherheitsanfrage zu vernichten
oder zu löschen, wenn die betroffene Person keine Tätigkeit im Justizvollzug
aufnimmt, es sei denn, die betroffene Person willigt in die weitere
Aufbewahrung ein. Im Übrigen sind die Unterlagen oder elektronischen Daten fünf
Jahre nach dem Ausscheiden aus der Tätigkeit zu vernichten oder zu löschen, es
sei denn, die betroffene Person willigt in die weitere Aufbewahrung ein oder es
ist beabsichtigt, die betroffene Person in absehbarer Zeit erneut mit einer
Tätigkeit im Justizvollzug zu betrauen.
(14)
Eine erneute Sicherheitsanfrage kann erfolgen, wenn neue sicherheitsrelevante
Erkenntnisse vorliegen. Die Überprüfung anstaltsfremder Personen soll darüber
hinaus spätestens nach Ablauf einer Frist von 18 Monaten wiederholt werden.
(15)
Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1, Absatz 3 bis 5, 7 bis 11 sowie Absatz 13 und
14 gelten entsprechend für Besucherinnen und Besucher. Eine Sicherheitsanfrage
ist nur veranlasst, wenn tatsächliche Anhaltspunkte Sicherheitsbedenken
nahelegen. Bei einer Sicherheitsanfrage teilt die Anstalt den in Absatz 4
genannten Behörden mit, für welche Gefangenen die Zulassung zum Besuch begehrt
wird.
§ 110
Schutz der Daten in Akten und Dateien
(1)
Einzelne Bedienstete dürfen sich von personenbezogenen Daten nur Kenntnis
verschaffen, soweit dies zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben oder für
die Zusammenarbeit nach § 2 Absatz 3 und § 5 Absatz 1 erforderlich ist.
(2)
Akten und Dateien mit personenbezogenen Daten sind durch die erforderlichen
technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen unbefugten Zugang und
unbefugten Gebrauch zu schützen. Gesundheitsakten, Krankenblätter sowie von den
Behörden mit Sicherheitsaufgaben nach § 109 dieses Gesetzes erhobene und
verarbeitete Daten sind getrennt von anderen Unterlagen über die Gefangenen zu
führen und besonders zu sichern. Satz 2 gilt entsprechend für die im Rahmen der
Behandlungsuntersuchung und Vollzugsplanung erhobenen opferbezogenen Daten,
insbesondere zur Person und zu den Schutzinteressen der Opfer und gefährdeter
Dritter.
(3)
Im Übrigen gilt für die Art und den Umfang der Schutzvorkehrungen § 10 des
Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen.
§ 111
Verarbeitung
(1)
Die Vollzugsbehörde darf personenbezogene Daten verarbeiten und übermitteln,
soweit dies für die ihr nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben erforderlich
ist, eine andere Rechtsvorschrift dies für den Geltungsbereich des
Justizvollzuges ausdrücklich erlaubt oder die Betroffenen eingewilligt haben.
(2)
Die Verarbeitung und Übermittlung personenbezogener Daten für andere Zwecke ist
zulässig, soweit dies
1. zur Abwehr von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen
a) gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind,
b) eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben oder
c)
auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
2. zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit,
3. zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person,
4. zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten sowie zur Verhinderung oder Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, durch welche die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet wird,
5. für Maßnahmen der Strafvollstreckung oder strafvollstreckungsrechtliche Entscheidungen oder
6.
zur Wahrnehmung von Kontrollbefugnissen des Europäischen Ausschusses zur
Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder
Strafen
erforderlich
ist.
(3)
Bei der Überwachung der Besuche oder des Schriftwechsels sowie bei der
Überwachung des Inhalts von Paketen bekannt gewordene personenbezogene Daten dürfen
nur für die in Absatz 2 aufgeführten Zwecke, für den gerichtlichen Rechtsschutz
im Zusammenhang mit diesem Gesetz, zur Wahrung der Sicherheit oder Ordnung der
Anstalt oder nach Anhörung der Gefangenen zum Zwecke der Behandlung verarbeitet
werden.
(4)
Personenbezogene Daten, die gemäß § 108 Absatz 3 dieses Gesetzes über Personen,
die nicht Gefangene sind, erhoben worden sind, dürfen nur zur Erfüllung des
Erhebungszwecks, für die in Absatz 2 Nummer 1 bis 3 geregelten Zwecke oder zur
Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung
verarbeitet werden.
(5)
Eine Verarbeitung für andere Zwecke liegt nicht vor, soweit sie dem
gerichtlichen Rechtsschutz im Zusammenhang mit diesem Gesetz oder den in § 13
Absatz 3 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen genannten Zwecken dient. §
112 Absatz 1, 2 und 4 gilt entsprechend.
(6)
Gefangenenpersonalakten, Gesundheitsakten oder sonstige Akten können auch
elektronisch geführt werden.
(7)
Die Vollzugsbehörde kann Gefangene aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der
Anstalt verpflichten, einen Ausweis mit sich zu führen, der mit einem Lichtbild
zu versehen oder elektronisch lesbar ist.
§ 112
Datenaustausch zwischen Vollzugsbehörden
(1)
Bei Verlegungen und Überstellungen von Gefangenen oder in Verwaltungsvorgängen,
an denen mehrere Vollzugsbehörden beteiligt sind, dürfen die Vollzugsbehörden
von Amts wegen anderen Vollzugsbehörden Daten übermitteln, soweit diese Daten
aus Sicht der übermittelnden Stelle für die Erfüllung der Aufgaben der die
Daten empfangenden Vollzugsbehörde erforderlich sind. In diesem Fall ist die
übermittelnde Vollzugsbehörde verantwortliche Stelle im Sinne des § 3 Absatz 3
des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen. Die Daten dürfen von der
empfangenden Vollzugsbehörde weiterverarbeitet werden, soweit eine Speicherung
oder Weiterverarbeitung zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Bei der
Einrichtung und der Nutzung von Verbunddateien bestimmt die Landesregierung die
Einzelheiten der Datenverarbeitung, insbesondere die Datenverantwortung, die
jeweiligen Zugriffsrechte und den Umfang der Schutzvorkehrungen, durch
Rechtsverordnung. Die Ermächtigung kann auf das Justizministerium übertragen
werden.
(2)
Bei Verlegungen übermittelt die Vollzugsbehörde der aufnehmenden Vollzugsbehörde
in der Regel sämtliche über die oder den Gefangenen vorliegenden
personenbezogenen Daten und die Gefangenenpersonalakte. Die übermittelnde
Vollzugsbehörde muss die Daten nach Erreichung des Übermittlungszweckes
unverzüglich löschen, es sei denn, die weitere Speicherung und Verarbeitung der
Daten ist ihr nach Maßgabe der Vorschriften dieses Abschnittes oder aufgrund
anderer gesetzlicher Vorschriften gestattet.
(3)
Bei Überstellungen soll von der Übersendung der Gefangenenpersonalakte abgesehen
werden, es sei denn, die Übersendung ist aufgrund der zu erwartenden Dauer der
Überstellung oder aus anderen Gründen im Einzelfall erforderlich. Wird die
Gefangenenpersonalakte nicht übersandt, übermittelt die überstellende
Vollzugsbehörde der aufnehmenden Vollzugsbehörde in der Regel nur die für die
Sicherheit und Ordnung der Anstalt, für die medizinische Versorgung und für die
Behandlung der Gefangenen erforderlichen personenbezogenen Dateien und
Unterlagen. Für Rücküberstellungen gilt Satz 2 entsprechend.
(4)
Werden in Akten oder Dateien gespeicherte personenbezogene Daten aus früher
vollzogenen Freiheitsstrafen von anderen Einrichtungen des Justizvollzuges zur
rechtmäßigen Aufgabenerfüllung benötigt, dürfen die Daten nach Maßgabe des
Absatzes 1 sowie den übrigen Vorschriften dieses Abschnittes über die
Ersterhebung erhoben und von der die Daten empfangenden Vollzugsbehörde
verarbeitet und weiter übermittelt werden. Für die Sperrung und Löschung von
Daten gilt § 122 entsprechend.
§ 113
Zweckbindung, Datenverantwortung
(1)
Von der Vollzugsbehörde übermittelte personenbezogene Daten dürfen nur zu dem
Zweck weiterverarbeitet werden, zu dessen Erfüllung sie auch übermittelt worden
sind. Die Vollzugsbehörde hat nicht öffentliche Empfängerinnen oder Empfänger
auf die Zweckbindung nach Satz 1 hinzuweisen.
(2)
Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung von Daten trägt die
Vollzugsbehörde. Erfolgt die Übermittlung auf Ersuchen einer öffentlichen
Stelle, trägt diese die Verantwortung. In diesem Fall prüft die Vollzugsbehörde
nur, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben der Empfängerin oder
des Empfängers liegt und §§ 121 sowie 111 Absatz 3 und 4 der Übermittlung
entgegenstehen, es sei denn, dass im Einzelfall Anlass zur Prüfung der
Zulässigkeit der Übermittlung besteht. Die Empfängerin oder der Empfänger hat
der übermittelnden Stelle die für diese Prüfung erforderlichen Auskünfte zu
erteilen.
§ 114
Übermittlung an öffentliche Stellen
(1)
Die Übermittlung personenbezogener Daten an öffentliche Stellen ist zulässig,
soweit sie zur rechtmäßigen Erfüllung der Aufgaben der Vollzugsbehörde oder der
Empfängerinnen und Empfänger erforderlich ist.
(2)
Über die in § 111 Absatz 1 und 2 geregelten Zwecke hinaus dürfen zuständigen
öffentlichen Stellen personenbezogene Daten übermittelt werden, soweit dies für
1. Maßnahmen des ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz und der Jugendgerichtshilfe,
2. die Überprüfung von Angaben von Gefangenen, weil tatsächliche Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen,
3. Entscheidungen in Gnadensachen,
4. durch oder aufgrund Gesetz angeordnete Statistiken der Rechtspflege,
5. die Einleitung von Hilfsmaßnahmen für Angehörige (§ 11 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches) der Gefangenen,
6. sozialrechtliche Maßnahmen,
7. dienstliche Maßnahmen der Bundeswehr im Zusammenhang mit der Aufnahme und Entlassung von Soldatinnen und Soldaten,
8. ausländerrechtliche Maßnahmen oder
9.
die Durchführung der Besteuerung
erforderlich
ist. Eine Übermittlung für andere Zwecke ist auch zulässig, soweit eine andere
gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf
personenbezogene Daten von Gefangenen bezieht.
(3)
Erhält die Vollzugsbehörde davon Kenntnis, dass Gefangene von öffentlichen
Stellen Leistungen beziehen oder bei öffentlichen Stellen Leistungen beantragt
haben, die für die Dauer des Vollzuges entfallen oder sich mindern, hat sie die
Leistungsträger unverzüglich darüber zu unterrichten, dass und seit wann sich
die betroffenen Gefangenen im Vollzug befinden, sofern sie die Unterrichtung
trotz einer Aufforderung der Vollzugsbehörde nicht unverzüglich selbst
vornehmen. Den betroffenen Gefangenen ist eine Abschrift der Mitteilung
auszuhändigen.
(4)
Eigengeld und sonstiges Vermögen der Gefangenen, das der Anstalt bekannt ist,
sind der mit der Geltendmachung der im Strafverfahren entstandenen Kosten
befassten Vollstreckungsbehörde und der Gerichtskasse anzuzeigen, sobald
Gefangene über pfändbares Vermögen verfügen. Den betroffenen Gefangenen ist
eine Abschrift der Mitteilung auszuhändigen.
(5)
Öffentliche Stellen dürfen personenbezogene Daten nur weiterverarbeiten, soweit
dies für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Eine
Weiterverarbeitung darf auch dann erfolgen, wenn in einem Verwaltungsvorgang
mehrere öffentliche Stellen beteiligt sind und es der Weiterverarbeitung der
übermittelten Daten bedarf, die Weiterverarbeitung der Wahrnehmung von Aufgaben
nach § 13 Absatz 3 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen dient oder die
Daten auch für diese anderen Zwecke hätten übermittelt werden dürfen und die
Vollzugsbehörde der Weiterverarbeitung zugestimmt hat.
§ 115
Schutz besonderer Daten
(1)
Das religiöse oder weltanschauliche Bekenntnis Gefangener und personenbezogene
Daten, die anlässlich medizinischer Untersuchungen erhoben worden sind, dürfen
in der Anstalt nicht allgemein kenntlich gemacht werden. Andere
personenbezogene Daten über Gefangene dürfen innerhalb der Anstalt allgemein
kenntlich gemacht werden, soweit dies für ein geordnetes Zusammenleben in der
Anstalt erforderlich ist; § 111 Absatz 3 und 4 sowie § 121 bleiben unberührt.
(2)
Personenbezogene Daten, die den in § 203 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 5 des
Strafgesetzbuches genannten Personen von Gefangenen als Geheimnis anvertraut
oder über Gefangene sonst bekannt geworden sind, unterliegen auch gegenüber der
Vollzugsbehörde der Schweigepflicht. Die in § 203 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 5
des Strafgesetzbuches genannten Personen haben sich gegenüber der
Anstaltsleitung zu offenbaren, soweit dies auch unter Berücksichtigung der
Interessen der Gefangenen an der Geheimhaltung der personenbezogenen Daten zur
Verhinderung von Selbstverletzungen, zur Abwehr von erheblichen Gefahren für
Leib oder Leben anderer Gefangener oder Dritter oder zur Abwehr der Gefahr
erheblicher Straftaten im Einzelfall erforderlich ist. Die Ärztin oder der Arzt
ist zur Offenbarung ihr oder ihm im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsfürsorge
bekannt gewordener Geheimnisse befugt, soweit dies für die Aufgabenerfüllung
der Vollzugsbehörde unerlässlich oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren für
Leib oder Leben Gefangener oder Dritter erforderlich ist. Sonstige
Offenbarungsbefugnisse bleiben unberührt. Gefangene sind vor der Erhebung über
die nach den Sätzen 2 und 3 bestehenden Offenbarungsbefugnisse zu unterrichten.
(3)
Die nach Absatz 2 offenbarten Daten dürfen nur für den Zweck, für den sie
offenbart wurden oder für den eine Offenbarung zulässig gewesen wäre, und nur
unter denselben Voraussetzungen verarbeitet werden, unter denen eine in § 203
Absatz 1 Nummer 1, 2 und 5 des Strafgesetzbuches genannte Person selbst hierzu
befugt wäre. Die Anstaltsleitung kann unter diesen Voraussetzungen die
unmittelbare Offenbarung gegenüber bestimmten Bediensteten allgemein zulassen.
(4)
Sofern Ärztinnen oder Ärzte oder Psychologinnen oder Psychologen außerhalb des
Vollzuges mit der Untersuchung oder Behandlung Gefangener beauftragt werden,
gilt Absatz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass die beauftragte Person auch
zur Unterrichtung des ärztlichen Dienstes der Anstalt oder der in der Anstalt
mit der Behandlung der betroffenen Gefangenen betrauten Person des
psychologischen Dienstes befugt ist.
(5)
Behandeln die in § 203 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 5 des Strafgesetzbuches
genannten Personen gleichzeitig oder nacheinander dieselben Gefangenen, so
unterliegen sie im Verhältnis zueinander nicht der Schweigepflicht und sind zur
umfassenden gegenseitigen Information und Auskunft verpflichtet, soweit dies
zum Zwecke einer zielgerichteten gemeinsamen Behandlung erforderlich ist und
1. eine wirksame Einwilligung der Gefangenen vorliegt oder
2.
sie in Bezug auf die betreffenden Gefangenen nicht mit anderen Aufgaben im
Vollzug betraut sind.
§ 116
Auskünfte an Opfer
(1)
Opfern wird auf schriftlichen Antrag Auskunft über die Inhaftierung und deren
Beendigung, die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen, opferbezogene Weisungen
und die Unterbringung im offenen Vollzug erteilt, wenn die Opfer ein berechtigtes
Interesse darlegen und kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse der
Gefangenen am Ausschluss der Mitteilung vorliegt. Der Nachweis der Zulassung
zur Nebenklage ersetzt in der Regel die Darlegung des berechtigten Interesses.
Dies gilt nicht, wenn den Gefangenen erneut vollzugsöffnende Maßnahmen gewährt
werden. § 117 Absatz 1 bleibt unberührt.
(2)
Besteht auf Grund einer Flucht einer oder eines Gefangenen eine konkrete Gefahr
für Leib oder Leben, ergeht eine Mitteilung nach Absatz 1 auch ohne Antrag.
(3)
Opfern und anderen aus der Straftat Anspruchsberechtigten können auf
schriftlichen Antrag Auskünfte über die Entlassungsadresse oder die
Vermögensverhältnisse der Gefangenen erteilt werden, wenn die Erteilung zur
Feststellung oder Durchsetzung von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der
Straftat erforderlich ist. § 117 Absatz 2 gilt entsprechend.
(4)
Besteht Anlass zu der Besorgnis, dass die Offenlegung von Lebensumständen der
Antragstellerinnen und Antragsteller deren Leib oder Leben gefährdet, kann die
Offenlegung gegenüber den Gefangenen unterbleiben. Die Mitteilung der Anschrift
der Antragstellerinnen und Antragsteller an die Gefangenen bedarf der
Einwilligung.
§ 117
Haftmitteilungen an öffentliche und nicht öffentliche Stellen
(1)
Öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen darf die Vollzugsbehörde auf
schriftlichen Antrag mitteilen, ob sich eine Person in Haft befindet sowie ob
und wann ihre Entlassung voraussichtlich innerhalb eines Jahres bevorsteht,
soweit
1. die Mitteilung zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der öffentlichen Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist oder
2.
von nicht öffentlichen Stellen ein berechtigtes Interesse an dieser Mitteilung glaubhaft
dargelegt wird und die Gefangenen kein schutzwürdiges Interesse an dem
Ausschluss der Übermittlung haben.
(2)
Die Gefangenen werden vor der Mitteilung gehört, soweit dadurch nicht die
Verfolgung des Interesses der Antragstellerinnen und Antragsteller vereitelt
oder wesentlich erschwert wird und eine Abwägung ergibt, dass das Interesse der
Antragstellerinnen und Antragsteller das Interesse der Gefangenen an ihrer
vorherigen Anhörung überwiegt. Ist die Anhörung unterblieben, werden die
betroffenen Gefangenen über die Mitteilung der Vollzugsbehörde nachträglich
unterrichtet.
§ 118
Überlassung von Akten
(1)
Soweit die Übermittlung der darin enthaltenen Daten zulässig ist, dürfen Akten
mit personenbezogenen Daten nur anderen Vollzugsbehörden, den zur Dienst- oder
Fachaufsicht oder zu dienstlichen Weisungen befugten Stellen, den für
strafvollzugs-, strafvollstreckungs- und strafrechtliche Entscheidungen
zuständigen Gerichten sowie den Strafvollstreckungs- und
Strafverfolgungsbehörden überlassen werden. Die Überlassung an andere
öffentliche Stellen ist zulässig, soweit die Erteilung einer Auskunft einen
unvertretbaren Aufwand erfordert oder nach Darlegung der die Akteneinsicht
begehrenden Stellen für die Erfüllung der Aufgabe nicht ausreicht. Entsprechendes
gilt für die Überlassung von Akten an die von der Vollzugsbehörde, den
Strafverfolgungsbehörden oder den Gerichten mit Gutachten oder der Nachsorge
von Gefangenen beauftragten Stellen.
(2)
Sind mit personenbezogenen Daten, die nach § 111 Absatz 1 und 2 oder § 114
übermittelt werden dürfen, weitere personenbezogene Daten der Betroffenen oder
Dritter in Akten so verbunden, dass eine Trennung nicht oder nur mit
unvertretbarem Aufwand möglich ist, so ist die Übermittlung auch dieser Daten
zulässig, soweit nicht berechtigte Interessen der Betroffenen oder Dritter an
deren Geheimhaltung offensichtlich überwiegen. Eine Verarbeitung dieser Daten
durch die Empfängerinnen oder Empfänger ist unzulässig. Hierauf muss bei der
Übermittlung der Daten hingewiesen werden.
§ 119
Auskünfte an Betroffene, Akteneinsicht
Die
Betroffenen erhalten nach Maßgabe der §§ 18 und 35 Absatz 2 Satz 1 des
Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen Auskunft. Sie erhalten Akteneinsicht,
soweit eine Auskunft für die Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen nicht
ausreicht und sie hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen sind.
§ 120
Übermittlung personenbezogener Informationen für wissenschaftliche Zwecke
(1)
Die Übermittlung personenbezogener Informationen in Akten und Dateien an Hochschulen,
andere Einrichtungen, die wissenschaftliche Forschung betreiben, und
öffentliche Stellen ist zulässig, soweit
1. dies für die Durchführung bestimmter wissenschaftlicher Forschungsarbeiten erforderlich ist,
2. eine Nutzung anonymisierter Daten zu diesem Zweck nicht möglich oder die Anonymisierung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist und
3.
das öffentliche Interesse an der Forschungsarbeit das schutzwürdige Interesse
der Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung erheblich überwiegt.
Bei
der Abwägung nach Satz 1 Nummer 3 ist im Rahmen des öffentlichen Interesses das
wissenschaftliche Interesse an dem Forschungsvorhaben besonders zu
berücksichtigen.
(2)
Die Übermittlung der Informationen erfolgt durch Erteilung von Auskünften, wenn
hierdurch der Zweck der Forschungsarbeit erreicht werden kann und die Erteilung
keinen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Andernfalls kann auch
Einsichtnahme in Akten und Dateien gewährt werden. Die Akten und Dateien können
zur Einsichtnahme übersandt werden.
(3)
Personenbezogene Informationen werden nur an solche Personen übermittelt, die
Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete sind oder
die zur Geheimhaltung verpflichtet worden sind. § 1 Absatz 2, 3 und 4 Nummer 2
des Verpflichtungsgesetzes vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469, 547), das durch §
1 Nummer 4 des Gesetzes vom 15. August 1974 (BGBl. I S. 1942) geändert worden
ist, findet auf die Verpflichtung zur Geheimhaltung entsprechende Anwendung.
(4)
Die personenbezogenen Informationen dürfen nur für die Forschungsarbeit
verwendet werden, für die sie übermittelt worden sind. Die Verwendung für
andere Forschungsarbeiten oder die Weitergabe richtet sich nach den Absätzen 1
bis 3 und bedarf der Einwilligung der Stelle, die die Übermittlung der Daten
angeordnet hat.
(5)
Die Informationen sind gegen unbefugte Kenntnisnahme durch Dritte zu schützen.
Die wissenschaftliche Forschung betreibende Stelle hat dafür zu sorgen, dass
die Verwendung der personenbezogenen Daten räumlich und organisatorisch
getrennt von der Erfüllung solcher Verwaltungsaufgaben oder Geschäftszwecke
erfolgt, für die diese Informationen gleichfalls von Bedeutung sein können.
(6)
Sobald der Forschungszweck es erlaubt, sind die personenbezogenen Daten zu
anonymisieren. Solange dies noch nicht möglich ist, sind die Merkmale gesondert
aufzubewahren, mit denen Einzelangaben über persönliche oder sachliche
Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden
können. Sie dürfen mit den Einzelangaben nur zusammengeführt werden, soweit der
Forschungszweck dies erfordert.
(7)
Wer nach den Absätzen 1 bis 3 personenbezogene Informationen erhalten hat, darf
diese nur veröffentlichen, wenn dies für die Darstellung von Forschungsergebnissen
über Ereignisse der Zeitgeschichte unerlässlich ist. Die Veröffentlichung
bedarf der Einwilligung der Stelle, die die Informationen übermittelt hat.
(8)
Sind die Empfängerinnen oder Empfänger nicht öffentliche Stellen, finden die
Vorschriften des Dritten Abschnitts des Bundesdatenschutzgesetzes in der
Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66), das zuletzt
durch Artikel 1 des Gesetzes vom 25. Februar 2015 (BGBl. I S. 162) geändert
worden ist, auch Anwendung, wenn die Informationen nicht in oder aus Dateien
verarbeitet werden.
§ 121
Einschränkungen
Die
Übermittlung von personenbezogenen Daten unterbleibt, soweit die in § 115
Absatz 2, § 122 Absatz 1 und 2 geregelten Einschränkungen oder besondere
gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.
§ 122
Berichtigung, Löschung, Sperrung
(1)
Wird festgestellt, dass unrichtige Daten übermittelt worden sind, ist dies den
Empfängerinnen oder Empfängern mitzuteilen, wenn dies zur Wahrung
schutzwürdiger Interessen der Betroffenen erforderlich ist.
(2)
Personenbezogene Daten in Dateien oder in Akten dürfen nach Ablauf von zwei
Jahren seit der Entlassung der Gefangenen nur übermittelt oder genutzt werden,
soweit dies
1. für das Auffinden der Gefangenenpersonalakten oder der Gesundheitsakten,
2. für die Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben gemäß §§ 120 und 126,
3. zur Verfolgung von Straftaten,
4. zur Behebung einer bestehenden Beweisnot oder
5.
zur Feststellung, Durchsetzung oder Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang
mit dem Vollzug einer Strafe
erforderlich
ist. Diese Verwendungsbeschränkungen enden, wenn Gefangene erneut in derselben
oder einer anderen Einrichtung des Justizvollzuges zum Vollzug einer Strafe,
Sicherungsverwahrung oder Untersuchungshaft aufgenommen werden oder die
Betroffenen eingewilligt haben.
(3)
Die in Dateien gespeicherten oder in Akten aufbewahrten personenbezogenen Daten
sind spätestens zehn Jahre nach der letzten Entlassung der Gefangenen zu
löschen. Abweichend von Satz 1 sind die in Gesundheitsakten aufbewahrten
personenbezogenen Daten nach 20 Jahren zu löschen. Satz 2 gilt auch für in
Dateien gespeicherte personenbezogene Daten.
(4)
Die Fristen nach Absatz 3 gelten nicht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen
ist, dass die Speicherung oder Aufbewahrung für die in Absatz 2 genannten
Zwecke weiterhin erforderlich ist.
(5)
An die Stelle einer Löschung nach Absatz 3 tritt eine Sperrung, soweit durch
ein Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes abweichende Aufbewahrungsfristen
geregelt sind.
(6)
Im Übrigen gilt für die Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener
Daten § 19 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen. Werden Daten nach den
Vorschriften dieses Abschnittes an andere öffentliche oder nicht öffentliche
Stellen, die keine Vollzugsbehörden sind, übermittelt, müssen die
Empfängerinnen und Empfänger die Daten nach Erreichung des Übermittlungszweckes
unverzüglich löschen, es sei denn die weitere Speicherung und Verarbeitung der
Daten ist nach Maßgabe der Vorschriften dieses Abschnittes oder aufgrund
anderer gesetzlicher Vorschriften gestattet.
(7)
Die Aufbewahrungsfrist von Akten beginnt mit dem auf das Jahr der aktenmäßigen
Weglegung folgenden Kalenderjahr.
(8)
Die archivrechtlichen Vorschriften des Bundes und des Landes bleiben unberührt.
§ 123
Datenverarbeitungsverfahren
(1)
Die gemäß §§ 68, 108 und 109 erhobenen und nach Maßgabe dieses Abschnitts zu
verarbeitenden Daten können im Geltungsbereich dieses Gesetzes für die
Vollzugsbehörden in einer zentralen Datei gespeichert werden. Die speichernde
Stelle hat zu gewährleisten, dass die Übermittlung und der Abruf zumindest
durch geeignete Stichprobenverfahren festgestellt und überprüft werden können.
(2)
Die Einrichtung eines gemeinsamen oder verbundenen automatisierten Verfahrens,
in dem innerhalb einer Vollzugsbehörde oder in und aus mehreren
Vollzugsbehörden personenbezogene Daten automatisiert verarbeitet werden und
abgerufen werden können, ist zulässig, soweit die automatisierte Übermittlung
von Daten zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten
oder anderen Einrichtungen des Justizvollzuges, zu Zwecken der Behandlung oder
der Nachsorge von Gefangenen, aus Gründen der Vereinfachung der Verwaltung oder
zur Wahrnehmung von Kontroll- und Aufsichtsbefugnissen der Aufsichtsbehörde
unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange der betroffenen Personen und
der Aufgaben der beteiligten Stellen angemessen ist. Die Verantwortung für die
Einrichtung von automatisierten Verfahren, Verbundverfahren und Verbunddateien
trägt das Justizministerium oder die von ihm für das jeweilige Fachverfahren
bestimmte Stelle. Innerhalb einer speichernden Stelle legt die Leitung der
Einrichtung den Umfang der Verarbeitungsbefugnis in den einzelnen
Aufgabengebieten im Einvernehmen mit dem Justizministerium fest.
(3)
Die elektronische Datenübermittlung personenbezogener Daten Gefangener an die
eingerichteten Zentralstellen des Justizvollzuges erfolgt im automatisierten
Verfahren.
(4)
Die Staatsanwaltschaften bei den Gerichten des Landes Nordrhein-Westfalen sind
befugt, personenbezogene Daten über Freiheitsentziehungen im automatisierten
Verfahren abzurufen, soweit diese Daten für Zwecke der Strafrechtspflege
erforderlich sind.
(5)
Die Landesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung die Einzelheiten der
Einrichtung automatisierter Übermittlungs- und Abrufverfahren. Die
Empfängerinnen und Empfänger, die Datenart und der Zweck des Abrufs sind
festzulegen. Die oder der Landesbeauftragte für Datenschutz und
Informationsfreiheit ist vorher zu unterrichten. Die Ermächtigung zum Erlass
der Rechtsverordnungen kann auf das Justizministerium übertragen werden. Die
Vorschriften über die Zulässigkeit des einzelnen Abrufs bleiben unberührt.
(6)
Für die Zulässigkeit der Einrichtung und die Einzelheiten der Durchführung von
Datenverarbeitungsverfahren nach den Absätzen 1 bis 4 gelten im Übrigen § 4a
(Verbunddateien), § 9 (Automatisiertes Abrufverfahren) und § 11 (Verarbeitung
personenbezogener Daten im Auftrag und regelmäßige Datenübermittlung) des
Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen entsprechend. Die weiteren Befugnisse
zur Einrichtung automatisierter Übermittlungs- und Abrufverfahren, der
Einrichtung von Datenverbünden, auch im automatisierten Verfahren, sowie zur
Veranlassung einer Datenverarbeitung im Auftrag nach dem Datenschutzgesetz
Nordrhein-Westfalen bleiben unberührt
(7)
Erfolgt die Übermittlung oder der Abruf von personenbezogenen Daten im
automatisierten Verfahren oder im automatisierten Verbundverfahren, so trägt
die Empfängerin oder der Empfänger die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit des
Abrufs.
(8)
Die Zulässigkeit der automatisierten Übermittlung der in § 13 Absatz 1 Satz 3
des Bundeskriminalamtgesetzes in der jeweiligen Fassung jeweils angeführten
personenbezogenen Daten bleibt unberührt.
(9)
Das Justizministerium kann mit anderen Ländern und dem Bund einen Datenverbund
vereinbaren, der eine automatisierte Datenübermittlung ermöglicht.
§ 124
Daten bei elektronischer Aufenthaltsüberwachung
(1)
Die elektronische Aufenthaltsüberwachung erfolgt durch die ergänzende
technische Beaufsichtigung einer oder eines Gefangenen bei einer Ausführung in
Begleitung von Bediensteten der Anstalt. Die elektronische
Aufenthaltsüberwachung dient dem Zweck, im Falle einer Entweichung der zu
überwachenden Person diese auf Grundlage eines Bewegungsprofils erleichtert
wieder ergreifen zu können. Die elektronische Aufenthaltsüberwachung endet mit
der ordnungsgemäßen Rückkehr der zu überwachenden Person in die Anstalt.
(2)
Zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung kann die für die elektronische
Aufenthaltsüberwachung zuständige zentrale Datenverarbeitungsstelle Daten über
den Aufenthaltsort der Gefangenen und den Zeitpunkt der Datenerhebung
(aufenthaltsbezogene Daten) mit der zugelassenen Technik, namentlich mittels
Global Positioning (GPS) und Funksystemen, durch Empfangsgeräte erheben. Es
kann als Sender ein Überwachungsgerät zur automatisierten Identifikation und Lokalisierung
mit dem Hand- oder Fußgelenk der zu überwachenden Person so verbunden werden,
dass eine ordnungsgemäße Trennung nur durch die Anstalt oder die
Überwachungsstelle erfolgen kann.
(3)
Datenverantwortliche Stelle ist das Justizministerium. Es kann die gemeinsame
Überwachungsstelle der Länder nach Maßgabe der folgenden Absätze mit der
elektronischen Aufenthaltsüberwachung beauftragen.
(4)
Zur Einhaltung der Zweckbindung erfolgt die Erhebung und Verarbeitung der
aufenthaltsbezogenen Daten automatisiert. Bei jedem Abruf sind zumindest der
Zeitpunkt, die abgerufenen Daten und die Bearbeiter zu protokollieren.
(5)
Die zentrale Datenverarbeitungsstelle weist den mit dem Hand- oder Fußgelenk
der zu überwachenden Personen zu verbindenden Überwachungsgeräten eine
Identifikationsnummer zu, die personenbezogene Daten der zu überwachenden
Personen nicht enthalten darf. Die zuständige Anstalt ordnet ein mit einer
Identifikationsnummer versehenes Überwachungsgerät rechtzeitig vor einer
Ausführung einer bestimmten zu überwachenden Person zu und beauftragt die
zentrale Datenverarbeitungsstelle für die Zeit der Ausführung mit der
elektronischen Aufenthaltsüberwachung. In dem Auftrag sind nur die zugeordnete
Identifikationsnummer des eingesetzten Überwachungsgerätes sowie der
voraussichtliche Zeitraum der Überwachung zu benennen. Der Überwachungsstelle
ist ein Personendatenblatt zu übersenden, das die für die Zuordnung der
Überwachung erforderlichen personenbezogenen Daten und die für den Alarmfall
erforderlichen Angaben enthalten darf. In das Personendatenblatt dürfen
namentlich Angaben über die zuständige Anstalt, ihre Erreichbarkeit, den Namen
der die Ausführung begleitenden Bediensteten und die im Falle einer Entweichung
für die Fahndung und Wiederergreifung zuständige Polizeidienststelle
aufgenommen werden. In der Mitteilung an die Überwachungsstelle dürfen darüber
hinaus die Vor- und Nachnamen und das Geburtsdatum der zu überwachenden Person
sowie das Datum, der Zeitpunkt und der Ort der Ausführung angegeben werden.
(6)
Das Überwachungsgerät ist durch Bedienstete der Anstalt anzulegen und die zu
überwachende Person ist vor der ersten Ausführung in die Funktionsweise und die
möglichen rechtlichen Folgen einer gewaltsamen Entfernung des
Überwachungsgerätes einzuweisen. Die Einweisung ist zu dokumentieren.
(7)
Die nach Absatz 1 erhobenen aufenthaltsbezogenen Daten sind nach Abschluss der
Ausführung innerhalb einer Frist von 24 Stunden automatisiert zu löschen.
Hierzu teilt die Anstalt der Überwachungsstelle unverzüglich das Ende der
elektronischen Aufenthaltsüberwachung mit, die die Löschung der Daten
veranlasst, soweit nicht eine weitere Speicherung und Verarbeitung im
Einzelfall zur Aufklärung und Ahndung eines Pflichtenverstoßes, zur Aufklärung
oder Verfolgung von Straftaten oder zur Abwehr erheblicher gegenwärtiger Gefahr
für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder
die sexuelle Selbstbestimmung Dritter erforderlich ist. Ist die automatisierte
Löschung der aufenthaltsbezogenen Daten zu diesen Zwecken auszusetzen,
beantragt die Anstalt dies unverzüglich bei der Überwachungsstelle. Für die
erweiterten Zwecke darf die Überwachungsstelle die Daten mit Einwilligung der
Anstalt unmittelbar den zuständigen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden
übermitteln.
(8)
Im Falle einer Entweichung lösen die die Ausführung begleitenden Bediensteten
unverzüglich den Alarmfall aus. Hierzu benachrichtigen sie unverzüglich die
Überwachungsstelle über die Entweichung. Die Verpflichtung der Anstalt und der
Bediensteten zur unverzüglichen Benachrichtigung der zuständigen
Polizeidienststelle bleibt unberührt. Die Überwachungsstelle darf den für die
Fahndung oder die Wiederergreifung zuständigen Polizeidienststellen die bei der
elektronischen Aufenthaltsüberwachung erhobenen aufenthaltsbezogenen Daten
unmittelbar mitteilen. Absatz 7 gilt entsprechend. Die Frist des Absatzes 7
Satz 1 beginnt mit der Wiederergreifung der oder des Gefangenen oder mit der
Beendigung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung.
§ 125
Anwendung des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen
Die
Definition öffentlicher Stellen in § 2 Absatz 1 Satz 1 des Datenschutzgesetzes
Nordrhein-Westfalen sowie die Regelungen des Datenschutzgesetzes
Nordrhein-Westfalen betreffend die Begriffsbestimmungen (§ 3), die Einwilligung
der Betroffenen (§ 4 Absatz 1 Satz 2 bis 5), die Rechte der betroffenen Person
(§ 5), das Datengeheimnis (§ 6), das Verfahrensverzeichnis (§ 8), den
Schadensersatz (§ 20), die Bestimmungen über die Kontrolle durch die oder den
Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (§§ 22 bis 25)
sowie die Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 33 und 34) finden Anwendung.
Abschnitt 23
Kriminologischer Dienst, Schlussbestimmungen
§ 126
Kriminologischer Dienst
(1)
Dem kriminologischen Dienst obliegt es, in Zusammenarbeit mit den Einrichtungen
der Forschung den Vollzug, insbesondere die Behandlungsmethoden,
wissenschaftlich zu begleiten und seine Ergebnisse für die Weiterentwicklung
der Behandlungs- und Eingliederungsmaßnahmen und der Leitlinien des Vollzuges
nutzbar zu machen.
(2)
Die Begleitforschung beinhaltet namentlich die regelmäßige Erhebung des
Behandlungsbedarfs und die Auswertung des Behandlungsverlaufs. In die Bewertung
sollen die Erfahrungen der Praxis und der oder des Justizvollzugsbeauftragten
des Landes Nordrhein-Westfalen einfließen.
(3)
§ 120 gilt entsprechend.
§ 127
Einschränkung von Grundrechten
Durch
dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 und 2 (körperliche
Unversehrtheit und Freiheit der Person), Artikel 5 Absatz 1 Satz 1
(Informationsfreiheit) und Artikel 10 Absatz 1 (Brief-, Post- und
Fernmeldegeheimnis) des Grundgesetzes eingeschränkt.
§ 128
Ersetzung und Fortgeltung von Bundesrecht
Dieses
Gesetz ersetzt nach Artikel 125a Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes in seinem
Geltungsbereich das Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581,
2088; 1977 I S. 436), das zuletzt durch Artikel 152 der Verordnung vom 31.
August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist, mit Ausnahme der
Vorschriften über
1. den Urlaub aus der Haft (§ 13 Absatz 5),
2. den Pfändungsschutz (§ 43 Absatz 11 Satz 2, § 50 Absatz 2 Satz 5, § 51 Absatz 4 und 5, § 75 Absatz 3),
3. das Festnahmerecht (§ 87),
4. den Ersatz von Aufwendungen (§ 93),
5. das Handeln auf Anordnung (§ 97),
6. das gerichtliche Verfahren (§§ 109 bis 121),
7. die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und einer Entziehungsanstalt (§§ 136 bis 138),
8. den Vollzug des Strafarrestes in Justizvollzugsanstalten (§§ 167 bis 170, 178 Absatz 2) und
9.
den Vollzug von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft (§§ 171 bis
175, 178 Absatz 2).
§ 129
Übergangsvorschrift
Bis
zum Inkrafttreten einer Verordnung nach § 32 Absatz 3 Satz 3 gilt die Strafvollzugsvergütungsordnung
vom 11. Januar 1977 (BGBl. I S. 57), die durch Artikel 6 des Gesetzes vom 13.
Dezember 2007 (BGBl. I S. 2894) geändert worden ist, fort.
§ 130
Inkrafttreten, Berichtspflicht
(1)
Dieses Gesetz tritt am ersten Tag des vierten auf die Verkündung folgenden
Kalendermonats in Kraft.
(2)
Die Landesregierung berichtet dem Landtag bis zum 31. Dezember 2019 über die
mit diesem Gesetz gemachten Erfahrungen.“
46
Artikel 4
Änderung des Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen
Das
Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 30. April 2013 (GV. NRW. S. 212), das durch Artikel 7 des Gesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:
a)
Die Angabe zu § 15 wird wie folgt gefasst:
„§ 15 Ausstattung des Zimmers, persönlicher Besitz, Auslesen von Datenspeichern“
b)
Die Angabe zu § 68 wird wie folgt gefasst:
„§ 68 Erkennungsdienstliche Maßnahmen, Identitätsfeststellungsverfahren“
c)
Die Angabe zu § 99 wird wie folgt gefasst:
„§ 99 Anwendung datenschutzrechtlicher Regelungen, Datenverarbeitungsverfahren“
d)
Die Angaben zu §§ 100 bis 113 werden gestrichen.
e) Die Angaben zu Abschnitt 19 werden wie folgt gefasst:
„Abschnitt 19
Schlussbestimmungen
§ 100 Kriminologischer Dienst, Evaluation
§ 101 Einschränkung von Grundrechten
§ 102 Fortgeltung und Ersetzung von Bundesrecht
§
103 Inkrafttreten, Außerkrafttreten, Berichtspflicht“
2. § 7 Absatz 2 wird wie folgt geändert:
a) In Satz 1 werden nach dem Wort „Tat“ die Wörter „und deren Folgen für die Opfer“ eingefügt.
b)
In Satz 2 werden die Wörter „und deren Folgen für das Opfer“ gestrichen.
3.
In § 10 Absatz 3 Satz 2 wird das Wort „Zustimmung“ durch das Wort
„Einwilligung“ ersetzt.
4. § 14 Absatz 3 wird wie folgt geändert:
a) In Satz 1 werden die Wörter „die oder der Untergebrachte, die oder der nicht hilfsbedürftig ist, zustimmt“ durch die Wörter „die oder der nicht gefährdete Untergebrachte einwilligt“ ersetzt.
b)
In Satz 2 werden die Wörter „Zustimmung beider Untergebrachter“ durch die
Wörter „Einwilligung aller betroffenen Untergebrachten“ ersetzt.
5. § 15 wird wie folgt geändert:
a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
„§ 15
Ausstattung des Zimmers, persönlicher Besitz, Auslesen von Datenspeichern“
b)
Folgender Absatz 3 wird angefügt:
„(3) § 15 Absatz 3 bis 7 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 13.
Januar 2015 (GV. NRW. S. 76) in der jeweils geltenden Fassung gilt
entsprechend.“
6.
In § 17 Absatz 1 Satz 4 werden nach dem Wort „befolgen“ die Wörter „oder sich
vegetarisch zu ernähren“ eingefügt.
7. § 21 wird wie folgt geändert:
a)
Absatz 4 wird wie folgt gefasst:
„(4) Aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung kann die Zulassung
einer Person zum Besuch von ihrer Durchsuchung oder einer Sicherheitsanfrage
nach § 109 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen abhängig gemacht
werden.“
b)
Folgender Absatz 5 wird angefügt:
„(5) Die Einrichtung kann die Anzahl der gleichzeitig zum Besuch zugelassenen
Personen beschränken.“
8. § 22 Absatz 2 wird wie folgt geändert:
a) In Satz 1 wird vor dem Wort „akustische“ das Wort „offene“ eingefügt.
b)
In Satz 2 wird das Wort „wenn“ durch das Wort „soweit“ ersetzt.
9.
In § 26 Absatz 3 Satz 1 werden die Wörter „einer unregelmäßigen Überwachung der
Telekommunikation zustimmen“ durch die Wörter „in eine unregelmäßige
Überwachung der Telekommunikation einwilligen“ ersetzt.
10. § 27 wird wie folgt geändert:
a) In der Nummer 2 wird nach dem Wort „behindert,“ das Wort „oder“ gestrichen.
b)
In Nummer 3 wird der Punkt am Ende durch das Wort „oder“ ersetzt.
c)
Folgende Nummer 4 wird angefügt:
„4. zu befürchten ist, dass der Kontakt Bestrebungen im Sinne des § 3 Absatz 1
in Verbindung mit Absatz 5 des Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen
vom 20. Dezember 1994 (GV. NRW. 1995, S. 28) in der jeweils geltenden Fassung
oder entsprechende Verhaltensweisen fördert.“
11. § 28 Absatz 4 wird wie folgt geändert:
a) Den Nummern 4, 9 und 10 werden jeweils die Wörter „der oder“ vorangestellt.
b) In Nummer 14 werden nach dem Wort „Frau“ die Wörter „sowie der Abteilung der Vereinten Nationen für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Frau“ eingefügt.
c) In Nummer 15 wird nach den Wörtern „Folter und“ das Wort „der“ durch das Wort „den“ ersetzt.
d)
Der Nummer 16 werden die Wörter „der oder“ vorangestellt.
12.
§ 32 Absatz 3 Satz 3 wird wie folgt gefasst:
„Das Justizministerium wird ermächtigt, zur Umsetzung der Vorschriften über die
Vergütung eine Rechtsverordnung über die Bemessung des Arbeitsentgeltes, die
Ausbildungsbeihilfe, die anrechenbaren Arbeitszeiten, die Zeiteinheiten in
Stunden oder Minuten, die Entgeltart als Zeit- oder Leistungsentgelt, die
Vergütungsstufen und die Gewährung von Zulagen zu erlassen.“
13.
In § 33 Absatz 2 Satz 2 werden nach dem Wort „von“ das Wort „nahen“ und nach
dem Wort „Angehörigen“ die Wörter „der Untergebrachten oder ihnen besonders
nahestehenden Personen“ eingefügt.
14. § 37 wird wie folgt geändert:
a)
Dem Absatz 1 Satz 1 wird folgender Satz 2 angefügt:
„Die Höhe richtet sich nach den in § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch -
Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022,
3023) in der jeweils geltenden Fassung festgeschriebenen Regelsätzen und soll
für die Untergebrachten den vierfachen und für ihre Unterhaltsberechtigten den
zweifachen monatlichen Mindestbetrag nicht unterschreiten.“
b)
Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 2 eingefügt:
„(2) Das Überbrückungsgeld ist in angemessenen, auf den voraussichtlichen
Entlassungszeitpunkt abgestimmten Teilbeträgen anzusparen, die die Einrichtung
festsetzt. Die Höhe der Teilbeträge ist regelmäßig zu überprüfen und bei grundlegenden
Veränderungen anzupassen.“
c)
Der bisherige Absatz 2 wird Absatz 3 und folgende Sätze werden angefügt:
„Die Einrichtung kann es ganz oder teilweise dem ambulanten Sozialen Dienst der
Justiz oder mit Einwilligung der Untergebrachten an eine andere mit der
Entlassung befasste Stelle zur Verwaltung in den ersten vier Wochen nach der
Entlassung überlassen, wenn diese das Geld von ihrem sonstigen Vermögen
gesondert halten. Mit Einwilligung der Untergebrachten kann das
Überbrückungsgeld auch an Unterhaltsberechtigte überwiesen werden.“
d)
Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 4.
e)
Folgender Absatz 5 wird angefügt:
„(5) Bei Verlegungen von Untergebrachten aus Bundesländern, die die Bildung
eines Überbrückungsgeldes nicht vorsehen, werden Gelder, die die
Untergebrachten vor der Verlegung für die Sicherung des Lebensunterhaltes nach
der Entlassung angespart haben, mit der Gutschrift in der Aufnahmeeinrichtung
Überbrückungsgeld nach diesem Gesetz.“
15.
Dem § 38 werden folgende Sätze angefügt:
„Untergebrachte dürfen über ihr Eigengeld verfügen, soweit dieses nicht als
Überbrückungsgeld notwendig ist. § 37 Absatz 4 bleibt unberührt.“
16. § 40 wird wie folgt geändert:
a)
Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 4 eingefügt:
„(4) Die Reisekosten, die Kosten für ihren Lebensunterhalt und andere
Aufwendungen während ihres Aufenthalts außerhalb der Einrichtung und die Kosten
von Ausführungen können den Untergebrachten in angemessenem Umfang auferlegt
werden, soweit dies die Behandlung oder die Eingliederung nicht behindert.“
b) Der bisherige Absatz 4 wird Absatz 5 und wie folgt geändert:
aa) In Satz 1 wird nach dem Wort „den“ das Wort „sonstigen“ eingefügt.
bb)
In Satz 2 Nummer 4 werden nach dem Wort „Überlassung“ ein Komma und die Wörter
„die Überprüfung“ und nach dem Wort „Fernsehempfangs“ die Wörter „und für den
Betrieb von Mediensystemen in den Zimmern der Untergebrachten“ eingefügt.
17.
In § 48 wird das Wort „Zustimmung“ durch das Wort „Einwilligung“ ersetzt.
18. § 51 Absatz 2 wird wie folgt geändert:
a)
Nach Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:
„Untergebrachte können auf ein in ihren Zimmern installiertes Mediensystem
verwiesen werden.“
b)
In dem neuen Satz 3 werden nach den Wörtern „Empfangsanlagen und“ die Wörter
„Mediensystemen in den Zimmern der Untergebrachten sowie“ eingefügt.
19.
In § 52 Absatz 4 wird die Angabe „und 3“ durch die Angabe „bis 4“ ersetzt.
20. § 53 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:
aa) Der Nummer 1 wird folgende Nummer 1 vorangestellt:
„1.
das Verlassen der Einrichtung für eine bestimmte Tageszeit unter der ständigen
und unmittelbaren Aufsicht von Bediensteten (Ausführung),“
bb)
Die bisherigen Nummern 1 bis 3 werden Nummern 2 bis 4.
b) Absatz 3 wird wie folgt geändert:
aa)
Satz 1 wird wie folgt neu gefasst:
„Werden vollzugsöffnende Maßnahmen nach Absatz 1 Nummer 2 bis 4 nicht gewährt,
sind den Untergebrachten mindestens vier Mal im Vollstreckungsjahr Ausführungen
nach Absatz 1 Nummer 1 zu gewähren.“
bb)
Satz 2 wird aufgehoben.
c)
Folgende Absätze 4 bis 7 werden angefügt:
„(4) Bei Ausführungen zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit kann den
Untergebrachten, um Entweichungen entgegenzuwirken, nach Maßgabe des § 124 des
Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen aufgegeben werden, die für eine
elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen
Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren
Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
(5)
Kommen vollzugsöffnende Maßnahmen nicht in Betracht, sind die tragenden Gründe
zu dokumentieren und den Untergebrachten die noch zu erfüllenden
Voraussetzungen in verständlicher Form zu vermitteln.
(6)
Bei der Ausgestaltung vollzugsöffnender Maßnahmen ist den berechtigten Schutzinteressen
der Opfer und gefährdeter Dritter Rechnung zu tragen.
(7)
Vollzugsöffnende Maßnahmen werden nur zum Aufenthalt im Inland gewährt.“
21. § 54 wird wie folgt geändert:
a)
In Absatz 1 werden nach den Wörtern „Angehöriger der Untergebrachten“ die
Wörter „oder ihnen besonders nahestehender Personen“ eingefügt.
b)
Absatz 2 wird wie folgt gefasst:
„(2) Bei Ausführungen aus wichtigem Anlass gilt § 53 Absatz 2, Absatz 3 Satz 2
sowie Absatz 4 entsprechend.“
22. § 62 wird wie folgt geändert:
a)
Der Wortlaut wird Absatz 1.
b)
Folgender Absatz 2 wird angefügt:
„(2) Die Einrichtung ist befugt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Identität
aller Personen, die Zugang begehren, festzustellen.“
23. § 64 wird wie folgt geändert:
a)
In Absatz 2 Satz 1 werden nach den Wörtern „ist“ ein Komma und die Wörter „die
Entkleidung im Einzelfall jedoch unterbleibt, wenn hierdurch die Sicherheit
oder Ordnung der Einrichtung nicht gefährdet wird.“ eingefügt.
b)
Nach Absatz 3 Satz 3 wird folgender Satz eingefügt:
„Die Untersuchung von Körperöffnungen darf nur durch den ärztlichen Dienst
vorgenommen werden.“
24.
§ 65 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Diese Maßnahmen dürfen mit einem geringfügigen körperlichen Eingriff,
namentlich einer Punktion der Fingerbeere zur Abnahme einer geringen Menge von
Kapillarblut, verbunden sein, wenn die Untergebrachten einwilligen.“
25. § 66 wird wie folgt geändert:
a) Die Absätze 2, 3 und 4 werden aufgehoben.
b) Absatz 5 wird Absatz 2.
c)
Absatz 6 wird aufgehoben.
d) Absatz 7 wird Absatz 3 und wie folgt geändert:
aa)
Satz 1 wird aufgehoben.
bb)
Der neue Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Bildaufzeichnungen sind spätestens zwei Wochen nach ihrer Erhebung zu löschen,
soweit nicht ihre Speicherung aus den Gründen des § 111 Absatz 2 Nummer 1 bis 4
des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen weiterhin erforderlich ist.“
e)
Folgender Absatz 4 wird angefügt:
„(4) Die Beobachtung der Untergebrachten mittels Videotechnik erfolgt ansonsten
nur nach Maßgabe des § 69. Bildaufzeichnungen sind insoweit nicht zulässig.“
26. § 68 wird wie folgt gefasst:
„§ 68
Erkennungsdienstliche Maßnahmen, Identitätsfeststellungsverfahren
(1)
Zur Sicherung des Vollzuges, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der
Einrichtung oder zur Identitätsfeststellung sind mit Kenntnis der
Untergebrachten zulässig:
1. die Aufnahme von Lichtbildern,
2. die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale,
3. Messungen und
4.
die Erfassung biometrischer Merkmale von Fingern, Händen und Gesicht.
(2)
Die gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen oder Daten werden zu den
Personalakten der Untergebrachten genommen oder in personenbezogenen Dateien
gespeichert. Fingerabdruckdaten sind elektronisch zu speichern.
(3)
Fingerabdruckdaten nach Absatz 1 Nummer 4 sind von allen Untergebrachten zu
erheben, wenn nicht
1. die Identität einer oder eines Untergebrachten bereits anderweitig gesichert ist,
2. ein Abgleich der Fingerabdruckdaten mit den dem Justizvollzug vorliegenden Daten möglich ist oder
3.
eine Gefährdung der Sicherheit der Einrichtung ausgeschlossen werden kann.
Es
können Fingerabdruckdaten von allen zehn Fingern genommen und elektronisch
gespeichert werden. Die Einrichtung übermittelt die von ihr erhobenen Fingerabdruckdaten
unverzüglich dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen, das den Abgleich der
Fingerabdruckdaten zum Zwecke der Identifizierung der Untergebrachten
veranlasst. Weichen die personenbezogenen Daten von den der Einrichtung
bekannten Daten ab, teilt das Landeskriminalamt der Einrichtung die
abweichenden Daten mit. Die Daten dürfen auch im Wege eines automatisierten
Abrufverfahrens oder einer regelmäßigen Datenübermittlung abgefragt und
übermittelt werden. Die Landesregierung kann durch Rechtsverordnung weitere
Einzelheiten zur Datenerhebung und -übermittlung sowie zum Verfahren der
Ersuchen regeln. Die Ermächtigung kann auf das Justizministerium übertragen
werden. Die Einrichtung darf das Bundeskriminalamt auch unmittelbar um einen
Abgleich der Fingerabdruckdaten ersuchen. Auch kann als Dienst das bestehende
Abgleichverfahren mit dem Bundeskriminalamt über das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge genutzt werden. Die angefragten Behörden löschen die ihnen
übermittelten personenbezogenen Daten, soweit diese nicht zur Dokumentation des
Ersuchens erforderlich sind, sobald das Identitätsfeststellungsverfahren
abgeschlossen ist. Davon ausgenommen sind solche personenbezogenen Daten, die
die angefragten Behörden aufgrund der für sie geltenden gesetzlichen Grundlagen
auch selbst hätten erheben dürfen.
(4)
Die nach Absatz 1 und 3 gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen und Daten
dürfen von der Vollzugsbehörde im Übrigen nur für die in Absatz 1 und § 111
Absatz 2 Nummer 4 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen genannten
Zwecke verarbeitet und übermittelt werden. Sie dürfen außerdem den
Vollstreckungs- und Strafverfolgungsbehörden sowie den für die Fahndung und
Festnahme zuständigen Polizeidienststellen übermittelt werden, soweit dies für
Zwecke der Fahndung und Festnahme entwichener oder sich sonst ohne Erlaubnis
außerhalb der Einrichtung aufhaltender Untergebrachter erforderlich ist. Die
Übermittlung der Unterlagen oder Daten an Polizeibehörden des Bundes oder der
Länder ist auch zulässig, soweit dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für
erhebliche Rechtsgüter innerhalb der Einrichtung erforderlich ist.
(5)
Untergebrachte, die nach Absatz 1 erkennungsdienstlich behandelt worden sind,
können nach der Entlassung aus der Unterbringung verlangen, dass die gewonnenen
erkennungsdienstlichen Unterlagen und Daten mit Ausnahme der zu den
Personalakten genommenen oder elektronisch gespeicherten Lichtbilder, der
Fingerabdruckdaten und der Beschreibung von körperlichen Merkmalen vernichtet
oder gelöscht werden, sobald die Vollstreckung der richterlichen Entscheidung,
die der Unterbringung zugrunde gelegen hat, abgeschlossen ist. Sie sind über
dieses Recht bei der erkennungsdienstlichen Behandlung und bei der Entlassung
aufzuklären. Im Übrigen gilt für die Berichtigung, Löschung und Sperrung § 122
des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen.
27. § 69 wird wie folgt geändert:
a)
In Absatz 1 werden nach den Wörtern „Sachen oder“ die Wörter „die Gefahr“ und
nach dem Wort „Selbstverletzung“ die Wörter „oder Selbsttötung“ eingefügt.
b) Die Absätze 2 und 3 werden wie folgt gefasst:
„(2)
Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:
1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
2. die Trennung von anderen Untergebrachten (Absonderung),
3. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
4. die unregelmäßige oder ununterbrochene Beobachtung von Untergebrachten, auch mit technischen Hilfsmitteln,
5. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände und
6.
die Fesselung oder Fixierung.
(3)
Maßnahmen nach Absatz 2 Nummer 1 bis 3 und 5 sind auch zulässig, wenn die
Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Ordnung der Einrichtung
anders nicht abgewendet werden kann.“
c)
Nach Absatz 3 werden folgende Absätze 4 und 5 eingefügt:
„(4) Bei der Beobachtung nach Absatz 2 Nummer 4 ist das Schamgefühl der
Untergebrachten zu schonen. Nur im Ausnahmefall darf zusätzlich eine akustische
Überwachung angeordnet werden.
(5)
Für die Dauer der seelsorglichen Betreuung sind die Beobachtung und die
akustische Überwachung auf Verlangen der Seelsorgerinnen oder Seelsorger
auszusetzen.“
d)
Die bisherigen Absätze 4 und 5 werden die Absätze 6 und 7.
e)
Der bisherige Absatz 6 wird Absatz 8 und folgender Satz wird angefügt:
„Für die Beobachtung der Untergebrachten mittels Videotechnik in
Transportfahrzeugen gelten die Absätze 1, 2 Nummer 4 und Absatz 4
entsprechend.“
28.
§ 70 Absatz 5 wird wie folgt gefasst:
(5) Eine ununterbrochene Beobachtung von Untergebrachten mit technischen
Hilfsmitteln in Zimmern, die dem Aufenthalt bei Tag und bei Nacht dienen, nach
§ 69 Absatz 2 Nummer 4 sowie besondere Sicherungsmaßnahmen nach § 69 Absatz 2
Nummer 5 und 6 sind der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen, wenn sie
länger als drei Tage aufrechterhalten werden. Sind Untergebrachte in einem
besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände untergebracht und
fixiert, erfolgt die Mitteilung an die Aufsichtsbehörde nach Ablauf von 24
Stunden. Eine Absonderung von mehr als 30 Tagen Gesamtdauer in einem Jahr
bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Auf Antrag der Untergebrachten ist
unverzüglich deren Verteidigerin oder Verteidiger zu benachrichtigen.“
29. § 78 wird wie folgt geändert:
a)
Absatz 2 Satz 3 wird wie folgt gefasst:
„Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 1 und die ergriffenen Maßnahmen,
einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise und der
Wirkungsüberwachung, sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu
dokumentieren.“
b)
Nach Absatz 2 werden folgende Absätze 3 und 4 eingefügt:
„(3) Erfordert die Beurteilung der Gefahrenlage und die Abschätzung der
Notwendigkeit einer Behandlung psychischer Erkrankungen eine angemessene Zeit
der Beobachtung der Untergebrachten oder droht der oder dem Untergebrachten
aufgrund einer anderen Erkrankung eine schwerwiegende
Gesundheitsbeeinträchtigung, darf die Behandlung zwangsweise unter den weiteren
Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 nur begonnen werden, wenn
1. die Maßnahme der oder dem Untergebrachten mindestens eine Woche vor ihrer Umsetzung schriftlich und mündlich unter Angabe der Gründe sowie Art, Umfang und Dauer in einer dem Gesundheitszustand entsprechenden Weise angekündigt worden ist,
2.
die oder der Untergebrachte über die Möglichkeit belehrt worden ist, eine
gerichtliche Entscheidung nach § 109 des Strafvollzugsgesetzes herbeizuführen,
3. vor dem Eingriff durch ein von der behandelnden Einrichtung unabhängiges fachpsychiatrisches oder fachärztliches Votum bestätigt wird, dass
a) die oder der zu behandelnde Untergebrachte einsichtsunfähig ist,
b) die Vorteile des medizinischen Eingriffs gegenüber den damit verbundenen Nachteilen und Risiken deutlich überwiegen,
c) die Maßnahme nicht mit einer erheblichen Gefahr für das Leben der oder des Untergebrachten verbunden ist,
d)
eine schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit der oder des Untergebrachten
droht, und
4.
die Fachaufsichtsbehörde oder eine von ihr beauftragte Anstaltsärztin oder ein
von ihr beauftragter Anstaltsarzt, die oder der an der Anordnung und
Durchführung der Maßnahme nicht beteiligt ist, in die Maßnahme einwilligt.
Die
Anordnung gilt höchstens für die Dauer von drei Monaten. Nach Ablauf dieser
Zeit ist eine neue Anordnung zu treffen.
(4)
Über Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 3 sind Personensorgeberechtigte der
Untergebrachten unverzüglich zu unterrichten.“
c)
Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 5.
30.
§ 81 Absatz 2 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Disziplinarmaßnahmen ordnet die Leitung der Einrichtung an.“
31.
§ 99 wird wie folgt gefasst.
„§ 99
Anwendung datenschutzrechtlicher Regelungen,
Datenverarbeitungsverfahren
(1)
Die entsprechend § 68 dieses Gesetzes sowie §§ 108 und 109 des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen erhobenen und nach Maßgabe dieses Abschnitts zu
verarbeitenden Daten können im Geltungsbereich dieses Gesetzes für die
Vollzugsbehörden in einer zentralen Datei gespeichert werden. Die speichernde
Stelle hat zu gewährleisten, dass die Übermittlung und der Abruf zumindest
durch geeignete Stichprobenverfahren festgestellt und überprüft werden können.
(2)
Die Landesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung die Einzelheiten der
Einrichtung automatisierter Übermittlungs- und Abrufverfahren im
Geltungsbereich dieses Gesetzes. Die Rechtsverordnung hat die
Datenempfängerinnen und Datenempfänger, die Datenart und den Zweck des Abrufs
festzulegen. Die oder der Landesbeauftragte für Datenschutz und
Informationsfreiheit ist vorher zu unterrichten. Die Ermächtigung zum Erlass
der Rechtsverordnungen kann auf das Justizministerium übertragen werden. Die
Vorschriften über die Zulässigkeit des einzelnen Abrufs bleiben unberührt.
(3)
Im Übrigen gelten die Vorschriften des Abschnittes 22 des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen über den Datenschutz entsprechend.“
32.
Die §§ 100 bis 109 werden aufgehoben.
33.
§ 110 wird § 100 und wie folgt geändert:
a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
§ 100
Kriminologischer Dienst,
Evaluation“
b)
Absatz 2 wird wie folgt gefasst:
„(2) § 120 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.“
34.
§§ 111 bis 113 werden §§ 101 bis 103.
46
Artikel 5
Änderung des Jugendarrestvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen
Das
Jugendarrestvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 30. April 2013 (GV. NRW. S. 203) wird wie folgt geändert:
1. Das Inhaltsverzeichnis wird wie folgt geändert:
a)
Die Angabe zu § 22 wird wie folgt gefasst:
„§ 22 Besondere Maßnahmen“.
b)
Die Angabe zu § 33 wird wie folgt gefasst:
„§ 33 Datenschutz, kriminologischer Dienst“.
2. § 13 wird wie folgt gefasst:
„§ 13
Verpflegung
Zusammensetzung
und Nährwert der Verpflegung werden ärztlich überwacht. Auf ärztliche Anordnung
wird besondere Verpflegung gewährt. Den Jugendlichen ist zu ermöglichen,
Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen oder sich
vegetarisch zu ernähren.“
3.
§ 16 Absatz 2 wird wie folgt gefasst:
„(2) Die Vorschriften der §§ 21 bis 23 und 25 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen
vom 13. Januar 2015 (GV. NRW. S. 76) in der jeweils geltenden Fassung gelten
mit der Maßgabe entsprechend, dass Schriftwechsel auch dann untersagt oder
beschränkt werden kann, wenn die Personensorgeberechtigten aus
nachvollziehbaren Gründen nicht mit dem Kontakt einverstanden sind.“
4.
§ 21 Absatz 3 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Diese Maßnahmen dürfen mit einem geringfügigen körperlichen Eingriff,
namentlich einer Punktion der Fingerbeere zur Abnahme einer geringen Menge von
Kapillarblut, verbunden sein, wenn die Arrestantinnen und Arrestanten
einwilligen.“
5.
§ 22 wird wie folgt geändert:
a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
„§ 22
Besondere Maßnahmen“.
b) Absatz 2 wird wie folgt geändert:
aa)
Nach Nummer 1 wird folgende Nummer 2 eingefügt:
„2. die Beobachtung von Jugendlichen ohne technische Hilfsmittel,“.
bb)
Die bisherigen Nummern 2 und 3 werden die Nummern 3 und 4.
c)
Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 3 eingefügt:
„(3) Eine Beobachtung der Jugendlichen mittels Videotechnik ist nur in
besonders gesicherten Arresträumen ohne gefährdende Gegenstände zulässig, wenn
dies im Einzelfall zur Abwehr von gegenwärtigen Gefahren für das Leben oder
gegenwärtigen erheblichen Gefahren für die Gesundheit der Jugendlichen oder
Dritter erforderlich ist. Das Schamgefühl der Jugendlichen ist zu schonen.“
d)
Die bisherigen Absätze 3 und 4 werden die Absätze 4 und 5.
e)
Der bisherige Absatz 5 wird Absatz 6 und in Satz 1 werden die Wörter „§§ 84 bis
86 und 88 des Jugendstrafvollzugsgesetzes“ durch die Wörter „§§ 72 bis 75 des
Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen“ ersetzt.
f)
Folgender Absatz 7 wird angefügt:
„(7) Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind entsprechend § 68 Absatz 1 Nummer 1
und Absatz 2 Satz 1, Absatz 4 und 5 des Strafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen zulässig.“
6. § 32 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 2 wird aufgehoben.
b)
Absatz 3 wird Absatz 2.
c)
Absatz 4 wird Absatz 3 und wie folgt gefasst:
„(3) Bildaufzeichnungen sind spätestens zwei Wochen nach ihrer Erhebung zu
löschen, soweit nicht ihre Speicherung gemäß § 111 Absatz 2 Nummer 1 bis 4 des
Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen weiterhin erforderlich ist. Sie sind
unverzüglich zu löschen, wenn schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer
weiteren Speicherung entgegenstehen.“
d)
Folgender Absatz 4 wird angefügt:
„(4) Die Beobachtung von Jugendlichen mittels Videotechnik erfolgt ansonsten
nur nach Maßgabe des § 22. Bildaufzeichnungen sind insoweit nicht zulässig.“
7. § 33 wird wie folgt gefasst:
„§ 33
Datenschutz, kriminologischer Dienst
Die
Vorschriften der §§ 108, 110 bis 115, 117 bis 122 sowie 125 und 126 des
Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gelten entsprechend.“
46
Artikel 6
Aufhebung des Gesetzes zur Verbesserung der Sicherheit in den
Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen
Das
Gesetz zur Verbesserung der Sicherheit in Justizvollzugsanstalten des Landes
Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 2009 (GV. NRW. S. 540), das durch Gesetz
vom 25. Oktober 2016 (GV. NRW. S. 867) geändert worden ist, wird aufgehoben.
2128
Artikel 7
Änderung des Maßregelvollzugsgesetzes
Das
Maßregelvollzugsgesetz vom 15. Juni 1999 (GV. NRW. S. 402), das zuletzt durch Artikel
3 des Gesetzes vom 27. Oktober 2009 (GV. NRW. S. 540) geändert worden ist, wird
wie folgt geändert:
1.
In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 17 folgende Angabe eingefügt:
„§ 17a Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge“.
2. § 17 wird wie folgt geändert:
a)
Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:
„Der Abschluss einer Behandlungsvereinbarung mit den Patientinnen und Patienten
soll angestrebt werden.“
b)
Absatz 2 wird wie folgt gefasst:
„(2) Die Behandlung bedarf vorbehaltlich der Regelungen in § 17a der
Einwilligung der Patientinnen und Patienten. Bei minderjährigen oder unter
Betreuung stehenden Patientinnen und Patienten sind die Rechte der gesetzlichen
Vertretungen zu beachten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf deren
Aufklärung und Einwilligung.“
c)
Absatz 3 Satz 1 wird aufgehoben.
d) Absatz 4 wird wie folgt geändert:
aa) In Satz 1 werden die Wörter „außer in den Fällen der Sätze 2 und 3 nur“ gestrichen.
bb)
Sätze 2 und 3 werden aufgehoben.
e)
Absatz 5 wird aufgehoben.
3. Nach § 17 wird folgender § 17a eingefügt:
„§ 17a
Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
(1)
Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind gegen den
natürlichen Willen der Patientinnen und Patienten nur bei gegenwärtiger
Lebensgefahr sowie gegenwärtiger schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit der
Patientinnen und Patienten oder anderer Personen zulässig, wenn die Patientin
oder der Patient zur Einsicht in die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum
Handeln nach dieser Einsicht krankheitsbedingt nicht in der Lage ist. Maßnahmen
nach Satz 1 dürfen nur angeordnet werden, wenn
1. erfolglos versucht worden ist, die Zustimmung der Patientinnen und Patienten zu der Maßnahme zu erwirken,
2. die Anordnung der Maßnahme den Patientinnen und Patienten angekündigt wurde und sie über Art, Umfang und Dauer der Maßnahme informiert wurden,
3. die Maßnahme zur Abwendung der Gefahr geeignet, in Art, Umfang und Dauer erforderlich und für die Beteiligten zumutbar ist,
4. der von der Maßnahme zu erwartende Nutzen für die Patientinnen und Patienten die mit der Maßnahme für sie verbundenen Belastungen deutlich überwiegt und
5.
die Maßnahme nicht mit einer erheblichen Gefahr für das Leben der Patientinnen
und Patienten verbunden ist.
(2)
Die medizinische Behandlung gegen den natürlichen Willen der Patientinnen und
Patienten ist darüber hinaus zur Erreichung der Entlassfähigkeit oder bei einer
erheblichen Gefahr für das Leben oder für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten
zulässig, wenn und solange
1. die Patientinnen oder Patienten zur Einsicht in die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln nach dieser Einsicht krankheitsbedingt nicht in der Lage sind,
2. der mit dem nötigen Zeitaufwand unternommene Versuch vorausgegangen ist, die Zustimmung der Patientinnen oder Patienten zu erreichen,
3. die Maßnahme zur Erreichung des Ziels geeignet, in Art, Umfang und Dauer erforderlich und für die Beteiligten zumutbar ist,
4. der von der Maßnahme zu erwartende Nutzen für die Patientinnen und Patienten die mit der Maßnahme für sie verbundenen Belastungen deutlich überwiegt und eine weniger eingreifende Behandlung aussichtslos ist,
5. die Maßnahme nicht mit einer erheblichen Gefahr für das Leben der Patientinnen und Patienten verbunden ist und
6.
im Falle der Behandlung zur Erreichung der Entlassfähigkeit die Maßnahme
regelmäßig nicht mit mehr als einem vernachlässigbaren Restrisiko irreversibler
Gesundheitsschäden verbunden ist.
(3)
Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 werden ärztlich, Maßnahmen nach Absatz 2
fachärztlich angeordnet, geleitet und überwacht. Die Anordnung erfolgt im
Einvernehmen mit der therapeutischen Leitung der Einrichtung. Das Vorliegen der
Voraussetzungen nach Absatz 1 und 2 und die ergriffenen Maßnahmen, einschließlich
ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise und der Wirkungsüberwachung
sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu dokumentieren.
(4)
Eine Zwangsbehandlung nach Absatz 2 bedarf der vorherigen Einwilligung der oder
des Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug. Über eine Zwangsbehandlung nach
Absatz 1 ist sie oder er zeitnah zu unterrichten.
(5)
Maßnahmen nach Absatz 2 sind den Patientinnen und Patienten zwei Wochen vor
ihrer Umsetzung schriftlich und mündlich unter Angabe der Gründe sowie Art,
Umfang und Dauer in einer ihrem Gesundheitszustand entsprechenden Weise
anzukündigen. Zugleich ist über die Möglichkeit zu belehren, eine gerichtliche
Entscheidung nach § 109 des Strafvollzugsgesetzes herbeizuführen.
(6)
Eine Anordnung nach Absatz 2 gilt höchstens für die Dauer von drei Monaten.
Nach Ablauf dieser Zeit ist eine neue Anordnung zu treffen, die zusätzlich ein
positives Votum zur Fortsetzung der Zwangsbehandlung von einer unabhängigen
Fachärztin oder einem unabhängigen Facharzt voraussetzt. Diese oder diesen
bestimmt die oder der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug.
(7)
Über Maßnahmen nach Absatz 1 und Absatz 2 sind Personensorgeberechtigte der
Patientinnen und Patienten unverzüglich zu unterrichten. Dem Wunsch der
Patientinnen und Patienten nach Unterrichtung weiterer Personen soll
entsprochen werden.
(8)
Eine bestehende Patientenverfügung ist zu beachten.“
4.
Dem § 35 wird folgender Absatz 3 angefügt:
„(3) Für die nach § 126a der Strafprozessordnung untergebrachten Patientinnen
und Patienten gilt § 17a entsprechend mit der Maßgabe, dass zusätzlich eine
Anordnung des nach § 126 der Strafprozessordnung zuständigen Gerichts
erforderlich ist und eine Belehrung über die Herbeiführung einer gerichtlichen
Entscheidung nach § 109 des Strafvollzugsgesetzes entfällt.“
Artikel 8
Inkrafttreten
Dieses
Gesetz tritt am ersten Tag des vierten auf die Verkündung folgenden
Kalendermonats in Kraft.
Düsseldorf,
den 7. April 2017
Die
Landesregierung
Nordrhein-Westfalen
Die Ministerpräsidentin
Hannelore K r a f t
(L. S.)
Die Ministerin
für Schule und Weiterbildung
Sylvia L ö
h r m a n n
Der Finanzminister
Dr.
Norbert W a l t e r-B o r j a n s
Der Minister
für Inneres und Kommunales
Ralf J ä g
e r
Der Minister
für Arbeit, Integration und Soziales
Rainer S c
h m e l t z e r
Der Justizminister
Thomas K u
t s c h a t y
Die Ministerin
für Familie, Kinder, Jugend,
Kultur und Sport
Christina
K a m p m a n n
Die Ministerin
für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter
Barbara S t e f f e n s
GV. NRW. 2017 S.
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