Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2018 Nr. 31 vom 19.12.2018 Seite 683 bis 728

Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen - Sechstes Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen
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Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen - Sechstes Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen

205

Gesetz
zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen - Sechstes Gesetz zur Änderung
des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen

Vom 13. Dezember 2018

Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

Gesetz
zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen - Sechstes Gesetz zur Änderung
des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen

Artikel 1

Das Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juli 2003 (GV. NRW. S. 441), das zuletzt durch Gesetz vom 21. Juli 2018 (GV. NRW. S. 402) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

a) Nach der Angabe zu § 12 wird folgende Angabe eingefügt:

„§ 12a    Polizeiliche Anhalte- und Sichtkontrollen (strategische Fahndung)“

b)    Nach der Angabe zu § 20b wird folgende Angabe eingefügt:

„§ 20c    Datenerhebung durch die Überwachung der laufenden Telekommunikation“

c) Die Angabe zum dritten Unterabschnitt im zweiten Abschnitt wird wie folgt gefasst:

„Aufenthaltsrelevante Maßnahmen“

d) Nach der Angabe zu § 34a werden folgende Angaben eingefügt:

§ 34b   Aufenthaltsvorgabe

§ 34c     Elektronische Aufenthaltsüberwachung

§ 34d     Strafvorschrift“

2. Dem § 8 wird folgender Absatz 4 angefügt:

„(4) Straftaten nach

1. § 211, § 212, § 226, § 227, § 239a, § 239b, § 303b, § 305, § 305a, §§ 306 bis 306 c, § 307 Absatz 1 bis 3, § 308 Absatz 1 bis 4, § 309 Absatz 1 bis 5, § 313, § 314, § 315 Absatz 1, 3 oder 4, § 316b Absatz 1 oder 3, § 316c Absatz 1 bis 3, § 317 Absatz 1, § 328 Absatz 1 oder 2, § 330 Absatz 1 oder 2 oder § 330a Absatz 1 bis 3 des Strafgesetzbuchs,

2. den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuchs vom 26. Juni 2002 (BGBl. I S. 2254), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3150) geändert worden ist,

3. § 19 Absatz 1 bis 3, § 20 Absatz 1 oder 2, § 20a Absatz 1 bis 3, § 19 Absatz 2 Nummer 2 oder Absatz 3 Nummer 2, § 20 Absatz 1 oder 2, § 20a Absatz 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder § 22a Absatz 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. November 1990 (BGBl. I S. 2506), das zuletzt durch Artikel 6 Absatz 2 des Gesetzes vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) geändert worden ist, und

4. § 51 Absatz 1 bis 3 des Waffengesetzes vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2133) geändert worden ist,

sind terroristische Straftaten im Sinne dieses Gesetzes, wenn und soweit sie dazu bestimmt sind, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und sie durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen können.“

3. Nach § 12 wird folgender § 12a eingefügt:

§ 12a

Polizeiliche Anhalte- und Sichtkontrollen (strategische Fahndung)

(1) Die Polizei darf im öffentlichen Verkehrsraum

1. zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 8 Absatz 3 und zur Verhütung von terroristischen Straftaten nach § 8 Absatz 4,

2. zur Verhütung gewerbs- oder bandenmäßig begangener grenzüberschreitender Kriminalität oder

3. zur Unterbindung des unerlaubten Aufenthalts

Personen anhalten und befragen sowie die zur Feststellung der Identität erforderlichen Maßnahmen nach § 12 Absatz 2 treffen. Fahrzeuge und mitgeführte Sachen dürfen in Augenschein genommen werden. Die Polizei darf verlangen, dass mitgeführte Sachen sowie Fahrzeuge einschließlich an und in ihnen befindlicher Räume und Behältnisse geöffnet werden; im Übrigen ist die Durchsuchung von Personen, mitgeführten Sachen und Fahrzeugen unter den Voraussetzungen der §§ 39 und 40 zulässig.

Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in diesem Gebiet Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen werden sollen und die Maßnahme zur Verhütung dieser Straftaten erforderlich und verhältnismäßig im Sinne von § 2 ist.

(2) Die Maßnahme ist schriftlich zu beantragen und bedarf der schriftlichen Anordnung durch die Behördenleitung oder deren Vertretung. Umfasst das festgelegte Gebiet die Zuständigkeit mehrerer Behörden, so trifft die Anordnung das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste. Die Anordnung ist zeitlich und örtlich auf den in Absatz 1 genannten Zweck zu beschränken. Sie darf die Dauer von 28 Tagen nicht überschreiten. Eine Verlängerung um jeweils bis zu weiteren 28 Tagen ist zulässig, soweit die Voraussetzungen für eine Anordnung weiterhin vorliegen. In der Anordnung sind

1. die tragenden Erkenntnisse für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1,

2. die Art der Maßnahme einschließlich zeitlicher und örtlicher Beschränkung und

3. die Begründung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nach Absatz 1 Satz 4

anzugeben.“

3a. In § 14 Absatz 1 Nummer 1 wird nach der Angabe „§ 12“ die Angabe „und § 12a“ eingefügt.

4. § 15a wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Zur Verhütung von Straftaten kann die Polizei einzelne öffentlich zugängliche Orte mittels Bildübertragung beobachten und die übertragenen Bilder aufzeichnen, wenn

1. an diesem Ort wiederholt Straftaten begangen wurden und die Beschaffenheit des Ortes die Begehung von Straftaten begünstigt, solange Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an diesem Ort weitere Straftaten begangen werden oder

2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort Straftaten von erheblicher Bedeutung nach § 8 Absatz 3 verabredet, vorbereitet oder begangen werden

und jeweils ein unverzügliches Eingreifen der Polizei möglich ist.“

b) Absatz 5 wird aufgehoben.

5. Nach § 20b wird folgender § 20c eingefügt:

§ 20c

Datenerhebung durch die Überwachung der laufenden Telekommunikation

(1) Die Polizei kann ohne Wissen der betroffenen Person die laufende Telekommunikation einer Person überwachen und aufzeichnen,

1. die nach den §§ 4 oder 5 verantwortlich ist, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib oder Leben einer Person geboten ist,

2. deren individuelles Verhalten die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine terroristische Straftat nach § 8 Absatz 4 begehen wird,

3. bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie für eine Person nach Nummer 1 bestimmte oder von dieser herrührende Mitteilungen entgegennimmt oder weitergibt, oder

4. bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person nach Nummer 1 deren Telekommunikationsanschluss oder Endgerät benutzen wird

und die Abwehr der Gefahr oder Verhütung der Straftaten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden.

(2) Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf ohne Wissen der betroffenen Person in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von der betroffenen Person genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn

1. durch technische Maßnahmen sichergestellt ist, dass ausschließlich laufende Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet wird und

2. der Eingriff in das informationstechnische System notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation insbesondere auch in unverschlüsselter Form zu ermöglichen.

(3)   Bei Maßnahmen nach Absatz 2 ist sicherzustellen, dass

1. an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind und

2. die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.

Das eingesetzte Mittel ist gegen unbefugte Nutzung zu schützen. Kopierte Daten sind gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.

(4) Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 dürfen nur auf Antrag der Behördenleitung oder deren Vertretung durch das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat, angeordnet werden. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend.

(5) Im Antrag sind anzugeben:

1. die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich, mit Name und Anschrift,

2. die Rufnummer oder eine andere Kennung des zu überwachenden Anschlusses oder des Endgeräts, sofern sich nicht aus bestimmten Tatsachen ergibt, dass diese zugleich einem anderen Endgerät zugeordnet ist,

3. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,

4. im Falle des Absatzes 2 auch eine möglichst genaue Bezeichnung des informationstechnischen Systems, in das zur Datenerhebung eingegriffen werden soll, sowie die Bezeichnung des Herstellers und der Softwareversion des einzusetzenden technischen Mittels,

5. der Sachverhalt und

6. eine Begründung.

(6) Die Anordnung des Gerichts ergeht schriftlich. In ihr sind anzugeben:

1. eine Kennung des Kommunikationsanschlusses oder des Endgeräts, bei dem die Datenerhebung durchgeführt wird,

2. im Falle des Absatzes 2 zusätzlich eine möglichst genaue Bezeichnung des informationstechnischen Systems, in das zur Datenerhebung eingegriffen werden soll.

Im Übrigen gilt § 18 Absatz 2 Satz 3 mit Ausnahme der Bezeichnung der betroffenen Wohnung entsprechend. Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als drei weitere Monate ist zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse fortbestehen. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, sind die aufgrund der Anordnung ergriffenen Maßnahmen unverzüglich zu beenden. § 18 Absatz 2 Satz 5 bis 9 gilt entsprechend.

(7) Aufgrund der Anordnung hat jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt (Diensteanbieter), der Polizei die Maßnahmen nach Absatz 1 zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Ob und in welchem Umfang hierfür Vorkehrungen zu treffen sind, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Verordnung über die technische und organisatorische Umsetzung von Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation. Für die Entschädigung der Diensteanbieter ist § 23 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes entsprechend anzuwenden.

(8) Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch eine Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist die Maßnahme unzulässig. Soweit im Rahmen von Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 neben einer automatischen Aufzeichnung eine unmittelbare Kenntnisnahme erfolgt, ist die Maßnahme unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich während der Überwachung tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Inhalte, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch eine Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 erlangt worden sind, dürfen nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsachen der Erfassung der Daten und der Löschung sind zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist sechs Monate nach der Unterrichtung nach Absatz 9 oder sechs Monate nach Erteilung der gerichtlichen Zustimmung über das endgültige Absehen von der Benachrichtigung zu löschen. Ist die Datenschutzkontrolle noch nicht beendet, ist die Dokumentation bis zu ihrem Abschluss aufzubewahren. Im Übrigen gilt § 18 Absatz 3 Satz 3 und Absatz 4 Satz 2 bis 7 entsprechend.

(9) § 17 Absatz 5 und 6 gilt entsprechend.

(10) Bei der Erhebung von Daten nach den Absätzen 1 und 2 sind zu protokollieren

1. das zur Datenerhebung eingesetzte Mittel einschließlich der Angabe des Herstellers und der eingesetzten Softwareversion,

2. der Zeitpunkt des Einsatzes,

3. Angaben, welche die Feststellung der erhobenen Daten ermöglichen,

4. die Organisationseinheiten, welche die Maßnahmen durchführen,

5. die Beteiligten der überwachten Kommunikation und

6. sofern die Überwachung mit einem Eingriff in von der betroffenen Person genutzte informationstechnische Systeme verbunden ist, die Angaben zur Identifizierung des informationstechnischen Systems und die daran vorgenommenen, nicht nur flüchtigen Veränderungen.

Die Protokolldaten dürfen nur verwendet werden für Zwecke der Unterrichtung nach Absatz 9 oder um der betroffenen Person oder einer dazu befugten Stelle die Prüfung zu ermöglichen, ob die Maßnahmen rechtmäßig durchgeführt worden sind.

(11) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag jährlich über die nach den Absätzen 1 und 2 erfolgten Maßnahmen.

(12) Die Landesregierung überprüft die Wirksamkeit der Vorschrift bis zum 31. Dezember 2022 und berichtet dem Landtag über das Ergebnis der Evaluierung. § 20c tritt am 31. Dezember 2023 außer Kraft.“

6. Nach § 34a werden folgende §§ 34b bis 34d eingefügt:

㤠34b

Aufenthaltsvorgabe und Kontaktverbot

(1) Die Polizei kann zur Verhütung von terroristischen Straftaten nach § 8 Absatz 4 einer Person untersagen, sich ohne Erlaubnis der Polizei von ihrem Wohn- oder Aufenthaltsort oder aus einem bestimmten Bereich zu entfernen oder sich an bestimmten Orten aufzuhalten (Aufenthaltsvorgabe), wenn

1. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die betroffene Person innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine terroristische Straftat nach § 8 Absatz 4 begehen wird oder

2. das individuelle Verhalten der betroffenen Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums eine terroristische Straftat nach § 8 Absatz 4 begehen wird.

Unter den Voraussetzungen des Satzes 1 kann die Polizei zur Verhütung von Straftaten nach § 8 Absatz 4 einer Person auch den Kontakt mit bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe untersagen (Kontaktverbot). Die Befugnisse nach Satz 1 und 2 stehen der Polizei auch zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder des Landes zu.

(2) Maßnahmen nach Absatz 1 werden auf Antrag der Behördenleitung oder deren Vertretung durch das Amtsgericht angeordnet, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des 7. Buches des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung durch die zuständige Behördenleiterin oder den Behördenleiter oder deren Vertretung getroffen werden. ln diesem Fall ist die gerichtliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. Soweit die Anordnung nicht binnen drei Tagen durch das Gericht bestätigt wird, tritt sie außer Kraft.

(3) Im Antrag sind anzugeben

1. die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, mit Name und Anschrift,

2. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme, einschließlich

a) im Fall des Aufenthaltsgebots nach Absatz 1 Satz 1 einer Bezeichnung der Orte, von denen sich die Person ohne Erlaubnis der zuständigen Polizeibehörde nicht entfernen oder im Fall des Aufenthaltsverbots nach Absatz 1 Nummer 1, an denen sich die Person ohne Erlaubnis der zuständigen Polizeibehörde nicht aufhalten darf,

b) im Fall des Kontaktverbots nach Absatz 1 Satz 2 der Personen oder Gruppe, mit denen oder mit welcher der betroffenen Person der Kontakt untersagt ist, soweit möglich, mit Name und Anschrift,

3. der Sachverhalt und

4 eine Begründung.

(4) Die Anordnung ergeht schriftlich. In ihr sind anzugeben

1. die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, mit Name und Anschrift,

2. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme, einschließlich

a) im Fall der Aufenthaltsanordnung nach Absatz 1 Satz 1 einer Bezeichnung der Orte, von denen sich die Person ohne Erlaubnis der zuständigen Polizeibehörde nicht entfernen oder an denen sich die Person ohne Erlaubnis der zuständigen Polizeibehörde nicht aufhalten darf,

b) im Fall des Kontaktverbots nach Absatz 1 Satz 2 der Personen oder Gruppe, mit denen oder mit welcher der betroffenen Person der Kontakt untersagt ist, soweit möglich, mit Name und Anschrift und

3. die wesentlichen Gründe.

(5) Aufenthaltsanordnungen sowie Kontaktverbote sind auf den zur Abwehr der Gefahr jeweils erforderlichen Umfang zu beschränken. Sie sind auf höchstens drei Monate zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als drei Monate ist möglich, soweit ihre Voraussetzungen fortbestehen. Liegen die Voraussetzungen nicht mehr vor, ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden.

§ 34c

Elektronische Aufenthaltsüberwachung

(1) Die Polizei kann zur Verhütung von terroristischen Straftaten nach § 8 Absatz 4 eine Person verpflichten ein technisches Mittel, mit dem der Aufenthaltsort dieser Person elektronisch überwacht werden kann, ständig im betriebsbereiten Zustand am Körper zu tragen, die Anlegung und Wartung des technischen Mittels zu dulden und seine Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen, wenn

1. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat nach § 8 Absatz 4 begehen wird oder

2. deren individuelles Verhalten eine konkrete Wahrscheinlichkeit dafür begründet, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums eine Straftat nach § 8 Absatz 4 begehen wird,

um diese Person durch die Überwachung und die Datenverwendung von der Begehung dieser Straftat abzuhalten.

(2) Die Befugnis gemäß Absatz 1 steht der Polizei auch zu, wenn

1. dies zur Abwehr einer Gefahr für die sexuelle Selbstbestimmung nach §§ 174 bis 178, 182 des Strafgesetzbuchs unerlässlich ist oder

2. die Person, der gegenüber die Anordnung nach Absatz 1 getroffen werden soll, nach polizeilichen Erkenntnissen bereits eine Straftat nach § 238 des Strafgesetzbuchs begangen hat und bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie weitere Straftaten nach § 238 des Strafgesetzbuchs begehen wird.

Die Befugnis gemäß Absatz 1 steht der Polizei ferner zu, wenn Maßnahmen nach § 34a getroffen wurden und eine Überwachung der Befolgung dieser Maßnahmen auf andere Weise nicht möglich oder wesentlich erschwert ist.

(3) Die Polizei verarbeitet mit Hilfe der von der verantwortlichen Person mitgeführten technischen Mittel automatisiert Daten über deren Aufenthaltsort sowie über etwaige Beeinträchtigungen der Datenerhebung. Soweit es technisch möglich ist, ist sicherzustellen, dass innerhalb der Wohnung der betroffenen Person keine über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehenden Aufenthaltsdaten erhoben werden. Werden innerhalb der Wohnung der betroffenen Person über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehende Aufenthaltsdaten erhoben, dürfen diese nicht verwendet werden. Entsprechendes gilt, soweit durch die Datenerhebung nach Satz 1 der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen ist. Daten nach Satz 3 und 4 sind unverzüglich nach ihrer Kenntnisnahme zu löschen. Die Tatsache ihrer Kenntnisnahme und Löschung ist zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist frühestens nach Abschluss der Datenschutzkontrolle und spätestens nach vierundzwanzig Monaten zu löschen. Die Daten dürfen ohne Einwilligung der betroffenen Person nur verarbeitet werden, soweit dies erforderlich ist für die folgenden Zwecke:

1. zur Verhütung oder zur Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung,

2. zur Feststellung von Verstößen gegen Aufenthaltsvorgaben und Kontaktverbote nach § 34b,

3. zur Verfolgung einer Straftat gemäß § 34d,

4. zur Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder

5. zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des technischen Mittels.

Zur Einhaltung der Zweckbestimmung nach Satz 9 hat die Verarbeitung der Daten automatisiert zu erfolgen. Zudem sind die Daten gegen unbefugte Kenntnisnahme und Verarbeitung besonders zu sichern.

(4) Die in Absatz 3 Satz 1 genannten Daten sind spätestens zwei Monate nach Beendigung der Maßnahme zu löschen, soweit sie nicht für die in Absatz 3 Satz 9 genannten Zwecke verwendet werden.

(5) Jeder Abruf der Daten ist zu protokollieren. Die Protokollierung muss den landesrechtlichen Vorschriften, die Artikel 25 der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 89) umsetzen, entsprechen. Die Protokolldaten sind spätestens nach vierundzwanzig Monaten zu löschen.

(6) Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 werden auf Antrag der Behördenleitung oder deren Vertretung durch das Amtsgericht angeordnet, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des 7. Buches des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung durch die zuständige Behördenleitung oder deren Vertretung getroffen werden. In diesem Fall ist die gerichtliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. Soweit die Anordnung nicht binnen drei Tagen durch das Gericht bestätigt wird, tritt sie außer Kraft. In dem Antrag sind anzugeben:

1. die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, mit Name und Anschrift,

2. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,

3. die Angabe, ob gegenüber der Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, eine Aufenthaltsanordnung oder ein Kontaktverbot besteht,

4. der Sachverhalt und

5. eine Begründung.

(7) Die Anordnung ergeht schriftlich. In ihr sind anzugeben:

1. die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, mit Name und Anschrift,

2. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme und

3. die wesentlichen Gründe.

(8) Die Anordnung ist sofort vollziehbar und auf höchstens drei Monate zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als drei Monate ist möglich, soweit die Anordnungsvoraussetzungen fortbestehen. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden.

(9) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag jährlich über die nach den Absätzen 1 und 2 erfolgten Maßnahmen.

(10) Die Landesregierung überprüft die Wirksamkeit der Vorschrift bis zum 31.Dezember 2022 und berichtet dem Landtag über das Ergebnis der Evaluierung. § 34c tritt am 31. Dezember 2023 außer Kraft.

§ 34d

Strafvorschrift

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1. einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 34b Absatz 2 Satz 1 oder einer vollziehbaren Anordnung nach § 34b Absatz 2 Satz 3 zuwiderhandelt und dadurch den Zweck der Anordnung gefährdet oder

2. einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 34c Absatz 6 Satz 1 oder einer vollziehbaren Anordnung nach § 34c Absatz 6 Satz 2 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch die Polizei verhindert.

(2) Die Tat wird nur auf Antrag der Polizeibehörde verfolgt, welche die Maßnahme angeordnet oder beantragt hat.“

7. § 35 Absatz 1 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 5 wird der Punkt am Ende durch ein Komma ersetzt.

b) Folgende Nummer 6 wird angefügt:

„6. das unerlässlich ist, um eine Aufenthaltsanordnung oder ein Kontaktverbot nach § 34b oder die Anordnung einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung nach § 34c durchzusetzen.“

8. § 38 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Nummer 3 werden nach dem Wort „Grund“ die Wörter „dieses oder“ eingefügt.

b) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Durch die in Absatz 1 Nummer 3 vorgesehene richterliche Entscheidung kann in folgenden Fällen eine abweichende Frist des polizeilichen Gewahrsams bestimmt werden:

1. gemäß § 35 Absatz 1 Nummer 2 bis zu 14 Tagen, wenn es sich um eine Straftat nach § 12 Absatz 1 StGB (Verbrechen) handelt. Durch weitere richterliche Entscheidung ist eine einmalige Verlängerung um bis zu 14 Tage zulässig,

2. gemäß § 35 Absatz 1 Nummer 3, wenn eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person besteht, bis zum Ablauf der nach § 34 angeordneten Maßnahme, maximal jedoch bis zu sieben Tagen,

3. gemäß § 35 Absatz 1 Nummer 4 bis zum Ablauf der nach § 34a Absatz 5 angeordneten Maßnahme, maximal jedoch bis zu zehn Tagen,

4. gemäß § 35 Absatz 1 Nummer 6 bis zu sieben Tagen,

5. zum Zwecke der Feststellung der Identität bis zu insgesamt zwölf Stunden, wenn nicht vorher die Fortdauer der Freiheitsentziehung auf Grund dieses oder eines anderen Gesetzes durch richterliche Entscheidung angeordnet wurde. Sofern Tatsachen die Annahme begründen, dass die Identitätsfeststellung innerhalb der Frist nach Satz 1 vorsätzlich verhindert worden ist, genügt es, wenn die richterliche Entscheidung über die Fortdauer des Gewahrsams zum Zwecke der Identitätsfeststellung spätestens bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen herbeigeführt wird. In diesem Fall darf die Freiheitsentziehung die in Nummer 2 genannte Frist nicht überschreiten.“

c) Dem § 38 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) Nach Vollzug der in Absatz 1 Nummer 3 getroffenen richterlichen Entscheidung ist der in Gewahrsam genommenen Person ein anwaltlicher Beistand zu gewähren.“

9. In § 58 Absatz 4 wird nach dem Wort „Schlagstock“ das Komma durch die Wörter „und Distanzelektroimpulsgeräte sowie als Schusswaffen“ ersetzt.

Artikel 2

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes (Recht auf informationelle Selbstbestimmung), aus Artikel 2 Absatz 2 Sätze 1 und 2 des Grundgesetzes (Grundrecht der Freiheit der Person), Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes (Fernmeldegeheimnis), Artikel 11 Absatz 1 Grundgesetz (Freizügigkeit) und Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes (Unverletzlichkeit der Wohnung) eingeschränkt.

Artikel 3

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Die Landesregierung überprüft dieses Gesetz bis zum 31. Dezember 2022 und erstattet dem Landtag hierüber Bericht.

Düsseldorf, den 13. Dezember 2018

Die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen

Der Ministerpräsident

Armin  L a s c h e t

(L. S.)

Der Minister der Finanzen

Lutz  L i e n e n k ä m p e r

Der Minister des Innern

Herbert  R e u l

Der Minister der Justiz

Peter  B i e s e n b a c h

GV. NRW. 2018 S. 684