Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2021 Nr. 70 vom 28.9.2021 Seite 1099 bis 1110
Rechtsverordnung für Schutzbestimmungen im Bereich Bodenschatzgewinnung für die Wasserschutzgebiete im Land Nordrhein-Westfalen (Landesweite Wasserschutzgebietsverordnung oberirdische Bodenschatzgewinnung - LwWSGVO-OB) |
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Rechtsverordnung für Schutzbestimmungen im Bereich Bodenschatzgewinnung für die Wasserschutzgebiete im Land Nordrhein-Westfalen (Landesweite Wasserschutzgebietsverordnung oberirdische Bodenschatzgewinnung - LwWSGVO-OB)
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Rechtsverordnung
für Schutzbestimmungen
im Bereich Bodenschatzgewinnung für die
Wasserschutzgebiete im Land Nordrhein-Westfalen
(Landesweite Wasserschutzgebietsverordnung oberirdische
Bodenschatzgewinnung -
LwWSGVO-OB)
Vom 21. September 2021
Auf Grund des § 35 Absatz 1 Satz 3 des Landeswassergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juni 1995 (GV. NRW. S. 926), der zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. Juli 2016 (GV. NRW. S. 559) neu gefasst worden ist, verordnet das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, dem Ministerium des Innern, dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung und dem Ministerium für Verkehr:
§ 1
Geltungsbereich
Zum Schutz der öffentlichen Wasserversorgung werden die oberirdische Bodenschatzgewinnung sowie damit verbundene Sprengungen zur Auflockerung der zu entnehmenden Gesteine sowie damit verbundene Wasserhaltungen durch künstliche Absenkung des Grundwasserstandes zur Trockenhaltung des Abbaubereiches in den Schutzzonen I, II, III, III A und III B in Trinkwasserschutzgebieten für Grundwasser sowie in den Schutzzonen I, II, II A, II B und III in Trinkwasserschutzgebieten für Talsperren nach § 51 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Wasserhaushaltsgesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 18. August 2021 (BGBl. I S. 3901) geändert worden ist, geregelt. Soweit einzelne Schutzzonen eines Wasserschutzgebiets nicht in dieser Verordnung geregelt sind, gelten für diese die Regelungen einer Wasserschutzgebietsverordnung nach § 35 Absatz 1 Satz 1 des Landeswassergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juni 1995 (GV. NRW. S. 926) in der jeweils geltenden Fassung, für die übrigen Schutzzonen des Wasserschutzgebiets gilt diese Verordnung.
§
2
Begriffsbestimmungen
(1) Die oberirdische Bodenschatzgewinnung im Sinn dieser Verordnung ist das von der Geländeoberfläche in offener Bauweise ausgehende Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen (selbständige verwertbare Bodenbestandteile) einschließlich der damit zusammenhängenden vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten mit Ausnahme von verbundenen Sprengungen zur Auflockerung der zu entnehmenden Gesteine sowie damit verbundenen Wasserhaltungen durch künstliche Absenkung des Grundwasserstandes zur Trockenhaltung des Abbaubereiches. Ausgenommen von der oberirdischen Bodenschatzgewinnung ist das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen
1. in einem Grundstück aus Anlass oder im Zusammenhang mit dessen baulicher oder sonstiger städtebaulicher Nutzung und
2. in oder an einem Gewässer als Voraussetzung für dessen Ausbau oder Unterhaltung.
(2) Erweiterungen im Sinne des § 4 Absatz 4 und 5 sind Genehmigungen in einer Wasserschutzzone, in der gleichartige Bodenschätze von dem Betreiber abgebaut werden oder wurden, von dem auch die Genehmigung beantragt wird.
(3) Der höchste zu erwartende Grundwasserstand ist der durch langjährige Messdaten ermittelte, natürliche Grundwasserhöchststand, der sich witterungsbedingt und unbeeinflusst von jeglicher Grundwasserabsenkung mutmaßlich einstellen kann.
§ 3
Schutzziele der Schutzzonen I bis III für Grundwasser und Talsperren
(1) Trinkwasserschutzgebiete sollen gemäß § 51 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes nach Maßgabe der allgemein anerkannten Regeln der Technik in Zonen mit unterschiedlichen Schutzbestimmungen (Schutzzonen) unterteilt werden.
(2) Die Schutzzone III schützt das genutzte Grundwasservorkommen oder die Talsperre vor weitreichenden Verunreinigungen und Beeinträchtigungen, insbesondere durch nicht oder nur schwer abbaubare Stoffe. Da die Gefährdung für die Wassergewinnung in der Regel mit zunehmender Entfernung des Ortes der Beeinträchtigung von der Wassergewinnung abnimmt, ist bei weitreichenden Schutzgebieten eine Unterteilung der Schutzzone III nach fachlichen Kriterien und unter Berücksichtigung der jeweiligen Standortbedingungen in die Schutzzonen III A und III B möglich.
(3) Die Schutzzone II schützt darüber hinaus das genutzte Grundwasservorkommen oder die Talsperre vor Verunreinigungen, insbesondere durch Krankheitserreger, und vor Beeinträchtigungen, die die Wassergewinnungsanlage aufgrund geringer Verweilzeiten, Fließdauer oder Fließstrecke erreichen können. Basierend auf einer Risikobetrachtung kann die Schutzzone II in Trinkwasserschutzgebieten für Talsperren in die Schutzzonen II A und II B unterteilt werden, wenn die reduzierten Nutzungseinschränkungen in der Schutzzone II B durch eine erhöhte hygienisch wirksame Reinigungsleistung kompensiert werden.
(4) Die Schutzzone I schützt die Wassergewinnungsanlage oder die Talsperre sowie deren unmittelbare Umgebung vor jeglichen Verunreinigungen und Beeinträchtigungen.
§ 4
Schutzzonen I bis III in Trinkwasserschutzgebieten für Grundwasser
(1) In der Schutzzone III B sind genehmigungspflichtig:
1. die oberirdische Bodenschatzgewinnung oberhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes sowie
2. Sprengungen zur Auflockerung oder Entfernung von Bodenschichten, soweit eine Verritzung der Gesteinsschichten unterhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes nicht zu besorgen ist.
(2) In der Schutzzone III B sind verboten:
1. die oberirdische Bodenschatzgewinnung unterhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes,
2. die Wasserhaltung durch künstliche Absenkung des Grundwasserstandes zur Trockenhaltung des Abbaubereiches sowie
3. Sprengungen zur Auflockerung oder Entfernung von Bodenschichten, soweit eine Verritzung der Gesteinsschichten unterhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes zu besorgen ist.
(3) In den Schutzzonen I, II, III und III A sind verboten:
1. die oberirdische Bodenschatzgewinnung oberhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes,
2. die oberirdische Bodenschatzgewinnung unterhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes,
3. die Wasserhaltung durch künstliche Absenkung des Grundwasserstandes zur Trockenhaltung des Abbaubereiches sowie
4. Sprengungen zur Auflockerung oder Entfernung von Bodenschichten.
(4) Das Verbot nach Absatz 2 Nummer 1 in der Schutzzone III B gilt nicht, wenn die Erweiterung und beziehungsweise oder zeitliche Verlängerung der Zulassung einer oberirdischen Bodenschatzgewinnung
1. gegenüber dem Bestand Abstand und Fließzeit zu den Fassungsanlagen der öffentlichen Wasserversorgung nicht verringert,
2. die geplante Abgrabungstiefe bei oder oberhalb der bereits erreichten Tiefe verbleibt und
3. der Grundwasserhorizont, der für die oberirdische Bodenschatzgewinnung genutzt wird, hydraulisch ausreichend von dem Grundwasserhorizont, aus dem die Entnahme für die öffentliche Wasserversorgung stattfindet, getrennt ist, bei Lockergestein durch eine schwach durchlässige und ausreichend mächtige Trennschicht, bei Festgestein durch eine ausreichend mächtige unverritzte verbleibende Restmächtigkeit, so dass ein Eintrag möglicher Belastungen in den Entnahmehorizont aus der oberirdischen Bodenschatzgewinnung nicht zu besorgen ist.
Dann ist die oberirische Bodenschatzgewinnung unterhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes genehmigungspflichtig.
(5) Die Verbote nach Absatz 3 Nummer 1 und 4 in den Schutzzonen III und III A gelten nicht, wenn die Erweiterung und beziehungsweise oder zeitliche Verlängerung einer bestehenden aktiven oberirdischen Bodenschatzgewinnung
1. nicht gegenüber dem Bestand Abstand und Fließzeit zu den Fassungsanlagen der öffentlichen Wasserversorgung verringert und
2. die geplante Abgrabungstiefe bei oder oberhalb der bereits erreichten Tiefe verbleibt.
Dann ist die oberirische Bodenschatzgewinnung oberhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes und beziehungsweise oder die Sprengung zur Auflockerung oder Entfernung von Bodenschichten genehmigungspflichtig.
§ 5
Schutzzonen I bis III in Trinkwasserschutzgebieten für Talsperren
(1) In der Schutzzone III sind genehmigungspflichtig:
1. die oberirdische Bodenschatzgewinnung oberhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes sowie
2. Sprengungen zur Auflockerung oder Entfernung von Bodenschichten, soweit eine Verritzung der Gesteinsschichten unterhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes nicht zu besorgen ist.
(2) In der Schutzzone III sind verboten:
1. die oberirdische Bodenschatzgewinnung unterhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes,
2. die Wasserhaltung durch künstliche Absenkung des Grundwasserstandes zur Trockenhaltung des Abbaubereiches sowie
3. Sprengungen zur Auflockerung oder Entfernung von Bodenschichten, soweit eine Verritzung der Gesteinsschichten unterhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes zu besorgen ist.
(3) In den Schutzzonen I, II, II A und II B sind verboten:
1. die oberirdische Bodenschatzgewinnung oberhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes,
2. die oberirdische Bodenschatzgewinnung unterhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes,
3. die Wasserhaltung durch künstliche Absenkung des Grundwasserstandes zur Trockenhaltung des Abbaubereiches sowie
4. Sprengungen zur Auflockerung oder Entfernung von Bodenschichten.
§ 6
Entscheidungen
(1) Entscheidungen auf Grund dieser Verordnung trifft die für Entscheidungen nach § 35 Absatz 3 Satz 1 des Landeswassergesetzes zuständige Behörde. Entscheidungen anderer als nach Wasserrecht zuständiger Behörden, die sich auf ein Wasserschutzgebiet beziehen, ergehen im Einvernehmen mit der nach Wasserrecht zuständigen Behörde, es sei denn, die Entscheidung ergeht im Planfeststellungsverfahren. Die begünstigte Person ist zu beteiligen.
(2) Die Genehmigung kann mit Bedingungen und Auflagen versehen und befristet werden. Sie kann widerrufen oder nachträglich mit zusätzlichen Nebenbestimmungen versehen oder weiteren Einschränkungen unterworfen werden, um Gewässer im Interesse der derzeit bestehenden oder künftigen öffentlichen Wasserversorgung vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen.
(3) Die Genehmigung erlischt, wenn innerhalb von zwei Jahren nach Bestandskraft der Genehmigung mit der Ausführung des Vorhabens nicht begonnen oder die Ausführung zwei Jahre unterbrochen wird.
(4) Einer besonderen Genehmigung nach den Vorschriften dieser Verordnung bedarf es nicht für Handlungen, die nach anderen Bestimmungen einer Erlaubnis, Bewilligung, Genehmigung, bergrechtlichen Betriebsplanzulassung oder sonstigen behördlichen Zulassung bedürfen, wenn diese von der nach Absatz 1 zuständigen Wasserbehörde oder mit deren Einvernehmen erteilt wird.
§ 7
Ordnungswidrigkeiten
(1) Ordnungswidrig nach § 103 Absatz 1 Nummer 7a und 8 des Wasserhaushaltsgesetzes und § 123 Absatz 1 Nummer 26 des Landeswassergesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
1. eine nach dieser Verordnung genehmigungspflichtige Handlung ohne eine Genehmigung vornimmt oder eine Nebenbestimmung eines entsprechenden bestandskräftigen Bescheides nicht einhält,
2. eine nach dieser Verordnung verbotene Handlung ohne eine Befreiung gemäß § 52 Absatz 1 Satz 2 oder 3 des Wasserhaushaltsgesetzes vornimmt oder eine Nebenbestimmung eines entsprechenden bestandskräftigen Bescheides nicht einhält oder
3. eine nach § 52 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c des Wasserhaushaltsgesetzes zu duldende Maßnahme nicht duldet oder eine Nebenbestimmung eines entsprechenden bestandskräftigen Bescheides nicht einhält.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 50 000 Euro geahndet werden.
§ 8
Andere Rechtsvorschriften
In anderen Rechtsvorschriften oder aufgrund von Rechtsvorschriften vorgesehene Anzeige-, Genehmigungs-, Duldungs- oder Zulassungspflichten, Beschränkungen oder Verbote bleiben unberührt. § 52 Absatz 1 Satz 2 und 3 des Wasserhaushaltsgesetzes bleibt unberührt.
§ 9
Bestandsschutz, Braunkohlenplan
(1) Die Verbote der §§ 4 und 5 gelten nicht für
1. die oberirdische Gewinnung von Bodenschätzen in Bereichen, die vor dem 16. Juli 2016 nach den Bestimmungen des Raumordnungsrechts auf Ebene der Regionalplanung festgelegt worden sind, in diesem Fall gelten jeweils die Regelungen einer Wasserschutzgebietsverordnung nach § 35 Absatz 1 Satz 1 des Landeswassergesetzes, oder
2. die oberirdische Gewinnung von Bodenschätzen, die vor dem 16. Juli 2016 zugelassen worden ist, dabei gilt auch ein Rahmenbetriebsplan nach § 52 Absatz 2 des Bundesberggesetzes vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310), in der jeweils geltenden Fassung, als Zulassung.
(2) Die Regelungen dieser Verordnung zur oberirdischen Bodenschatzgewinnung gelten nicht, sofern ein Vorhaben durch einen Braunkohlenplan zugelassen ist.
§ 10
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 1. Oktober 2021 in Kraft.
Düsseldorf, den 21. September 2021
Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz
des Landes Nordrhein-Westfalen
Ursula H e i n e n – E s s e r
GV. NRW. 2021 S. 1104