Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2022 Nr. 10 vom 4.3.2022 Seite 229 bis 248

Gesetz zur Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes und des Landesbeamtengesetzes im Zusammenhang mit einer weiteren Verselbstständigung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen
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Gesetz zur Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes und des Landesbeamtengesetzes im Zusammenhang mit einer weiteren Verselbstständigung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen

1103
2030

Gesetz
zur Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes und des Landesbeamtengesetzes
im Zusammenhang mit einer weiteren Verselbstständigung
des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen

Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

Gesetz
zur Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes und des Landesbeamtengesetzes
im Zusammenhang mit einer weiteren Verselbstständigung
des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen

Vom 23. Februar 2022

1103

Artikel 1
Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes

Das Verfassungsgerichtshofgesetz vom 14. Dezember 1989 (GV. NRW. S. 708, ber. 1993 S. 588), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 25. März 2021 (GV. NRW. S. 330) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

a) Nach der Angabe zu § 16 werden die folgenden Angaben eingefügt:

„§ 16a (Akteneinsicht)

§ 16b (Archivierung)

§ 16c (Personenbezogene Daten)“.

b) Die Angabe „Fünfter Teil Schlussvorschriften“ wird durch die folgenden Angaben ersetzt:

„Fünfter Teil
Verzögerungsbeschwerde

§ 63a (Entschädigung bei unangemessener Verfahrensdauer)

§ 63b (Zulässigkeit der Verzögerungsbeschwerde, Verzögerungsrüge)

§ 63c (Entscheidung über die Verzögerungsbeschwerde)

§ 63d (Stellungnahme und Entscheidung)

§ 63e (Geltungsdauer)

Sechster Teil
Schlussvorschriften“.

2. Dem § 7 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) Nach Beginn der mündlichen Verhandlung oder, falls eine solche nicht stattfindet, der Beratung können weitere Richter nicht hinzutreten. Wird der Verfassungsgerichtshof beschlussunfähig, muss die mündliche Verhandlung oder Beratung nach seiner Ergänzung neu begonnen werden.“

3. § 9 wird wie folgt geändert:

a) In § 9 Absatz 1 Satz 1 wird die Angabe „25 Prozent“ durch die Angabe „30 Prozent“ ersetzt.

b) Es wird folgender Absatz 1a eingefügt:

Abweichend von Absatz 1 erhält der Präsident bis zum 31. Dezember 2024 eine monatliche Entschädigung in Höhe von 50 Prozent der Abgeordnetenbezüge nach dem Abgeordnetengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 5. April 2005 (GV. NRW. S. 252) in der jeweils geltenden Fassung.“

4. § 13 wird wie folgt geändert:

a) Die Absatzbezeichnung „(1)“ wird gestrichen.

b) Absatz 2 wird aufgehoben.

5. § 16 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) Die Absatzbezeichnung „(1)“ wird gestrichen.

bb) Folgender Satz wird angefügt:

„Fordert der Verfassungsgerichtshof Akten eines Ausgangsverfahrens an, werden ihm diese unmittelbar vorgelegt.“

b) Absatz 2 wird aufgehoben.

6. Nach § 16 werden die folgenden §§ 16a bis 16c eingefügt:

„§ 16a
(Akteneinsicht)

(1) Die Beteiligten haben während des Verfahrens das Recht auf Akteneinsicht.

(2) Betreffen außerhalb des Verfahrens gestellte Anträge auf Akteneinsicht personenbezogene Daten, gelten die allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften, soweit dieses Gesetz keine abweichende Regelung trifft. Öffentlichen Stellen kann Akteneinsicht gewährt werden, soweit dies für Zwecke der Rechtspflege erforderlich ist oder die in § 9 Absatz 2 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 17. Mai 2018 (GV. NRW. S. 244, ber. S. 278 und S. 404) genannten Voraussetzungen vorliegen oder soweit dies zur Durchführung wissenschaftlicher Forschung erforderlich ist, das wissenschaftliche Interesse an der Durchführung des Forschungsvorhabens das Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Zweckänderung erheblich überwiegt und der Zweck der Forschung auf andere Weise nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erreicht werden kann. Nichtöffentlichen Stellen einschließlich den Beteiligten nach Abschluss des Verfahrens kann Akteneinsicht gewährt werden, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegen und die datenschutzrechtlichen Belange Dritter gewahrt bleiben. Einer Unterrichtung des Betroffenen von der Übermittlung seiner Daten bedarf es nicht. Akteneinsicht kann auch gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat.

(3) In Entwürfe von Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen, Arbeiten zu ihrer Vorbereitung und Dokumente, die Abstimmungen betreffen, wird Akteneinsicht nicht gewährt.

§ 16b
(Archivierung)

Für die Einsicht in die Akten des Verfassungsgerichtshofs, die beim Landesarchiv aufbewahrt werden, gelten nach Ablauf von 30 Jahren seit Abschluss des Verfahrens die archivgesetzlichen Regelungen. Für Entwürfe von Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen, Arbeiten zu ihrer Vorbereitung, Dokumente, die Abstimmungen betreffen, und internen Schriftverkehr gilt dies nach Ablauf von 60 Jahren. Der Verfassungsgerichtshof behält für das abgegebene Schriftgut, das beim Landesarchiv aufbewahrt wird, zu gerichtsinternen und prozessualen Zwecken das jederzeitige und vorrangige Rückgriffsrecht. Zu diesem Zweck ist es ihm auf Anforderung umgehend zu übersenden.

§ 16c
(Personenbezogene Daten)

Der Verfassungsgerichtshof darf in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren zu den Akten gelangte personenbezogene Daten für ein anderes verfassungsgerichtliches Verfahren verarbeiten.“

7. Dem § 59 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) An der Entscheidung über die Ablehnung von Mitgliedern der Kammern wegen Besorgnis der Befangenheit wirken die persönlichen Vertreter der Abgelehnten mit.“

8. Dem § 60 wird folgender Satz angefügt:

„Wird eine Verfassungsbeschwerde vor Beginn der mündlichen Verhandlung zurückgenommen oder für erledigt erklärt, entscheidet über die Einstellung des Verfahrens auch dann die Kammer, wenn der Verfassungsgerichtshof in voller Besetzung mit der Verfassungsbeschwerde befasst ist.“

9. Nach § 63 wird folgender Fünfter Teil eingefügt:

„Fünfter Teil
Verzögerungsbeschwerde

§ 63a
(Entschädigung bei unangemessener Verfahrensdauer)

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof als Verfahrensbeteiligter oder als Beteiligter in einem zur Herbeiführung einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ausgesetzten Verfahren einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Aufgaben und der Stellung des Verfassungsgerichtshofs.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise, insbesondere durch die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer, ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann der Verfassungsgerichtshof einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

§ 63b
(Zulässigkeit der Verzögerungsbeschwerde, Verzögerungsrüge)

(1) Über Entschädigung und Wiedergutmachung wird auf Grund einer Beschwerde zum Verfassungsgerichtshof entschieden (Verzögerungsbeschwerde). Die Verzögerungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge ist schriftlich und unter Darlegung der Umstände, die die Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen, einzulegen. Sie ist frühestens zwölf Monate nach Eingang des Verfahrens beim Verfassungsgerichtshof zulässig. Einer Bescheidung der Verzögerungsrüge bedarf es nicht.

(2) Die Verzögerungsbeschwerde kann frühestens sechs Monate nach Erheben einer Verzögerungsrüge erhoben werden. Ist eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ergangen oder das Verfahren anderweitig erledigt worden, ist die Verzögerungsbeschwerde binnen drei Monaten zu erheben. Sie ist schriftlich einzulegen und gleichzeitig zu begründen. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verzögerungsbeschwerde ist der Anspruch nicht übertragbar.

§ 63c
(Entscheidung über die Verzögerungsbeschwerde)

(1) Über die Verzögerungsbeschwerde entscheidet die Beschwerdekammer, der drei Richter angehören, von denen mindestens einer Berufsrichter sein muss. Die regelmäßige Amtszeit beträgt zwei Jahre.

(2) Für den Fall, dass der Berichterstatter des beanstandeten Verfahrens Mitglied der Beschwerdekammer ist, ist er von der Mitwirkung am Beschwerdeverfahren ausgeschlossen.

(3) Das Nähere über die Besetzung der Beschwerdekammer regelt die Geschäftsordnung.

§ 63d
(Stellungnahme und Entscheidung)

(1) Der Berichterstatter des beanstandeten Verfahrens soll binnen einem Monat nach Eingang der Begründung der Verzögerungsbeschwerde eine Stellungnahme vorlegen.

(2) Die Beschwerdekammer entscheidet ohne mündliche Verhandlung. Der Beschluss über die Verzögerungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

(3) Die Entscheidung ist unanfechtbar.

§ 63e
(Geltungsdauer)

Die §§ 63a bis 63d gelten auch für Verfahren, die am 5. März 2022 bereits anhängig waren, sowie für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer an diesem Datum Gegenstand einer Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann. Für abgeschlossene Verfahren nach Satz 1 gilt § 63b Absatz 1 Satz 2 bis 5 nicht; § 63b Absatz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsbeschwerde sofort erhoben werden kann und spätestens am 5. Juni 2022 erhoben werden muss.“

10. Der bisherige Fünfte Teil wird Sechster Teil und das Wort „Schlußvorschriften“ wird durch das Wort „Schlussvorschriften“ ersetzt.

2030

Artikel 2
Änderung des Landesbeamtengesetzes

Das Landesbeamtengesetz vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310, ber. S. 642), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 1. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1367) und Artikel 5 des Gesetzes vom 1. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1346) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 106 folgende Angabe eingefügt:

„§ 106a Beamtinnen und Beamte des Verfassungsgerichtshofs“.

2. Nach § 106 wird folgender § 106a eingefügt:

„§ 106a
Beamtinnen und Beamte des Verfassungsgerichtshofs

Die Beamtinnen und Beamten des Verfassungsgerichtshofs sind Beamtinnen und Beamte des Landes. Für sie gelten die Vorschriften dieses Gesetzes, soweit darin nichts anderes bestimmt ist. Die Ernennung, Entlassung und Zurruhesetzung der Beamtinnen und Beamten des Verfassungsgerichtshofs werden durch die Präsidentin oder den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs vorgenommen. Oberste Dienstbehörde und dienstvorgesetzte Stelle der Beamtinnen und Beamten des Verfassungsgerichtshofs ist die Präsidentin oder der Präsident des Verfassungsgerichtshofs.“

Artikel 3
Übergangsregelung

Die Entschädigung der Präsidentin oder des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, die oder der am 5. März 2022 im Amt ist, bestimmt sich bis zum Ende des Monats, in den dieser Zeitpunkt fällt, nach § 9 Absatz 1 des Verfassungsgerichtshofgesetzes in der bis zum 5. März 2022 geltenden Fassung.

Artikel 4
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Düsseldorf, den 23. Februar 2022

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen

Der Ministerpräsident
Hendrik  W ü s t

Für den Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration
Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung
Ina  S c h a r r e n b a c h

Der Minister des Innern
Zugleich für den Minister der Finanzen
Herbert  R e u l

Der Minister der Justiz
Peter  B i e s e n b a c h

GV. NRW 2022 S. 231