Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2003 Nr. 23 vom 28.5.2003 Seite 261 bis 268
Verordnung über weitere polizeiliche Aufgaben des Landeskriminalamts bei der Gefahrenabwehr sowie der Erforschung und Verfolgung von Straftaten |
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Verordnung über weitere polizeiliche Aufgaben des Landeskriminalamts bei der Gefahrenabwehr sowie der Erforschung und Verfolgung von Straftaten
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Verordnung
über weitere polizeiliche Aufgaben
des Landeskriminalamts
bei der Gefahrenabwehr sowie der
Erforschung und Verfolgung von Straftaten
Vom 7. Mai 2003
Auf Grund des § 13 Abs. 5 des Polizeiorganisationsgesetzes (POG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Juli 2002 (GV. NRW. S. 308, ber. S. 629) wird im Einvernehmen mit dem Justizministerium verordnet:
§ 1
Das Landeskriminalamt ist zuständige Landesbehörde der Polizei im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 1 und § 17 Abs. 1 des Bundeskriminalamtgesetzes (BKAG).
§ 2
Als Informationssammel- und -auswertungsstelle kann das Landeskriminalamt den Polizeibehörden fachliche Weisungen erteilen insbesondere
1. für einen einheitlichen und wirksamen Informationsaustausch über Straftaten und Straftäter zwischen den Polizeibehörden und dem Landeskriminalamt sowie dem Bundeskriminalamt,
2. im Zusammenhang mit der Nutzung von landesweiten Datenbankanwendungen und Falldateien zur Kriminalitätsbekämpfung,
3. für die Polizeiliche Kriminalstatistik.
§ 3
(1) Die Übernahme von Ermittlungen durch das Landeskriminalamt auf Grund von Ersuchen gemäß § 13 Abs. 4 Nr. 3 POG NRW kommt in Betracht bei Straftaten, wenn Anhaltspunkte für überregionale, länderübergreifende oder internationale Tatzusammenhänge erkennbar sind und eine zentrale Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist, insbesondere bei
1. Delikten der politisch motivierten Kriminalität, vornehmlich bei Straftaten gemäß den §§ 129, 129a und 129b des Strafgesetzbuches (StGB),
2. Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit gemäß den §§ 93 ff. StGB,
3. nationalsozialistischen Gewaltverbrechen gemäß § 211 StGB,
4. Delikten nach dem Völkerstrafgesetzbuch,
5. Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes und der Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts (Proliferation),
6. Organisierter Kriminalität sowie schwerer Bandenkriminalität,
7. Wirtschafts-, Umwelt- und Korruptionskriminalität,
8. Computerkriminalität und Kriminalität in Datennetzen,
9. gewerbsmäßiger Verbreitung kinderpornografischer Schriften.
(2) Das Landeskriminalamt führt auf Ersuchen einer Staatsanwaltschaft oder einer Polizeibehörde im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft die gezielte Fahndung nach einer Person durch, wenn diese
1. zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt ist und sich der Strafvollstreckung durch Flucht entzieht,
2. einer schweren Straftat dringend verdächtig ist und sich verborgen hält,
3. vorläufig gemäß § 126a der Strafprozessordnung (StPO) oder nach rechtskräftigem Abschluss eines Sicherungsverfahrens gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischem Krankenhaus unterzubringen ist oder untergebracht war und sich der Vollstreckung einer Maßregel durch Flucht entzieht
und eine Ausschreibung zur internationalen Fahndung oder im Schengener Informationssystem erfolgt ist.
(3) Hat das Landeskriminalamt Bedenken gegen die Übernahme der Ermittlungen gemäß Absatz 1 oder gegen die Durchführung der gezielten Fahndung nach Absatz 2, trägt es diese dem Innenministerium vor, welches dann im Einvernehmen mit dem Justizministerium entscheidet.
(4) Das Landeskriminalamt verfolgt eine Straftat im Falle des § 18 BKAG, es sei denn, das Innenministerium überträgt die Zuständigkeit einer anderen Polizeibehörde.
§ 4
(1) Das Landeskriminalamt ist unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 POG NRW zuständig für
1. die Durchführung polizeilicher Maßnahmen in Eilfällen aus Anlass der Weiterführung grenzüberschreitender Observationen gemäß Artikel 40 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) durch Angehörige des Polizeidienstes anderer Staaten,
2. die Übernahme grenzüberschreitender Observationen gemäß Artikel 40 SDÜ oder auf der Grundlage bewilligter Rechtshilfe,
3. grenzüberschreitende polizeiliche Maßnahmen unter Beteiligung von Spezialeinheiten oder -kräften aus Anlass bewilligter Rechtshilfe oder bei Verlagerung einer Gefahrenlage aus dem benachbarten Ausland, soweit nicht ein Polizeipräsidium gemäß § 4 der Verordnung über die Bestimmung von Polizeipräsidien zu Kriminalhauptstellen zuständig ist,
4. die Durchführung polizeilicher Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere in Fällen, in denen Informationen über die in Nordrhein-Westfalen bevorstehende Begehung von schweren Straftaten vorliegen und örtliche Maßnahmen der Kreispolizeibehörden zur Abwehr der Gefahren keinen Erfolg versprechen oder einheitliche Maßnahmen durch eine zentrale Stelle erforderlich sind,
5. die Durchführung unaufschiebbar notwendiger Maßnahmen zur Erforschung und Verfolgung von Straftaten unter Ausnutzung von Datennetzen, die unmittelbar beim Landeskriminalamt angezeigt werden.
(2) Das Landeskriminalamt gibt in den Fällen des Absatzes 1 die Aufgabenwahrnehmung im Einvernehmen mit der Bezirksregierung an eine Kreispolizeibehörde ab, wenn deren örtliche Zuständigkeit nicht nur vorübergehend vorliegt.
(3) Im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung nach Absatz 1 Nrn. 1 bis 3 ist das Landeskriminalamt Vornahmebehörde im Sinne der Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten, solange die Zuständigkeit nicht auf eine Kreispolizeibehörde übergegangen ist.
§ 5
Das Landeskriminalamt ist auf der Grundlage des § 13 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 POG NRW zuständig für
1. die Auswertung und Analyse von Kriminalitätsphänomenen und von schweren Straftaten, die eine zentrale, länderübergreifende oder internationale Aufgabenwahrnehmung erfordern, in anderen Fällen für die Koordinierung dieser Aufgaben durch die Kreispolizeibehörden,
2. den Informationsaustausch über polizeilich relevante Sachverhalte und Störer bei Sportveranstaltungen; insoweit ist das Landeskriminalamt Zentralstelle des Landes (Landesinformationsstelle Sporteinsätze) sowie der Polizeien des Bundes und der Länder (Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze).
§ 6
(1) Das Landeskriminalamt ist als zentrale Stelle im Sinne des § 13 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 POG NRW zuständig für
1. die Entgegennahme und Bearbeitung von Geldwäscheverdachtsanzeigen nach dem Geldwäschegesetz,
2. die Sammlung, Auswertung und Steuerung von Informationen über Grundstoffe nach dem Grundstoffüberwachungsgesetz und über andere Produkte, die zur Herstellung und Verbreitung von Betäubungsmitteln missbraucht werden können,
3. die Entgegennahme von Ersuchen, den Datenabgleich und die Auskunftserteilung im Rahmen von Zuverlässigkeitsüberprüfungen insbesondere nach § 29d Luftverkehrsgesetz in Verbindung mit § 4 Luftverkehr-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung sowie § 12b Atomgesetz in Verbindung mit § 5 Atomrechtliche Zuverlässigkeitsüberprüfungs-Verordnung.
(2) Das Landeskriminalamt ist im Rahmen der zentralen Informationsverarbeitung, -auswertung und -steuerung zuständig für die Koordinierung
1. des Einsatzes einschließlich der Ausstattung und Ausrüstung von Spezialeinheiten und -kräften,
2. des Einsatzes von Vertrauenspersonen und verdeckt ermittelnden Polizeivollzugsbeamten anderer Länder, des Bundes oder anderer Staaten durch Polizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen,
3. der Anforderung von Vertrauenspersonen oder verdeckt ermittelnder Polizeivollzugsbeamten durch Polizeidienststellen anderer Länder, des Bundes oder anderer Staaten,
4. von Maßnahmen des Zeugenschutzes der Polizeibehörden des Landes oder des Bundes oder anderer Länder in Nordrhein-Westfalen,
5. von polizeiliche Maßnahmen zur Unterstützung der Suche nach Vermissten oder der Identifizierung von unbekannten Toten bei größeren Schadenslagen auch in anderen Ländern und im Ausland.
§ 7
(1) Das Landeskriminalamt ist Prüfungs- und Bewilligungsbehörde für ein- und ausgehende polizeiliche Rechtshilfeersuchen und koordiniert polizeiliche Belange bei der justiziellen Rechtshilfe.
(2) Das Landeskriminalamt ist zentrale Verbindungs- und Ansprechstelle für die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit sowie für die Zusammenarbeit mit EUROPOL.
§ 8
Die Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Sie tritt am 30. April 2008 außer Kraft.
Düsseldorf, den 7. Mai 2003
Der Innenminister
des Landes Nordrhein-Westfalen
Dr. Fritz B e h r e n s
GV. NRW. 2003 S. 262