Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2004 Nr. 5 vom 16.2.2004 Seite 79 bis 94

Ordnungsbehördliche Verordnung zur Durchführung des Landeshundegesetzes NRW (DVO LHundG NRW)
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Ordnungsbehördliche Verordnung zur Durchführung des Landeshundegesetzes NRW (DVO LHundG NRW)

2060

Ordnungsbehördliche Verordnung
zur Durchführung des Landeshundegesetzes NRW
(DVO LHundG NRW)

 

Vom 19. Dezember 2003

 

Auf Grund des § 16 Abs. 1 des Landeshundegesetzes NRW (LHundG NRW) vom 18. Dezember 2002 (GV. NRW. S. 656) wird verordnet:

§ 1
Sachkundenachweis

(1) Der Nachweis der Sachkunde nach § 6 Abs. 2 LHundG NRW ist von der Halterin oder dem Halter eines Hundes gegenüber der für den Vollzug des Tierschutzgesetzes zuständigen Behörde zu erbringen. Die erforderliche Sachkunde ist im Rahmen eines Fachgesprächs unter Beteiligung der beamteten Tierärztin oder des beamteten Tierarztes und erforderlichenfalls sachverständiger Dritter oder in einem vergleichbaren schriftlichen Verfahren (Sachkundeprüfung) zu ermitteln. Dazu hat die Halterin oder der Halter des Hundes ausreichende theoretische Kenntnisse nachzuweisen über

1. Sozialverhalten und Ausdrucksformen des Hundes, rassespezifische Eigenschaften (insbesondere Abstammung, Körperbau, Körpersprache),

2. Haltung, Ernährung sowie allgemeine Pflege/Hygiene von Hunden,

3. Erkennen und Beurteilen typischer Gefahrensituationen mit Hunden,

4. Erziehung und Ausbildung des Hundes sowie

5. Rechtsvorschriften über den Umgang mit Hunden.

 

(2) Die Teilnahme an der Sachkundeprüfung ist bei der für den Vollzug des Tierschutzgesetzes zuständigen Behörde zu beantragen. Die zuständige Behörde teilt der Antragstellerin oder dem Antragsteller den Termin für die Sachkundeprüfung unter Benennung des Prüfungsortes mit.

 

(3) Ergibt die Sachkundeprüfung, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller die erforderliche Sachkunde besitzt, erhält sie oder er von der für den Vollzug des Tierschutzgesetzes zuständigen Behörde eine Bescheinigung (Sachkundebescheinigung). Ergibt die Prüfung, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller die erforderliche Sachkunde nicht besitzt, kann die Sachkundeprüfung einmal wiederholt werden. Der Zeitraum bis zur Wiederholungsprüfung soll zwei Monate nicht überschreiten. Ergibt auch die Wiederholungsprüfung, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller die erforderliche Sachkunde nicht besitzt, teilt die nach Absatz 1 Satz 1 zuständige Behörde dies der nach § 13 Satz 1 LHundG NRW zuständigen Ordnungsbehörde mit.

 

(4) Der Nachweis der Sachkunde kann in den Fällen des § 10 Abs. 3 und § 11 Abs. 3 LHundG NRW auch gegenüber anerkannten Sachverständigen oder einer anerkannten sachverständigen Stelle erbracht werden. Die Absätze 1 Satz 3, 2 und 3 gelten entsprechend.

 

§ 2
Anerkennung zur Erteilung
von Sachkundebescheinigungen

(1) Sachverständige und sachverständige Stellen im Sinne von § 10 Abs. 3 und § 11 Abs. 3 LHundG NRW bedürfen der Anerkennung durch das Landesamt für Ernährungswirtschaft und Jagd (LEJ).

 

(2) Die Anerkennung erfolgt auf Antrag, wenn

1. umfassende Kenntnisse nach § 1 Abs. 1 Satz 3 nachgewiesen werden und

2. die eine Sachkundeprüfung durchführenden Personen über die erforderliche Sachkunde auch zur Abnahme von Prüfungen verfügen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 ist im Rahmen einer Prüfung nachzuweisen. Dem Antrag ist ein Konzept für die Sachkundeprüfung beizufügen.

 

(3) Bei zertifizierten Ausbilderinnen oder Ausbildern für Hunde im Dienst- oder Rettungswesen oder anerkannten Leistungsrichtern, die diese Tätigkeit ausüben, wird das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 vermutet.

 

(4) Der Bescheid über die Anerkennung ist auf fünf Jahre zu befristen und hat die Personen namentlich zu bezeichnen, die berechtigt sind, die Sachkundeprüfung durchzuführen. Der Anerkennung sind Auflagen beizufügen, die sicherstellen, dass jede Änderung der für die Anerkennung wesentlichen Voraussetzungen und die Termine der Sachkundeprüfung der in Absatz 1 genannten Behörde unverzüglich mitgeteilt werden.

 

§ 3
Verhaltensprüfung

(1) Die Verhaltensprüfung nach § 5 Abs. 3 Satz 3 LHundG NRW wird durch die beamtete Tierärztin oder den beamteten Tierarzt – erforderlichenfalls unter Hinzuziehung sachverständiger Dritter – auf einem für den zu prüfenden Hund neutralen Gelände durchgeführt. Eine Verhaltensprüfung soll nur mit solchen Hunden durchgeführt werden, deren Halterin, Halter oder Aufsichtsperson in Besitz einer Sachkundebescheinigung ist. § 1 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

 

(2) Ziel der Verhaltensprüfung ist das Erkennen übersteigerter aggressiver Reaktionen des Hundes, die sich in gefährlicher Weise auf Mensch und Tier auswirken können. Die Verhaltensprüfung soll folgende Elemente (Prüfelemente) umfassen:

1. Überprüfung des Gehorsams des Hundes;

2. Verhalten bei Kontakt mit Personen in Bewegung (Jogger, Skater, Radler), die auch in engen räumlichen Kontakt zum Hund treten;

3. Verhalten bei Konfrontation mit unerwarteten Begebenheiten (z.B. Aufspannen eines Schirmes; Fallenlassen eines Schlüsselbundes; Kontakt mit nicht normal reagierenden Personen);

4. Verhalten des Hundes bei Konfrontation mit Geräuschen (z.B. Fahrradklingel, Geschrei, Trillerpfeife);

5. Verhalten im Straßenverkehr oder in einer vergleichbaren Gegebenheit;

6.. Verhalten beim Kontakt mit anderen, auch gleichgeschlechtlichen Hunden;

7. Verhalten des angebundenen Hundes ohne die Halterin oder den Halter in normalen Kontaktsituationen mit fremden Personen und Hunden.

Der Hund darf während des Prüfungsvorgangs keinen über das normale Maß hinausgehenden Reizen ausgesetzt werden, die nachvollziehbare und natürliche Abwehrreaktionen provozieren. Die Reize müssen dem Hund in angemessener Dosierung vermittelt werden, so dass überprüft werden kann, ob der Hund, gemessen an der Reizstärke, ein der Situation nicht angemessenes Aggressionsverhalten aufweist.

 

(3) Die Verhaltensäußerung des Hundes zu den verschiedenen Prüfelementen ist jeweils zu dokumentieren und zu bewerten. Bei einer negativen Bewertung zu einem Prüfelement nach Absatz 2 Satz 2 Nrn. 2 bis 7 ist davon auszugehen, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu befürchten ist. Die Prüfung ist abzubrechen und gilt als nicht bestanden. Bei einer negativen Bewertung des Prüfelements nach Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine Befreiung von der Maulkorbpflicht möglich ist, ohne dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu befürchten ist.

 

(4) Die abschließende positive Beurteilung der Verhaltensprüfung muss die Person benennen, die den Hund bei der Verhaltensprüfung geführt hat. Erforderlichenfalls ist eine Empfehlung zum Umfang der Befreiung von der Maulkorb- und/oder Anleinpflicht und zu möglichen Auflagen auszusprechen.

 

(5) Der zu prüfende Hund muss mindestens 15 Monate alt sein. Bei Hunden, die vor Erreichen des zweiten Lebensjahres geprüft werden, muss nach Ablauf von zwei Jahren eine Wiederholung der Verhaltensprüfung stattfinden.

 

(6) Für Hunde, die das Mindestalter noch nicht erreicht haben, soll eine befristete Ausnahme von der Anlein- und Maulkorbpflicht erteilt werden, wenn die regelmäßige, mindestens alle zwei Wochen erfolgende Teilnahme an einer Junghundeausbildung (z.B. Vorbereitung zur Begleithundeausbildung) der zuständigen Behörde gegenüber durch eine Bescheinigung der für den Vollzug des Tierschutzgesetzes zuständigen Behörde nachgewiesen wird.

 

(7) Die Verhaltensprüfung kann in den Fällen des § 10 Abs. 2 LHundG NRW auch gegenüber anerkannten Sachverständigen oder einer anerkannten sachverständigen Stelle abgelegt werden. Die Absätze 1 bis 5 gelten dafür entsprechend.

 

(8) Behördlich anerkannte Verhaltensprüfungen oder vergleichbare Prüfungen anderer Bundesländer, die die Feststellung rechtfertigen, dass beim ordnungsgemäßen Führen des Hundes ohne Leine und ohne Maulkorb eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht zu befürchten ist, sind als gleichwertig anzuerkennen und einer Entscheidung über die Befreiung von der Anlein- und Maulkorbpflicht gemäß § 5 Abs. 3 LHundG NRW zugrunde zu legen.

 

§ 4
Anerkennung zur Durchführung
von Verhaltensprüfungen

(1) Sachverständige und sachverständige Stellen im Sinne von § 10 Abs. 2 LHundG NRW bedürfen der Anerkennung durch das LEJ. § 2 Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend. Es ist außerdem nachzuweisen, dass die räumlichen Voraussetzungen zur ordnungsgemäßen Durchführung einer Verhaltensprüfung vorliegen und das Prüfungsgelände gegen das Entweichen von Hunden ausreichend gesichert ist.

 

(2) Eine wirksame Anerkennung von Verhaltensprüfungen privater Zuchtvereine für Hunde der Anlage 2 zur Landeshundeverordnung (LHV NRW) vom 30. Juni 2000 (GV. NRW. S. 518b) nach § 6 Abs. 4 LHV NRW gilt als Anerkennung nach Absatz 1 Satz 1 fort.

 

§ 5
Zentrale Erfassung registrierter Hunde

(1) Zuständige Behörde im Sinne des § 4 Abs. 7 Satz 3 LHundG NRW für die zentrale Erfassung registrierter Hunde ist das LEJ.

 

(2) Die gemäß § 13 Satz 1 LHundG NRW zuständige Ordnungsbehörde hat die auf dem Mikrochip gespeicherte Nummer unter Angabe des Anlasses der Meldung (Neuzugang, Abgang, Wechsel der Behördenzuständigkeit innerhalb des Geltungsbereichs des LHundG NRW) unverzüglich der nach Absatz 1 zuständigen Behörde zu übermitteln. Die Übermittlung hat auf elektronischem Wege zu erfolgen. Die Bearbeitung wird über ein voll automatisiertes Verfahren abgewickelt. Die nach Absatz 1 zuständige Behörde hat die übermittelte Nummer zusammen mit der Bezeichnung der zuständigen Ordnungsbehörde in einem Datensatz zu speichern.

 

(3) Die für den Vollzug des LHundG NRW zuständigen Ordnungsbehörden dürfen im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben auf die nach Absatz 2 zentral erfassten Daten zugreifen. Der Zugriff hat auf elektronischem Wege zu erfolgen. Die Bearbeitung wird über ein voll automatisiertes Verfahren abgewickelt.

 

§ 6
In-Kraft-Treten; Überprüfung
der Auswirkungen der Rechtsverordnung

(1) Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.

 

(2) Das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz überprüft die Auswirkungen dieser Rechtsverordnung und berichtet dem Kabinett spätestens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2008 über das Ergebnis der Überprüfung.

 

Düsseldorf, den 19. Dezember 2003

 

 

Die Ministerin
für Umwelt und Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
des Landes Nordrhein-Westfalen

Bärbel  H ö h n

 

GV. NRW. 2004 S. 85