Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2005 Nr. 7 vom 9.3.2005 Seite 87 bis 100

Ausführungsgesetz zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz (AGTierNebG NRW)
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Ausführungsgesetz zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz (AGTierNebG NRW)

7831

Ausführungsgesetz
zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz
(AGTierNebG NRW)

 

Vom 15. Februar 2005

 

Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

Ausführungsgesetz
zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz
(AGTierNebG NRW)

 

§ 1
Verarbeitung und Beseitigung
tierischer Nebenprodukte

(1) Die Kreise und kreisfreien Städte sind beseitigungspflichtige Körperschaften des öffentlichen Rechts im Sinne von § 3 Abs. 1 des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes (TierNebG) vom 25. Januar 2004 (BGBl. I S. 82) in der jeweils geltenden Fassung. Sie können einen Dritten für die Beseitigung der in ihrem Zuständigkeitsgebiet anfallenden tierischen Nebenprodukte bestimmen.

 

(2) Zweckverbände als Körperschaften des öffentlichen Rechts können durch Zusammenschluss beseitigungspflichtiger Körperschaften gebildet werden. Mit der Entstehung eines Zweckverbandes ist dieser im Sinne von § 3 Abs. 1 TierNebG zur Tierkörperbeseitigung verpflichtet.

 

§ 2
Einzugsbereiche

(1) Den Einzugsbereich nach § 6 Abs. 1 TierNebG bildet das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen.

 

(2) Das für die Verarbeitung und Beseitigung von nicht für den menschlichen Verzehr bestimmten tierischen Nebenprodukten zuständige Ministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Ministerium) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung eine von Absatz 1 abweichende Einzugsbereichsregelung festzulegen, soweit dies zur Gewährleistung einer geordneten und für die Kreise und kreisfreien Städte sowie für die Verursacher von tierischen Nebenprodukten finanziell vorteilhaften Entsorgung, zur Wahrung der Leistungsfähigkeit von Einrichtungen nach § 3 TierNebG oder aus Gründen der Gemeinschaftsinteressen geboten ist.

 

(3) Die Beauftragung eines Dritten nach § 3 Abs. 1 Satz 3 TierNebG sowie die Beleihung nach § 3 Abs. 2 TierNebG bedürfen nach dem Auslaufen der vor dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes bestehenden öffentlich-rechtlichen Entsorgungsverträge oder aufgrund der Kündigung eines solchen Vertrages der Genehmigung der für den beseitigungspflichtigen Kreis oder die beseitigungspflichtige kreisfreie Stadt zuständigen Bezirksregierung. Die Genehmigung darf insbesondere nur erteilt werden, wenn

1. eine den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Verarbeitung und Beseitigung tierischer Nebenprodukte gerecht werdende Entsorgungsstruktur gewährleistet bleibt, insbesondere der in dem Gebiet vorhandenen Tierpopulation, dem Anfall von Schlachtnebenprodukten, den Verkehrsverhältnissen, der Zahl und Leistungsfähigkeit der vorhandenen Verarbeitungsbetriebe für tierische Nebenprodukte und der Kapazitätsreserven für außergewöhnliche Situationen Rechnung getragen wird, und

2. das Entsorgungsunternehmen einen Verarbeitungsbetrieb im Sinne von Anhang I Nummer 9 oder Nummer 11 der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Oktober 2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte (ABl Nr. L 273 S. 0001) in der jeweils geltenden Fassung (Verordnung (EG) Nr. 1774/2002) in Nordrhein-Westfalen betreibt oder zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes bereits mit der Beseitigung und Verarbeitung von tierischen Nebenprodukten nach § 3 Abs. 1 TierNebG beauftragt oder mit dieser Aufgabe nach § 3 Abs. 2 TierNebG beliehen ist, und

3. der entsprechende Vertrag eine Laufzeit von höchstens acht Jahren, bei einer Verlängerung eines solchen Vertrages eine Laufzeit von höchstens fünf Jahren vorsieht, und

4. der Auftragnehmer aufgrund der geltenden öffentlich-rechtlichen Vergabevorschriften ermittelt worden ist und

5. sonstige Belange des öffentlichen Interesses nicht entgegenstehen.

 

(4) Tierkörper von Heimtieren nach Artikel 2 Buchstabe h) der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 unterfallen nicht dem Einzugsbereich nach Absatz 1 und nicht der Pflicht zum Abholen, Sammeln, Befördern, Lagern, Behandeln und Verarbeiten durch einen Verarbeitungsbetrieb, wenn sie

1. auf hierfür besonders zugelassenen Plätzen oder Anlagen vergraben oder

2. auf eigenem Gelände, nicht jedoch in Wasserschutzgebieten und nicht in unmittelbarer Nähe öffentlicher Wege und Plätze vergraben werden, oder

3. durch Verbrennen in einer zugelassenen Verbrennungsanlage gemäß Artikel 4 Abs. 2a) der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 beseitigt werden.

 

(5) Tierkörper von anderen Tieren als Heimtieren unterfallen nicht dem Einzugsbereich nach Absatz 1 und nicht der Pflicht zum Abholen, Sammeln, Befördern, Lagern, Behandeln und Verarbeiten durch einen Verarbeitungsbetrieb, wenn sie zu diagnostischen Zwecken an eine tierärztlich geleitete Untersuchungsstelle verbracht werden.

 

§ 3
Behörden

(1) Zuständige Behörde für die Entscheidung über Anträge nach Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 für den innergemeinschaftlichen Handel mit Material der Kategorie 1 oder der Kategorie 2, von verarbeiteten Erzeugnissen aus Material der Kategorie 1 oder der Kategorie 2 und von verarbeitetem tierischen Eiweiß ist das Ministerium. Bestimmen im Falle des Absatzes 2 Nr. 3 mehrere Bezirksregierungen den gleichen Betrieb, so bestimmt das Ministerium eine der betroffenen Bezirksregierungen als federführend für die den Bezirksregierungen nach diesem Gesetz zugewiesenen Zuständigkeiten.

 

(2) Zuständige Behörde im Sinne des TierNebG ist die Bezirksregierung für

1. die Genehmigung der Beauftragung nach § 3 Abs. 1 TierNebG sowie für die Genehmigung der Übertragung der Pflicht nach § 3 Abs. 2 TierNebG zur Abholung, Sammlung, Beförderung, Lagerung, Behandlung, Verarbeitung oder Beseitigung von tierischen Nebenprodukten,

2. die Verpflichtung eines Betriebes gemäß § 3 Abs. 3 TierNebG, einem anderen Beseitigungspflichtigen vorübergehend die Mitbenutzung zu gestatten,

3. die Bestimmungen gemäß § 6 Abs. 2 TierNebG, Rohmaterial auch in Betrieben außerhalb des jeweiligen Einzugsbereiches zu behandeln, zu verarbeiten und zu beseitigen,

4. die Zulassung von Anlagen gemäß Artikel 10 bis 15, 17 und 18 der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 und der darauf basierenden unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft,

5. Zulassungen gemäß der Entscheidung der Kommission vom 12. Mai 2003 betreffend Übergangsmaßnahmen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Verwendung von Küchen- und Speiseabfällen der Kategorie 3 in für Schweine bestimmten Futtermitteln sowie hinsichtlich des Verbots der Verwertung innerhalb derselben Tierart bei der Fütterung von Schweinen mit Spültrank (Entscheidung 2003/328/EG) sowie darauf basierender weiterer rechtlicher Bestimmungen.

 

(3) Im Übrigen ist die Kreisordnungsbehörde zuständige Behörde; sie ist auch zuständig für die Überwachung von Betrieben nach der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002. Sie hat sich bei der maschinentechnischen Überwachung der Anlagen zur Beseitigung von tierischen Nebenprodukten der Kategorien 1 und 2 eines Sachverständigen des Landes oder eines vom Land beliehenen Unternehmens zu bedienen. Die nach § 5 TierNebG zu entnehmenden Proben sind in staatlichen Untersuchungseinrichtungen oder unter deren Aufsicht zu untersuchen.

 

(4) Die Zuständigkeiten für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten gemäß § 14 TierNebG richten sich nach den Vorschriften des Ordnungswidrigkeitengesetzes. Abweichend von § 37 Ordnungswidrigkeitengesetz ist die für den Standort der Anlage zuständige Kreisordnungsbehörde zuständig für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Verantwortungsbereich eines Betriebs zur Verarbeitung und Beseitigung von tierischen Nebenprodukten.

 

§ 4
Entschädigung

Stellt eine Maßnahme nach diesem Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes eine Enteignung oder einen enteignungsgleichen Eingriff dar, so ist dafür eine angemessene Entschädigung in Geld zu gewähren.

 

§ 5
Schiedsverfahren

(1) Ist eine von der zuständigen Behörde getroffene Maßnahme gemäß § 4 zwischen ihr und dem Betroffenen streitig, so können beide Parteien einvernehmlich den Streit durch den Schiedsspruch eines Sachverständigen schlichten lassen. Die Streitigkeit ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Maßnahme einem Sachverständigen zu unterbreiten, der in einem vom Ministerium erstellten Verzeichnis aufgeführt ist.

 

(2) Auf den Schiedsvertrag und das schiedsrichterliche Verfahren finden die Vorschriften der §§ 1025 bis 1065 der Zivilprozessordnung entsprechende Anwendung. Gericht im Sinne des § 1063 der Zivilprozessordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, für Rechtsbeschwerden im Sinne des § 1065 der Zivilprozessordnung ist das Oberverwaltungsgericht zuständig. Abweichend von § 1059 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung muss der Aufhebungsantrag innerhalb eines Monats bei Gericht eingereicht werden.

 

§ 6
Gebühren, Entgelte und Vergütungen

(1) Für das Einsammeln, die Lagerung, Verarbeitung und Beseitigung von tierischen Nebenprodukten einschließlich Transport im Sinne von § 3 Abs. 1 und Abs. 2 TierNebG können Gebühren oder Entgelte erhoben werden. Von der Erhebung von Gebühren oder Entgelten kann mit Zustimmung des Beseitigungspflichtigen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 abgesehen werden bei toten Fundtieren, herrenlosen Tierkörpern, wie Tierkörpern von frei lebenden Wildtieren, sowie bei geringen Mengen von Schlachtabfällen.

 

(2) Beseitigungspflichtige Körperschaften nach § 3 Abs. 1 TierNebG können vom Besitzer der tierischen Nebenprodukte Gebühren gemäß § 6 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) vom 21. Oktober 1969 (GV. NRW. S. 712) in der jeweils geltenden Fassung auf der Grundlage einer Satzung erheben, sofern nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird.

 

(3) Inhaber von Betrieben zur Verarbeitung und Beseitigung von tierischen Nebenprodukten gemäß § 3 TierNebG, denen die Pflicht zur Beseitigung nach § 3 Abs. 2 TierNebG übertragen ist, können für die Beseitigung vom Besitzer ein privatrechtliches Entgelt verlangen.

 

(4) Übersteigen die Erlöse für Erzeugnisse aus tierischen Nebenprodukten, für die eine Überlassungspflicht nach § 7 Abs. 4 TierNebG besteht, die Kosten für die Verarbeitung und Beseitigung nicht unerheblich, so ist dem Besitzer eine Vergütung zu bezahlen. Die Höhe der Vergütung darf nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den Erlösen aus der Verarbeitung der tierischen Nebenprodukte stehen.

 

(5) Die Entgelte nach Absatz 3 sind durch besondere Tarife der Unternehmen nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 TierNebG zu regeln, die jährlich der Genehmigung durch die für deren Sitz zuständige Bezirksregierung bedürfen. Hierzu ist sie berechtigt, Bücher, Belege und sonstige Geschäftsunterlagen von den Unternehmen anzufordern sowie die Endkalkulation durch örtliche Erhebungen und Besichtigungen der Betriebe zu prüfen oder durch Beauftragte prüfen zu lassen. Die Unternehmen haben die erforderlichen Unterlagen bereit zu halten und die notwendigen Auskünfte zu erteilen. Für die Entgelte gelten die Selbstkostenpreisvorschriften der §§ 5 ff. der Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. November 1953 (VO PR 30/53) und die Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten (LSP) unter Zugrundelegung eines kalkulatorischen Gewinns von maximal 4 % auf die Selbstkosten. Die Nachweise sind entsprechend der VO PR 30/53 und der LSP zu führen. Bei der Vergabe von Unteraufträgen ist mit dem Auftragnehmer ein Selbstkostenpreis gemäß VO PR 30/53 und ein entsprechendes Prüfrecht für die zuständige Bezirksregierung zu vereinbaren. Die Tierseuchenkasse erhält von der zuständigen Bezirksregierung eine Ausfertigung des Gutachtens, wenn sie Gebühren oder Entgelte ganz oder teilweise erstattet.

 

(6) Die genehmigten Tarife sind von der Bezirksregierung im Amtlichen Mitteilungsblatt bekannt zu machen. Die genehmigten und veröffentlichten Tarife sind für alle Beteiligten verbindlich.

 

(7) Abweichend von Absatz 2 und Absatz 3 werden für die Verarbeitung und die Beseitigung von Tierkörpern von im Betrieb verendetem und von tot geborenem Vieh im Sinne des Tierseuchengesetzes von den Tierbesitzern Gebühren oder Entgelte in Höhe von 25 % der dabei in einem Betrieb nach § 3 TierNebG entstehenden Kosten für die Verarbeitung und Beseitigung solcher Tierkörper erhoben. Sofern eine Beihilfe für das Inkassoverfahren gemäß § 11 Ausführungsgesetz zum Tierseuchengesetz (AG-TierSG-NW) vom 29. November 1984 (GV. NRW. S. 754, ber. 1985 S. 325) in der jeweils geltenden Fassung gewährt wird, werden diese Beträge durch die Tierseuchenkasse zur Erstattung an die Unternehmen eingezogen. Die verbleibenden Kosten tragen die Kreise und kreisfreien Städte, soweit nicht ein anderer Kostenträger eintritt. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Schlachtvieh im Sinne des Tierseuchengesetzes; diese Beseitigungskosten haben die Schlachtstätten zu tragen.

 

(8) Die Unternehmen nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 TierNebG haben mindestens einmal jährlich den entsorgungspflichtigen Kreisen und kreisfreien Städten eine Auflistung der in ihrem Zuständigkeitsbereich anfallenden Tierkörper von Falltieren, aufgeschlüsselt nach Tierart und Herkunftsbetrieb, vorzulegen. Bei Bedarf können die Kreisordnungsbehörden, die Bezirksregierungen sowie die Tierseuchenkasse auch verlangen, dass ihnen unverzüglich eine tierart-spezifische Auflistung der für die jeweilige erhöhte Seuchengefahr relevanten Falltiere für ihren Zuständigkeitsbereich zur Verfügung gestellt wird.

 

§ 7
In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten,
Berichtspflicht, Übergangsregelungen

(1) Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. Januar 2005 in Kraft.

 

(2) Gleichzeitig tritt das Landestierkörperbeseitigungsgesetz (LTierKBG) vom 15. Juli 1976 (GV. NRW. S. 267), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. März 2004 (GV. NRW. S. 153), außer Kraft.

 

(3) Die Landesregierung berichtet dem Landtag fünf Jahre nach In-Kraft-Treten dieses Gesetzes über den Vollzug.

 

(4) Rechtmäßig befristete öffentlich-rechtliche Entsorgungsverträge, die vor dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes bereits bestanden, enden mit Ablauf der vertraglich vereinbarten Mindestlaufzeit. Satz 1 gilt sinngemäß für die Übertragung von Beseitigungspflichten. Enden Entsorgungsverträge vor diesem Zeitpunkt, gilt die Übertragung mit dem Ende des Vertrages im Sinne von § 43 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. November 1999 (GV. NRW. S. 602) in der jeweils geltenden Fassung als erledigt.

 

Düsseldorf, den 15. Februar 2005

 

 

Die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen

 

Der Ministerpräsident

Peer  S t e i n b r ü c k

(L. S.)

Die Ministerin
für Umwelt und Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Bärbel  H ö h n

 

GV. NRW. 2005 S. 95